Protocol of the Session on June 16, 2010

Erstens: Was sind die ersten Ergebnisse der Polizeibefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e. V., KFN?

Zweitens: Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus diesen Ergebnissen der Studie des KFN für Bremen?

Diese Anfrage wird beantwortet von Herrn Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: An der KFN-Befragung hatten sich 20 938 Polizeibeamtinnen und -beamte aus zehn Bundesländern beteiligt. Im Vergleich der fünf Jahre des Untersuchungszeitraums von 2005 bis 2009 zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Gewaltübergriffe. Fast jeder achte Beamte ist nach der Studie zwischen 2005 und 2009 mindestens einmal Opfer einer Gewalttat mit nachfolgender Dienstunfähigkeit geworden.

Polizeibeamtinnen und -beamte sind im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit in sehr hohem Maße Aggressionen durch Bürgerinnen und Bürger ausgesetzt. Von den Befragten wurden im Jahr 2009 über 80 Prozent beschimpft, beleidigt oder verbal bedroht. Jeder Vierte wurde mit der Faust oder Hand geschlagen oder mit Füßen getreten, und über acht Prozent wurden mit einer Waffe oder einem gefährlichen Gegenstand angegriffen.

Betrachtet man ausschließlich die schweren Gewaltübergriffe, die mindestens sieben Tage Dienstunfähigkeit zur Folge hatten, zeigt sich, dass sie sich in mehr als einem Viertel der Fälle bei der Festnahme von Tatverdächtigen ereignet haben. An zweiter Stelle folgen mit knapp 24 Prozent Einsätze von Streifenbeamten wegen Streitsituationen. An dritter Stelle stehen mit elf Prozent Einsätze wegen Störung der öffentlichen Ordnung. In über acht Prozent der Fälle erfolgten die massiven Verletzungen bei Demonstrationen.

Nach Angaben des KFN hat die Befragung auch ergeben, dass schwere Gewaltübergriffe bei Betroffenen häufig zu ernsten psychischen und psychosomatischen Beschwerden führen.

Zu Frage 2: Die erhebliche Zunahme der Verletzungen bei Polizeibeamtinnen und -beamten ist aus Sicht des Senats besorgniserregend. Sie zeigt, welche Risiken Polizisten gerade in ihrem alltäglichen

Dienst tragen müssen. Umso mehr verdient die Polizei für ihr professionelles Einschreiten Respekt und Anerkennung.

(Beifall bei der SPD)

Dem Schutz vor gewalttätigen Übergriffen und auch der anschließenden Betreuung von Polizisten kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Polizisten des Landes Bremen können in diesen Bereichen hohe Standards aufweisen. Es ist aber auch ein breiter gesellschaftlicher Konsens erforderlich, staatlichen Amtsträgern, insbesondere Polizeibeamtinnen und -beamten, in ihrem Dienst den notwendigen Rückhalt zu versichern. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, Ende Mai trafen sich Innensenatoren und Innenminister in Hamburg. Ist dieses Thema dort behandelt worden, und können Sie uns sagen, mit welcher Zielrichtung das behandelt worden ist?

Bitte, Herr Senator!

Natürlich ist dies ein Schwerpunktthema unserer Konferenz gewesen. Es gibt natürlich nicht die einfache Antwort darauf, denn das Thema Gewalt gibt es auch nicht in dieser Form, sondern wir erleben Gewalt in vielfältigen Facetten. Es sind Gewalttaten bei normalen Fußballspielen zu verzeichnen ebenso wie zuletzt am Samstag bei der sehr friedlichen Demonstration, bei der Polizeibeamte dann schwer verletzt worden sind, da Autonome Splitterbomben geworfen haben. Das ist die eine Facette.

Dann haben wir aber auch das Problem, dass Polizeibeamte plötzlich angegriffen werden, wenn sie eigentlich nur als Streitschlichter bei ganz normalen familiären Auseinandersetzungen gerufen werden, bei denen sich dann die Täter verbünden, um dann gemeinsam gegen die Polizei vorzugehen. Wir erleben dann Gewalt im Zusammenhang mit Alkohol. Gerade Alkohol ist der Treibstoff, der zu diesen Exzessen führt, und das zeigt eigentlich die gesamte Bandbreite.

Deswegen gibt es nicht die eine Antwort darauf, sondern wir müssen uns konkret die Sachen anschauen. Das geht in der Form, dass wir überlegen: Was können wir präventiv machen? Wie können wir die Ausbildung verbessern? Wie können wir unsere Beamten mehr auf diese Konfliktsituation trainieren, sodass sie adäquat reagieren? Wir müssen etwas tun für die Ausrüstung. Wir müssen etwas tun, was insgesamt das gesellschaftliche Problem angeht. Ich habe es angesprochen, alkoholbedingte Gewalt ist nicht eine Gefahr allein für die Polizei, da sind wir alle gefordert.

Gewalt gegen Polizeibeamte wird ein Thema sein, das wir mit der gebührenden Aufmerksamkeit weiter bearbeiten. Es wird nicht die letzte Konferenz gewesen sein, die sich damit befasst hat.

Herr Kollege Hinners, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, ich will noch einmal auf die Innenministerkonferenz in Hamburg eingehen! Haben die Innenminister dort eine Erhöhung der Strafandrohung bei Delikten gegen Polizeibeamte beschlossen?

Bitte, Herr Senator!

Auch wir haben uns natürlich mit diesem Thema beschäftigt, aber ich warne davor zu glauben, dass man allein mit einer Strafverschärfung dieses Problem auch nur annähernd begreifen und lösen kann.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie sehen ja gerade auch die Breite der Gewalt und der Aggressionen, die wir in dieser Gesellschaft erleben, und allein mit den Mitteln des Strafrechts kann man dem kaum begegnen. Wir haben uns dafür ausgesprochen, denn ich sehe, es hat einen gewissen symbolischen Wert, um deutlich zu machen: Wir stehen hinter unseren Polizeibeamtinnen und –beamten. Deswegen demonstrieren wir auch in diesem Bereich Stärke. Nur, wie gesagt, ich setze eher darauf, dass wir präventiv arbeiten, dass wir versuchen, die Probleme zu analysieren, ein Lagebild zu entwickeln. Das sind, glaube ich, Beiträge, die uns weiter bringen als nur eine Debatte über eine Strafverschärfung.

Herr Kollege Hinners, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich will noch einmal konkret nachfragen: Habe ich Sie also richtig verstanden, Sie haben dieser Erhöhung der Strafandrohung als Senator für Inneres zugestimmt?

Bitte, Herr Senator!

Ja, weil es in der Tat in der Praxis so ist, und das weiß natürlich jeder, der sich damit befasst, dass jeder Angriff auf einen Polizeibeamten natürlich nach den Regeln des Strafrechts als gefährliche Körperverletzung abgearbeitet wird. Da haben wir einen Strafrahmen, der in den einfachen Fällen bei fünf Jahren liegt, in den schweren Fällen, also bei gefährlicher Körperverletzung, bei zehn Jahren. Deswegen den Strafrahmen beim Widerstand von zwei auf drei Jahre hochzusetzen ist eine Mög

lichkeit. Man kann es machen, es ist völlig ungefährlich, aber es bringt keine wirkliche Verbesserung für die Arbeit der Polizeibeamten.

Herr Kollege Hinners, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie haben die Täter angesprochen. Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie sich die Art der Täter darstellt, wie sich das im Laufe der letzten Jahre entwickelt hat? Welche Täter treten vornehmlich bei der Gewalt gegen Polizisten in Erscheinung?

Bitte, Herr Senator!

Wir haben in der Tat festzustellen, dass die gefährlichen Körperverletzungen häufig einhergehen mit gewalttätigen Auseinandersetzungen. Das Beispiel vom letzten Samstag in Berlin ist gerade bezeichnend dafür. Es ist leider zu beklagen, dass sich hier, insbesondere im Bereich der Autonomen, inzwischen eine Form der Gewaltanwendung entwickelt hat, die deutlich das Maß des bisher Bekannten überschreitet. Ich habe aber auch gesagt, es gibt viele Situationen, in denen man das am Anfang nicht erkennen kann, in denen Polizeibeamte zu einem normalen Einsatz gerufen werden und in denen sie dann plötzlich doch massiv bedroht oder auch verletzt werden. Das sind gesellschaftliche Probleme, und auch darauf müssen wir uns einstellen.

Herr Kollege Hinners, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, wie beurteilt der Senat das Adhäsionsverfahren, also die Möglichkeit im Rahmen des Strafverfahrens Schadensersatzregelungen von Polizeibeamten oder auch anderen gleich mit durchführen zu lassen?

Bitte, Herr Senator!

Sie kennen dieses Verfahren, in der Praxis spielt es keine bedeutsame Rolle. Ich glaube, es ist eher ein Nebenthema.

Herr Senator, eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Timke! – Bitte sehr!

Herr Senator, ist Ihnen bekannt, dass die KFN-Studie auch von Polizeibeamten ausgefüllt wurde, die schon seit Jahren nicht mehr im Streifendienst sind und demnach auch den Kontakt zu dem Bürger vor Ort nicht haben? Ist Ihnen das bekannt?

Bitte, Herr Senator!

Die Fragen richten sich an alle, die in den letzten fünf Jahren aufgrund von massiven Beeinträchtigungen aufgrund von Gewaltanwendung dienstunfähig waren. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand im Streifenwagen gewesen ist oder außerhalb des Streifenwagens.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Beantwortung dieser Anfrage ist die Fragestunde beendet.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen zwei Themen vor, und zwar auf Antrag der Abgeordneten Frau Troedel und Fraktion DIE LINKE

Schwarz-gelbe Sparorgie – Anschlag auf sozialen Frieden und Demokratie

Das zweite Thema lautet auf Antrag der Abgeordneten Dr. Kuhn, Frau Dr. Schaefer, Frau Dr. Mathes, Willmann, Dr. Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko – wie sicher ist die Ölförderung vor unserer Küste?

Die Redezeit pro Thema und Fraktion beträgt für den ersten Redner bis zu zehn Minuten und für einen weiteren Redner bis zu fünf Minuten. Insgesamt darf die Redezeit pro Fraktion 15 Minuten nicht überschreiten. Werden weitere Themen in der Aktuellen Stunde behandelt, erhöht sich die Redezeit pro Fraktion für jedes Thema um zehn Minuten.

Nehmen Mitglieder des Senats oder ihre Vertreter im Amt mehr Redezeit in Anspruch, als einer Fraktion insgesamt zusteht, so kann jede Fraktion den ihr zustehenden Zeitanteil ebenfalls als weitere Redezeit beanspruchen.