Protocol of the Session on October 29, 2009

Leider ist das aber nur die eine Seite Bremerhavens. Auf der anderen Seite sind die Veränderungen zum Teil eher negativ zu bewerten. Trotz der vermeint

lichen Aufbruchstimmung ist ein massiver Arbeitsplatzabbau erkennbar. Die direkten Folgen sind bereits jetzt deutlich sichtbar und für die betroffenen Menschen in Bremerhaven sehr schmerzhaft zu spüren. Die Hafenterminals sind nur noch eingeschränkt ausgelastet, und die einst in der Stadt traditionell starke Schiffbaubranche kämpft schlicht ums Überleben. Gleichzeitig gehen immer mehr einst gut bezahlte und hoch qualifizierte Arbeitsplätze unwiderruflich verloren.

Dafür greift das Unwesen der Leiharbeit um sich. Im Gefolge dessen wachsen die schlecht bezahlten und prekären Arbeitsverhältnisse in einem nicht mehr hinnehmbaren Ausmaß. Nun könnte man ja meinen, dass mit den massiven Investitionen in den Bereichen Tourismus, Wissenschaft, Hochschulen und Windenergie die Weichen für eine insgesamt bessere Zukunft Bremerhavens gestellt sind. Das allerdings ist nur vordergründig richtig. DIE LINKE fordert daher, den Fokus aller Anstrengungen auf die nachhaltige Verbesserung der Daseinsfürsorge und Lebensumstände der in Bremerhaven lebenden Bürgerinnen und Bürger zu richten.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. G ü n t h - n e r [SPD]: Was heißt das konkret, Herr Müller?)

Unserer Meinung nach müsste das Land viel mehr in soziale Strukturen und in die Befriedigung der elementarsten Lebensbedürfnisse investieren. Zum Teil ist in Bremerhaven die Unterrichtsversorgung an allgemein- und weiterbildenden Schulen und Bildungseinrichtungen nur noch eingeschränkt gewährleistet. Hier fehlen über 100 gut ausgebildete Lehrkräfte! Der aus der Presse zu entnehmende Betrag von 918 000 Euro, der für den Zeitraum 2010 und 2011 geplant ist, ist ein guter Ansatz, kommt aber den tatsächlichen Bedürfnissen nicht nach. Laut Aussage des Bremerhavener Schulamtes werden zur Umsetzung der Bremerhavener Schulreform an die fünf Millionen Euro benötigt.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Was sind denn das für Mondzah- len?)

Hören Sie zu!

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Wo haben Sie denn die Zahlen her? Das stimmt doch alles gar nicht!)

Aber auch das Angebot an Krippenplätzen, Kinderhorten, Kitas und auch an Jugendfreizeiteinrichtungen ist mangelhaft. Hier muss nach Auffassung der

LINKEN umgehend und massiv investiert werden, um die derzeitigen Missstände beheben zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nunmehr drängende Handlungsbedarf ist darüber hinaus auch eine direkte Folge einer seit vielen Jahren im Kern falsch angelegten Wirtschaftsförderung und Investitionspolitik. Diese hat viel zu lange und einseitig auf millionenschwere Investitionen zur vermeintlichen Verstärkung der wirtschaftlichen Infrastrukturen gesetzt. Darüber fast vergessen, auf jeden Fall sträflich vernachlässigt, wurden die berechtigten Belange und Bedürfnisse der Bremerhavener Bevölkerung. Diese müssten aber immer im Mittelpunkt all unserer Bestrebungen stehen. Was die Menschen bewegt, sind nicht die längsten Containerterminals, nicht die größten Schleusen und auch nicht die meisten Windkrafträder, nein, was die Menschen bewegt, sind sichere Arbeitsplätze, von denen man leben kann,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, wo arbeiten sie denn, die Men- schen? Wo sollen sie denn arbeiten!)

zukunftsweisende Schulen für ihre Kinder, bezahlbarer Wohnraum in ökologisch intakter Umwelt und nicht zu vergessen eine Lebens-, Arbeits- und Ausbildungsperspektive für ihre Kinder und für sich selbst.

Auf Seite zwei der Senatsmitteilung wird darauf hingewiesen, dass von der in der Vergangenheit festgelegten starren Quote in Höhe von 25 Prozent der Landesinvestitionen aufgrund von Abgrenzungsproblemen und anteiligen Berechnungen abgegangen werden soll. Meine Damen und Herren, hier ist eine beabsichtigte Senkung der Landesinvestitionen zu vermuten, die für DIE LINKE weder nachvollziehbar noch sachlich begründet ist.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Das ist wie eine Karikatur!)

Die von mir gerade beschriebenen Problemlagen Bremerhavens sind einfach viel zu groß und vielschichtig, um diese mit weniger Geld beheben zu können. Hier müsste vielmehr über die Aufstockung der Landesmittel gesprochen werden. Hauptsächlich müssten diese Landesmittel nunmehr in Maßnahmen für ein weiteres und engeres Sozialwesen eingesetzt werden, um die von mir genannten Probleme abbauen zu können. Nur so wird Bremerhaven auf Dauer lebens- und überlebensfähig werden! Der andauernde negative Einwohnersaldo dieser Stadt sollte uns allen zu denken geben. Meine Damen und Herren, es ist höchste Zeit umzusteuern! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bödeker.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte bald gesagt Herr Stadtverordnetenvorsteher, denn ein Teil der Rede von Herrn Müller hätte in die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung gehört und nicht hierher! interjection: (Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. M ü l l e r [DIE LINKE])

Zunächst einmal zu Ihnen, Herr Ella: Ich halte es für ausgesprochen problematisch, wenn wir aus diesem Haus von vornherein schon Signale aussenden, dass bei Gewerbeansiedlungen die Frage von Erschließungskosten keine ist, weil wir die eben einmal so übernehmen. Ich denke, dass die Überlegung, wie wir Gewerbe ansiedeln, natürlich auch eine Überlegung ist, welche Grundstückspreise wir nehmen, die kann man natürlich erschlossen nehmen, oder ob wir Erschließungskosten nehmen. Von vornherein aber in den Wettbewerb mit anderen zu treten, indem wir das Signal geben, wir nehmen hier gar nichts, halte ich für ausgesprochen gefährlich. Bei dem Herrn Kollegen der LINKEN aus der Stadtverordnetenversammlung ist eigentlich das Problem, dass ich nicht verstanden habe, was er eigentlich will.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wovon lebt ein Staat? Ein Staat lebt von Steuereinnahmen, von Unternehmen, die Steuern zahlen, und von Menschen, die arbeiten, dann auch ihre Steuern zahlen und den Staat finanzieren. Wenn Sie alle Grundlagen zum Arbeiten wegnehmen

(Zurufe von der LINKEN)

und dann erwarten, dass die Menschen arbeiten, kann das irgendwie nicht so richtig funktionieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde, das muss auch einmal deutlich nach außen getragen werden, wie Sie eigentlich Wirtschaftspolitik sehen und welche Vorstellungen Sie haben, wie man ein Staatsgebilde aufrecht- und lebensfähig erhalten will. Bei Ihnen wäre es so, wie es früher bei Ihrer Vorgängerpartei ja auch gewesen ist, dass Sie einen Staat in den Ruin treiben. Das werden wir nicht mitmachen!

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, wir haben hier eine sachliche Diskussion geführt, weil sie wichtig ist. Ich halte nichts von ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Schlüsseln, die festschreiben, welche Investition wofür ist, sondern ich halte es für ganz wichtig, dass die besten Maßnahmen, die funktionieren, gefördert werden. Dass wir natürlich, das kann man in der Hinterhand behalten, mit Windkraft, mit Offshore einen riesigen Vorteil gegenüber Bremen haben und dass die Frage der Erschließung der Luneplate von uns natürlich noch heftig diskutiert werden wird, ist, denke ich, unbestritten. Konkrete Schlüssel unter dem Motto, wir haben jetzt Geld für Investitionen zur Verfügung, allerdings wissen wir im Moment gar nicht, was wir damit machen, halte ich aber für falsch. Deswegen sollte man auch nicht schlicht auf irgendwelche Schlüssel eingehen, sondern man sollte ganz klar die Sache und die Projekte diskutieren. Dementsprechend war das ja mein Vorwurf an Herrn Willmann, dass es nicht unbedingt als Fehler anzusehen ist, wenn wir einmal ein Projekt anders sehen und beurteilen als Sie. Wir beurteilen aber alle Projekte auch für uns, das lassen wir uns nicht nehmen, und wir kommen auch vielleicht einmal zu unterschiedlichen Entscheidungen, das lassen wir uns auch nicht nehmen. Ich denke, das sollte der faire Konsens miteinander sein. Wichtig ist mir bei einer solchen Debatte, dass wir nicht den Streit zwischen Bremen und Bremerhaven nach vorn bringen, sondern hier wirklich gemeinschaftlich als ein Bundesland mit zwei Städten agieren. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Günthner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bei der Rede vom Kollegen Müller vorhin nur gedacht: Und täglich grüßt das Murmeltier! Das hatten wir gestern alles schon einmal.

(Abg. M ü l l e r [DIE LINKE]: Sie lernen ja nichts daraus!)

Ich stelle fest: Wir Sozialdemokraten haben nicht verstanden, dass die Hafenbaumaßnahmen in den vergangenen 30 Jahren Arbeitsplätze geschaffen haben, wir haben nicht verstanden, dass die Investitionen in die Offshore-Windenergie in Bremerhaven Arbeitsplätze geschaffen haben, wir haben nicht verstanden, dass die Investitionen in Hochschule, Alfred-Wegener-Institut, t.i.m.e. Port I, II und so weiter Arbeitsplätze geschaffen haben.

(Abg. M ü l l e r [DIE LINKE]: Wo haben Sie das denn gelesen, dass ich das gesagt habe?)

Herr Müller, Sie haben doch gerade gesagt, ich habe das nicht verstanden! Ich habe bei Ihnen zunehmend ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

das Gefühl – –. Ich weiß ja nicht, durch welche Stadt Sie laufen, Sie laufen offenbar nicht durch die Stadt, durch die hier viele andere laufen, in die auch inzwischen viele andere, gerade Bremerinnen und Bremer, auch gern zu Besuch kommen und sich anschauen, was dort passiert ist. Dann hätten Sie nämlich feststellen können, dass sich an der Wasserseite in den vergangenen fünf, sechs Jahren etwas herausgebildet hat, um das eigentlich alle in dieser Republik Bremerhaven beneiden, nämlich ein funktionierender Hafen, einigermaßen ordentlich laufende Werften,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Absurdistan!)

der ganze Forschungs- und Entwicklungssektor vom Alfred-Wegener-Institut über die Hochschule bis zu dem, was jetzt im Bereich t.i.m.e. Port läuft. Der Logistiksektor insgesamt ist ein absolutes Boomthema. Die Innenstadtentwicklung ist gut vorangegangen. Wenn Sie sich die Havenwelten anschauen, da kann man doch nicht davon reden, dass das alles nichts wäre, so wie Sie es hier permanent als DIE LINKE tun!

(Zuruf des Abg. M ü l l e r [DIE LINKE])

Was steht dort leer bei den Havenwelten?

(Abg. M ü l l e r [DIE LINKE]: Das sind doch Leerstände!)

Das Klimahaus steht nicht leer, das Mediterraneo steht nicht leer. Sie reden hier permanenten Unfug, Herr Müller, das muss man, finde ich, auch einmal so deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Es hat auch zu keinem Zeitpunkt irgendjemand bestritten, dass es soziale Probleme in Bremerhaven gibt.

(Abg. M ü l l e r [DIE LINKE]: Aha?)

Aha? Glauben Sie, dass ich das bestreite? Die sind natürlich auch offensichtlich. Der Punkt ist nur, Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, wir kommen von einer Arbeitslosigkeit von 26 Prozent. Ich war vor ein paar Wochen in Halberstadt,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Glückwunsch!)

Ostdeutschland, wo man ja sagt, die haben eine hohe Arbeitslosigkeit. Die haben eine Arbeitslosigkeit deutlich unter der von Bremerhaven! Wir haben es in den vergangenen Jahren hinbekommen, die Arbeitslosigkeit in Bremerhaven durch all die Maßnahmen, die dort angegangen worden sind, deutlich zu redu

zieren. Das müssen Sie auch einmal irgendwann zur Kenntnis nehmen!