Protocol of the Session on September 30, 2010

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle kennen die

Schlagzeilen der vergangenen Wochen zum Arbeitsmarkt. Sie lauten: Deutschland ist im Aufschwung, Fachkräftemangel, in Zukunft auch für die Generation 50 plus Chancen auf dem Arbeitsmarkt, unser Land im Aufschwung, am Horizont ein gesunder Arbeitsmarkt.

(Abg. T i t t m a n n [parteilos]: Davon merkt keiner etwas!)

Wir hören das natürlich gern.

Wahr ist aber auch, unser Land driftet auseinander. Trotz guter Nachrichten geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Für immer mehr Menschen sind Chancengleichheit und gleiche Teilhabe nur ein schöner Traum. Fassungslos hat genau dieser immer größer werdende Teil unserer Gesellschaft in den vergangenen Monaten erlebt, was und wie viel der Bundesregierung die Interessen der einfachen Menschen wert sind. Die Antwort ist kurz und bitter: Nichts! Mit seinen Ausfällen über spätrömische Dekadenz hat Herr Westerwelle dieses Jahr eröffnet, weiter ging es mit dem Sparpaket, da wurde ganz besonders heftig bei den Sozialleistungen gestrichen, Renten und Heizkostenzuschüsse für Hartz-IV-Empfänger gibt es nicht mehr.

Nun kommt Bundesministerin Frau von der Leyen mit fünf Euro mehr für Hartz-IV-Empfänger. Fünf Euro mehr für die Erwachsenen, die Hartz IV beziehen, wohlgemerkt! Für die Millionen Kinder im Armutsrisiko wird es überhaupt keine Regelsatzerhöhung geben. Unabhängig von den fünf Euro bleibt zunächst einmal die Frage – sie ist hier ja auch sehr deutlich geworden –, ob die Bundesregierung das eingelöst hat, was das Bundesverfassungsgericht ganz deutlich im Februar 2010 gesagt hat, nämlich diese Regelsätze transparent und nachvollziehbar abzuleiten. Es bleiben große Zweifel daran – ich will das hier sehr deutlich machen –, ob dies auch passiert ist, denn bisher sind diese Rohdaten nicht zur Verfügung gestellt worden, sodass es auch keine nachvollziehbare Rechnung geben kann, um nämlich genau dem ganz wichtigen Element der Transparenz, das gefordert worden ist, hier auch gerecht zu werden.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ein ganz entscheidender Punkt: Von der Transparenz ist die Bundesregierung meilenweit entfernt. Ein zweiter Eindruck manifestiert sich hier, glaube ich, dass diese Regelsätze – ich will es sehr betonen – ein politisch gewolltes Ergebnis und trickreich herbeigerechnet worden sind, das heißt also Regelsätze nach Kassenlage.

(Zuruf des Abg. B e n s c h [CDU])

Meine Damen und Herren, seit Februar, Herr Bensch, hat es die Aufforderung gegeben, und dass

Frau von der Leyen nicht in der Lage ist, den Ländervertretern diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Das ist schlechte Politik und keine Zusammenarbeit, denn die Regelsätze und das, was die Menschen in den Kommunen, in den Ländern, in den Städten brauchen, müssen wir umsetzen und nicht die Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Diese Bundesregierung tut alles, um bei den Menschen das Bild zu zementieren, dass für die Interessen der einfachen Leute eben nie genug Geld vorhanden ist. Die schwarz-gelbe Bundesregierung lässt die Armen und Schwächeren unserer Gesellschaft ganz einfach im Stich. Das ist soziale Kälte pur.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN – Abg. B e n s c h [CDU]: Eine Milliarde Euro mehr ist soziale Kälte? Sie haben doch kei- ne Ahnung!)

Herr Bensch, warten Sie doch ab, seien Sie doch nicht so aufgeregt! Zu den 620 Millionen Euro für die Kinder werde ich noch kommen. Ganz ruhig!

Wie sieht aber die andere Seite der schwarz-gelben Politik aus? Auf der anderen Seite stehen Steuergeschenke für Hoteliers, 2,8 Milliarden Euro haben CDU und FDP hier zum Fenster hinausgeworfen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

2,8 Milliarden Euro haben Sie damit letztendlich auch den Kommunen weggenommen. Ich würde mir wünschen, ich würde den Bremer Anteil davon bekommen, und wir könnten das Geld in die Kitas investieren. Dann hätten wir eine sinnvolle Investition für die Zukunft der Menschen in unserem Land getätigt,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

eine sinnvolle Investition für die Kinder, für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Was machen Sie im Gegenzug? Sie streichen Arbeitsförderungsmaßnahmen, die genau die Möglichkeit schaffen, dass Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit kommen. Alles das gehört zur Wahrheit, wenn Sie hier über die neuen Hartz-IV-Regelsätze und über das Bildungspaket für die Kinder sprechen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte aber noch einmal auf die sinnvollen Investitionen zurückkommen, um die es ganz offensicht

lich der CDU und der FDP nicht geht! Wie sonst sollte man zum Beispiel die Bevorzugung der Atomkonzerne erklären? Sie setzen auf eine Technik von gestern und vernachlässigen dabei die Zukunftschancen und die Technologien von morgen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie vergessen die Jobs, die im Bereich der regenerativen Energien bereits entstanden sind und mit anderen Prioritäten darüber hinaus noch entstehen könnten. Sie wissen sehr genau, dass diese regenerativen Energien für neue Arbeitsplätze in Bremen und insbesondere in Bremerhaven eine ganz entscheidende Rolle spielen. Das wären Arbeitsplätze, die Arbeitssuchenden helfen und von denen Menschen auch leben können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich zum zweiten Teil dieser Aktuellen Stunde kommen! Es wundert mich nicht mehr, dass es die Pharmakonzerne sind, die der Bundesregierung die Gesetzesentwürfe schreiben, Gesetzentwürfe für eine Gesundheitspolitik, die unser Land noch mehr spalten wird als bisher. Ich bin jedenfalls gespannt darauf, wie CDU und FDP den Bremerinnen und Bremern, den Bremerhavenerinnen und Bremerhavenern diesen Weg in die Drei-Klassen-Medizin schmackhaft machen wollen. Sie erhöhen eklatant die Beiträge und Zuzahlungen der Versicherten und machen gleichzeitig Schluss mit der solidarischen Versicherung.

Zur Kasse gebeten werden die durchschnittlich oder weniger verdienenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bezahlen, man könnte auch sagen bluten, werden die Kassenpatienten! Allen anderen bleibt es erspart. Was das für die Krankenkassen bedeutet, liegt doch ganz klar auf der Hand: Sie werden am Ende des Tages die Beiträge nicht unendlich nach oben erhöhen können. Das bedeutet Leistungseinbußen für die Menschen in unserem Land. Genau damit führen FDP und CDU die Menschen in eine DreiKlassen-Medizin.

(Beifall bei der SPD)

Wer genug hat, geht in die private Kasse. Um den Wechsel dorthin zu erleichtern – wir haben es schon gehört –, braucht man nur noch ein Jahr Wartefrist. Die Menschen mit mittlerem Einkommen in der gesetzlichen Kasse werden sich zusätzlich mit privaten Zusatzversicherungen absichern. Bildlich gesprochen bleibt dann für den Rest, für die Menschen, die eben nicht genug haben, nur noch wenig übrig: Minimal

versorgung sozusagen. Im Klartext heißt das, Herr Rösler verwirklicht das, was Ihr CDU-Politiker Herr Mißfelder schon vor Jahren gesagt hat, nämlich den alten Menschen das künstliche Hüftgelenk nicht mehr auf Kassenkosten zu geben.

Ich glaube, die entscheidende Frage ist: Was tun wir hier in Bremen im Hinblick auf die von CDU und FDP betriebene Spaltung unserer Gesellschaft? Wir setzen in Bremen das Motto unseres früheren Bundespräsidenten Johannes Rau entgegen: Versöhnen statt spalten!

Das heißt für den Bremer Senat, wir arbeiten weiter an der solidarischen Gesellschaft und an der solidarischen Stadtgesellschaft. Zu diesem erfolgreichen Kurs gehören Investitionen in die Kitas, dazu gehört das kostenlose Mittagessen, der Ausbau der Ganztagsschulen und vieles mehr.

(Zuruf des Abg. B e n s c h [CDU])

Herr Bensch, Sie waren an dieser Regierung übrigens auch einige Jahre beteiligt. Sie haben nicht zuletzt immer wieder auf die Sparbremse gedrückt, was den sozialen Bereich angeht. Ich glaube, daran muss ich Sie nicht erinnern, daran werden Sie sich selbst auch erinnern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte gern noch einmal auf die 620 Millionen Euro des Bildungspakets kommen, das Sie nachher mit einer Gesamtsumme von einer Milliarde Euro so gepriesen haben! In diesen 620 Millionen Euro ist zum Beispiel das Schulstarterpaket enthalten, das die letzte Regierung maßgeblich unter Beteiligung der SPD auf den Weg gebracht hat. Dies befindet sich zum Beispiel in diesen 620 Millionen Euro und macht eine große Gesamtsumme aus, sodass am Ende jedem Kind zehn Euro pro Monat für das bleiben, was wir soziokulturelle Teilhabe nennen. Ob es wirklich das ist, was wir für die Kinder brauchen, nämlich sich in dem Bereich entwickeln zu können und eine Chancengleichheit zu haben, das müssen Sie dann beurteilen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Natürlich gehört zu diesem Paket gegen die soziale Spaltung, das wir in Bremen weiter voranbringen wollen, auch unser erfolgreiches WiN-Programm. Zu diesem Kurs gehört auch, Bremen und Bremerhaven als Wirtschaftsstandorte zu stärken und vor Ort bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neu zu schaffen, zum Beispiel in Logistik und Häfen, in der Windenergiebranche, in der Raumfahrt und im Automobilbau, in der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft.

Ich möchte mir ersparen, jetzt noch sehr viel zu den LINKEN zu sagen. Was Ihre Anträge wert sind, müssen Sie sich selbst fragen! Sie machen sich immerfort – ich möchte es einmal so nennen – einen schlanken Fuß: Sie reden von sozialer Spaltung und wollen immer sehr viel Geld in noch mehr Projekte investieren, doch immer dann, wenn es darum geht, Geld für das Gemeinwohl zu erwirtschaften, dem Maurer und dem Hafenarbeiter Aufträge zu geben, versagt DIE LINKE auf der ganzen Linie. Sie sagen Nein, wenn es darum geht, die Weichen für Jobs in Bremen und Bremerhaven zu stellen, sie sagen Nein zur Außenweservertiefung und zu Jobs im Hafen, Nein zu Häusern am Wasser und Nein zur Bebauung des Bahnhofsvorplatzes. Ich möchte diese Liste nicht fortführen, aber es ist sicherlich auch eine Liste Ihrer unglaubwürdigen Politik.

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen unseren glaubwürdigen Kurs fort. Wir setzen auf den Ausbau der Kitas, auf Familienzentren und Ganztagsschulen, wir setzen auf die Sicherung bezahlbaren Wohnraums durch den Erhalt unserer GEWOBA.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf des Abg. K a s t e n - d i e k [CDU])

Wir setzen auf Jobs, von denen man leben kann, wir setzen auf Mindestlöhne und auf eine solidarische Bürgerversicherung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eine Politik aus Berlin, die uns die Arbeit in den Kommunen leider immer schwerer macht, können, wollen und werden wir nicht unterstützen. Ich sehe meine Aufgabe darin, gerade für die Armen und Schwächeren und besonders für die Kinder einzutreten, zu streiten und auch zu kämpfen, und das werde ich auch tun. Wir als rot-grüne Regierung werden dem, was in Berlin teilweise ohne Herz und teilweise auch ohne Verstand – ich nenne es einmal so – fabriziert wird, nicht einfach zusehen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.