Protocol of the Session on March 18, 2010

(Drucksache 17/1149)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Gemäß § 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 17/1149, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Ich gehe davon aus, Herr Senator Günthner, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir möchten uns herzlich für die ausführliche Beantwortung unserer Anfrage beim Senat bedanken. Ganz besonders detailliert wurde die Fra––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Frage zur EU-Grenzschutzagentur FRONTEX beantwortet.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senat scheint die große Sorge zu teilen, die unsere Fraktion und viele engagierte Bürgerinnen und Bürger haben. FRONTEX ist eine EU-Agentur mit der Aufgabe der Sicherung der EU-Außengrenzen. Ihre Arbeit besteht in der Koordination von Einsatzkräften und Sachmitteln. 2008 verfügte FRONTEX über ein Budget von 70 Millionen Euro, mit dem es willkürlich agieren konnte, denn FRONTEX unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle.

Diese Sicherung der EU-Grenzen ist die Abwehr von Flüchtlingen, Menschen, deren Lebensgrundlagen zerstört sind, die aufgrund von Hunger und Elend fliehen, die aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen müssen und das vermeintlich sichere Europa erreichen wollen. Für viele war es aber der sichere Tod. Über 10 000 Flüchtlinge sind in den letzten Jahren ertrunken, verdurstet oder verhungert. Die Abwehr von Flüchtlingen kostete allein 2008 nach Angaben von PRO ASYL 1 500 Menschenleben, und das sind nur die Toten, von denen wir sicher wissen.

Zusätzlich zur unterlassenen Hilfeleistung auf See werden Flüchtlingsboote rechtswidrig abgedrängt und wird Flüchtlingen das Recht verweigert, auf See einen Asylantrag zu stellen. Zitat aus dem Gutachten von Amnesty International: „ Die Zurückweisung, das Zurückeskortieren, die Verhinderung der Weiterfahrt, das Zurückschleppen beziehungsweise das Verbringen in nicht zur EU gehörende Küstenländer ist europäischen Grenzschützern verboten, solange das Verfahren der administrativen und gerichtlichen Überprüfung des individuellen Schutzbegehrens der potenziell schutzbedürftigen Betroffenen auf europäischem Territorium nicht abgeschlossen ist.“

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Zu wel- chem Thema reden Sie?)

Viele Studien von Organisationen wie PRO ASYL, Human Rights Watch und Amnesty International und auch wir kritisieren schon lange, dass durch FRONTEX bisher die Genfer Flüchtlingskonvention und auch die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie mögen sich fragen, wo der Bezug zu Bremen ist! FRONTEX ist eine EU-Agentur, mit der Bremen – so scheint es – nicht besonders viel zu tun hat. Am 10. September letzten Jahres wurde das Bremer CEONBüro in Anwesenheit des Vizepräsidenten der EUKommission Verheugen und des damaligen Wirtschaftssenators Nagel eröffnet. CEON ist das Bremer

Zentrum für Kommunikation, Erdbeobachtung und Navigation, es hat die Aufgabe, technologische Kooperationen aufzubauen. Diese sollen in Zukunft mit Hilfe von Satellitenbildern Daten zur Überwachung von Umwelt und Sicherheit liefern. Da auch FRONTEX Zugriff auf die Überwachungsbilder haben soll, werden die Grenzen zwischen Umweltschutz, ziviler Sicherheit und Flüchtlingsabwehr mit Hilfe bremischer Steuermittel verwischt. Wir sind erfreut darüber, dass der Senat ausdrücklich sichergestellt haben will, dass alle FRONTEX-Aktivitäten der Würde des Menschen, den Normen des Völkerrechts und des Rechts auf Asyl entsprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

In unserer ersten Frage baten wir den Senat um Angaben, welche Einrichtungen von Bremen unterstützt werden, die bei GMES beteiligt sind, GMES heißt Globales Monitoring für Umwelt und Sicherheit. Die Initiative zur Gründung dieses Erdbeobachtungssystems ging 1998 von der EU aus, um Umweltschutz- und Sicherheitsfragen durch Satellitendaten zu kombinieren. Der öffentlichen Website lässt sich entnehmen, dass CEON das GMES-Büro Bremens ist und eine führende Rolle innerhalb des bundesdeutschen Projekts DeMarine einnimmt.

In der Antwort des Senats ist CEON nicht genannt worden. Wir möchten dem Senat keine bösen Absichten unterstellen, daher empfehlen wir ihm, einmal auf die öffentliche Website von CEON zu schauen. Dort steht geschrieben, dass CEON zu 100 Prozent vom Land Bremen finanziert wird. Es wurden bisher 1,2 Millionen Euro als Anschubfinanzierung zur Einrichtung des Zentrums für drei Jahre zur Verfügung gestellt. Als eines der Ziele von CEON wird ein besonderer Fokus auf die maritime Sicherheit und Objektverortung auf See gelegt.

Dabei wird der undefinierte Sicherheitsbegriff vom Senat unreflektiert übernommen. Es bleibt völlig unklar, ob maritime oder zivile Sicherheit einen ungehinderten Seeverkehr oder die Verortung von Flüchtlingsbooten bedeutet. In der EU wurde der Begriff Sicherheit mit neuen Deutungen versehen. Sicherheitsstrategien beinhalten nicht länger die Abwehrmaßnahmen gegen angreifende Armeen, sondern Abwehrmaßnahmen gegen Terror, Kriminalität und irreguläre Migration sowie Naturkatastrophen. Schon diese Zusammensetzung ist befremdlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Zitat aus der Bremer Landesverfassung: „Erschüttert von der Vernichtung, die die autoritäre Regierung der Nationalsozialisten unter Missachtung der persönlichen Freiheit und der Würde des Menschen in der jahrhundertealten Freien Hansestadt Bremen verursacht hat, sind die Bürger dieses Lan

des willens, eine Ordnung des gesellschaftlichen Lebens zu schaffen, in der die soziale Gerechtigkeit, die Menschlichkeit und der Friede gepflegt werden, in der der wirtschaftlich Schwache vor Ausbeutung geschützt und allen Arbeitswilligen ein menschenwürdiges Dasein gesichert wird.“

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Für eine friedliche Entwicklung der Welt gehört es unbedingt dazu, dass die Rechte aller Menschen geachtet werden. Die EUAsylpolitik und Grenzschutzaktivitäten laufen einem friedlichen Zusammenleben der Menschen entgegen. Sollte es der Senat mit diesen Grundsätzen der Landesverfassung ernst meinen, gibt es jetzt noch Möglichkeiten zu intervenieren. Wir appellieren an den Senat, die Befolgung von geltendem internationalem Recht zu fördern und die Landesverfassung beim Wort zu nehmen und sich auch weiterhin verstärkt auf nationaler und internationaler Ebene für die Menschenrechte einzusetzen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Willmann.

Meine sehr geehrte Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kommt relativ selten vor, dass ich vor einer Großen Anfrage und deren Antwort sitze und eigentlich gar nicht so genau weiß, was ich dazu aufschreiben soll, welche Notizen ich mir machen soll, um hier im Parlament darüber zu debattieren, weil bei der Anfrage der LINKEN selbst gar nicht klar war, wohin sie eigentlich wollen. Es wurden Daten abgefragt, auf der anderen Seite war mir im Hinterkopf eigentlich klar, dass genau das passiert, was wir eben erleben durften. Es wurde das Thema GMES am Rande gestreift, und es wurde hier das Thema FRONTEX in den Vordergrund gestellt.

Was ist eigentlich GMES? Das haben Sie leider, wie ich finde, für das Land Bremen, das dabei eine ganz zentrale Rolle spielt, überhaupt nicht genug gewürdigt, Kollegin Troedel! GMES ist die gemeinsame Initiative der Europäischen Kommission und der EUWeltraumorganisation zum Aufbau eines eigenständigen europäischen Beobachtungssystems für globale und für Umwelt- und Sicherheitsüberwachung. Wenn man das einmal auseinandernimmt und sieht, dass das kleine Land Bremen hier für das GMES-Programm das Koordinierungsbüro in Form der GAUSS und nicht in Form des CEON hat, dann wird die Bedeutung für das Land Bremen als Raumfahrtstand––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ort neben Oberpfaffenhofen sichtbar. Man muss sich einmal anschauen, wo es liegt!

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: In Bayern!)

In Bayern, so ist es! Wir haben hier einen wichtigen Stützpunkt, der sich mit ganz zentralen Themen des GMES-Programms auseinandersetzt, nämlich dem der Umwelt, der Umweltbeobachtung und der Sicherheit, und wenn man den Originalbegriff „Security“ nimmt, dann wird einem auch schnell klar, dass „Security“ zwei Begrifflichkeiten beinhaltet, die im Deutschen immer nur mit Sicherheit übersetzt werden. Hier geht es darum, die maritime Sicherheit sicherzustellen, und maritime Sicherheit bedeutet für uns, als so wichtiges Land an der Küste, eine ganze Menge, nämlich die Sicherstellung vor Unfällen, die Sicherstellung des Seeverkehrs, die Sicherstellung des reibungslosen Ablaufes des Schiffsverkehrs, die Warnung vor Unfällen – wir alle erinnern uns an die Bilder des brennenden Holztransporters auf der Nordsee –, und es ist weit entfernt davon, im Bereich dessen zu arbeiten, was Sie hier am Pult versuchen, den Menschen draußen zu vermitteln, dass Bremen Teil der Rüstungsindustrie ist, die nichts anderes zu tun hat, als die Außengrenzen der EU zu sichern. Das ist ein völlig falsches Bild!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Frau T r o e d e l [DlE LINKE]: Das ist nur ein Part!)

Trotzdem muss ich doch noch auf einige Dinge eingehen: Erstens, wenn Sie die Vorlage mit dem Titel GAUSS und CEON , die gestern zufällig in der Sondersitzung der Wirtschaftsdeputation gelegen hat, gesehen hätten, hätten Sie erkennen können, dass nicht die Freie Hansestadt Bremen 100 Prozent der Anteile von CEON hält , sondern nur 51 Prozent. Der Rest, nämlich 49 Prozent, werden vom Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in der Freien Hansestadt Bremen e. V. gehalten. Weiterhin hält der Senat 60 Prozent der Anteile der GAUSS, die jetzt auf die WFB übertragen werden, und weitere jeweils 20 Prozent werden von den Hochschulen getragen. Da wird es auch für uns spannend, denn das, was die Hochschule und die Institute, die im Land Bremen zu finden sind, hier machen, finden Sie fast ausnahmslos in der Exzellenzinitiative.

Ich will Ihnen nur einige Projektpartner nennen, um zu zeigen, auf welchem schmalen Grat Sie sich hier bewegen, hier die wichtige Forschung im Land Bremen ad absurdum zu führen: Projektpartner bei GMES unter dem Koordinierungsbüro der GAUSS sind so renommierte Institute wie das Alfred-Wegener-Institut, die Brockmann Consult GmbH, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, die Bundesanstalt für Gewässerkunde, das Deutsche Zen

trum für Luft- und Raumfahrt, das DLR, das GKSInstitut für Küstenforschung, die Universität Hamburg, das Institut für Meereskunde, die Nationalparkverwaltung Niedersachsen-Wattenmeer, der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz sowie das schleswig-holsteinische Wattenmeer.

Hier zu konstatieren, Bremen würde einen wesentlichen Beitrag zur Stellung von Maßnahmen im Rahmen von FRONTEX stellen, ist, gelinde gesagt, gewagt – um das Wort von Herrn Tschöpe zu benutzen, könnte man auch sagen, schlichtweg falsch. Natürlich, muss ich sagen, besteht bei Satellitenbeobachtung immer die Gefahr, dass es ein sogenanntes Dual-Use gibt. Das ist so, das kann man auch nicht von der Hand weisen. Gleichzeitig ist aber an der Beteiligung, die Bremen hier im Rahmen von GMES hat, völlig klar ersichtlich, dass keine direkte Beteiligung an FRONTEX stattfindet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE]: Indirekt!)

Ich komme nicht umhin – ich hoffe, in der einzigen Runde –, Ihnen noch einmal zu sagen, dass ich für mich, der auch Hafenpolitik macht, das, was da die GAUSS gemacht hat, nachvollziehen kann. Das sind unglaublich wichtige Daten, die sie übrigens auch auf der Website der GAUSS finden! Wenn es darum geht, sich ein Urteil zu bilden über Landstrom, dann können Sie auf der Seite der GAUSS im Rahmen des GMES-Projekts etwas erfahren.

(Glocke)

Wenn Sie etwas – ich komme gleich zum Schluss! – über die Wirkung haben wollen, finden Sie auch das dort. Ich bin, gelinde gesagt, da jetzt etwas sprachlos. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sicherlich richtig, dass sich die Bürgerschaft mit der Beteiligung Bremens an dem Programm GMES beschäftigt. Ich persönlich hätte es allerdings bevorzugt, wenn wir tatsächlich einmal das Positive betrachtet hätten

(Beifall bei der FDP)

und hier auch auf der Basis von wirklich sachlichen Fakten diskutiert hätten. Das, was Sie, liebe Frau Troedel, hier dargestellt haben, spottet wirklich jeder Beschreibung, und ich kann Ihnen sagen, ich finde es

auch ziemlich unerträglich, was Sie uns als Fraktion hier darbieten.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es geht bei GMES um eine ganze Reihe von wirklich wichtigen Themen, die von uns unterstützt werden sollen. Kollege Willmann hat das eben deutlich gemacht, die Bekämpfung von Bränden oder Havarien von Schiffen und Ähnliches mehr können mit diesem Programm in Zukunft erreicht werden, und ich glaube, es sollte in unser aller Interesse sein, dass hier ein Fortschritt in der Forschung erzielt werden kann, dass auch entsprechende Forschungsarbeiten im Land Bremen stattfinden, dass wir uns an den Projekten des Bundes und der Europäischen Union mit CEON beteiligen. Ich halte das für eine sehr wichtige Einrichtung, die unsere vollste Rückendeckung in ihrer Arbeit hat. Ich habe mich dort vor wenigen Wochen persönlich noch einmal über die Aktivitäten informiert, und ich glaube, liebe Frau Troedel, Sie hätten Ihre Zeit auch besser investiert, mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einmal ein persönliches Gespräch über das, was dort gemacht wird, zu führen,