Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes und Nachtragshaushaltspläne der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2010 Bericht und Antrag des staatlichen Haushalts- und Finanzausschusses vom 9. November 2010 (Drucksache 17/1527)
Meine Damen und Herren, die Bürgerschaft (Land- tag) hat das Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes der Freien Hansestadt Bremen für das Haushaltsjahr 2010 in ihrer 73. Sitzung am 29. September 2010 in erster Lesung beschlossen und gemeinsam mit dem Nachtragshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2010 und den Nachtragsproduktgruppenhaushalt für das Jahr 2010 zur Beratung und Berichterstattung an den staatlichen Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen. Der staatliche Haushalts- und Finanzausschuss legt mit der Drucksache 17/1227 seinen Bericht und Antrag dazu vor.
Ich weise darauf hin, dass im Rahmen der jetzt folgenden Aussprache auch der Stadthaushalt besprochen werden soll, da eine gesonderte Aussprache darüber nicht stattfindet.
Als erste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert, dann der Sprecher des Haushaltsausschusses, und dann erfolgt die Worterteilung nach der Größe der Fraktionen. – Bitte, Frau Bürgermeisterin!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst bedanke ich mich für die Gelegenheit, Ihnen hier in Abweichung von den üblichen Regularien kurz darzustellen, welche Ergebnisse die November-Steuerschätzung ergeben hat und ob und welche Konsequenzen es für den Beratungsgegenstand, nämlich den beantragten Nachtragshaushalt, hat.
Die Ergebnisse der November-Steuerschätzung sind für Bremen eine gute Nachricht. Es gibt einen Silberstreif am Horizont, aber ein Grund zum Jubeln oder zum fröhlichen Geldausgeben ist die NovemberSteuerschätzung weder in Bremen noch anderswo.
Die Steuerschätzung erfolgt zu Beginn des Monats November, und dann werden die Bundeszahlen auf die einzelnen Gebietskörperschaften heruntergerechnet, also Bund, Länder und Gemeinden, und sowohl der Bund als auch die Länder und Gemeinden haben in Abweichung von der sehr schlechten Mai-Steuerschätzung bessere Prognosen für die Steuereinnahmen für das Jahr 2010 und folgende. Wir machen dann, das ist auch immer das gleiche Verfahren, einen Abgleich, der sich mit den regionalen Gegebenheiten auseinandersetzt, und schauen auch, was eigentlich in Bremen passiert oder was
bisher in Bremen in der eigenen Kasse passiert ist. Wir haben ja jetzt zehn Monate Kassenergebnis des Haushalts und wissen daher schon ziemlich genau, wie es am Ende des Jahres aussehen wird.
Die gute Botschaft ist, 2011 und 2012 werden wir mit Mehreinnahmen zu rechnen haben, 42 Millionen Euro im Jahr 2011 und 54 Millionen Euro im Jahr 2012. Als Faustformel kann man sagen, dass sich damit die Ergebnisse der letzten November-Steuerschätzung, also 2009, im Wesentlichen doch bestätigen und nicht die sehr ungünstige Mai-Steuerschätzung für diesen Mittelfristzeitraum.
Für das Jahr 2010 gibt es auch Schatten und Licht. Gut entwickeln sich für Bremen die Landessteuern, da liegen wir mit plus 15 Millionen Euro im Bundestrend. Leider – und das ist dann auch der Grund, warum es entgegen der Hoffnung, die ich einmal gehegt habe, die im Nachtragshaushalt beantragte Kreditermächtigung nicht voll ausschöpfen zu müssen – entwickelt sich Bremen bei der Gewerbesteuer entgegen dem Bundestrend. Da müssen wir mit Mindereinnahmen von 35 Millionen Euro in Bremen und 7 Millionen Euro in Bremerhaven rechnen. Das ist die Botschaft, die dann nicht so schön ist.
Es wäre mir natürlich lieber gewesen, man könnte den tatsächlichen Wirtschaftsaufschwung, den Bremen hat – wenn Sie Kontakte haben mit Gewerbebetrieben und der Industrie, dann wird dort unisono darüber berichtet, dass die Auftragsbücher sich wieder füllen und dass der Beschäftigungsgrad hoch ist –, spüren, aber das Geld muss erst verdient werden, ehe es in meiner Kasse landen kann. Deshalb ist es so, dass die Gewerbesteuerentwicklung in Bremen und Bremerhaven nicht im Bundestrend liegt, sondern dem hinterherschleicht.
Das liegt hier ganz offensichtlich, das war auch schon beim Abschwung der Fall, an unserer Wirtschaftsstruktur, die nicht von Großindustrien dominiert, sondern eher kleinteiliger organisiert ist, sodass sie elastischer ist, dann aber eben den Abschwung nicht so schnell nachvollzieht und den Aufschwung auch nicht. Im Abschwung war es so, dass wir im Juni 2009 noch sehr gute Gewerbesteuereinnahmen bis in den Juni hinein hatten, wo alle anderen Kämmerer schon arg geklagt haben, dass sie in der Kasse Mindereinnahmen haben. Das ist in Bremen nicht der Fall gewesen, also ist der Abschwung verzögert angekommen, aber jetzt geht der Aufschwung auch langsamer vonstatten.
Der zweite Grund, warum wir die Kreditermächtigung des Nachtragshaushalts wohl vollständig brauchen werden, ist, dass 70 Millionen Euro Länderfinanzausgleichszahlungen, die uns in diesem Jahr zustehen werden, da sind wir uns auch in der Größenordnung ziemlich sicher, in der Kasse erst im Jahr 2011 landen werden. Deshalb brauchen wir, um die Gehälter zahlen zu können, die Kreditermächtigung von Ihnen für dieses Jahr.
Es ist aber sichergestellt, dass diese 70 Millionen Euro nicht irgendwelche Ausgaben im Jahr 2011 begründen werden, sondern die Verabredung im Rahmen des Sanierungsweges ist ja, dass der Länderfinanzausgleich periodengerecht abgerechnet wird. Das heißt, die 70 Millionen Euro geringere Kreditaufnahme des Jahres 2010, die sich dann kassenmäßig erst im Jahr 2011 auswirkt, wird uns keine Entlastung für den Sanierungsweg in der Größenordnung von 70 Millionen Euro im Jahr 2011 bescheren, sondern senkt nachträglich die Kreditaufnahme des Jahres 2010. Also, es ist sichergestellt, das Geld dient nicht zusätzlicher Wohllebe im Jahr 2011.
Wir werden jetzt die Steuerschätzungsergebnisse für die Haushalte 2011 und 2012 in die Finanzplanung einarbeiten. Da bestätigt sich, dass wir auch mit den Vorbereitungen für den Haushalt 2011 ganz gut gelegen haben. Seriös und vorsichtig wie wir vorgehen, heißt das auch, wir gehen jetzt davon aus, dass nach der November-Steuerschätzung keine zusätzlichen Eingriffe in den Haushalt 2011 nötig sein werden, die in den Ressorts zusätzliche Kürzungen nach sich ziehen.
Es ändert alles nichts daran, dass 2010 für diejenigen, die auf das Geld aufpassen müssen in Bund, Ländern und Gemeinden, ein wirklich richtig schlimmes Jahr ist. Ich will noch einmal daran erinnern, dass wir mit dem größten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu tun haben, und 4,7 Prozent BIP-Einbruch ist fiskalisch doch schon ziemlich katastrophal.
Wenn es sich jetzt wieder erholt, auch schneller, als manche vermutet haben, dann will ich doch hier ganz deutlich sagen, dass die Erholung der Wirtschaft und für den Fiskus mehrere Jahre dauern wird. Der Wert der Wirtschaftsleistung ist je nach Schätzung zwischen 1 000 und 2 000 Milliarden Euro zurückgegangen, und natürlich hat das im Wesentlichen Auswirkungen in einer gesteigerten Dynamik der Staatsverschuldung, die uns alle noch viele Jahre drücken und beschäftigen wird. Man soll sich nicht darüber hinwegmogeln.
In Bremen gehen wir davon aus, dass wir auch im Jahr 2012, so sind die Planungen jetzt, noch nicht steuerlich das gute Jahr 2008 erreicht haben. Insofern ist klar, dass der Sanierungsweg Bremen auch weiter durch diesen größten Wirtschaftseinbruch im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise belastet werden wird, und wir werden in Bremen auch die großen Probleme, die wir jetzt in diesen Haushalten 2009 und 2010 haben, in den nächsten zehn Jahren zu spüren bekommen. Man soll sich da auch nichts vormachen.
Ich bitte darum, dass jetzt nicht irgendjemand glaubt, dass dieser Silberstreif am Horizont ein Grund ist, irgendwo zusätzliches Geld auszugeben. Wir werden auf keinen Fall an irgendeiner Stelle nachlassen, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Aber ich
bitte auch darum, nicht zu glauben, dass das jetzt neue Debatten über Steuersenkungen möglich macht.
Da ist ein Aufschwung schneller gekommen, als er prognostiziert war, und auf einmal gibt es wieder Jubelmeldungen, dass jetzt doch steuerliche Entlastungen möglich sind. Ich weise noch einmal darauf hin, die Einnahmen des Jahres 2008 werden wir erst frühestens 2012 im Bund und in Bremen wahrscheinlich noch später erreichen. Es gibt keinen Anlass, irgendwo zu sagen, wir können jetzt lockerlassen oder Geschenke in die eine oder andere Richtung austeilen.
Wir brauchen einen langen Atem, und das kann nur gehen, wenn Ausgabendisziplin und Einnahmefreudigkeit existieren, und insofern gibt es hier vielleicht eine gemischte Botschaft zu verkünden. Nicht so schön ist, dass sich in Bremen der Aufschwung in der Gewerbesteuer nicht so widerspiegelt und dass wir dafür ein bisschen länger brauchen, aber wir sind nicht abgekoppelt vom Bundestrend. Insgesamt läuft es ordentlich, und ich hoffe, dass ich Sie nächstes Jahr nicht mit solchen Meldungen behelligen muss, wie das dieses Jahr der Fall war.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir heute vorgenommen, dass ich nicht die Debatte des letzten Males wiederholen möchte. Wir haben in der ersten Lesung sehr ausführlich debattiert. Ich möchte mich doch ein bisschen mehr auf das begrenzen, was tatsächlich neu ist, wobei man nicht vergessen darf – das haben Sie nur in einem Nebensatz gesagt –, dass wir in diesem Jahr über eine Milliarde Euro, fast 1,1 Milliarden Euro, Neuverschuldung haben werden. Sie brauchen einen Nachtragshaushalt von 146 Millionen Euro. Dies ist eine gigantische Zahl, und ich sage einmal, wir glauben unverändert, dass Sie die Schuldenbremse abgeschrieben haben und dass Sie mit Ihrer Politik die Zukunft wirklich weiter aufs Spiel setzen.
kurz eingehen, und wenn Sie sich die Rahmenbedingungen – Sie haben die Fakten und Ergebnisse alle vorliegen – anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir bei den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bundesweit extrem gute Zahlen in den letzten Monaten gehabt haben. Dies, meine Damen und Herren, hat ausnahmsweise nicht Rot-Grün verabredet und auch nicht veranstaltet. Rot-Grün ist auch nicht dafür verantwortlich, sondern verantwortlich dafür ist die Bundesregierung, die dafür gesorgt hat, dass die Wirtschaft wieder gut in Gang gekommen ist, und zwar nicht nur durch die Wirtschaftspolitik, sondern auch durch die Finanzpolitik.
Erschreckend aus unserer Sicht ist allerdings das Ergebnis, insbesondere das die Gewerbesteuer betreffende Ergebnis. Sie wissen, dass bei den Ländern, Gemeinden und Kommunen insbesondere die Kommunen ein sehr gutes Ergebnis gehabt haben. Nur Bremen hakt ein bisschen an der Stelle und kommt nicht in Gang. Warum ist das so? Sie sollten ernsthaft darüber nachdenken, das anzunehmen, was wir Ihnen schon seit mehreren Monaten oder fast schon seit Beginn der Legislaturperiode sagen: Wenn Sie mit Ihrer wirtschaftsunfreundlichen Politik weitermachen, werden Sie sich nicht wundern müssen, dass die Ergebnisse weiter so schlecht bleiben.
Meine Damen und Herren, Ihre unfreundliche Wirtschaftspolitik führt dazu, dass die Unternehmen hier in Bremen nicht den Erfolg haben, den sie an anderer Stelle haben.
Hierbei geht es auch um die Struktur dieses Landes. Aber wenn man die Wirtschaftsstruktur hier verändern will, dann muss man etwas für die Unternehmen tun. Nur dann kann man etwas verändern, meine Damen und Herren! Sie sollten solche unsinnigen Beschlüsse wie die Abwasser GmbH, die Sie nicht umsetzen wollen, wenn Sie die vielleicht – –.
Sie bemängeln gerade, dass nicht genug Steuereinnahmen von den Unternehmen hereinkommen. Ist Ihnen bewusst, dass der Beschluss zur Abwasser GmbH bedeutet hätte, dass die Unternehmen Vorsteuerabzug hätten machen können und dadurch noch weniger Steuern eingenommen werden würden, also dass das gar nichts miteinander zu tun hat, was Sie gerade sagen?