Protocol of the Session on December 17, 2009

Ich bin mir im Übrigen sicher, dass diese Realität von den meisten Bürgerinnen und Bürgern viel besser verstanden wird, als es der Senat ihnen offenbar zutraut. Die Bewohner Bremens und Bremerhavens wissen, dass das Land sparen muss, wenn es seine Eigenständigkeit behalten will. Wenn die Koalition so tut, als könne auch 2010 alles so weitergehen wie bisher, unterschätzt sie die Bewohner unseres Landes. Anders als die Sozialdemokraten glauben, ist es eben nicht so, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes das Heil vom Staat erwarten. Sie erwarten vom Staat einen verlässlichen und fairen Rahmen. Sozialdemokraten glauben offensichtlich immer noch, dass derjenige, der das meiste Geld und dann noch das Geld anderer ausgibt, sozial ist.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Quatsch!)

Nein, meine Damen und Herren von der rot-grünen Koalition, sozial ist, wer dafür sorgt, dass es wirtschaftliches Wachstum gibt, dass es überhaupt Geld zu verteilen gibt. Leistung hat Wertschätzung verdient.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Bei den Ban- kern haben wir das gesehen!)

Wenn der Präses der Handelskammer sagt, dass wachstumsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik beim Senat zurzeit nicht hoch im Kurs steht,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Hat er nicht recht!)

hat er recht! (Beifall bei der CDU)

Er spricht nicht von Wirtschaftsfeindlichkeit, er spricht von Wirtschaftsferne und stellt fest, dass in der aktuellen Landespolitik nicht im Fokus steht, dass man das, was man verteilen will, vorher auch erwirtschaften muss. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich Herrn Peper: „Zu guter Wirtschaftspolitik gehört einfach, auf Menschen zuzugehen und Vertrauen in ihnen zu wecken. Wir brauchen Tun, Machen, Vertrauen.“ Sehen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, Tun, Machen, Vertrauen! Das brauchen die Menschen in Bremen, und nicht eine zögerliche Regierung.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Macht Herr Peper jetzt Ihre Politik? – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Herr Peper vertritt aber nicht die Menschen!)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundesregierung entschlossen ist, Impulse für einen dynamischen und stabilen Aufschwung zu geben. Aber wir haben als CDU der Föderalismusreform in diesem Jahr zugestimmt im Vertrauen darauf, dass die finanzielle Situation des Landes nicht durch Entscheidungen des Bundes verschlechtert wird.

Natürlich hat es auch in der Vergangenheit Sparbemühungen gegeben. Ich denke besonders an den Personalbereich und an die PEP-Quote. Wir müssen aber erkennen, dass dieses Sparen mit Quoten und Umlagen längst nicht mehr ausreichend ist. Ein zentraler Schlüssel zur Gesundung des Landeshaushalts liegt in der Personalstärke. Bis 2020 muss ein deutlicher Abbau der Personalstellen des Landes erfolgen. Dieser Abbau muss selbstverständlich sozialverträglich sein. Allein die Nichtbesetzungen der Stellen, deren Inhaber bis 2020 in den Ruhestand gehen, stellen ein hohes Sparpotenzial dar.

Auch zukünftige Tarifverhandlungen müssen auf die besondere Lage unserer finanziellen Situation Rücksicht nehmen. Im Hinblick auf die Personalsteuerung ist auch das Personalvertretungsgesetz zu betrachten. Es reicht aber nicht, immer mehr staatliche Aufgaben mit immer weniger Personal erfüllen zu wollen. Wir müssen fragen, welche staatlichen Leistungen wir reduzieren und auf welche wir ganz verzichten wollen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Da bin ich jetzt aber gespannt!)

Aufgabenverzicht des Staates ist gefragt.

(Beifall bei der CDU)

Wer neue Aufgaben und neue und zusätzliche Ausgaben will, muss zukünftig sagen, was dafür an anderer Stelle gestrichen werden soll. Aufgabenverzicht und strukturelles Sparen sind in vielen Bereichen möglich, auch wenn dabei Besitzstände oder Tabus berührt werden. Wir wissen alle, dass es Doppelstrukturen in unserem Land gibt, Landestheater mit zwei Spielstätten. Es gibt außerhalb des Landes keine deutsche Kommune, die eine eigene Polizei unterhält oder ihre Lehrer selbst einstellt.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Was sagt denn Ihr Kollege Bödeker dazu?)

Ich habe auch noch nicht gehört, dass das irgendwo in Deutschland nach bremischen Vorbild eingeführt werden soll. Das sollte uns zumindest zu denken geben.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen alle, dass die Anzahl der kommunalen Kliniken in Bremen nicht ökonomisch, sondern lokalpolitisch begründet worden ist, und dass es sich Bremen nicht mehr leisten kann, Aufgaben zu erfüllen, von denen am Ende in starkem Maße andere Bundesländer profitieren. Auf einzelne Studiengänge der Hochschule kann verzichtet werden, ohne dass dadurch Hochschulen in ihrer Gesamtheit gefährdet werden.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Welche denn?)

Auch bei den Studiengebühren wird sich Bremen auf Dauer keine Alleingänge leisten können, wo andere Länder ihren Gürtel längst enger geschnallt haben. Wie wollen wir auf Dauer den Steuerzahlern in Bayern und in Hessen erklären, dass es bei uns ein Sozialticket gibt und die Lehrmittelfreiheit? Wir sollten die Solidarität der anderen Bundesländer nicht überstrapazieren.

Eine wichtige Aufgabe wird sein, mehr Licht in das bremische Zuwendungswesen zu bringen. Allein 152 Millionen Euro hat Bremen im Jahr 2009 an institutionellen Zuwendungen verteilt. Sämtliche Zuwendungen bedürfen der Überprüfung auf ihre Notwendigkeit und Wirkung.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Auch die im Wirtschaftsbereich!)

Darüber hinaus muss die institutionelle Förderung stärker auf Projektförderung umgestellt werden. Natürlich werden von solchen Sparmaßnahmen Vereine, Verbände und Organisationen, die wertvolle Arbeit

leisten, getroffen. Wir haben aber keine Wahl. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem einzelne Interessengruppen ihre Ansprüche im Sinne des Gemeinwohles zurückschrauben müssen. Beteiligungen Bremens an privatrechtlich organisierten Unternehmen wie der Gewoba, dem Flughafen und der Brepark müssen erneut hinterfragt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bremen muss sich im Übrigen intensiver als in der Vergangenheit mithilfe des Benchmarking mit anderen Bundesländern vergleichen. Es wird sich auch hier ergeben, dass manche Leistungen in Zukunft nicht mehr zu erbringen sind. Viel kritischer müssen wir auch werden, wenn es um die Kofinanzierung von EU-Förderprogrammen geht. Längst nicht jedes Angebot aus Brüssel oder Berlin ist ein Schnäppchen. Nicht jede einzelbetriebliche Investitionsmaßnahme kann subventioniert werden. Nicht jedes Gewerbegebiet, nicht jeder Radweg muss gefördert werden. Auch nicht jede arbeitsmarktpolitische Maßnahme muss mit Landesmitteln unterstützt werden.

Selbstverständlich gehören auch die Kosten des parlamentarischen Betriebs auf den Prüfstand. Eine Umstellung auf private Altersversorgung, die Lockerung der derzeitigen Unvereinbarkeitregelung und eine erneute Verkleinerung des Parlaments können keine Tabuthemen sein.

Die Sozialdemokraten tragen seit über 60 Jahren die politische Verantwortung der bremischen Haushaltspolitik. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben jeden einzelnen Euro unserer Schuldenlast mitbeschlossen, Sie, die Sozialdemokraten!

(Beifall bei der CDU)

Es fehlen der Mut und die Kraft, die Sanierung zu beginnen. Um davon abzulenken, zeigt der Senat lieber mit dem Finger nach Berlin. Es ist ein durchsichtiges Manöver, von der eigenen Ausgabenpolitik ablenken zu wollen, indem man die Steuerpolitik und die Weltwirtschaft für fehlende Einnahmen verantwortlich macht.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das ist doch aber so! Hatten wir eine Finanzkrise oder nicht?)

Immer nach dem Motto: Die anderen sind schuld! Frau Busch, fangen Sie doch endlich an, selbst die Initiative zu ergreifen, vor allem auf der Ausgabenseite!

(Beifall bei der CDU)

Wer die eigenen Ausgaben weiter erhöht, kann sich schlecht in Berlin über sinkende Einnahmen beschweren. Die Schuldenbremse ist ein sinnvolles und längst

überfälliges Instrument. Die einfache Tatsache, dass man langfristig nicht mehr Geld ausgeben kann, als man einnimmt, war offenbar so in Vergessenheit geraten, dass es einer Regelung im Grundgesetz bedurfte.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Was sagt Frau Merkel? Sparen, Sparen, Sparen ist keine Lösung!)

Wir fordern den Senat mit unserem Antrag auf, durch die kritische Überprüfung aller Staatsaufgaben einen erkennbaren Konsolidierungskurs einzuschlagen und endlich ein Konzept vorzulegen, auf dessen Grundlage Bremen die Reduzierung des strukturellen Defizits meistern und den Erhalt der Konsolidierungshilfe sichern kann. Dies setzt einen breiten gesellschaftlichen Konsens voraus.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gemeinsam nach vorn blicken müssen, um die Finanzen Bremens zu sanieren. Der Blick in die Vergangenheit hilft nur begrenzt. Die CDU-Fraktion hat deswegen einen Pakt für Bremen vorgeschlagen, außerdem haben wir eine Enquetekommission beantragt. Beides haben SPD und Grüne reflexartig abgelehnt, weil der Vorschlag von der CDU kam. Nun hat die rot-grüne Koalition offensichtlich auch gemerkt, dass der Vorschlag so falsch nicht ist, deshalb haben Sie nun einen eigenen Antrag eingebracht, indem die Einrichtung eines nicht ständigen Ausschusses vorgeschlagen wird. Wir sind froh, dass die Koalition über ihren Schatten gesprungen ist. Wir werden uns an der Arbeit in diesem Ausschuss konstruktiv beteiligen. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich auch wie meine Vorrednerin bei den Vorsitzenden, ich darf in diesem Fall sagen, bei den beiden Vorsitzenden, auch bei der Kollegin Kummer, für die kollegiale Zusammenarbeit und natürlich für die gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Ich will das dann aber doch kurz fassen und zur Sache kommen.

Ich möchte zunächst einmal auf zwei zentrale kontroverse Fragen eingehen. Der erste Kernpunkt ist in meinen Augen die Frage: Bleiben wir in Bremen auf der bisherigen Linie unserer Politik, zur Haushaltskonsolidierung in gleicher Weise auf Eigenanstrengung, sparsame Haushaltsführung und auf Einnahmeverbesserung und auf gar keinen Fall auf Einnahmeverschlechterung zu setzen, oder sprechen wir wie die CDU und spiegelverkehrt DIE LINKE nur noch von jeweils einer Seite? Unsere Antwort der rot-grünen Koalition ist, wir bleiben dabei, wir machen bei

des, weil nur beides zusammen eine Aussicht auf Erfolg hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nur mit Eigenanstrengung haben wir eine Chance, andere von der Notwenigkeit von verbesserten Einnahmen, von Hilfe und gerechterem Ausgleich zu überzeugen. Umgekehrt gilt aber auch, wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung weiter mit abenteuerlicher Steuerpolitik die Axt an die Grundlagen des Föderalismuskompromisses legt, haben wir mit noch so viel Eigenanstrengung am Ende keine Chance auf Erfolg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir müssen also auch heute, Herr Kollege Schrörs, über beide Seiten sprechen, nicht nur über eine. Herr Röwekamp hat am 4. Dezember im „Weser-Kurier“ gesagt, er vertrete die Position – ich darf zitieren, Herr Präsident –, „dass der Staat nur so viel ausgeben kann, wie er einnimmt“. Das stimmt grundsätzlich, das ist richtig. Es ist aber gleichzeitig – und das ist das Schwierige daran – falsch, weil es nur die halbe Wahrheit ist. Denn umgekehrt gilt auch der Satz: „Was der Staat an Mitteln benötigt, muss er auch einnehmen.“ Was er für Erziehung und Ausbildung, für Sicherheit, für solidarischen Ausgleich, für Infrastruktur, für Innovation braucht, muss er von denen als Steuer erheben, die ihn beauftragt haben, diese Aufgaben wahrzunehmen. Das ist ein bisschen mehr, als nur einen Rahmen zu setzen. Das ist viel materielle, umfangreiche, staatliche Tätigkeit, die wir, hoffe ich, alle gemeinsam wollen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Da will ich auch einmal dieser Seite des Hauses der FDP sagen, wenn Sie so weiter machen, mit diesen prinzipienlosen, scharfen Reden gegen jede Steuer, also eine richtige Gegensteuerpropaganda machen, untergraben Sie uns die Grundlagen des Staates und des Auftrags, den wir haben.