Wir unterstützen selbstverständlich den Antrag der Grünen und der SPD hinsichtlich der Ablehnung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Wir sind auch froh, dass hinsichtlich Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer und Erbschaftssteuer Einsichten entstanden sind, die wir in der Geschwindigkeit nicht vermutet hätten.
Wir verweisen auf unsere Anträge von November 2008, März 2009 und so weiter, als Sie ähnlich lautende Anträge noch mit Getöse abgelehnt haben.
Das soll auch ein bisschen davon ablenken, Herr Kollege Kuhn, der Sie ja immer sagen, jetzt seien wir in einer Situation, in der die Einnahmen nicht da sind: Das Problem von Bremen ist auch begründet in der rot-grünen Koalition, als sie noch regiert hat, weil sie genauso wie die schwarz-gelbe Steuererleichterungen und Ähnliches beschlossen hat, was deutlich auf die Einnahmesituation Bremens gewirkt hat. Wir haben heute ein Ausgabenniveau, das ungefähr in gleicher Höhe ist wie 1992. Die Ursache dafür ist nicht nur schwarz-gelb, das sind auch die Beschlüsse der Regierung Schröder und Fischer.
Wir sind also in einer Zinsschuldenfalle, und ich sage das auch ganz deutlich, weil Sie soeben sagten, wenn es nach uns gegangen wäre, dann hätten wir ein noch viel größeres Haushaltsdefizit. Nein, wir
hätten kein größeres Haushaltsdefizit! Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir eine wesentlich bessere Einnahmesituation.
Die zweite Falle ist eine soziale, ökologische und investive Schuldenfalle, das habe ich hier an dieser Stelle schon mehrfach erläutert. Das ist auch in diesen Haushaltsverhandlungen noch einmal deutlich geworden. Erstens investiert Bremen zu wenig. Da ist Bremen mit Sicherheit nicht anders als viele Länder und Kommunen in der Bundesrepublik. Die HansBöckler-Stiftung und das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut – WSI – haben konstatiert, dass es einen Investitionsstau bei Ländern und Kommunen von mittlerweile ungefähr 700 Milliarden Euro gibt. Bremen hat davon immer ein Prozent, und ich weise darauf hin, dass die Krankenhäuser auch gesagt haben, sie hätten einen Investitionsstau von 400 Millionen Euro.
Das heißt, auch durch die Senkung der investiven Mittel, von denen immer noch ein großer Anteil festgelegt ist, werden wir einen investiven Schuldenberg an Zukunftsinvestitionen vor uns herschieben, die wir jetzt nicht tätigen. Diese Kosten kommen irgendwann auch bei Kanalisation, Straßen, Schulen und so weiter wieder auf uns zu, und mit Sicherheit wird es dann teurer als heute.
Was die kommunalen Krankenhäuser angeht, 400 Millionen Euro Investitionsstau von ihnen konstatiert, es können auch durchaus weniger sein, wenn man immer unterstellt, dass sie mehr fordern, als sie wollen, aber auch da ist die spannende Frage an RotGrün: Wollen Sie diesen Investitionsstau auch wieder aus den Beschäftigten herauspressen, oder was haben Sie damit vor?
Bremen gibt zu wenig Geld aus für eine funktionierende Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben. Überalterung des öffentlichen Dienstes, Vernachlässigung der Nachwuchsausbildung, Verlagerung in prekäre private Bereiche: All das zieht sich durch den öffentlichen Dienst wie ein roter Faden,
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist ja durch nichts gedeckt! Ver- nachlässigung der Nachwuchsgewinnung? Ist ja absurd!)
und es hat sich in diesen Haushaltsverhandlungen wieder bestätigt, dass an vielen Stellen des öffentlichen Dienstes an der Grenze der Funktionsfähigkeit entlang gekürzt worden ist, und das kann man so nicht weiter machen!
Die spannende Frage ist, das wurde schon angedeutet: Wie weit soll man eigentlich den Personalbestand weiter reduzieren, wenn Sie Sanierungsvorhaben einhalten wollen?
Die dritte Falle ist die schon zitierte Sanierungsfalle. Mit dem Zwang, bis 2020 ohne Neuverschuldung auszukommen, werden die hier dargestellten Probleme nur noch verstärkt. Selbst wenn wir einen konjunkturbedingten Bonus bekommen, über den möglicherweise verhandelt wird, das heißt, wir müssen nicht 900 Millionen Euro, sondern vielleicht nur 600 Millionen Euro bis 2020 abbauen, werden es Kürzungen zwischen 50 und 100 Millionen Euro pro Jahr sein, weil die Einnahmen bestenfalls dafür ausreichen werden, Inflationsrate und möglicherweise Tarifsteigerungen auszugleichen.
Das zwingt Bremen in einer Weise zu dem, was jetzt von der CDU und FDP schon vorgeschlagen wird: Erstens zu einem drastischen Personalabbau weit über das, was PEP jetzt gebracht hat, hinaus, zweitens zu einem sozialen Kahlschlag, der zulasten von Zuwendungen, freiwilliger Leistungen, Kultur überall geht, genau wie es hier vorgeschlagen worden ist, und es zwingt drittens zu einer Privatisierung von öffentlichem Eigentum in einer Weise, wie es nicht zu vertreten ist.
Es ist doch schon so, die Sponsoren der FDP, die diese Vorschläge alle mitentwickelt haben, haben schon Speichelfäden im Mund, weil sie sich auf die größten Brocken der öffentlichen Daseinvorsorge stürzen, um mit ihnen Profit zu machen, und das, was nicht profitabel ist, wird in öffentlicher Hand gelassen, und wir müssen es finanzieren. Das ist das, was uns bevorsteht, und das sind diese drei Fallen, in denen Bremen steckt.
Aus diesen Fallen kommt man eben nicht heraus, indem man behauptet, wir machen sowohl das eine als auch das andere. Physikalisch bewegt man sich nicht, wenn man versucht, sich in zwei Richtungen gleichzeitig zu bewegen. Man muss sich in dieser Frage entscheiden: Gehen wir den Weg der FDP und der CDU? Das ist keinesfalls der Weg, bei dem Bremen irgendeine Form von Perspektive hat, die mit dem zu tun hat, was wir heute kennen. Oder gehen wir den anderen Weg und sagen, ohne Einnahmeverbesserung und auskömmliche Finanzierung, auch
(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. B u h - l e r t [FDP]: Das ist aber Staatsbankrott, was Sie da wollen!)
Nein, es ist kein Staatsbankrott, was wir wollen, sondern es sind sozusagen gerechte Steuern und entsprechende Einnahmeerhöhungen.
Wir haben insgesamt 57 Änderungsanträge eingebracht, und im Gegensatz zu der Behauptung, das sei nur ein Wunschzettel, und wir hätten alles nur mühsam zusammengesucht, weist es nach, dass es diesen Bedarf gibt.
(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. K u h n [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Wer hätte das gedacht?)
Dann können wir das einmal im Einzelnen machen, weil wir im Einzelnen nachweisen können, dass das, was darin ist, alles Dinge sind, die für Armutsbekämpfung, ökologische Projekte und für eine Sicherstellung der städtischen Infrastruktur notwendig sind, inklusive der Krankenhäuser.
Es ist nicht verantwortlich, das zu ignorieren, sondern es ist unverantwortlich, so zu tun, als gebe es diese drei Fallen und diesen Bedarf in Bremen nicht. Meine Kollegen werden auf die einzelnen Anträge eingehen.
Im Übrigen ist es auch immer leicht, das noch einmal an die Adresse der CDU und der FDP, sich hinter Worthülsen und Phrasendrescherei zu verstecken.
Letztendlich ist es auch so, dass das, was hier an Wohltaten und sozialem Zusammenhalt propagiert wird, in aller Regel an Stellen weggenommen wird, wo es in der Tat auch notwendigerweise eingesetzt worden ist. Deswegen ist dieser Haushalt erstens ein Haushalt der Feigenblätter, weil er die richtigen Fragen nicht löst, und zweitens ein Haushalt der Illusionen, weil Sie nach wie vor die Illusion verbreiten, man könnte in irgendeiner Weise beides gleichzeitig machen, den Haushalt sanieren und den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt sichern. Beides geht
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur noch einmal kurz für alle Zuhörer wiederholen, die gestern den Beratungen der Bürgerschaft nicht folgen konnten, dass der FDP hier leider im Gegensatz zu den größeren Fraktionen nur 35 Minuten Redezeit zur Verfügung steht. Deshalb werden wir uns auch kurz fassen, aber bekanntlich liegt ja in der Kürze die Würze.
Ich möchte mich dennoch, trotz der begrenzten Zeit, erstens einmal für die faire Zusammenarbeit im Haushalts- und Finanzausschuss bedanken, beim Vorsitzenden Herrn Dr. Schrörs und bei der Kollegin Frau Kummer, die jetzt leider nicht zugehört hat. Herzlichen Dank! Ich möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowohl unserer Fraktion als auch der Bürgerschaft bedanken und insbesondere mich auch dem Dank an Herrn Dr. Mackeben anschließen, der – das finde ich immer sehr beeindruckend – diese ganze Papierflut bewältigt hat.
Ich will kurz mit einem Satz auf das eingehen, was der Kollege Rupp gerade gesagt hat. Für mich klang das nach staatlicher Plankommission der DDR.
(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Nein, das klingt nach sozialer Marktwirtschaft! Das Wort dürfte Ihnen noch etwas sagen!)
Die haben sich auch immer an allem Möglichen versucht und das hin- und hergeschoben und am Ende nichts bewegt bekommen. Man kann nicht nach dem Prinzip arbeiten „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“, so wird das nicht funktionieren. Sie müssen auch sagen, wie Sie Ihre Vorschläge gegenfinanzieren wollen!
Ich möchte mit etwas Positivem beginnen: Wir haben ja hier einen wunderschönen Weihnachtsbaum, und – ich möchte gern die Debatte auf die sachliche Ebene zurückführen – wir können das auch stimmungsvoll machen, das ist gar kein Problem, aber ich glaube, die Schwierigkeiten, vor denen Bremen steht, sind so immens, dass wir für einen Moment hier auch noch einmal die Polemik – die haben wir gehabt, ich
928 Millionen Euro: Lieber Herr Dr. Kuhn, dabei rutscht mir nicht das Herz in die Hose, und mir wird auch nicht mulmig.