Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich im Wesentlichen auf die Große Anfrage beziehen, nicht ohne noch einmal aufzugreifen, dass natürlich in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe widersprüchlicher Konflikte hier angesprochen wurden. Allein die Frage der Ernährungsgewohnheiten und der Bevorzugung von Hähnchenbrustfilets in Deutschland ist schon ein Problem. Der Verbrauch in Deutschland ist davon am höchsten, Deutschland produziert Reste von Hähnchen und die werden nach Afrika importiert und zerstören dort in Größenordnungen einheimische landwirtschaftliche Strukturen und machen Leute krank.
Jetzt kann man fragen: Was hat das mit dem Flächenfraß in Bremen zu tun? Diese Konflikte haben schon damit zu tun, im Übrigen auch der Konflikt, ob wir Biosprit machen oder ob wir Nahrungsmittel anbauen. Ist es überhaupt sinnvoll, Nahrungsmittel in dieser Größenordnung zu exportieren? Wir kommen ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Es bleibt immer noch die Frage: Was hat das mit Bremen zu tun? Es ist ein Indiz dafür: Wenn wir weitermachen mit diesem Flächenfraß, werden wir einen Teil dieser Absurditäten weiter unterstützen, insbesondere die extensive Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen, weil man natürlich dann, um die Leute zu ernähren, aber im Wesentlichen auch, um die Exporte zu sichern, aus weniger Flächen mehr herausholen muss, und dann gibt es einen Druck hin zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Es gibt einen Druck zu bestimmten Formen von Dünger und ähnlichen Dingen mehr.
Das heißt also, wenn man zunächst sagt, Bremen ist jetzt nicht gerade bekannt als landwirtschaftliches Land, wo also die Nahrungsmittelproduktion der Kern der Industrie ist – dies ist vielleicht auch nicht ganz richtig –, aber ein Indiz dafür dass, wenn natürlich jedes Jahr ein Stück der Flächen abgeknabbert wird, dass irgendwann die Flächen zu Ende sind. Natürlich entscheidet dabei die Geschwindigkeit, aber wenn man langsam immer mehr abknabbert, kommt man auch irgendwann an den Punkt, dass es einfach nichts mehr zu versiegeln gibt und möglicherweise zu wenig Flächen da sind, um Menschen zu ernähren. Allerdings ist es noch nicht so weit. Ich habe das einmal verglichen: Bremen hat zwar ungefähr 30 Prozent Nutzfläche, beziehungsweise 30 Prozent der bremischen Fläche werden für landwirtschaftliche Zwecke genutzt.
Dies ist eine Zahl, die mich wie wahrscheinlich viele überrascht, die dies nicht wahrnehmen. Das sind ungefähr 12 500 Hektar, Niedersachsen hat 2,6 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Wir haben im Vergleich zu Niedersachen ungefähr 0,6 Prozent Nutzfläche, sodass zunächst kein unmittelbares Problem für die Ernährung der Weltbevölkerung entsteht, wenn man hier die landwirtschaftlichen Nutzflächen reduziert. Das heißt aber nicht, dass man sich des Problems einfach entledigt.
Ich bin sehr dafür, dass man genau das überlegt, was die Kollegen vorher schon gesagt haben. Man muss dieser Form der Nutzung von Flächen und der Versiegelung von Flächen entgegenwirken. Wir sind meines Erachtens in der Verantwortung, Flächen wieder zu entsiegeln. Vorschläge wie urbanes Farming, also Obst und Gemüse im Garten zu ziehen, kann man in Betracht ziehen. Die Tatsache, dass es keine Erfassung von Industriebrachen in Bremen gibt, hat mich auch verwundert. Da gibt es Nachholbedarf und eine Reihe von Dingen, die man tun muss. Wir können uns, glaube ich, auch dafür einsetzen, dass sehr intensiv über die Subventionspolitik der Europäischen Union nachgedacht wird. In meiner Wahrnehmung wird Produktion subventioniert und nicht Existenz. Vielleicht kann man da einmal einen Unterschied machen.
(Abg. I m h o f f [CDU]: Da müssen Sie sich jetzt erst einmal schlaumachen, bevor Sie etwas sagen! Schauen Sie noch einmal nach! Das ist ja nun anders! Solche Aussagen ge- hen gar nicht, so etwas geht gar nicht!)
Herr Imhoff, vielleicht haben Sie ja möglicherweise darauf gewartet, dass Sie die Gelegenheit haben, einmal richtig dazwischenzurufen. Wenn Sie mir genau zugehört haben, dann habe ich gesagt, in meiner Wahrnehmung. Das bedeutet selbstverständlich, dass ich mich irren kann. Wenn es aber so ist, dass es sich lohnt, hunderttausende Tonnen von Hähnchenteilen, die in der Europäischen Union oder woanders produziert werden, aber auch hier, einzufrieren und nach Afrika zu verschiffen und dort für einen Euro das Kilo oder in ähnlicher Größenordnung zu verkaufen, dann stellt sich mir selbstverständlich die Frage, und vielleicht können Sie mir die Antwort darauf geben, wie man eine Subventionspolitik entwickeln kann, die das dämmt und letztendlich verhindert und die die Existenz der europäischen und der deutschen Bauern sichert. Ich betrachte das als Frage.
Wir haben hier eine Debatte, deswegen werde ich auch gern klüger, wenn Sie hierher kommen und mir das genau erklären, darauf warte ich gern. Trotzdem bleibt die Frage nach der Subventionspolitik auf der Tagesordnung. Darüber muss man nachdenken. Ich habe den Artikel in der „taz“ hinsichtlich des Flächenfraßes und der Zwangsbiologisierung der bremischen Bauern, wie es dort ausgeführt wird, mit Interesse gelesen.
Da stelle ich mir die Frage: Gibt es nicht auch Möglichkeiten, von uns, aus der Landesregierung, möglicherweise mit Hilfe der Wirtschaftsförderung, dafür zu sorgen, dass insbesondere Bioprodukte aus Bremen in Bremen bekannter und in Bremen beliebter werden und man die Wertschöpfungsketten in Bremen unterstützt und Bauern, die in Bremen Bioprodukte herstellen, auch eine gute Möglichkeit gibt, ihre Produkte hier zu verkaufen? Dies ist auch wieder eine Frage und auch eine Anregung, dass man darüber nachdenkt und das Problem dadurch löst, dass man weniger Flächen vernutzt, dass man Flächen wieder entsiegelt und dass man schaut, wie man eigentlich die Landwirte, die vernünftige Produkte in Bremen für die bremische Bevölkerung erzeugen, so unterstützt, dass sie damit ihre Existenzen sichern können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Imhoff, auch mich freut es wirklich, dass Sie mit Ihrer Anfrage die Diskussion um den Flächenverbrauch einfordern, und deshalb bedanke ich mich für die Große Anfrage zum Schutz von landwirtschaftlichen Flächen,
denn Sie sprechen eine zentrale Frage des grünen Selbstverständnisses an, aber auch der Politik des aktuellen Senats, nämlich wie wir mit der Ressource Boden oder Flächen insgesamt sehr sorgfältig umgehen können. Wir alle wissen, dass der Rat für nachhaltige Entwicklung, der die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele im Auftrag der Bundesregierung verfolgt, immer wieder darauf hinweist, dass wir, gerade was den schonenden Umgang mit Flächen anbelangt, noch Jahr für Jahr die Nachhaltigkeitsziele deutlich verfehlen. Das wollen wir gemeinsam ändern. Schon in Ihrer Fragestellung haben Sie die Konflikte zwischen Siedlungserweiterungen, Infrastrukturmaßnahmen – über die Gigaliner haben wir gerade noch etwas gehört – und den Verbrauch von landwirtschaftlichen Flächen benannt. Diese beschäftigen auch mich besonders. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass Sie nicht wie viele Ihrer Parteikollegen vor allem den Naturschutz für die Situation der Landwirtschaft in Bremen verantwortlich machen, sondern dies als nur einen der möglichen Konfliktbereiche benennen. Selbstverständlich werde ich die Politik eines sehr sorgfältigen Umgangs mit Flächen, Neuinanspruchnahmen, auch unter Inkaufnahme von Konflikten der Innenentwicklung, die schon von der Vorgängerregierung begonnen wurde, wie die statistischen Zahlen belegen, weiterführen. Es würde mich sehr freuen, Sie dabei weiterhin an meiner Seite zu wissen. Nicht zuletzt im derzeit in Aufstellung begriffenen neuen Flächennutzungsplan wird es darum gehen, wie viele zum Beispiel der Wohnbauprojekte – und es ist ja keineswegs so, dass die Bautätigkeit zum Erliegen kommt, im Gegenteil, wir steigern sie gerade wieder – in der Innenentwicklung realisiert werden und wie viele landwirtschaftliche Flächen beansprucht werden müssen. Sie wissen, dass wir vorhaben, bis zum Jahr 2020 14 000 Wohneinheiten zu bauen. Wir haben auch deutlich gemacht, dass wir dafür die Bautätigkeit verdoppeln werden. Wir haben auch den wohnungswirtschaftlichen Dialog mit den entsprechenden Akteuren wieder aufgenommen, um gemeinsam diese Dinge voranzutreiben. Noch einmal zu den Fakten: Zunächst ist zu konstatieren, und das haben Sie auch eingeräumt, dass sich der Flächenverbrauch gegenüber den Neunzigerjahren im Großen und Ganzen halbiert hat. Sie sagen, dass dies ein bundesweiter Trend sei. Wenn Sie sich einmal überlegt haben, wie sich die prozen
tualen Stimmenanteile der Grünen bei Wahlen in der Zeit entwickelt haben, diese haben sich in jener Zeit verdoppelt. Vielleicht besteht da ja ein Zusammenhang. (Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/ Die Grünen)
Ich finde es erfreulich, dass auch Ihnen deutlich geworden ist, dass die gesetzlich notwendigen Ausgleichsmaßnahmen neuerdings nur ganz nachgeordnet die Nutzbarkeit der landwirtschaftlichen Flächen weiter einschränken und auch in den durch EU-Recht betroffenen Gebieten nach Kompromissmöglichkeiten gesucht wird hier in Bremen. Das sehen Sie an den differenzierten Regelungen mit unterschiedlichen Zonen, die zum Beispiel hofnah eine intensivere Bewirtschaftung ermöglichen. In anderen Bundesländern wird das häufig ganz anders gehandhabt, da wird einfach überall Naturschutzgebiet ausgewiesen. Als kleines Bundesland müssen wir da zu anderen kreativen Lösungen kommen.
Wie gesagt, es hat mich gefreut, dass auch Sie als Landwirt die umstrittene Frage des Konfliktes im Rahmen der Energiewende, zu der zweifellos auch die Erzeugung von Biogas und die Erzeugung von Nahrungsmitteln gehört, ansprechen. An dem Konflikt um die Biogasanlage in Oberneuland können Sie sehen, dass mein Haus hier sehr kritisch und mit Augenmaß vorgeht und die Frage der notwendigen Energieerzeugung mit anderen Belangen vom Landschaftsschutz bis zu Konflikten mit der Besiedlung differenziert betrachtet und zu sorgfältigen Abwägungen kommt. Das werden wir auch in Zukunft so halten. – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/125, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.
Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Professor Stauch. Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein Thema, dass sich um die soziale Spaltung kümmert, und es liegt uns hoffentlich allen sehr am Herzen. Wenn wir uns die Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre ansehen im Zusammenhang mit Sozialräumlichkeit et cetera, dann diskutieren wir sehr viel, aber es ist wenig passiert, und es ist überhaupt nichts in Richtung des Besseren passiert. Die Koalitionsvereinbarung von 2007 sagt noch, dass wir möglichst viele Ein-Euro-Jobs durch sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ersetzen wollen. Es ist seit 2007 nicht passiert. 2011 heißt es dann, wir werden einen Schwerpunkt auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung setzen. Dies ist schon eine Abschwächung und entsprechend geschönt. Wenn wir uns das heute ansehen, in der Realität von 2011/2012, haben wir einen Abbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, und nächstes Jahr wird praktisch kaum noch etwas davon übrig bleiben. Das ist das, was momentan passiert. Das heißt, wir haben einen Siegeszug der sogenannten Ein-Euro-Jobs, genau genannt AGH MAE, wenn sie sich das im SGB II unter Paragraf 16 ansehen, sind dies Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung. Das ist das, was von unseren hehren Zielen in der Arbeitsmarktpolitik, die sozialräumlich ausgerichtet sein soll, übrig bleibt. Das ist bitter, und das, was in Stadtteilen zurzeit passiert, ist ein schwerer Schlag. Ich war vor ein paar Wochen in Blockdiek, Herr Rohmeyer wird das bestätigen können, er war auch dabei. Wir haben uns das vor Ort angesehen.
(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Das glau- ben wir Ihnen auch so, dazu brauchen wir nicht Herrn Rohmeyer!)
Von den sonstigen Abgeordneten war niemand da! Rot-Grün war selbstverständlich vertreten, und auf der Kommunal- und Beiratsebene, muss man sagen, ist letztendlich eine sehr gute Diskussion entstanden, in der man sich darüber verständigt, was eigentlich vor Ort passieren muss. Wir haben hier ein Leck, dass in der Perspektive gedacht wirklich bedrohlich und bedenklich ist. Diese Ein-Euro-Jobs werden jetzt die gut 500 Entgeltvarianten, die wir haben, ersetzen. Das heißt, bis zum 31. Dezember 2011 ist damit Schluss, und ab dem 1. Januar werden dieselben Menschen, die bisher eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit hatten, die nicht toll war, schlecht bezahlt und so weiter, umgewandelt in Ein-Euro-Jobs. Das heißt, ab dem 1. Januar haben sie eine Zuweisung über drei Monate. Das Jobcenter spricht jetzt davon, Zuweisungen maximal bis zu sechs Monaten auszusprechen. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Das ist für die sozialen Projekte in den Stadtteilen ein einziges Desaster. Da gibt es überhaupt gar keine Perspektive mehr. Die Frustration, die Depression, die dort inzwischen um sich gegriffen haben, das kommt hier gar nicht an. Das ist das, worüber ich mir Sorgen mache. Wenn wir das im Kontext sehen zu dem, was die Armutsentwicklung ausmacht, wir haben es gestern von Frau Senatorin Stahmann gehört, am Wochenende konnten wir es wieder nachlesen, bezüglich der Familien, der Kinder, wir haben es an allen Ecken und Enden zu beklagen, wir werden später noch einmal über die Kürzung der sozialen Stadtmittel sprechen, auch da geht es bergab, dann heißt das, wir gehen in eine Entwicklung, die in keiner Weise aufgehalten wird, was das letztendlich vor Ort bedeutet. Ich verstehe nicht, warum es da keine Sensibilität, keine Kreativität und keine Überlegung gibt, wie man dem Einhalt gebieten kann.
Es gibt eine Liste, die ja den Ortsämtern und Beiräten bekannt ist, und in der man sich anschauen kann, wo diese Ein-Euro-Jobs aktuell eingesetzt werden. Ich würde Ihnen die Lektüre dieser Liste sehr empfehlen. Es gibt kaum eine öffentliche Stelle, die nicht letztendlich eine Einsatzstelle ist. Es gibt unglaublich viele Stellen, die durch Ein-Euro-Jobs substituiert worden sind, in der Daseinsvorsorge. Ich kann Ihnen das aufzählen, wir haben Pausenversorgung, pädagogische Mittagstische, wir haben Recyclingbetriebe und Botendienste. Von der Polizei, bis zum Theater bis zum Staatsarchiv sowie bis zu einzelnen Sozialeinrichtungen sind dort alle vertreten. Da frage ich Sie ernsthaft: Was ist das für eine Zusätzlichkeit? Wir kompensieren den Personalabbau im öffentlichen Dienst durch genau diese Maßnahmen, das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass die Träger und Initiativen nicht mehr wissen, wie sie letztendlich überleben sollen und was überhaupt noch einigermaßen abzustützen ist. Wir nutzen im Grunde genommen die hohe Identifikation mit den sozialen Projekten aus, um die Angebote in den Stadtteilen noch zu gewährleisten. Das ist, finde ich, unverantwortlich, das können wir uns überhaupt nicht leisten. (Beifall bei der LINKEN)
Die Kürzungen der Bundesregierung schlagen auf der einen Seite hier in Bremen existenziell durch. Es ist aber auf der anderen Seite so, dass Bremen seit Jahren keine Landesmittel mehr hinein gibt. Bremen ist an dem Jobcenter zur Hälfte beteiligt, das heißt, letztendlich ist Bremen mit in der Trägerversammlung über das Amt für Soziale Dienste vertreten. Der Einfluss geht ziemlich gegen Null, weil man ja selbst keine Mittel einsetzen kann. Das halten wir für völlig falsch. Wie können wir als Landesregierung sagen, wir finanzieren hier gar nichts mehr? Wir ha
ben gestern gehört, dass es sogar möglich ist, ohne die Schuldenbremse den Sanierungspfad zu verlassen und Geld auszugeben. Es ist doch keine Generationengerechtigkeit, wenn wir sagen, wir entschulden lieber, dafür gehen momentan die Projekte zugrunde. Dazu muss ich ehrlich sagen, das muss ich doch abwägen. Deswegen haben wir diesen Vorschlag hier und heute eingebracht.
(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das ist kein Vorschlag, das ist ein Auftrag!)
Es ist ein Vorschlag! Ich muss sagen, ich erwarte von einem Arbeitsressort, dass es darüber nachdenkt, wie man mit dieser Situation umgeht. Ich erwarte ebenfalls, dass es nicht seit Jahr und Tag herum rotiert, im Grunde genommen völlig überfordert zwischen den Maßnahmen der Bundesregierung, den rudimentären Resten von Arbeitsmarktpolitik und den überbordenden bürokratischen Anforderungen bei EU-Geldern. Das ist nämlich alles, was uns hier noch zur Verfügung steht. Wenn ich mir ansehe, was es letztendlich bedeutet, und die Träger mehr oder weniger von diesen Hartz-IV-Maßnahmen profitieren, um ihre eigene Infrastruktur auf dem Rücken der Leute zu gewährleisten, dann kann ich wirklich nur sagen, wenn ich dies alles zusammennehme, dann sind wir doch längst an dem Punkt angelangt, bei dem man sagen muss, wir brauchen eine ganz andere Struktur von Beschäftigungspolitik. Nichts mehr mit Kopfprämien pro Nase und pro Monat, wobei die Auslastung darüber entscheidet, ob eine Infrastruktur weiterhin bestehen kann oder nicht! Wir müssen darüber nachdenken, wie wir diese Struktur vollkommen verändern, weg von genau dieser Hierarchie zwischen Ressort, Ämtern, Trägern und letztendlich den Maßnahmeteilnehmern. Das ist nicht das, was wir uns unter Beschäftigungspolitik vorstellen. Beschäftigung, würde ich sagen, ist in dem Zusammenhang sowieso ein falscher Begriff. Diese Menschen machen sehr notwendige Arbeit, und die Stadtteile profitieren wirklich außerordentlich davon. Ich möchte noch einmal anschließen, was die Stiftungsfrage anbelangt, hat Rot-Grün bislang viel Fantasie entwickelt, wenn es um ihre eigenen Anliegen und Projekte ging. Diese Fantasie wünsche ich mir hier auch. Wir haben sie in den Stadtteilen sehr nötig. – Danke! (Beifall bei der LINKEN)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um dieses Thema ist ja nicht neu. Wir haben sie in diesem Haus, glaube ich, im September schon geführt. Dabei ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
ging es um die grundsätzliche Frage, ob wir in der Lage sind, es können und wollen, dass das, was an Arbeitsmarktmitteln, an Geld und an Struktur gekürzt worden ist oder jetzt gekürzt wird, regional durch das Land Bremen kompensiert werden kann. Insofern, glaube ich, ist die Frage in der Debatte schon beantwortet worden.
Ich will mich bei dem Antrag deswegen mit zwei Zugängen auseinandersetzen. Das Erste ist die Frage der Finanzen. Der Kern des Antrags ist die Absicherung öffentlich geförderter Projekte durch die Gründung einer Stiftung in der Summe von 562 Stellen. Verwendet werden sollen dafür Mittel aus einer Unterschreitung einer möglichen höheren Neuverschuldung. Das heißt ja konkret, Sie wollen Kreditfinanzierung – denn das ist es ja dann – nicht etwa für Investitionen verwenden, sondern zur Finanzierung laufender Kosten, die aus einem zusätzlichen Personalaufwand entstehen. Wir nehmen also Kredite auf, das tun wir ja, wenn wir sozusagen eine höhere Neuverschuldung zulassen, um zusätzlichen Personalaufwand zu finanzieren, und das für vier Jahre. (Abg. R u p p [DIE LINKE]: Keinen zusätz- lichen, sondern notwendigen!)
Der ist fiskalisch zunächst einmal zusätzlich. Was passiert denn dann? Ich kenne die eine oder andere Sanierung aus dem privaten Bereich, wobei ich sehr weit davon entfernt bin, öffentliche Haushalte mit privaten Sanierungen zu vergleichen. Aber dass man eine Sanierung dadurch versucht, dass man Aufgaben ausweitet, ohne zum Beispiel durch Investitionen irgendeinen Return zu bekommen, ist mir neu. Ich glaube, das kann nicht gelingen. Diese Form von Kreditfinanzierung werden wir auch nicht machen. Zusätzliche Aufgaben wird man sich in diesem Haushaltsnotlageland nicht leisten können.
Das Zweite, was ich dazu anmerken möchte, ist, es gibt bei Ihnen offensichtlich eine gewisse Konkurrenz der Ideen, wofür man das Geld, das man gegenwärtig nicht hat, eigentlich ausgeben sollte. Gestern hatten wir in der Stadtbürgerschaft ohne Beteiligung der Bremerhavener den Antrag „Freie Mittel für Investitionen in den Kliniken ausgeben“ gehabt. Heute haben wir den Antrag „59 Millionen Euro für eine Stiftung“. Morgen werden wir einen weiteren Antrag unter Tagesordnungspunkt 40 behandeln, in dem im Wesentlichen ohne eine konkrete Summennennung eine Vielzahl von Maßnahmen definiert werden, die wir aus Geld, das wir nicht haben, zusätzlich finanzieren sollen.
Im Rechnungsprüfungsausschuss hatten wir, Herr Rupp, letztens eine kurze Debatte aufgrund Ihrer Anmerkung und der Feststellungen oder Vermutungen
des Rechnungshofs der Freien Hansestadt Bremen, es gäbe einen Investitionsstau in den Häfen in der Größenordnung von 143 Millionen Euro, ob es nicht sinnvoll sei, sich sozusagen zusätzlich zu verschulden, um solche Investitionen zu bedienen. Es gibt von Ihrer Seite also jetzt eine Konkurrenz der offensichtlich unterschiedlichen Ideen, was man mit dem Geld, das man gegenwärtig nicht hat, machen sollte. Da würde ich mir genau überlegen, worauf Sie wirklich den Schwerpunkt legen, das Geld, das wir gegenwärtig nicht haben, auszugeben.
Dann noch einmal eine zweite grundsätzliche Erwägung dazu! Stiftungskapital für die Stiftung käme ja aus Steuergeldern, das ist richtig, aus Verschuldung, die über Steuergelder dann wieder abgebaut werden muss, egal wann und von wem. Das ist im Übrigen auch der große Unterschied zur Stiftung „Wohnliche Stadt“. Das Steuergeld geben wir dann ohne den Einfluss des Haushaltsgesetzgebers einer Stiftung, mit einem Stiftungsvorstand und einem Stiftungsbeirat, ohne Parlament. Die entscheiden dann darüber, wie das Geld, das ihnen der Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung stellt, hinterher ausgegeben wird. Das halte ich im Übrigen auch bei aller gemeinsamen Suche nach Kreativität für grundsätzlich falsch, das kommt daher nicht in Frage.