Protocol of the Session on August 26, 2010

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Drogenabhängigkeit und Drogenkriminalität

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 20. April 2010 (Drucksache 17/1260)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 25. Mai 2010

(Drucksache 17/1305)

Wir verbinden hiermit:

Anstrengungen zur Bekämpfung des Drogenproblems intensivieren!

Antrag der Fraktion der CDU vom 17. Juni 2010 (Neufassung der Drucksache 17/1355 vom 16. Juni 2010) (Drucksache 17/1356)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schulte-Sasse.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft zu wiederholen.

Herr Staatsrat, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen, sodass wir gleich in die Beratung eintreten können.

Die gemeinsame Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Drogenproblema

) Vom Redner nicht überprüft.

tik ist sowohl aus sozialer als auch innenpolitischer Betrachtung eine der größten Herausforderungen für die beiden Städte unseres Landes. Hinter jedem der mehreren 1 000 Drogenabhängigen in Bremen und Bremerhaven steht ein individuelles Schicksal mit Verelendung, Krankheit, Prostitution und vieles mehr. Deshalb darf die Gesellschaft niemanden mit seiner Suchtkrankheit alleinlassen!

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus ist bei der Beurteilung dieses Themas die Drogenkriminalität und damit einhergehende Beschaffungskriminalität von großer Bedeutung, denn diese Kriminalität beeinträchtigt die Bürgerinnen und Bürger in Bremen teilweise in unerträglicher Weise.

In der Mitteilung des Senats vom 25. Mai 2010 auf die Große Anfrage der CDU teilt der Senat mit, dass der größte Teil aller Wohnungs- und Geschäftseinbrüche von Drogenabhängigen begangen wird. Mindestens 5 000 Menschen werden auf diese Weise Jahr für Jahr Opfer von Einbrechern in Bremen. Aus den Erlösen des Drogenhandels finanziert sich eine organisierte Kriminalität, die mit Drogengeschäften allein im Land Bremen einen jährlichen Umsatz von geschätzt über 90 Millionen Euro macht. Alles unversteuert, das versteht sich von selbst! Nach diesen Hinweisen möchte ich einen Blick auf die konkreten Erkenntnisse und Maßnahmen des Senats in der Mitteilung vom 25. Mai 2010 zur Drogenproblematik werfen. Das vom Senat selbst dargestellte Ausmaß des Drogenproblems steht in einem krassen Missverhältnis zu den Anstrengungen, die der Senat zu seiner Lösung unternimmt.

(Beifall bei der CDU)

Wobei darüber hinaus festgestellt werden muss, dass sich der Senat auf Untersuchungsergebnisse beruft, die – man höre und staune – teilweise 19 Jahre alt sind.

Die Drogenberatung und -hilfe läuft völlig unkoordiniert und dem Zufall überlassen ab. Der Senat kann weder Angaben darüber machen, wie viele Mitarbeiter in der Drogenhilfe tätig sind, noch sind ihm die Kosten bekannt, die immerhin aus Steuermitteln dafür aufgewendet werden. Darüber hinaus wird vom Senat keine Überprüfung der Drogenhilfe auf ihre Wirksamkeit hin für erforderlich gehalten mit der Folge, dass einige vom Land finanzierte Drogenberater den Gebrauch von weichen Drogen öffentlich als durchaus legal und unkritisch ansehen. Auch eine systematische Analyse zum Beigebrauch von Substitutionspatientinnen und -patienten findet nicht statt und das, obwohl in den letzten acht Jahren immerhin deren Anzahl um circa 40 Prozent gestiegen ist. Über die Gründe dafür kann der Senat nur spekulieren.

Bei der Verhinderung von Drogensucht sind naturgemäß die Einstiegsszenarien von besonderer Bedeutung. Der Senat teilt dazu in der Antwort drei mit, dass das Dunkelfeld der Erstkonsumenten unbekannt sei und nicht eingeschätzt werden könne; keine weiteren Hinweise darauf, dass der Senat entsprechende Untersuchungen in Auftrag gegeben hat und damit das Dunkelfeld aufhellen möchte!

Dem Senat sind zwar drei Drogenumschlagsplätze in Bremen bekannt, aber auf die immer wiederkehrenden Beschwerden von Bürgern, wonach auf Kinderspielplätzen oder in der Nähe von Schulen offen gedealt wird, hält der Senat nur sporadische Maßnahmen ohne jegliche Nachhaltigkeit für erforderlich. Wenn die aus der Antwort des Senats hervorgehende Verurteiltenstatistik betrachtet wird, gibt es offensichtlich nur Kleindealer. Eine nennenswerte Aufklärung und Verurteilung der Täter dieser hinter dem Drogenhandel stehenden organisierten Kriminalität – zur Erinnerung: immerhin 90 Millionen Euro Umsatz im Jahr! – findet nicht statt. Aus CDUSicht sieht eine verantwortungsbewusste und sozialgerechte Drogenpolitik und -bekämpfung anders aus, von einem verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern ganz zu schweigen!

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern deshalb den Senat auf, sehr viel größere Anstrengungen zur realistischen Datenerhebung sowie zur Drogenhilfe und -bekämpfung zu unternehmen und der Bürgerschaft darüber zu berichten. Wir bitten Sie daher, unseren Antrag zu unterstützen! – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Drogenabhängigkeit und die Drogenkriminalität sind eng miteinander verbunden. Das ist auch der Grund dafür, dass sich Bremen für eine Drogenpolitik entschieden hat, die auf vier Säulen aufgebaut ist: Neben der Repression und der Schadensminimierung sind die Hilfe und die Prävention genauso wichtig, um der Beschaffungskriminalität wirksam entgegenzutreten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich rede hier bewusst von Beschaffungskriminalität, denn dazu gehören nicht nur die Einbrüche, sondern auch die Prostitution, die in diesem Zusammenhang ausgeübt wird. Diese Tatsache haben Sie leider,

) Von der Rednerin nicht überprüft.

Herr Hinners, in Ihrem Antrag ausgeblendet, aber Sie haben das hier soeben erwähnt, das habe ich gehört. Das ist gut so!

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Danke!)

Für die Regierungskoalition kann ich hier sagen, wir sehen es als unsere Aufgabe an, mit der Drogenpolitik dieser Art der Prostitution entgegenzuwirken. Ich verweise auch auf die Debatte, die wir heute am frühen Nachmittag geführt haben. Das Ziel der Hilfsangebote für Drogenabhängige ist vor allem die Stabilisierung des allgemeinen Lebens und damit auch die gesundheitliche Stabilisierung. Auch die Wiederaufnahme eines strukturierten, normalen Lebens sowie die gesellschaftliche Teilhabe gehören dazu. Das geht aber nur, wenn der Teufelskreis zur Beschaffung der finanziellen Mittel für die Befriedigung der Sucht durchbrochen wird.

Ein Weg, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist die Substitutionsbehandlung. Die Zunahme der drogenbedingten, folgeerkrankten gestorbenen älteren Personen ist ein Beleg für die lebensverlängernde Funktion der Substitutionsbehandlung. Gerade bei dieser Personengruppe geht es primär um die gesundheitliche Stabilisierung. Menschen, die drogenabhängig sind, sind keine homogene Gruppe, und da setzt das Hilfesystem an, nämlich an der Unterschiedlichkeit der Gruppen und deren individuellem Hilfebedarf. Ich möchte nur einige davon anführen, zum Beispiel die ergänzenden Methadonprogramme für Altfixer, für Frauen und Überbrückungssubstitution.

Diese Programme richten sich in erster Linie an Patientinnen und Patienten, die noch keinen niedergelassenen Arzt gefunden haben. In der großen Mehrheit handelt es sich um eine Gruppe, die mit den Anforderungen einer niedergelassenen Arztpraxis große Schwierigkeiten hat. Im Jahr 2008 wurde das Programm durch ein Programm für schwangere Frauen und Mütter ergänzt.

Ich denke, das macht deutlich, wie unterschiedlich die Zielgruppen sind und dass der individuelle Hilfebedarf sehr unterschiedlich ist. Deshalb ist es auch so wichtig, diesen Hilfebedarf zu erkennen und mit den Patienten zusammen einen Hilfeplan zu erstellen. Im Land Bremen ist ein verpflichtendes Erstgespräch zu Beginn der Substitution festgelegt, um diesen Hilfebedarf festzustellen. Dahinter verbirgt sich die psychosoziale Betreuung, wobei der Bedarf auch da sehr unterschiedlich ist. Nicht jeder braucht eine psychosoziale Betreuung, und die Intensität ist auch unterschiedlich.

Grundsätzlich haben wir eine andere Auffassung von psychosozialer Betreuung. Das möchte ich hier nicht vertiefen, das haben wir schon oft genug in der Deputation und auch hier in der Bürgerschaft

getan. Ich meine, Ihre Sichtweise zeigt auch noch einmal ganz deutlich Ihr Antrag. In Ihrem Antrag, den Sie in der Bürgerschaft gestellt haben, mobile psychosoziale Betreuung für Drogenpatienten, haben Sie zum Beispiel ganz plakativ gesagt, wenn Menschen allein, zum Beispiel vor der Praxis herumstehen und ein Substitut bekommen haben, dann denken Sie, die sind alleingelassen. Dazu haben wir eine andere Vorstellung. Wir denken, es ist ihr Recht, auch einmal allein herumstehen zu können, auch wenn es vor einer Arztpraxis ist. Darüber kann man, denke ich, mit ihnen Absprachen treffen und das anders regeln.

Jetzt aber zu Ihrem Antrag und da fange ich als Erstes einmal mit der Übereinstimmung an! Sie schreiben in Ihrem Antrag, hinter jedem Drogenabhängigen steht ein individuelles Schicksal, die Gesellschaft darf niemanden mit seiner Suchterkrankung alleinlassen. Herr Hinners, ich habe vorhin schon Ihren Beitrag kommentiert, ich habe gesagt, das stimmt, 100 Prozent Übereinstimmung! Sie wissen aber, es geht weiter!

Null Prozent Zustimmung bei der Aussage, der Senat handle im Bereich der Drogenhilfe weitgehend planlos. Das ist nicht der Fall! Ich habe deutlich gemacht, wie differenziert das Drogenhilfesystem ist und wie es aufgebaut ist. Aus der Aussage, dass grundsätzlich zu Beginn einer Substitution jeder einmal Kontakt zu einer Drogenberatungsstelle gehabt hat, machen Sie eine lückenhafte Betreuung von Substituierten. Sie ignorieren hier völlig, dass es Substitutionsrichtlinien gibt und dass auch der Beigebrauch darin geregelt ist.

(Abg. Frau W i n t h e r [CDU]: Und sie halten sich auch alle daran, nicht!)

Ja, schön wäre es! Das ist aber, denke ich, auch Sache des substituierenden Arztes. Das fordern wir natürlich auch immer wieder ein.

Ich komme zum Schluss zu Ihrem Antrag. Sie fordern Informationen über die Kosten und auch über ein Gesamtkonzept. Das Konzept gibt es ja. Ich erinnere Sie daran: 2005, als die Drogenhilfe privatisiert wurde, wir als Grüne waren damals dagegen, haben wir das immer wieder eingefordert und haben eigentlich auch die Unterlagen damals bekommen, wie dieses Drogenhilfekonzept konstruiert ist und wie das Hilfesystem aufgebaut ist.

(Abg. B e n s c h [CDU]: Aussehen soll!)

Die Kosten können Sie im Haushalt nachlesen. Die Frage von mir ist: Was wollen Sie mit diesem kommunalen Vergleich? Ich denke, diese Daten helfen uns nicht weiter. Ich habe deutlich gemacht, wie unterschiedlich diese Gruppen sind, und auch

in den Städten sind sie unterschiedlich. Ich glaube, das würde uns nicht weiterhelfen.

(Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss!