Protocol of the Session on October 9, 2008

Die Lohnsteuer trägt dreimal mehr zur Finanzierung der Staatsaufgaben bei als die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Diese Einkommensverteilung

mittels einer gerechteren Steuerbelastung zu verändern, ist ausschließlich Bundesangelegenheit, aber notwendig, und dies könnte zum Beispiel gar nicht Gegenstand eines solchen Masterplans sein. Deswegen kommen wir mit einem solchen Instrument nicht weiter. Daran muss auch gedacht werden, und es wäre grob fahrlässig, wenn wir dies nicht mit berücksichtigen würden.

Das Gleiche gilt für die Armutsfestigkeit der sozialen Sicherungssysteme,

(Glocke)

die ausschließlich – ich komme zum Schluss! – in Bundeskompetenz liegen. Ich werde in einem zweiten Beitrag noch einmal meine Vorstellung darstellen, wie wir hier konkret Armutsbekämpfung betreiben können, ohne auf einen Masterplan zurückzugreifen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage Sie jetzt, ob wir diese Debatte fortführen wollen – dann wird sie vor 13.30 Uhr nicht beendet sein, wir haben noch drei Redner auf der Liste –, oder ob wir hier unterbrechen und dann nach der Mittagspause fortfahren.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, bevor Sie in die Mittagspause gehen, möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass mittlerweile interfraktionell vereinbart worden ist, den Tagesordnungspunkt 12, Weiterentwicklung des IT-Bereichs der Bremer Verwaltung, nach Tagesordnungspunkt 11 aufzurufen und den Tagesordnungspunkt 16, Erfolgsbilanz der B.E.G.IN nach zehnjähriger Tätigkeit, nach Tagesordnungspunkt 15 aufzurufen.

Wir treten jetzt bis 14.30 Uhr in die Mittagspause ein.

(Unterbrechung der Sitzung 12.55 Uhr)

Vizepräsidentin Dr. Mathes eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Wir setzten die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 8, „Masterplan“ Armutsbekämpfung, fort.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit der Überschrift will uns die Partei DIE LINKE, hier als Fraktion, deutlich machen, dass sie Armut bekämpfen will. Wenn wir dann aber hören, was Herr Erlanson hier vorgetragen hat, geht es ihr darum zu schauen, wie die Situation in der Stadt ist und wie man denen, die arm sind, helfen kann. Uns geht es als FDP darum, Armut zu bekämpfen, und dazu bedarf es anderer Maßnahmen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben grundsätzlich andere Auffassungen als DIE LINKE, das wird keinen verwundern. Wir gehen davon aus, dass man Armut dadurch bekämpft, dass man bessere Bildung vermittelt, weil bessere Bildung mehr Chancen heißt.

(Beifall bei der FDP)

Wir gehen davon aus, dass man Armut dadurch bekämpft, dass man eine vernünftige Wirtschaftspolitik macht, denn Wirtschaft macht die Wirtschaft, und dort werden Arbeitsplätze geschaffen.

(Beifall bei der FDP)

Es geht eben nicht darum, Armut zu bekämpfen, indem ich mich nur darum kümmere, wie es den Armen geht. Das muss ich auch tun,

(Beifall bei der FDP)

und dieses „auch“ ist dann ein ganz wichtiges. Da sind wir gern bereit zu diskutieren, wie es denn mit Mietobergrenzen ist, wie es mit der Frage der Höhe der Hartz-IV-Sätze ist, wie es dort mit Zuverdienstmöglichkeiten steht. Sie wissen genau, dass wir als FDP-Bürgerschaftsfraktion dafür sind, dass es höhere Zuverdienstmöglichkeiten gibt, dass es ein Bürgergeld gibt,

(Beifall bei der FDP)

das einen wirklichen Anreiz zur Arbeitsaufnahme bietet. Es geht – das ist von dem Kollegen Bartels schon gesagt worden – darum, dass diejenigen, die diesen Staat tragen, indem sie morgens aufstehen, zur Arbeit gehen und selbst einen Teil ihres Lebensunterhalts oder ihren gesamten Lebensunterhalt verdienen, die Anerkennung bekommen, die sie dafür auch verdienen.

(Beifall bei der FDP)

Insofern geht es eben darum, Armut ernsthaft zu bekämpfen, Arbeitsplätze zu schaffen, den Menschen bessere Bildung zu bringen, und dazu brauchen wir

keinen Masterplan, dazu haben wir auch in der Bürgerschaft alle viel zu unterschiedliche Ansätze.

Das wird in den Debatten dazu deutlich: wenn wir hier über Bildungspolitik debattieren, wenn wir – wie in dieser Sitzung – über Seeschifffahrt debattieren, wenn wir über Reedereien reden, wenn wir über die Potenziale von Migranten und Migrantinnen als Unternehmer und Unternehmerinnen sprechen, wenn wir über Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsförderungspolitik reden und wenn wir über betriebsbezogene Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung sprechen! Dort sehen wir all diese Konzepte, die in diesem Bereich der Politik von den unterschiedlichen Fraktionen und Parteien gemacht werden, und dort haben wir eben unterschiedliche Auffassungen, und deswegen kann es nicht einen Masterplan geben, sondern ein Ringen um die besten Wege, damit die Menschen mehr bekommen, als sie bisher haben, und nicht arm bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Dazu kann auch der Staat durch eine andere Transferpolitik beitragen, denn es ist doch in der Tat so, dass nicht nur diejenigen, die am unteren Rand der Gesellschaft stehen, was das Einkommen angeht, sondern selbst die, die in der Mitte der Gesellschaft stehen, weniger Geld haben als zuvor. Das ist eine Frage der Steuerpolitik, und diese müssen wir ändern. Das muss der Bund tun, und hierzu hat die FDP im Bundestag Vorschläge gemacht, die ich hier nicht zu wiederholen brauche.

(Beifall bei der FDP)

In zwei Punkten möchte ich aber doch noch widersprechen! Ich halte es nicht für richtig, wenn hier von Ihnen, Herr Erlanson, gefordert wird, dass eine Umverteilung von Arbeit und Vermögen stattfinden muss. Die Umverteilung von Arbeit, die Einführung der 35Stunden-Woche, ist ein gescheiterter Weg, mehr Arbeitsplätze und mehr Wohlstand in diesem Lande zu schaffen.

(Beifall bei der FDP – Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE]: Richtig! Die 30-Stunden-Wo- che!)

Das Nächste ist: Die Umverteilung von Vermögen nach dem Motto „Reichtum verursacht Armut“ ist eine falsche Erkenntnis.

(Beifall bei der FDP)

Es ist doch so, dass Reichtum erst einmal dazu geführt hat, dass es in unserer Gesellschaft mehr Wohlstand und Fortschritt und Besseres gegeben hat, und nicht dazu geführt hat, dass diese Gesellschaft insgesamt verarmt ist. Natürlich haben wir Armut in

unserer Gesellschaft, aber es ist doch nicht so – wenn wir das historisch betrachten –, dass die Welt dadurch ärmer geworden ist, dass es reiche Menschen gegeben hat und geben wird.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Zurück ins 18. Jahrhundert!)

Insofern sind wir hier völlig unterschiedlicher Auffassung, und deswegen werden Sie auch verstehen, dass wir Ihrem Antrag nicht folgen, sondern uns darauf konzentrieren, durch bessere Bildungspolitik, bessere Arbeitsmarkt- und bessere Wirtschaftspolitik Armut wirklich zu bekämpfen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was der Kollege Dr. Buhlert da gerade gesagt hat, ist konträr zu jeder statistischen Erhebung. Ein Blick in die Statistiken des Bundesamtes für Statistik zeigt, dass der private Reichtum in den letzten Jahren vergleichsweise intensiv gestiegen ist und noch steigt, er zeigt, dass die Einkommen eher gesunken sind, er zeigt, dass die Einkommen aus Vermögen und selbstständiger Arbeit gestiegen sind und die Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit eher verringert sind.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Das habe ich nicht bestritten!)

Also gibt es sozusagen einen Umverteilungsprozess von gesellschaftlichem und auch finanziellem Reichtum von unten nach oben, und den gilt es, zunächst einmal ein Stück weit zu stoppen, zu begrenzen.

Ich bin der Meinung, dass wir gern über alles Mögliche reden können, aber wenn wir diesen Prozess nicht stoppen, haben wir nicht nur ein moralisches oder ein soziales Problem, sondern wir haben, wie man leicht sieht, auch ein ökonomisches Problem, weil dann irgendwann die Kapitalrenditen so sind, dass man nicht mehr weiß, wohin mit seinem Geld, und exorbitante Renditen erwartet werden und sich alles nur noch danach ausrichtet. Das können wir nicht machen. Deswegen ist das, was der Kollege Dr. Buhlert gesagt hat, nun wirklich aus einer anderen Welt und eine Form von neoliberaler Ideologie, die sich selbst begründet und überhaupt nicht taugt.

(Beifall bei der LINKEN) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Was mich auch sehr beunruhigt, ist die Einlassung des Kollegen Bartels. Die habe ich so verstanden, dass im Wesentlichen Transferleistungen schuld daran sind, dass es Armut gibt. Gäbe es sie nicht, wären die Menschen motiviert. Das ist eine Logik, die heißt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, und man muss den Leuten nur zu wenig zu essen geben, dann sind sie auch motiviert genug, sich irgendetwas zu suchen und alles zu essen, was da ist. Das ist zynisch! Das ist menschenverachtend, und es hat vor allen Dingen mit einer christlichen Grundüberzeugung überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der LINKEN)

So viel vom christlichen Glauben habe ich mitbekommen, dass für Christen immer noch das Prinzip der Nächstenliebe gilt, und Nächstenliebe ist keine Transferleistung. Gesellschaftliche Solidarität mit Menschen in Armut ist keine Transferleistung, das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. B a r t e l s [CDU]: Da müssen Sie einmal zuhören!)

Ich höre immer ziemlich genau zu, und wenn Sie Sätze sagen, die man verstehen kann, dann verstehe ich sie in der Regel auch!