Protocol of the Session on November 11, 2010

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Frau Senatorin, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen, sodass wir gleich in eine Debatte eintreten können.

Bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich eine Gruppe der Erwachsenenschule aus Bremen und die Mitglieder des Betreuungs- und Erholungswerkes Bremerhaven. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Nestler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 ist bundesweit wieder eine Entspannung, unter anderem auf dem Arbeitsmarkt, klar erkennbar. In allen Bundesländern ist ein Rückgang der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, sodass sich die Arbeitslosenquoten langsam den Werten vor der Krise annähern, sie teilweise schon erreicht haben, und – auch das ist der Fall – teilweise auch schon besser sind.

In Bremen – auch wenn die Antwort versucht, es anders zu umschreiben – ist dieser Trend noch längst nicht angekommen. Die Arbeitslosenquote stagniert hier bei circa 11,7 Prozent, und das seit weitaus mehr als einem Jahr. Damit liegt Bremen ganz weit hinten im Vergleich der deutschen Städte, von Bremerhaven will ich erst einmal gar nicht sprechen, rund 16,5 Prozent Arbeitslose, dazu muss man, glaube ich, nicht mehr allzu viel sagen.

Die Zahl von unter drei Millionen Arbeitslosen ist unterschritten, und damit sollten sich eigentlich alle – auch hier im Haus – freuen. Wie das aber so ist: Wo Freude ist, da gibt es natürlich auch Neid. Da meldet sich bereits jemand, der reklamiert aus dem fernen Moskau erst einmal den Erfolg für sich und verweist klar auf die Agenda 2010. Wenn es denn so ist, sollen Sie sich von der SPD auch eindeutig für die Agenda 2010 aussprechen, und – das hat es natürlich zur Folge – auch für Hartz IV!

(Beifall bei der CDU)

Zumindest deutet die Stimme aus Moskau an, dass Hartz IV in erster Linie sein Werk ist und dass die SPD dafür steht. Ich hoffe zumindest nicht, dass die bekannte Stimme des Altkanzlers demnächst auch noch Herrn Hartz für das Bundesverdienstkreuz vorschlägt.

Wenn man die Presse verfolgt, liest man ständig von neuen Arbeitsplätzen. Allein die neuen Energien werden als wahre Jobbeschaffer gepriesen, und das sind sie auch. Nur an der Arbeitslosigkeit in unse

rem Land hat diese Tatsache, haben diese neuen Jobs nichts geändert. Lesen wir dann den Benchmarkbericht 2009 aufmerksam, wirft auch gerade dieser Bericht kein gutes Licht auf die Arbeitsmarktpolitik im Land Bremen. Die Anstrengungen des Senats bleiben in vielen Bereichen der Arbeitsmarktpolitik hinter den Erwartungen im Land Bremen zurück. Sowohl die Ausschöpfungs- als auch die Eingliederungsquote, die als Indikator des Erfolgs der regionalen Arbeitsmarktpolitik gelten, sinken weiter.

Anmerken muss man hier jedoch auch, ob es überhaupt noch Sinn hat, einen Bericht auf den vorhandenen Grundlagen zu erstellen. Die Antwort des Senats weist deutlich auf die Schwierigkeiten bei der Verwertung und Anwendung der vorhandenen vergleichbaren Kennzahlen mit anderen Städten hin. Miteinander verglichen werden hier sowieso nur noch München, Berlin und Bremen. Ob diese Städte überhaupt miteinander vergleichbar sind, ist aus unserer Sicht doch zumindest stark zu bezweifeln. Da muss man sich fragen, was ein auf dieser Grundlage basierendes Benchmarking überhaupt bezwecken soll.

An einem Beispiel möchte ich das Ganze einmal verdeutlichen. Unsere Frage 1 bezieht sich auf die Eingliederungsquote. Klar geht aus der Antwort hervor, dass die Eingliederungsquote in Bremen gesunken ist. Dann verweist man jedoch darauf, dass dies in München auch der Fall ist. In München hat man aber bei 1,36 Millionen Einwohnern nicht einmal eine halb so hohe Arbeitslosenquote! Wenn man hier auch nur annähernd einen solchen Prozentsatz wie in München erreichen sollte, bräuchten wir über solche Themen doch gar nicht mehr zu diskutieren. Insgesamt waren in München 56 000 Personen arbeitslos gemeldet, in Bremen und Bremerhaven 40 000, Frau Ziegert. München hat 1,3 Millionen Einwohner und 4,9 Prozent Arbeitslosigkeit. Das Land Bremen hat derzeit eine Arbeitslosenquote von 11,7 Prozent bei 660 000 Einwohnern. Wenn Sie dann in Ihrer Antwort darauf verweisen, dass auch bei den ARGEn die Eingliederungsquoten nach unten gehen und somit einen Trend im Land Bremen aufzeigen, sagen wir, klar, das ist richtig. Dieser Trend ist aber ein schlechter, und darum muss man versuchen, ihn zu verändern, und zwar hier in Bremen und nicht in München.

(Beifall bei der CDU)

Dann immer wieder die gleichen Erklärungen! Was nützen die ewigen Hinweise auf Änderungen der EURichtlinien? Damit müssen wir umgehen, über die Kürzungen des Bundes werden wir hier mit Sicherheit demnächst noch diskutieren. Sie verschweigen aber permanent, dass Sie in den letzten drei Jahren allein die Haushaltsmittel des BAP um rund 17 Millionen Euro gekürzt haben. Das sind Mittel, die dafür da waren, langzeitarbeitslose Menschen in Bremen und Bremerhaven wieder in Arbeit zu bringen. Sie können auch noch so oft, auch in den Sitzungen, wie

derholen, dass in Wirklichkeit gar nicht gekürzt wurde. Sie können das so oft behaupten, wie sie wollen, 89 Millionen Euro sind 89 Millionen Euro und bleiben 89 Millionen Euro. Für den Bereich des BAP ist diese Aussage schlicht und einfach falsch.

(Beifall bei der CDU)

Nehmen Sie den Produkthaushalt 31! Er beinhaltet das Beschäftigungspolitische Aktionsprogramm des Landes Bremen, durch das die Arbeitsmarktpolitik im Land Bremen gestaltet wird. Durch die Darstellung der Produktbereiche lässt sich nachvollziehen, dass die Kürzungen im Bereich Arbeit ausschließlich das BAP, also die regionale aktive Arbeitsmarktförderung, betreffen, und zwar einfach und allein an den Zahlen. Der Gesamtausgabenanschlag für das BAP beträgt 2007 36 Millionen Euro, für das Jahr 2008 26 Millionen Euro, für das Jahr 2010 noch 19 Millionen Euro. In der Darlegung der Erforderlichkeit der Ausgaben wird für das BAP erläutert, dass die Landesmittel für das Programm auf ein notwendiges Minimum beschränkt werden. Welche Begründung brauchen Sie denn noch für eine Kürzung? Natürlich wissen auch wir, dass dieses Land einsparen muss. Eingespart wurde aber gemäß Ihrer Aussage nichts, nur anscheinend anders verwendet. Ob das der richtige Weg in der Arbeitsmarktpolitik ist, bleibt zumindest für uns sehr fraglich.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Die Zeit ist um. – Ich bedanke mich und werde mich gleich noch einmal melden!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Nestler, ich bin eigentlich ganz froh über Ihre Anfrage, weil es einem die Möglichkeit gibt, einmal prinzipiell darüber zu sprechen, was hier in der Arbeitsmarktpolitik eigentlich gegenwärtig geschieht. Sie haben hier eine Anfrage gestellt, „Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik im Land Bremen“, und wollen damit die rot-grüne Koalition in Bremen vorführen, vergessen dabei aber völlig, was Sie gerade im Bund anrichten,

(Abg. Frau W i n t h e r [CDU]: Was rich- ten wir denn an?)

und reiten – wie Sie jetzt gerade gesagt haben – darauf herum, dass es eine Kürzung im ESF gibt. Danke für das Zitat! Ich sage immer, 89 Millionen Euro sind 89 Millionen Euro sind 89 Millionen Euro! Es wäre nett ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

von Ihnen, wenn Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen, Herr Nestler, dass wir in den Jahren davor deswegen über mehr Geld verfügten, weil wir Sondereffekte hatten, weil wir zusätzliches Geld aus dem Bund bekommen haben und weil es eine Übergangsphase zwischen den Jahren 2007 und 2008 gab und dadurch mehr Geld zur Verfügung stand. Die Regelförderung lag immer bei 89 Millionen Euro. Das haben wir, glaube ich, auch schon mehrfach in der Deputation erklärt. Wenn Sie das einfach nicht einsehen wollen, dann kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen! (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nun, worum es eigentlich hier in Wirklichkeit doch geht! Wenn ich mir anschaue, wie viele Menschen jetzt in Bremen aufgeschreckt sind, die Beschäftigungs- und Weiterbildungsträger, die Beschäftigten der Träger: Was macht denn die Bundesregierung eigentlich aktuell in der gegenwärtigen Situation? Die CDU/FDP-Regierung hat die Arbeitsmarktförderung für Langzeitarbeitslose um 24 Prozent gekürzt. Die Kürzungen finden nicht bei uns statt, sondern in Ihrer Regierung in Berlin, das ist die Wahrheit, Herr Nestler!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Zum Beispiel wird die Arbeitslosigkeit ge- kürzt!)

Um auch über die Summen zu reden, es sind 22 Millionen Euro für Bremen und Bremerhaven. Herr Röwekamp, hören Sie einfach einmal zu!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Nein, das fällt schwer! Reden Sie doch einfach über Bremen und Ihre Politik!)

Ich verstehe Ihre Aufregung bei dem, was Sie da anrichten in Berlin.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wo haben sich die Arbeitslosenzahlen in Bremen ent- wickelt? Sie haben Verantwortung in Bre- men!)

Ich verstehe Ihre Aufregung! Wir haben hier in Bremen 20 Millionen Euro im Jahr EU-Mittel, die wir auch steuern. Es gibt gegenwärtig noch 92 Millionen Euro Bundesmittel für die BAgIS, 52 Millionen Euro für die Arge-Jobcenter und 62 Millionen Euro für die Bundesanstalt für Arbeit. Daran können Sie erkennen, dass wir in Bremen einen Anteil von 11,5 Prozent haben, auf den wir Einfluss nehmen, und auf den Rest nimmt die Bundesregierung Einfluss, in der Sie sitzen. Fassen Sie sich also an der Stelle vielleicht an die eigene Nase!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wenn ich dann einmal weiter gehe in den Zahlen: Bei den 20 Millionen Euro, die wir hier haben,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Reden Sie doch einmal über Arbeitslosenzahlen in Bre- men!)

stehen round about 10 bis 13 Millionen Euro für die Förderung von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung im ESF. Das ist etwa die Hälfte von dem, was Sie in Berlin kürzen. Gleichzeitig haben wir hier im Land Bremen nach wie vor eine hohe Arbeitslosigkeit, gerade bei den Langzeitarbeitslosen.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Warum? Überall in Deutschland läuft es! Nur hier nicht!)

Da kürzen Sie in Berlin! Diese schwarz-gelbe Regierung in Berlin macht direkte Politik gegen die Langzeitarbeitslosen in Bremen und Bremerhaven und gegen die rot-grüne Koalition hier im Land. Ich empfehle allen, die davon betroffen sind, dass sie sich an Sie wenden und auch an die Bundestagsabgeordneten von CDU und FDP, um ihnen zu sagen, was sie hier in Bremen und Bremerhaven eigentlich anrichten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Schämen Sie sich eigentlich nicht für das, was Sie hier erzhlen?

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Was richten Sie denn an in Bremen?)

Dann kommen wir einmal zu den Einzelfragen! Da gehe ich jetzt vielleicht einmal ein bisschen zu der Eingliederungsquote, zur Ausschöpfungsquote, Benchmark, darüber ist, glaube ich, in der Vorlage auch genügend gesagt worden. Sie versuchen da etwas zu skandalisieren, was es überhaupt nicht gibt. Da sind Sie auch als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.

Jetzt kommen wir einmal zu den Arbeitslosenzahlen in Bremen, Herr Röwekamp. Auf diese Zahlen sind Sie ja schon länger gespannt. Es ist bedauerlich, dass wir hier im Land nach wie vor solch eine hohe Arbeitslosenquote haben, die auch nicht abgenommen hat. Das ist richtig.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das ist be- dauerlich!)

Woran liegt das denn aber?

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Es gibt nicht genug Arbeitsplätze!)

Wir hatten hier in Bremen in der Krise einen unterdurchschnittlichen Arbeitsplatzabbau gehabt. Im Bundesdurchschnitt lag er erheblich höher. Wir hatten auch einen erheblichen Stand an Kurzarbeit hier in Bremen, der jetzt abgebaut wird. Wir haben kaum noch Arbeitslose, kaum noch Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter im Land Bremen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Kaum noch Arbeitslose?)

Insofern ist es doch eine Selbstverständlichkeit, dass erst die Kurzarbeit zurückgefahren wird, bevor auch wieder neue Menschen eingestellt werden. Ich finde, die Unternehmen in Bremen haben sehr besonnen gehandelt – im Gegensatz zum Bundesgebiet, wo viele Menschen entlassen worden sind –, dass die Entlassungsquote hier nicht so hoch war und dass viele in Kurzarbeit gegangen sind, die jetzt wieder ganz normal arbeiten. Dass Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, sagt eigentlich etwas über Ihre Kenntnisse in diesem Punkt aus.