Protocol of the Session on October 29, 2009

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine verehrten Damen und Herren! Frau Garling hat inhaltlich, was den Ausbau betrifft, ziemlich viel gesagt. Ich möchte es nicht wiederholen, ich möchte mich an der Stelle bedanken. Ich möchte drei inhaltliche Zielsetzungen dieser rotgrünen Koalition in dem Bereich noch einmal kurz festhalten, es sind nur drei zentrale Punkte: Erstens, der Ausbau soll das Angebot zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, das war ein Konsens. Zweitens, die frühe Förderung der Kinder soll ihre Entwicklungsmöglichkeiten verbessern, damit auch jedes Kind gefördert wird. Gerade Kinder, die in sozial benachteiligten Familienverhältnissen aufwachsen, müssen davon ganz besonders profitieren. Drittens, der Ausbau der Betreuungsangebote ist letztlich auch eine verbesserte Unterstützung von Familien mit einem präventiven Charakter der Erziehungshilfen.

Die schwarz-gelbe Koalition im Bund hat mit all diesen drei zentralen Zielsetzungen, die wir uns hier im Land gestellt haben, massiv gebrochen. Ich bin mehr als enttäuscht, ich bin so dermaßen wütend. Wir versuchen, hier im Land Kita-Plätze auszubauen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie hört gera- de nicht zu! Es interessiert sie nicht so sehr!)

Frau Ahrens, hören Sie lieber zu! Wir versuchen, KitaPlätze auszubauen, und Sie wissen ganz genau wie wir auch, wie schwierig das ist. Kita-Plätze werden am Bedarf orientiert ausgebaut. Man schaut sich die Geburtsjahrgänge an, man muss nachrechnen, und

wenn wir ab 2013 den gesetzlich zugesicherten Rechtsanspruch für einjährige Kinder haben, heißt das, wir müssen für jedes Kind einen Platz anbieten. Dieser Bedarf muss gedeckt werden, das ist für uns als Grüne immer ganz wichtig. Was Schwarz-Gelb macht, ist die Ausbaubremse, völlig klar, Sie schenken den Eltern 150 Euro, damit sie ihre Kinder nicht in die Kitas schicken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Kein Satz ist da vorhin gefallen, nichts anderes!

Jetzt schauen wir uns noch einmal Bremen mit Ihren tollen Sozialdaten an, von denen Sie auch immer erzählen, wie das in einigen Stadtteilen hier ausschaut, wo Menschen in Hartz-IV-Familien leben, Frau Ahrens, Sprachbarrieren haben, nicht gewillt sind, deutsch zu lernen, die Kinder so oder so nicht in die Kitas schicken! Diesen Eltern sagen Sie – toller Anreiz –, kommt her, holt euch die 150 Euro Betreuungsgeld ab, dafür braucht ihr eure Kinder nicht in die Kitas zu schicken! Ist das der Ansatz, mit dem wir hier im Land regieren sollen? Ist das der Ansatz, Frau Ahrens, wie wir hier Betreuungsplätze bedarfsgerecht ausbauen wollen mit dem Rechtsanspruch ab 2013 für alle einjährigen Kinder, damit die Eltern und vor allem die Kinder davon profitieren können? Nein, davon haben Sie sich verabschiedet. Sich jetzt hier hinzustellen und Zahlen zu nennen, auf die es in der Großen Anfrage Antworten gibt – –.

(Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Frau Ahrens, ich gebe Ihnen jetzt einen Ratschlag: Die Antworten des Senats auf die Anfrage, die Sie gestellt haben, sind jetzt in dem Moment passé und nichtig. Normalerweise sollten Sie diese Anfrage noch einmal stellen, nachdem der Bund angefangen hat, diese 150 Euro zu verteilen. Dann wird der Senat nämlich antworten, wir müssen 500 Plätze pro Jahr weniger ausbauen, weil weniger Eltern ihre Kinder anmelden, weil Sie die 150 Euro kassieren. Wollen Sie das?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Ja, genau! – Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Über den Bedarf sprechen Sie den ganzen Tag, aber den Eltern sagen Sie: Nehmen Sie die 150 Euro, dafür brauchen Sie die Kinder nicht in die Kindertagesstätte zu schicken! Was machen wir dann später, wenn die Kinder mit einem Jahr nicht in die Kindertagesstätte kommen und nicht gefördert werden? Wissen Sie, was das ist?

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Es gibt auch Eltern, die können das!)

Ja, einige Eltern können das, aber die Mehrheit kann das nicht, Herr Strohmann, so sieht die Realität aus! Wir reißen uns hier auf gut Deutsch – entschuldigen Sie den Ausdruck! – den Hintern auf, auch die letzten Eltern in den Stadtteilen zu erreichen, damit sie ihre Kinder in die Kindertagesstätte schicken. Kinder lernen voneinander, sie müssen gemeinsam gefördert werden, in einer Einrichtung fernab der Familie mit einem kostenlosen Mittagessen. Dafür stellt dieser Senat Geld bereit, das wir uns mühsam aus jeder Ecke zusammenkratzen, und wird immer angeprangert, weil Ihrer Meinung nach nicht genug ausgebaut wird, und jetzt erwähnen Sie nicht einmal dieses Betreuungsgeld, was per se ein Verbrechen an den Kindern ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Frau M o t s c h m a n n [CDU])

Damit nehmen Sie den Kindern die Chance, gleichberechtigt, Frau Motschmann, mit anderen Kindern ab einem Jahr zusammen in einer Einrichtung lernend, spielend aufzuwachsen. Sie nehmen den Eltern die Möglichkeit. Frau Ahrens, Sie sprechen ja immer von den Tagesmüttern. Ist das vielleicht die billige Version, um Kindertagesstättenplätze einzusparen? Das habe ich mich auch schon gefragt.

(Zuruf des Abg. D r. B u h l e r t [FDP])

Wenn man den Eltern 150 Euro im Monat gibt, Herr Dr. Buhlert, stellen Sie sich auf den Marktplatz, halten Sie die Scheine hoch, die Leute werden sich anstellen und Ihnen das Geld aus der Hand reißen, erstens.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Ein Kindertagesstättenplatz im U3-Bereich, Frau Ahrens, kostet mindestens ab 800 Euro pro Monat aufwärts, bis zu 1 500 Euro, da schwankt es in den Bundesländern. Sind diese 150 Euro Betreuungsgeld vielleicht ein Sparvorschlag seitens der CDU, um uns hier im Land entgegenzukommen und zu sagen, baut weniger aus, hier kann man noch sparen, gebt den Eltern das Geld? Gestern haben Sie von Brotkrümeln gesprochen, 70 000 Euro für die Kindertagesstätten. Was sind bitte 150 Euro oder die 20 Euro, die noch beim Kindergeld hinzukommen oder der Kinderfreibetrag, von dem ohnehin nur die Gutverdienenden profitieren werden? Ich finde es schade, dass man hier diese Chance verpasst, hier aber nicht, Frau Ahrens –

(Glocke)

ich komme schon zum Schluss in der ersten Runde! – das mit einem Wort bedauert, kritisiert, infrage stellt,

weil es alle Anstrengungen, die wir hier unternehmen, völlig in den Schatten stellt und uns un-glaubwürdig macht, vor allem Sie unglaubwürdig macht! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Cakici.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen, es ist ziemlich schizophren, heute hier vorn zu diesem Thema zu stehen, wenn man einmal betrachtet, was Herr Öztürk gerade zur Herdprämie gesagt hat. Ich weiß nicht, ob das Thema Sie wirklich interessiert, ich habe bei der CDU nicht so den Eindruck.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Ja!)

Nein, das Niveau, auf dem wir hier seit Tagen über Ihre Themenfelder diskutieren, gefällt mir persönlich gar nicht! Ich würde mich einfach gern an den Fakten orientieren. Es ist folgendermaßen: 2,8 Millionen Euro sind bisher vom Bund abgerufen worden, das heißt, das ist eine halbe Million weniger, als eigentlich erwartet und vorgesehen ist. Die Mittel sind ursprünglich für 2009 geplant. Es ist zwar möglich, sie erst im Jahr 2010 abzurufen, wenn man mit dem Tempo aber so weitermacht – da muss ich natürlich auch deutlich Kritik üben –, wird es 2013 sicherlich schwierig. Ich muss aber auch sagen, dass wir es sicherlich noch weiter im Jugendhilfeausschuss und in der Sozialdeputation verfolgen werden. Uns werden auch regelmäßig Berichte darüber gegeben, und ich finde auch, dass wir dort noch einmal schauen können, wie wir das Ganze vorantreiben können. Das ist sehr wichtig an dieser Stelle. Ich muss auch sagen, diese Aufschiebementalität gefällt unserer Fraktion auch nicht wirklich besonders gut. Da müssten wir sicherlich auch noch einmal zu gewissen Lösungen kommen und können uns bestimmt darüber noch unterhalten, aber dann eben in den entsprechenden Fachgremien, Frau Ahrens. Sie haben auch die Möglichkeit, in diesen Fachgremien mitzusprechen, aber Sie nutzen immer einfach die anderen Wege über die Medien, das ist das Einzige.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich würde gern noch einmal etwas zu dieser Schönrederei der Statistik sagen! Es ist so, dass Anfang des ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Monats Frau Senatorin Rosenkötter die Zahlen der Ausbauplanung nach unten korrigiert hat. Sie hatte angekündigt, in den kommenden zwei Jahren 600 neue Betreuungsplätze zu schaffen. In der Ausbauplanung gestaltet sich das Ganze ein bisschen schwierig, und außerdem ist es auch so, dass diese zehn Prozent sozialpädagogischen Spielkreise da auch mit einberechnet werden. Das ist ein rechnerischer Trick, Frau Garling nickt auch. Das ist ein bisschen schade, denn sie umfassen eine wöchentliche Betreuungszeit von elf und zwölf Stunden, zudem gibt es noch Selbsthilfespielkreise, die eine sechsstündige wöchentliche Betreuungszeit haben.

(Zuruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Beide Formen dürfen nur als Ergänzung gehandhabt werden zu Betreuungsangeboten, die mindestens fünf Stunden am Tag umfassen, denn sie leisten keinen großen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ich betone großen Beitrag. Ich möchte auch noch einmal sagen, Tempo ist an dieser Stelle sicherlich gefragt. Ich bin leider in der zweiten Runde nicht anwesend, Frau Ahrens, ich bitte, dies zu entschuldigen. Ich verpasse zurzeit ein Seminar an der Universität, wo es um Stressbewältigungsstrategien geht. (Heiterkeit)

Ich muss sagen, wenn ich Ihren Reden zuhöre und sie die letzten Tage verfolge, muss ich wirklich dringend dorthin, ich bitte Sie, das zu entschuldigen.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich denke, Sie nehmen es mir nicht übel, dass wir dieses Thema noch einmal in der Sozialdeputation und im Jugendhilfeausschuss besprechen werden. Ansonsten ist meine Kollegin und Vertreterin Frau Nitz da, die sich dann auch noch einmal äußern kann. Ich wünsche Ihnen allen dann später eine stressfreie Zeit mit Frau Ahrens. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir wieder zum Thema zurückgefunden haben, denn phasenweise habe ich mir gedacht: Worüber sprechen wir hier eigentlich? Sprechen wir über den Ausbau in Bremen, oder sprechen wir weiter über die Debatte vom gestrigen Morgen? Ich fühlte mich sehr bei der Aktuellen Stunde.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Aber das ge- hört doch zusammen! – Abg. Frau G a r - l i n g [SPD]: Das hat doch Auswirkungen!)

Jetzt hören Sie doch einmal zu! Wenn Sie den nächsten Satz abwarten würden, würden Sie Ihre Zwischenrufe vielleicht sogar lassen!

(Beifall bei der FDP)

Sie wissen, dass diese Aussagen zum Betreuungsgeld nicht im Programm der FDP standen, und Sie wissen auch, wenn Sie mich kennen, dass es nicht meine tiefste Überzeugung ist.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Dann müssen Sie Herrn Westerwelle überzeugen!)

Dann muss man in der Tat doch überlegen, wie man damit umgeht und wie man in Bremen darauf reagiert! Wenn man dann eine Antwort dazu möchte, muss man sich doch überlegen: Wenn ich diese Befürchtung habe, die ich auch habe und die die Koalition hier deutlich gemacht hat, dann muss ich doch alles dafür tun, so schnell wie möglich auszubauen, damit das Betreuungsgeld nicht in Anspruch genommen wird, sondern jeder überzeugt wird, dass es ein gutes Angebot ist, und dort muss man dann entsprechend hingehen.

(Abg. Ö z t ü r k [Bündnis 90/Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Nein, Herr Kollege Öztürk, auf Sie komme ich jetzt auch noch einmal zu sprechen, und zwar wegen der Frage, die wir hier an der einen oder anderen Stelle diskutieren müssen, nämlich: Welches Gesellschaftsbild haben wir hier? Ich will das Betreuungsgeld nicht verteidigen, aber mir gibt es schon zu denken, wenn gesagt wird, die Mehrheit der Eltern kann es nicht. Ich hoffe, dass es noch nicht so weit ist. Ich hoffe, dass die Erziehungskompetenz der Eltern weiter gesteigert werden kann, dass ihr Verantwortungsbewusstsein weiter gesteigert werden kann.

(Zurufe von der CDU und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gibt viele Eltern, die es können, und das muss auch anerkannt werden. Auch wenn ich kein Freund davon bin, ihnen ein Betreuungsgeld zu zahlen, ist es eine Entscheidung, die Eltern freiwillig treffen, wie sie ihre Kinder erziehen wollen, und es ist nicht so, wie es in den Papieren der hiesigen Koalition manchmal heißt, dass die Kinder aus der Anonymität der Familie herausgeholt werden müssen. Es gibt für Kinder nichts Besseres als intakte Familien. Da müssen sie nicht den ganzen Tag sein,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das ist ja die Frage!)