Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe Soldaten aus Minden, Westfalen, und eine Klasse der Freien Evangelischen Bekenntnisschule Bremen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben sich sicherlich gefragt, warum die Regierungsfraktionen gerade jetzt in der komplizierten Zeit der Haushaltsaufstellung auf die Idee kommen, einen Antrag einzubringen, der, so die landläufige Meinung, nur zusätzliche Zahlenkolonnen und viel zusätzliche Arbeit bedeutet. Gender Budgeting ist aber, davon sind wir überzeugt, ein wirksames Finanzanalyse- und Finanzsteuerungsinstrument mit dem Ziel, die öffentlichen Mittel geschlechtergerecht zu vergeben.
Ich möchte Ihnen an einem Beispiel darlegen, warum dies so notwendig ist! Es gibt keinen geschlechterneutralen Haushalt und somit auch bisher keine Projekte in Bremen, die geschlechterneutral geplant wurden. Das negative Vorzeigebeispiel ist ein Projekt, das immer mit sehr viel Lob einhergeht, das
Projekt Sportgarten. Wir haben einen Sportgarten, der sehr stark frequentiert wird, leider fast nur von Jungen, die dort Aktivitäten betreiben.
Jetzt haben sie ein paar Pferde angeschafft, um auch Mädchen etwas Gelegenheit zu geben, sich dort zu betätigen, aber dieses Projekt ist von Anfang an falsch geplant worden. Mit diesen finanziellen Mitteln – denn der Sportgarten war nicht billig – ist an den Bedürfnissen aller Kinder und Jugendlichen vorbeigeplant worden.
Gender Budgeting ermöglicht es uns aber, auch in Zeiten der angespannten Haushalte unseres Landes detaillierte Informationen zu erhalten, ob die Ziele, die bei der Aufstellung der Haushalte vorgegebenen wurden, erreicht worden sind, oder einfacher, ob die Gelder auch dort angekommen sind, wofür sie vorgesehen waren. Gelder können somit effektiver verwendet, ja sogar eingespart werden,
Fehler können auf Grundlage der gewonnenen Informationen schneller korrigiert, wenn nicht gar verhindert werden.
Der Prozess der Implementierung von Gender Mainstreaming in die bremische Verwaltung ist als Top-down-Prozess angelegt, das heißt, die Führungsund Leitungsebene muss die Einführung und Umsetzung von Gender Mainstreaming offensiv angehen. Wir möchten aber, gerade weil wir von der Notwendigkeit des Instrumentes Gender Budgeting so überzeugt sind, möglichst viele Menschen im Lande Bremen auf dem Weg der Umsetzung mitnehmen.
Eine breite öffentliche Werbe- und Informationskampagne der Fraktionen und des Gleichstellungsausschusses soll die bremische Bevölkerung informieren und überzeugen. Die Verwaltung ihrerseits wird gebeten, sich an dieser Öffentlichkeitsarbeit intensiv zu beteiligen und auch intern sehr dafür zu werben, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz überzeugt in diese Projekte einsteigen.
Jetzt bin ich auch schon bei dem Schritt, wie die Implementierung erfolgen soll! Das Erste ist, Pilotprojekte zu initiieren, die nach einer Erprobungsphase
sehr offen und auch kritisch ausgewertet werden müssen, damit eventuelle Nachsteuerungsmaßnahmen für die weitere Einführung erfolgen können. Jetzt möchte ich hier auch gleich den Antrag der Fraktion Die Linke einfügen, den wir ablehnen, und zwar vor dem Hintergrund, dass wir sagen, wir haben erst eine Einführungsphase, um dann noch einmal genau unsere Kriterien zu definieren, wie es weitergehen soll. Wir teilen die Meinung, dass die Punkte, die Sie hier gefordert haben, zum Gender Budgeting dazugehören. Das möchten wir uns aber erst noch einmal neu ansehen, wenn wir die Pilotphase beendet haben, um dann wirklich alles mit aufzunehmen, was weiter an Anforderungen dazugehört.
Nach der Pilotphase sollen schrittweise weitere Bereiche erfasst werden, bis Gender Budgeting vollständig in die gesamte öffentliche Verwaltung implementiert ist. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, das geben wir zu, aus der Pilotphase heraus schon zur übernächsten Haushaltsaufstellung 2010/2011 eventuell Teilbereiche flächendeckend zu realisieren. Der von uns skizzierte Weg macht aber deutlich, dass es uns im Umsetzungsprozess um Qualität und nicht um Quantität geht.
Wir möchten nicht, dass in der Verwaltung, nur um uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern einen Gefallen zu tun oder einen Auftrag erledigt zu haben, Projekte in kürzester Zeit durchgesteuert werden. Wir wollen qualitativ überzeugende Arbeit und nicht Zahlenwüsten und frustrierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Instrument Gender Budgeting zeigt also nicht nur auf, wie und vor allem an wen öffentliche Mittel vergeben werden. Es schärft auch unseren Blick auf das Ergebnis und zwingt uns, kritischer die von politischer Seite gemachten Vorgaben im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit zu überprüfen und zu verändern.
Wir wissen, es wird ein oftmals steiniger Weg werden, bis wir unser Ziel, einen geschlechtergerechten Haushalt aufzustellen, erreicht haben. Das ist uns bewusst, und alle Anstrengungen werden sich nach Überzeugung der SPD-Fraktion lohnen, und deswegen unterstützen wir den Prozess sehr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es sind inzwischen schon 4 Jahre vergangen, seit wir hier im Hause ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
über das Thema Gender Budgeting debattiert haben. Frauenpolitische Sprecherinnen waren sich schon damals einig, dass wir uns auf den Weg dahin machen müssen, Gender Budgeting auch hier in Bremen zu implementieren. Deshalb ist dieser Antrag der Koalition ein wichtiger Schritt, nicht nur, um dieses Thema heute erneut auf die Agenda zu setzen, sondern auch endlich konkrete Schritte zu verabreden, um die Geschlechterperspektive auch in der Haushaltsaufstellung zu implementieren.
Dass dies erst über Pilotprojekte geschehen soll und auch geschehen muss, denke ich, zeigt uns die Erfahrung in anderen Bundesländern. Von dort wissen wir – Berlin und andere Länder machen dies schon seit Längerem –, dass, wie Frau Arnold-Cramer es schon beschrieben hat, der Weg sehr steinig ist, und ich denke, da können wir viel von ihnen lernen.
Wir wissen alle, es ist kein einfacher Prozess, aber dahinter steckt auch ein politischer Wille, das zu machen, und ich denke, diesen politischen Willen zeigen wir heute mit unserem Antrag.
Aus diesem Grund haben wir auch unter anderem vereinbart, einen fachlich-politischen Diskurs zu führen, um eben eine große Akzeptanz für diesen Prozess zu erreichen. Auch in diesem Hause sind wahrscheinlich nicht alle Kolleginnen und Kollegen mit dieser Materie vertraut, doch ich sage hier ganz deutlich: Auch die Zeit der Nachsicht ist hier vorbei, den Namen sperrig, komisch oder seltsam zu finden und dies nur als Frauenthema abzutun. Geschlechterdemokratie ist ein gesellschaftliches Thema, und dafür sind wir alle verantwortlich.
Auf EU-Ebene haben sich die Mitgliedstaaten zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2015 die Prinzipien des Gender Budgetings zu verwirklichen, ein ehrgeiziges Ziel! Wir werden daran mitwirken, und deshalb ist es endlich Zeit, dass wir das heute hier so beschließen.
Außerdem, und das ist für mich besonders wichtig, ist es ein Signal, dass wir hier endlich diesen Schritt gehen. Es hat auch damit zu tun, dass es ein politisches Umdenken ist. Es zeigt meiner Ansicht nach ein politisches Selbstverständnis, dass wir Partizipation und Beteiligung für alle Gruppen einfordern. Das hatten wir auch gestern bei der Debatte über die behinderten Menschen. Auch da war es so, dass wir sagen, wir müssen für alle Gruppen, Frauen, behinderte
Menschen, Migrantinnen, mitdenken. Diese Sichtweise ist, denke ich, ein neuer politischer Stil, den wir auch verinnerlichen müssen, um nicht nur Förderprogramme aufzulegen, um im Nachhinein immer zu reparieren, sondern gleichzeitig dahin zu kommen, dass man das von vornherein berücksichtigt.
Wir müssen immer bei dem Thema fragen, wie die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen von Frauen und Männern aussehen und wie die geschlechtsspezifischen Auswirkungen sind. Das muss Politik analysieren und dann auch als nächsten Schritt Ausgleichsmechanismen in Gang setzen, um hier gegenzusteuern. Eine gleichberechtigte Partizipation von Männern und Frauen auf allen Ebenen anzustreben, das ist hier die Zielsetzung.
Um das beurteilen zu können, müssen nicht nur geschlechtsspezifische Daten analysiert, sondern auch Indikatoren entwickelt werden, die eine Beurteilung möglich machen, denn es geht hier auch um Ressourcenverteilung. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Finanzressort diese Aufgabe nicht nur als zusätzliche Aufgabe aufnehmen wird, sondern diesen Prozess auch aktiv begleitet, und auch gestalten wird. So habe ich die Signale aus dem Hause jedenfalls gedeutet.
Zum Schluss möchte ich noch sagen, Gender Budgeting ist nicht die Kirsche auf der Sahne, sondern es macht Benachteiligungen sichtbar, die auf den ersten Blick so nicht auffallen, zum Beispiel: Welche Auswirkungen gibt es, wenn staatliche Dienstleistungsangebote ausgedehnt oder auch verringert werden? Ich nehme hier beispielhaft den Bereich Kinderbetreuung oder auch Pflege. Besonders in diesem Bereich wird es bei Veränderungen immer noch starke Auswirkungen auf Frauen geben, denn sie sind es, die zum größten Teil diese Arbeit leisten. Eine Verringerung dieses Angebots wird auch da extreme Benachteiligungen sichtbar machen. Wir haben gerade die Debatte bei dem Pflegezeitgesetz. Auch das ist ein wichtiger Punkt, dort diese Aspekte einfließen zu lassen. Oder nehmen wir den Bereich Existenzgründungen! Auch da ist in unserem Koalitionsvertrag aufgenommen, dass wir da genau hinsehen und sagen, wie die Mittel dort für Männer und Frauen verteilt werden. Diese Analyse, denke ich, macht viele Benachteiligungen sichtbar, und diese Pilotprojekte sind ein erster Schritt, dort einzusteigen.