Auch in der Zeit der Großen Koalition unter der Bundeskanzlerin Merkel sind nicht die grundlegenden Veränderungen verabschiedet und keine Initiativen dazu ergriffen worden. Die Korrekturen, die bei den Regelsätzen gemacht wurden, sind im Zusammenhang mit dem Konjunkturprogramm mit durchgeschoben worden, das ist die historische Realität. Die Einzigen, die da also mit Hartz IV wirklich nichts zu tun haben, sind die LINKEN, beziehungsweise sie haben auch etwas damit zu tun, es war nämlich ein maßgeblicher Punkt, an dem sie sich überhaupt konstituiert haben. Das ist historische Wahrheit. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Historische Wahrheit ist im Übrigen auch, weil es auch immer wieder gesagt wird: Diese Kürzung der Mittel bei der Arbeitsmarktpolitik, wie Sie dauernd behaupten, ist eine Fiktion. Es hat insofern eine Kürzung gegeben, als die EU-Fördermittel zurückgegangen sind. Ansonsten – und das würde ich nach wie vor verteidigen – ist mit dem SGB II die Grundentscheidung getroffen worden, dass die arbeitsmarktpolitische Verantwortung beim Bund liegt und dass dies auch entsprechend finanzielle Auswirkungen hat. Dies hat zur Folge, dass sich die Finanzanteile erheblich verschoben haben, und es ist auch klar – und das wird auch immer wieder gesagt –, dass die große Masse der arbeitsmarktpolitischen Mittel nicht vom Land, sondern von den Agenturen beziehungsweise von den Arbeitsgemeinschaften ausgegeben werden.
Nur um es noch einmal ein bisschen in Zahlen deutlich zu machen, worüber wir reden, das, finde ich, ist immer wichtig: Über die Agenturen wird im Prinzip das Achtfache dessen ausgegeben, was das Land ausgibt, nämlich rund 155 Millionen Euro werden jedes Jahr in Bremen und Bremerhaven für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ausgegeben, nicht in der Verwaltung allein, sondern in den Maßnahmen. Das sind die Dimensionen, und da von Kürzungen einfach zu reden, das ist so etwas von sachfremd, dass es mich langsam aber sicher ein bisschen ärgert.
Nein, wir geben das Geld aus, was wir vorher ausgegeben haben, das geben wir auch weiter aus! Im Übrigen in der Großen Koalition, Herr Röwekamp, falls Sie das noch in Erinnerung haben, ich weiß ja nicht, ob Sie die Zeit völlig vergessen haben!
Ja, ich auch nicht! Ich war ja auch dabei, da brauchen Sie gar keine zu Sorgen haben! Ich weiß schon ungefähr, was ich gemacht habe.
Diese Verschiebungen sind in der arbeitsmarktpolitischen Finanzierung genau in dieser Phase gewesen, und die halte ich im Grundsatz auch nach wie vor für richtig. Es wäre, das finde ich, ist das Gute an den Emotionen –
müssen wir, glaube ich, auch noch grundsätzlicher machen –, nämlich in der Tat die Frage, ob Möglichkeiten bei Veränderungen der Zuverdienste oder auch hinsichtlich eines Grundeinkommens nicht eher dazu führen, dass es einen staatlich subventionierten Niedriglohnsektor mit Steuerzahlungen gibt, das muss man diskutieren. Das, finde ich, ist eine spannende Frage, und da muss man solche Maßnahmen bewerten. Es ist auch die Frage in Richtung der LINKEN, wie man eigentlich prekäre Beschäftigung bekämpft, welche Rolle dabei Hartz IV hat und welche Rolle Hartz IV dabei nicht hat! Da überschätzt man nämlich Hartz IV auch noch in einigen Bereichen, glaube ich.
In dem Zusammenhang, Frau Nitz, ich fände es sehr spannend, wenn Sie einmal wirklich positiv bestimmen könnten, was der grundlegende Systemwechsel aus Ihrer Sicht denn genau sein soll. Will DIE LINKE jetzt ein bedingungsloses Grundeinkommen, was ja in weiten Teilen Ihrer Partei diskutiert wird? Will man ein Grundsicherungssystem weiter erhalten, wie wir jetzt im Prinzip bei Hartz IV haben, was auch in weiten Teilen Ihrer Partei diskutiert wird? Wenn ich die Kräfteverhältnisse richtig einschätze, sind sie ja ziemlich ausgeglichen, nämlich 50 zu 50. Wie vermeidet man bestimmte Problemstellungen, die man bei jedem Grundsicherungssystem hat? Egal wie hoch die Sätze sind, man hat irgendwann die Probleme, dass man bestimmte Sachen nicht mehr macht. Das würde ich gern positiv mit Ihnen diskutieren, wie man das ausgestalten kann. Das fände ich eine interessante Sache, anstatt nur zu sagen, wir müssen irgendwie alles grundlegend ändern.
Ich halte es deswegen für besonders sinnvoll, diese Regelsatzdiskussion und das Verfassungsgerichtsurteil viel breiter zu diskutieren, als es in einer rein parlamentarischen Debatte möglich ist, da dieses Urteil wegweisend ist. Es kann sogar einen richtigen Paradigmenwechsel im Sozialstaat zur Folge haben, denn es ist eine kleine Passage, die aber ganz weitreichende Konsequenzen haben kann. Es wurde erstmals ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe richtig verankert, welche über Sozialleistungen abgesichert sein muss. Das ist ein extrem weitreichendes Urteil, wenn man die Konsequenzen für alle Sozialleistungssysteme danach durchdenkt.
Deswegen darf man das nicht in rein parlamentarischen Gremien diskutieren, und es geht auch überhaupt nicht um eine Expertokratie, sondern es geht darum, wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte, wo alle Kräfte, die dazu etwas Sinnvolles zu sagen haben, auch entsprechend miteinbezogen werden. Das ist der Kern dessen, weswegen wir da eine breite Debatte brauchen, und das muss man auch entsprechend so fördern, weil ich glaube, das ist noch eine Frage, die weit über das SGB II hinaus reichen wird und von daher gründlich überlegt und debattiert sein muss, neben allen anderen Bereichen, die man sicherlich bei Hartz IV auch noch verändern soll
te, aber das sind eben andere Themen, und die Grundsatzthemen sollte man gründlich machen. – Danke sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wer in dieser Debatte mit dem Finger auf die FDP zeigt, der muss immerhin wissen, dass mindestens drei auf ihn zurück zeigen könnten, und dann muss er sich auch einmal mit den Argumenten auseinandersetzen und sie nicht fehlinterpretieren, wie Sie es getan haben, Herr Frehe!
Ich habe Dinge zur Diskussion gestellt, um zu illustrieren – und das ist, glaube ich, wichtig –, dass man politisch entscheiden muss, was man pauschalisieren will und wofür man einzelfallbezogen Regelungen braucht bis hin zur Größe des Geräts, um Menschen das zur Verfügung zur stellen. Natürlich wollen wir – und wer wollte das nicht –, dass Menschen teilhaben können, aber dazu muss man definieren, was Teilhabe ist, denn das ist letztendlich auch ein juristisch nicht greifbarer Begriff, sondern das bedarf einer politischen Diskussion, die wir in einem Beteiligungsverfahren, aber nicht in einer Expertokratie geklärt haben wollen.
Insofern bin ich der Meinung, dass wir hier die richtigen Vorschläge machen, die richtigen Fragen stellen und wir uns dieser Debatte auch weiterhin stellen werden. Die nächste Frage, die ist zu Recht von Herrn Frehe gestellt worden, die mit den Zuverdienstmöglichkeiten, die verbessert werden müssen und der Frage – –.
Gleich, ich will den Satz eben zu Ende bringen, dann darf Herr Erlanson gern fragen! Wie ist es denn mit der Idee, Bürgergeld zu zahlen, um Menschen mehr Anreize zu geben, Arbeit aufzunehmen? Natürlich besteht da die Gefahr des Lohndumpings, aber die Frage ist: Ist die Chance größer als die Gefahr? Für uns als FDP sind die
Chance und auch die Notwendigkeit größer, solche Mittel zu ergreifen. Deswegen unterstützen wir das Bürgergeldsystem, weil wir mehr Anreize dafür schaffen müssen, dass Arbeit aufgenommen wird. Jetzt Herr Erlanson von der nicht gerade frisch gegründeten LINKEN!
Herr Dr. Buhlert, ich möchte nur ganz kurz fragen: Wie ist es eigentlich mit Ihrem sonst immer zur Schau gestellten Liberalismus zu vereinbaren, dass Sie jetzt auf einmal den Menschen vorschreiben wollen, ob sie eine Bildschirmdiagonale von 80 oder 106 Zentimetern haben sollen? Das verstehe ich nicht!
Sehr geehrter Herr Erlanson, auch Ihnen empfehle ich zu lesen! Ich wollte das nicht vorschreiben, das war eines der Beispiele, die ich genannt habe, um festzustellen, dass man miteinander diskutieren muss, ob man pauschal etwas festsetzt oder ob man Einmalzahlungen für bestimmte Dinge macht wie beispielsweise Fernseher. Wenn man Einmalzahlungen macht, legt man auch einen Höchstpreis fest, auch das wird sich dann ja nicht ändern. Insofern ist diese Diskussion dann auch angebracht.
Aber wo wir gerade bei Ihnen waren! Zur historischen Wahrheit: Es wurde gesagt, DIE LINKE hätte sich gegründet wegen Hartz IV. Nein, die WASG hat sich gegründet und ist dann mit der alten PDS, der Nachfolgerin der SED, zusammengegangen, hat sich dann dieses Themas angenommen und es damit geschafft, dann auch im Westen Fuß zu fassen, was ich heute noch bedauere.
Die FDP war nicht weg vom Fenster, nein! Das wird auch so schnell nicht erreicht werden, weil der Liberalismus eine politische Strömung ist, die sich immer wieder parlamentarisch finden wird. Insofern habe ich da keine Sorge, dass der Liberalismus da nicht weiter zu seiner Berücksichtigung kommt.
Der nächste Punkt ist, wir müssen die politische Diskussion weiterführen, und das, denke ich, ist die wichtige Sache, die anliegt, und dann müssen wir
hier auch einmal wirklich dafür sorgen und diskutieren, wie es weitergeht mit der Frage der Qualifizierung. Wir haben doch in der Tat hier in Bremen das Problem, dass zwar die Mittel in einer bestimmten Größe vorhanden sind, aber die Frage aus Sicht der FDP nicht richtig beantwortet wird: Wofür wird das Geld ausgegeben?
Wir wollen weniger Arbeitsgelegenheiten, die nichts für die Menschen bringen, die sie nicht in den ersten Arbeitsmarkt zurückbringen, wir wollen Qualifizierung, die nützt! Wir wollen allerdings auch keine Deutschkurse für Leute, die ein Abitur haben und Deutsch schon können, und das dritte Bewerbungstraining bringt es dann eben auch nicht. Auch da müssen wir doch hinschauen. Es kommt doch auf die Qualität der Qualifizierung an und nicht auf das Ob einer Qualifizierung. Darauf müssen wir doch schauen, und diese Diskussion müssen wir führen, denn Qualifizierung um der Qualifizierung willen und um die Statistik zu schönen, das brauchen wir in der Tat nicht, das kostet nur Geld des Steuerzahlers und nützt wirklich niemanden! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Gemäß Paragraf 51 Satz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zunächst über den Änderungsantrag abstimmen.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 17/1268 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP, Abg. M ö h l e [parteilos], Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])