Protocol of the Session on February 24, 2011

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der 8. September 2010 ist tatsächlich eine Zäsur im deutschen Glücksspielrecht gewesen. An diesem Tag hat der Europäische Gerichtshof die Europarechtskonformität der deutschen Regelungen zum Glücksspiel näher untersucht und sich sehr dezidiert dazu geäußert, was europarechtskonform ist und was nicht europarechtskonform ist. Er hat ausgeführt, das in Deutschland bestehende Glücksspielmonopol sei europarechtskonform, soweit es sich auf die Prophylaxe von Spielsucht stützt. Er hat aber auch gleichzeitig ausgeführt, dass man dieses Monopol nur dann aufrechterhalten könne, wenn andere Glücksspiele ähnliche Prophylaxe in Deutschland erfahren würden, und er hat ausdrücklich gerügt, dass Pferdewetten und Automatenspiel in Deutschland, obwohl sie ein wesentlich höheres Suchtpotenzial haben, nicht in dem Sinne staatlich reglementiert sind, wie das beim Toto, Lotto und bei Sportwetten der Fall ist.

Die Konsequenz daraus ist relativ einfach. Entweder wir schaffen ein einheitliches kohärentes Glücksspielrecht für jedes Glücksspiel, das wäre das, was die SPD präferiert, oder, und das ist die Alternative, die die FDP präferiert, wir liberalisieren das Glücksspiel, und jeder darf in Deutschland Glücksspiele anbieten.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Der eine Lizenz erhält!)

Wer eine Lizenz erhält? Wenn Sie einmal in das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gesehen haben, dann wissen Sie doch sofort, dass in dem Moment, wo ich teilliberalisiere, das Monopol weg ist, weil es keine kohärente Lösung mehr gibt. Das heißt, das, was Sie wollen, ist ein gewerbliches Glücksspiel für alle ohne jegliche staatliche Kontrolle. Das können Sie eigentlich auch sagen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Deshalb glaube ich, und so habe ich auch den Kollegen Strohmann verstanden, dass das beim Rest des Hauses auf deutliche Ablehnung stößt.

Wir haben aber einen Grund, Kollege Strohmann, warum wir Ihren Antrag auch nicht mitmachen können. Ihr Antrag ist in der Beschlussformel völlig in Ordnung, Erhalt des staatlichen Glücksspielmonopols. Er ist aber in der Herleitung mehr als schwierig, wenn wir uns dem anschließen würden, dass wir ein staatliches Glücksspielmonopol deshalb wollen, weil wir für soziale Zwecke Einnahmen generieren möchten, dann verletzen wir die Begründung, die der EuGH für die Rechtfertigung eines Glücksspielmonopols aufgestellt hat. Deshalb können wir schon aus diesem Grund Ihrem Antrag nicht zustimmen. Das wäre aber nicht der einzige Grund. Der zweite Grund ist, Sie verwirklichen in Ihrem Antrag na

türlich nicht den Kohärenzanspruch, weil Sie dann sinnvollerweise fordern müssten, dass auch Sie wollen, dass Pferdewetten und Automatenglücksspiele denselben Regeln unterworfen werden wie das normale Glücksspiel. Deshalb können wir Ihren Antrag nur ablehnen, wobei wir uns in der Hauptforderung einig sind, dass das staatliche Toto-/Lotto-Monopol erhalten bleiben muss.

Ich fasse zusammen: Die rot-grüne Koalition ist für die Beibehaltung des staatlichen Glücksspielmonopols, und wir wollen, dass Pferdewetten und Automatenspiele weiter reguliert, strenger beaufsichtigt und strenger monopolisiert werden, damit es am Ende des Tages in Deutschland nicht mehr möglich ist, dass Menschen legal Haus und Hof verspielen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist das ja eine viele Jahre währende Diskussion, und ich verschweige hier nicht, dass es in der grünen Fraktion in den letzten Jahren über diese Frage auch eine sehr intensive Debatte gegeben hat. Ich finde, es ist am Ende des Tages eine Abwägung der Aspekte der Spielsuchtbekämpfung, das hatten wir ja schon in der Debatte vorhin über die Automaten, wo wir in Bremen mit der Vergnügungssteuer mindestens einen kleinen Hebel in der Hand haben selbst und auf der bundesweiten Ebene die Frage des Staatsvertrags zum Glücksspiel.

Wir haben in der Vergangenheit, und diese Bedenken sind in der Tat immer noch nicht ganz ausgeräumt, ein Problem mit der Umsetzung des staatlichen Monopols gehabt, weil – das kommt aber auch bei allen Befürwortern des Monopols als selbstkritische Überlegung mit hinein – natürlich ein Monopol im Bereich der Sportwetten, wo man gerade einmal circa zehn Prozent des Sportwettenmarkts überhaupt abdeckt und alles andere von privaten Wettanbietern abgedeckt ist, in die Schwierigkeit kommt, als Staat rein ordnungspolitisch – oder wenn Sie auch einmal die Glaubwürdigkeit des Staates betrachten – ein Monopol zu beanspruchen und dann nicht durchsetzen zu können oder zu wollen, dass dieses Monopol auch tatsächlich umgesetzt wird und 90 Prozent des Marktes dann von privaten Anbietern im Sportwettenbereich angeboten werden. Das ist nach wie vor so, und das ist nach wie vor auch, glaube ich, ein Problem, weswegen wir ja mehrfach vom EuGH zitiert wurden und auch die Ministerpräsidenten in sehr intensiven Beratungen einen Weg suchen, wie man dieses Problem lösen kann. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Für die grüne Fraktion hat sich in dieser Situation die Frage der Bekämpfung der Spielsucht, die Frage einer kohärenten Lösung auf jeden Fall in der Abwägung als vorrangig dargestellt. Deswegen tragen wir den koalitionären Antrag hier mit, der in der Tendenz auch in eine ähnliche Richtung wie der CDU-Antrag geht. Die Differenz zwischen dem Antrag der Koalition und der CDU hat der Kollege Tschöpe soeben dankenswerterweise schon erwähnt, daher brauche ich das nicht noch einmal zu tun. Ich kann Bürgermeister Böhrnsen, der ja mit den Ministerpräsidenten diese schwierigen Verhandlungen führt, aber signalisieren, dass wir der Position, die das Land Bremen dort immer eingebracht hat, also Erhalt des Monopols zur vordringlichen Bekämpfung der Spielsucht in Deutschland, auf jeden Fall den Vorrang einräumen. Wenn es im Bereich der Beratungen Überlegungen der Ministerpräsidenten gäbe, den einen oder anderen Flexibilisierungspunkt dort einzubauen, was die Sportwetten angeht, sind wir da sicher aufgrund der Vorgeschichte unserer Überlegungen als grüne Fraktion in Bremen gesprächsbereit. Ich hatte es ja erwähnt, dass wir hier den einzigen Punkt sehen, der möglicherweise einer Kohärenz des Gesamtpakets noch entgegensteht.

Ich gehe aber davon aus – und das ist im Moment vielleicht mit Ausnahme des Landes SchleswigHolstein so, wo ja die dortige CDU-Fraktion sehr intensiv für die Aufhebung des Monopols die Trommel rührt –, dass sich die Ministerpräsidenten auf der Basis des Glücksspielmonopols einigen und es zu einem neuen Staatsvertrag kommt. Die Bremer Fraktion der Grünen sieht hier keine Hindernisse auf dem Weg, dass das Land Bremen dies vertrauensvoll unterstützt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden den Anträgen von CDU, SPD und den Grünen zustimmen. Der Erhalt des staatlichen Lotterie- und Sportwettenmonopols ist aus unserer Sicht absolut notwendig, auch deshalb, weil neben der Förderung und Finanzierung von kulturellen und umweltschützenden Projekten ein großer Teil dieser Mittel in den Sport fließt. Solange nur ein minimaler Anteil der Haushaltsmittel in den Bereich Sport in Bremen fließt, es sind gerade circa 0,4 Prozent des Haushalts, solange benötigen wir die Finanzierung durch die Lottomittel. Sport ist ein hohes Gut und eine gesellschaftliche Aufgabe, daher ist Sport auch von uns allen zu finanzieren. Was wir aber sicher ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

nicht benötigen, und darauf zielt der Antrag der FDP, ist eine weitere Lizenzierung von weiteren privaten Sportwettbetreibern und Online-Portalen. Dieses Vorhaben dient allein dazu, den Betreibern die Taschen zu füllen.

Eine vernünftige und objektive Kontrolle im Bereich der Suchtprävention – das war vor Kurzem ein Thema – kann auch nur der Staat garantieren. Private Anbieter interessiert so etwas wohl weniger, man will doch nicht seinen Markt verkleinern. Ich weiß, worüber ich spreche.

Zusammengefasst: Den Antrag der CDU, der sich für den Erhalt des staatlichen Monopols einsetzt, werden wir ebenso unterstützen wie den Antrag der SPD und der Grünen. Den Antrag der FDP, der dies zwar auch tut, aber gleichzeitig bei der Neuregelung der Lizenzvergabe ohne Rücksicht Klientelpolitik betreibt, werden wir ablehnen. Mich persönlich erinnert das an die Geschichte von der Begünstigung der Hoteliers, die warvauch unnötig und unschön. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt keinen Zweifel, die Verständigung unter den Ländern in der Frage der Ordnung des Glücksspielwesens ist zwingend und dringend. Sie wissen, der Staatsvertrag hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2011. Er ist befristet, das ist eine Besonderheit unter den Staatsverträgen, und es bedarf einer Mehrheit von 13 Ländern, wenn der Staatsvertrag fortgesetzt werden soll, dann allerdings auch nur in den Ländern, die diesen entsprechenden Entschluss fassen. Wenn es zu dieser Mehrheit nicht kommt, dann gibt es nach dem 31. Dezember 2011 keine Regelung, und deswegen brauchen wir eine.

Wir haben Ihnen in der Mitteilung des Senats dargelegt, dass die Ministerpräsidenten in verschiedenen Konferenzen das Thema diskutiert haben. Es gibt eigentlich nur zwei Optionen, wie gesagt, man verlängert den Vertrag oder man verständigt sich auf einen neuen Vertrag. Dazu gibt es, auch das haben wir soeben dargelegt, wenn man so will, zwei Modelle, nach denen man verfahren kann, nämlich das erste: Das Lotterie- und Sportwettenmonopol bleibt aufrechterhalten mit behutsamer Weiterentwicklung, damit sind Internetangebote gemeint, auch Bezug nehmend auf das, was die Realität ist, nämlich dass wir in dem Bereich, wenn wir das einmal so nennen wollen, Schwarzmarktangebote haben, um auch dem zu begegnen. Das zweite Modell wäre ein Festhalten am Lotteriemonopol mit einer Liberalisierung des Sportwettangebots, im Bereich von Lizenzierung –

oder wie auch immer – vollständige Liberalisierung. Eine Unterform dieses Modells wäre, sich auf eine Experimentierklausel zu verständigen, das heißt, für eine bestimmte Anzahl von Jahren eine solche Liberalisierung zu versuchen.

Der Senat und ich persönlich haben in den Gesprächen mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder für Bremen die Haltung eingenommen, wir wollen am Lotteriemonopol und am Sportwettmonopol festhalten. Ich habe dafür drei Gründe. Erstens, gesellschaftspolitische Gründe: Das Monopol ist die einzige denkbare Antwort aus meiner Sicht auf die Gefahren der Spielsucht und auch der Kriminalität im Umfeld des Spiels. Zweitens, ich halte es für völlig ausgeschlossen – und das an die Adresse der FDP gesagt –, dass wir einen liberalisierten Sportwettmarkt haben und gleichzeitig das Lotteriemonopol aufrechterhalten können.

Jeder, der sich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006, die war ja Ausgangspunkt für den jetzt geltenden Glücksspielstaatsvertrag, oder sich mit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs auseinandersetzt – übrigens ist bei Ihnen oder in einem der Anträge ein glatter Fehler, der EuGH hat nicht die Anwendung des gegenwärtigen Rechts verworfen, sondern er hat in sogenannten Vorabentscheidungen Stellung genommen zu den Fragen des deutschen Glücksspielmarkts –, jeder, der sich die Entscheidungen ansieht, weiß, dass es illusorisch ist zu glauben, man könne das Lotteriemonopol aufrechterhalten und den Sportwettmarkt liberalisieren, schlicht aus dem Grund, weil es ein anerkanntes Ranking der Glücksspielgefährdungen und der Spielsucht durch die verschiedenen Arten des Glücksspiels gibt. Dort steht nicht die Lotterie ganz oben, sondern sie steht ganz unten. Dort geht es um Automatenspiele, Sportwetten, vielleicht auch um Pferdewetten, und erst am Ende kommt das Lotteriespiel. Wenn man die Lotterie mit einem Monopol verbindet und den Rest nicht, kann man sich Brief und Siegel geben lassen, dass das keinerlei Rechtsfestigkeit hat.

Im Übrigen darf man diejenigen, die den Sportwettmarkt liberalisieren wollen, noch auf die Einschätzung der Finanzministerkonferenz verweisen. Ich darf es aus der Mitteilung des Senats vorlesen, weil die Zahlen einfach erschlagend sind: „Die Einnahmen der Länder aus der Lotteriesteuer auf Sportwetten betrugen im Jahr 2009 rund 42 Millionen Euro. Aus Konzessionsabgaben wurden daneben rund 30 Millionen Euro eingenommen. Um diese Einnahmen zu erreichen, müssten die Einsätze bei den dann liberalisierten Sportwetten auf rund 4,8 Milliarden Euro steigen. Dies wäre zwanzigmal mehr als die Umsätze in Höhe von 237 Millionen Euro, die der Deutsche Lotto- und Totoblock aus Sportwetten im Jahr 2009 erzielte. Insofern wäre schon zur Aufrechterhaltung des bisherigen Einnahmeniveaus eine massive Ausweitung des Glückspiels erforder

lich, die gesellschaftspolitisch nicht erwünscht sein kann.“ So viel zu denen, die meinen, man sollte auf diesem Weg gehen! Das ist erstens gesellschaftspolitisch falsch und zweitens von den Zahlen her illusorisch.

So ist die Lage. Ich freue mich heute besonders über den Antrag der CDU, weil mich das zuversichtlich macht, dass Ihre Haltung auch in anderen unionsregierten Ländern weiter Boden gewinnt. Sagen wir es einmal ganz offen, unser Problem in der Konferenz der Regierungschefinnen und den Regierungschefs beruht natürlich auf der Haltung der Länder mit FDPBeteiligung, denn das, was wir hier gehört haben, was im Antrag steht, ist der Originalton der Länder mit FDP-Regierungsbeteiligung. Aber unser Problem beruht auch darauf, dass unionsgeführte Länder im Übrigen auch in diese Richtung, in Richtung einer Liberalisierung denken. Deswegen wäre es gut, wenn Sie Ihren Antrag, Ihre Überzeugung auch in den unionsgeführten Ländern implementieren könnten. Dann wird es leichter für uns. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 17/1560 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Abg. M ü l l e r [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Abgeordneten Dr. Buhlert (FDP) und Dr. Möllenstädt (FDP) abstimmen.

Wer dem Antrag der Abgeordneten Dr. Buhlert (FDP) und Dr. Möllenstädt (FDP) mit der DrucksachenNummer 17/1567 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und Abg. M ü l l e r [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Zum Schluss lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1657 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!