Protocol of the Session on May 19, 2010

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Woltemath, wenn Sie wirklich nicht verstanden haben, dass der Rettungsschirm vor zehn Tagen nicht eine Frage war, über die man sich noch einmal zurücklehnt und in Ruhe nachdenkt, sondern dass es darum ging, die Öffnung der ersten Börsen in Japan mit klaren Beschlüssen zu erreichen, wenn Ihnen nicht klar geworden ist, welche Macht dahintersteht, die der Politik organisiert entgegentritt und uns etwas anderes aufzwingen will, als wir aus guten Gründen erreichen wollen, dann haben Sie überhaupt nicht verstanden, wo das Problem gegenwärtig liegt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deswegen glaube ich Ihnen auch nicht, wenn Sie sagen, ja, wir wollen auch irgendwo regulieren, und das haben wir schon immer gesagt. Zu dem Beschluss Ihres Landesverbands, wenn ich das zitieren darf: „Die FDP Bremen fordert die liberalen Mitglieder der Bundesregierung“ und so weiter „auf, Maßnahmen zu ergreifen, die ausschließen, dass auf Risiko der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weitere Kredite gewährt und Bürgerschaftsverpflichtungen eingegangen werden.“ Das ist Niveau der „Bild“Zeitung, nichts weiter! Mir können Sie nicht weismachen, dass ich Ihnen vertrauen soll, dass in der Frage der Finanzmarktregulierung irgendetwas passieren wird, gar nichts!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Den Beitrag von Herrn Dr. Schrörs nehme ich einmal positiv auf. Herr Dr. Schrörs, Sie haben kein einziges Wort gefunden, um die Steuersenkungspolitik der Bundesregierung irgendwie zu begrüßen, zu rechtfertigen oder sie für gut zu halten. Das finde ich gut, denn Sie werden solch ein Argument offensichtlich auch nicht finden. Deshalb haben Sie nichts dazu gesagt, das nehme ich einmal positiv auf. Sie haben auch nichts dazu gesagt, dass die jetzige Bundesregierung eineinhalb Jahre versäumt hat, nichts getan hat, immer gesagt hat: Die anderen müssen etwas machen, allein können wir nicht. Zur Regulierung der Finanzmärkte haben Sie auch nichts gesagt. Ich gehe deswegen davon aus, dass Sie unsere Kritik daran teilen, weil Sie nichts zur Begründung, Rechtfertigung und Lob dieser Bundesregierung hier gesagt haben. Es war mir schon klar, dass Sie in Ihrer Rede einen anderen Schwerpunkt haben werden.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Es ist auch ein Landtag!)

Herr Röwekamp, das ist ein schöner Zwischenruf, wir sind ein Landtag! Wenn Sie immer noch nicht verstanden haben, was diese Ereignisse in Brüssel, Athen und Berlin mit unserer Situation und unserem Geld zu tun haben, dann tut es mir wirklich leid!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Aber gut, so sind Sie nun einmal offensichtlich! Dann sage ich jetzt noch einmal – –.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Was hat es denn mit der Steuerschätzung zu tun, Herr Dr. Kuhn?)

Hat sie etwa nichts damit zu tun, wie die Bundesregierung in Berlin auf die Finanzmarktkrise reagiert hat? Nein, gar nichts?

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Was denn?)

Sie kippen uns die Ergebnisse Ihrer Politik in Berlin in Gestalt von Steuermindereinnahmen hier vor die Füße und sagen: Nun macht einmal, macht doch sofort! So war der Duktus der Rede von Herrn Dr. Schrörs. Das lassen wir uns nicht bieten!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich bedanke mich sehr für den Beitrag der Bürgermeisterin, in dem sie klar dargelegt hat, was wir bereits getan haben, auf welchem Wege wir sind. Ich glaube auch, erstens, wir haben ein Verfahren, Herr Dr. Schrörs. Das ist im Wesentlichen auch auf Sie zurückgegangen, und wenn wir uns am nächsten Freitag ansehen und anhören, wie es mit der Personalentwicklung, mit den Pensionsbelastungen und so fort weitergeht, dann wird doch jeder für sich versuchen, politisch seine Schlüsse zu ziehen. Was macht es denn für einen Sinn, wenn wir ohne solche Prüfungen, ohne Abarbeitung dieser Themen hier immer irgendetwas in die Luft setzen? Das macht doch keinen Sinn! Wir haben ein Verfahren verabredet. Dass Ihre und unsere gemeinsamen Erwartungen und Notwendigkeiten groß sind und Sie da eine bestimmte Rolle haben, ist Ihnen alles unbenommen, aber so zu tun, als würden alle anderen in der Republik unmittelbar und sofort mit treffenden Maßnahmen gegen die Steuermindereinnahmen reagieren, als hätten sie womöglich, so, wie Sie es fordern, sowieso schon 20 Prozent Mindereinnahmen von Anfang an eingeplant, das macht kein Mensch, Herr Schäuble an erster Stelle nicht! Das ist einfach nicht in Ordnung.

Deswegen: Wir haben ein Verfahren, und wir wollten mit der Debatte deutlich machen, dass zwischen diesen verschiedenen Bereichen der Politik heutzu

tage ein enger Zusammenhang besteht, und wir müssen uns auch als Landtag mit diesen Fragen beschäftigen, sonst verlieren wir, und das wollen wir nicht. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, verehrte Bürgermeisterin! Ich schätze das Finanzressort in diesem Land insbesondere deswegen, weil es eine Form von Transparenz erzeugt hat, die es denjenigen, die sich damit beschäftigen, erlaubt, sich ein Bild von der Lage zu machen. Das, was da an Berichten erzeugt und an Tabellen vorgelegt wird, was an Prognosen versucht wird, ist meines Erachtens beispielhaft, und deswegen erlaube ich mir zu sagen: Wir wollen etwas tun, das meiner Meinung nach physikalisch nicht funktioniert.

Wir haben in diesem Jahr ein Defizit von ungefähr 1,1 Milliarden Euro. Wir werden in den nächsten zwei bis drei Jahren keine Einnahmesteigerungen haben. Wenn wir es bis 2020 hinbekommen, die Einnahmesteigerungen, die Inflationsrate und Tarifsteigerungen aufzufangen, dann haben wir rechnerisch im Jahr 2020 ein Ausgabenniveau von ungefähr 75 Prozent. Wenn man dann steigende Zinsen und Versorgungslasten abzieht, haben wir ein Ausgabenniveau von circa 70 Prozent. Ich bin mir völlig sicher, dass ein Ausgabenniveau von 70 Prozent eine deutliche Verletzung von gesetzlichen Vorschriften, von vertraglichen Vereinbarungen ist, und ich bin mir auch vollständig sicher, dass das Land Bremen mit 70 Prozent der Ausgaben von heute nicht auskommt, um ein soziales Gemeinwesen zu erhalten.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Und was machen wir jetzt?)

Deswegen ist die spannende Frage: Wie weit wollen Sie gehen? Wie weit wollen Sie aus dem Tarifvertrag der Länder aussteigen? Wie weit wollen Sie die Investitionen reduzieren? Inwieweit wollen Sie den gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht einlösen, und wie viel privates Eigentum wollen Sie verkaufen? Alle diese Fragen müssen Sie beantworten, um bis 2020 dieses Ziel zu erreichen, und ich verlange nicht, dass man sich auf den Rücken wirft und sagt, wir wollen das Geld nicht. Ich erwarte, dass man sich angesichts einer meines Erachtens vollständig neuen Situation – in der es erlaubt ist, Banken zu retten, Konjunkturpakete zu machen, in der es erlaubt ist, den Euro zu retten – auch darüber Gedanken ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

macht, wie man die Situation in den Ländern und Kommunen nicht durch Kürzungen regelt, sondern einen anderen Weg findet. Das hat Herr Dr. Kuhn gesagt: Wir müssen die Altschulden regeln und brauchen höhere Steuern, und jetzt gibt es eine Chance dazu.

Wir haben mit Nordrhein-Westfalen jetzt möglicherweise das Druckmittel, das auch zu tun, und ich sage an dieser Stelle noch einmal: Meiner Meinung nach unterstützt man den Versuch, insgesamt diese Krise der Kommunen und Länder herunterzureden, wenn man sagt, wir strengen uns an, und wenn wir uns genug anstrengen, werden wir es schon irgendwie hinbekommen. Ich glaube, das ist der falsche Weg. Man muss sagen, ab einem bestimmten Punkt werden alle Anstrengungen nichts nützen, wir werden das nicht aus eigener Kraft und nicht durch Kürzungen hinbekommen. Deswegen muss man jetzt Druck nach Berlin machen, damit entsprechende Steuern beschlossen werden, und das ist nicht ein sich auf den Rücken legen, sondern ein sich auf die Hinterbeine stellen. – Danke!

(Beifall der der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Dr. Kuhn, ich habe es sehr wohl verstanden! Es war übrigens nicht die Börse in Japan, es ging um pazifische Börsen, die noch vor der Börse in Japan öffnen, die man mit der Entscheidung erreichen wollte, wenn wir schon bei Kleinigkeiten bleiben wollen!

(Beifall bei der FDP)

Die Frage aber, die ich aufgeworfen habe, war eine andere. Es ging darum, wir diskutieren darüber, ob Politik hier voranschreiten soll und Entscheidungen treffen muss. Die Frage bei diesen Debatten war auch, und es gab ja auch andere Meinungen, die gesagt haben, nein, wir müssen dem Druck im Moment nicht weichen, wir können auch noch weiter darüber diskutieren und andere Entscheidungen treffen. Diese Stimmen gab es auch, und es gibt sie nach wie vor.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen])

Nein, diese Stimmen gibt es auch in breiten volkswirtschaftlichen Debatten, dass es diese Überlegung gibt, ob es richtig war, alles bisher Geltende über Bord zu werfen. Wir wissen ja überhaupt noch gar nicht, wo wir stehen. Wir haben die Hoffnung, dass das zur Stabilität beigetragen hat, aber die Unruhe an den Währungs- und auch an den Finanzmärkten zeigt, wir sind noch gar nicht am Ende angekommen. Des

halb glaube ich, einfach so nonchalant, weil man unter Zeitdruck steht, etwas über Bord zu werfen, wofür man vorher lange gekämpft und wozu man lange gestanden hat, darüber sollte man schon einen Moment nachdenken. Das hat nichts damit zu tun, ob man den Zusammenhang verstanden hat oder nicht, sondern das hat etwas damit zu tun, welche Position man in dieser Debatte einnimmt, und ich bin dafür, solche Dinge sorgsam abzuwägen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben es beim Rettungsschirm der Banken gesehen: Da sind eine Menge Entscheidungen getroffen worden, die man auch bei sorgsamerem Abwägen hätte anders treffen können und müssen, und wir haben in beiden Fällen, sowohl bei Griechenland als auch dem Bankenrettungsschirm und HRE, die Warnsignale lange vorher gehabt. Die Warnlampen haben ja überall geblinkt. Bei HRE lagen die Berichte im Finanzministerium, und bei Griechenland wusste es auch jeder. Ich habe vorhin nicht umsonst den ehemaligen Chefvolkswirt der EZB zitiert. Alle wissen auch, dass man darauf hätte viel früher reagieren können. Dann eine Drucksituation aufzubauen und zu sagen, wir müssen das machen, das ist nun für einen Moment in dieser Situation gut gegangen. Warten wir einmal ab, wo wir in einem halben Jahr stehen. Die Kritiker dieses Vorgehens zu schelten und zu sagen, sie hätten keine Ahnung, das, finde ich, ist einfach billig. Das ist einfach billiger Populismus, und deshalb weise ich das zurück! – Danke!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schrörs.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine kurze Anmerkung noch zu Ihnen, Herr Dr. Kuhn: Regulierung der Finanzmärkte! Sie wissen doch so gut wie ich, dass Sie in der Bundesrepublik Deutschland nicht allein etwas bewegen können. Sie können bestimmte Maßnahmen ergreifen, da sind wir sofort einer Meinung. Das hätte man vielleicht auch eher machen können, aber das ist jetzt angeschoben und soll gemacht werden. Über den Rest kann man natürlich lange diskutieren, ob man sich global einfach ausklinkt und sagt, es interessiert uns nicht, was in Amerika passiert, es interessiert uns auch nicht, was die Engländer wollen, das ist uns völlig egal. Nein, das Ziel war – und so ist auch die Bundesregierung vorgegangen –, gemeinsam eine globale Lösung hinzubekommen. Diese globale Lösung, das wissen Sie so gut wie ich, war nicht möglich und ist auch heute nicht möglich, weil insbesondere die Vereinigten Staaten ausgestiegen sind und eine andere Lösung vorzuziehen.

Sie wissen, es wird immer noch versucht, beim G 20Gipfel eine Lösung zu erreichen. Trotzdem wissen alle, dass man es im Moment nicht hinbekommt. Wenn man dann den nächsten Schritt geht, Herr Dr. Kuhn, und sagt, man will eine europäische Lösung, und man dort bei den Finanzministern vor 14 Tagen oder drei Wochen klar gesagt bekommt, es wird keine europäische Lösung geben, dann kann man hingehen und sagen, okay, das interessiert uns jetzt alles nicht, jetzt machen wir das alles nur noch für Deutschland. Da sage ich Ihnen, wenn Sie das machen, dann haben Sie einen immensen Schaden, den Sie gar nicht beziffern können. Also war der Weg richtig, jetzt weiterzugehen, zu sagen, okay, wenn es denn die globale Lösung nicht gibt, dann versuchen wir, jetzt eine Lösung im europäischen Raum hinzubekommen. Das ist offensichtlich ein guter Weg, und das soll jetzt versucht werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde den Weg, den die Bundesregierung gegangen ist, richtig.

Zweiter Punkt, Steuersenkungen! Ich glaube, ich habe hier keine Rede in der Bürgerschaft gehalten und mich vehement für Steuersenkungen ausgesprochen. Ich habe aber eines immer gesagt: Erstens, es muss eine Veränderung der Steuer im Grundsatz geben, der Vereinfachung! Das ist ein wesentlicher Teil, und ich glaube, da sind sich alle hier auch einig. Wogegen wir uns wehren, ist, dass Ihre Betrachtungsweise ausschließlich über die Einnahmesituation läuft. An diesem Punkt, muss ich Ihnen sagen, Sie können eben die Einnahmesituation in Bremen nur begrenzt beeinflussen. Da werden Sie sogar noch die CDU auf Ihrer Seite haben, um gewisse Veränderungen auch mitzutragen.

Der eigentliche Weg aber, wie Sie hier etwas als Regierungsfraktionen verändern können, ist der Bereich der Ausgaben. Das ist eben leider so. Dass die Länder gemeinsam versuchen werden – da bin ich ziemlich sicher –, diese Steuerausfälle zu kompensieren, auch das verstehe ich. Aber ich wehre mich dagegen, dass sofort und als Erstes gesagt wird, das lösen wir über eine Neuverschuldung. Der Weg ist falsch. Ich muss zuerst einmal sagen, ich muss mir noch weiter den Haushalt anschauen, muss noch weiter sparen, und wenn dann alles nicht mehr geht, dann kann ich über eine Neuverschuldung nachdenken.

Frau Linnert, auch dazu noch eine Bemerkung zu Ihrem Beitrag! Es sagt doch keiner, dass die Koalition nicht gespart hätte.

(Bürgermeisterin L i n n e r t : Doch, das sagen Sie!)

Nein, das habe ich nicht, und das werde ich auch nicht sagen. Sie sparen in gewissen Teilen, aber das Problem ist doch ein anderes. Sie können immer wei

ter so sparen, und Sie werden das Problem nicht lösen. Um das mit dem Beispiel der Bleistifte und der Radiergummi zu verdeutlichen! Sie können es nicht über Haushaltsstellen und hier 1 000 Euro und da 10 000 Euro schaffen, Sie müssen etwas anderes machen. Drei Punkte: Sie müssen sagen, Sie machen eine ernsthafte Aufgabenkritik! Dazu sind Sie aber nicht bereit, das wollen Sie nicht. Sie müssen die Staatsaufgaben überprüfen. Sie müssen die Frage stellen: Was muss der Staat heute noch machen, was kann der Staat machen, und welche Aufgaben können Private machen? Da muss ein Land wie Bremen nach vorn gehen und sagen, wir sind mustergültig an der Stelle, um die Staatsaufgaben zu überprüfen. Das ist der zweite Weg. Darüber können Sie sparen, weil Sie Veränderungen bewirken.

Über den dritten Teil lesen Sie zurzeit täglich in der Zeitung, und es wird so bleiben: Alle Bundesländer werden in allen Bereichen Standards überprüfen und absenken. Das ist einfach so, und auch dieser Diskussion müssen Sie sich stellen. Sie wollen es aber nicht! Sie versuchen, Zeit über den Wahltag hinaus zu gewinnen und alle diese Entscheidungen zu verschleppen. Dies schadet Bremen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich fordere Sie auf, gehen Sie das an! Beginnen Sie eine Aufgabenkritik, überprüfen Sie die Staatsaufgaben und verändern Sie die Standards! – Danke!