Protocol of the Session on July 3, 2008

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich großer Anhänger der These, dass man die Rechtsextremen stellen und sich mit Ihren Argumenten auseinandersetzen muss,

(Abg. B ö d e k e r (CDU): Welche Argumente? – Zuruf von der FDP: Das war ja auch kein Argument!)

aber an dieser Stelle war das so unstrukturierter Unfug, dass das echt schwerfällt. Ich will nur eine einzige Sache anmerken: Wenn Sie denn glauben, dass hier Anträge gestellt werden müssen, dann machen Sie es doch bitte selbst! Dafür ist nun wirklich nicht die CDU-Fraktion da, um Ihren Mist zu beantragen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn man nicht einmal das hinbekommt, dann braucht man sich an solchen Debatten auch nicht zu beteiligen!

Zur Debatte selbst! Herr Hinners, Sie haben gesagt, der Senat würde hier bagatellisieren. Mir ist nicht ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ganz klar, worauf Sie diese Einschätzung stützen, weil der Senat in der Tat sagt: Schwierig und eben nicht von geringer Schuld wird es in dem Augenblick, in dem Drogenkonsum, Drogenkriminalität im Umfeld von Schulen, jungen Menschen und ähnlichen Bereichen stattfindet. Gerade das hat der Senat explizit hervorgehoben, und das sieht er genauso wie Sie. Das sehen Sie also an dieser Stelle gemeinsam so, und gerade deshalb kann ich an der Stelle einfach keine Bagatellisierung erkennen. Sie mögen das ja so einschätzen, aber die Große Anfrage ist meines Erachtens keine geeignete Stütze für diese Einschätzung.

Ich will Ihnen bei der Frage, wie man mit den Einstellungen und den Auflagen umgeht, durchaus zugestehen, dass man nach den Hintergründen fragen kann, warum in Bremen die Zahl der Einstellungen ohne Auflagen relativ groß ist. Das haben Sie aber nicht getan, sondern Sie haben nach den Zahlen gefragt und haben diese interpretiert. Ich glaube, dass man dort sehr genau hinschauen muss. Es ist ja durchaus vorstellbar – dazu kann der Staatsrat vielleicht auch noch einmal etwas sagen –, dass bestimmte Auflagen schlicht und ergreifend nicht erforderlich sind, weil sich die bestimmten Personen schon in Therapie- und Hilfsmaßnahmen befinden. Das wäre zumindest eine Überlegung, über die man wenigstens einmal nachdenken könnte.

Ich will ansonsten sagen: Sie haben gesagt, Sie glauben, dass durch die Einstellungen nicht in ausreichendem Maße Einstieg in Drogensucht bekämpft wird. Dazu will ich nur ganz kurz sagen: Dann unterscheiden wir uns in der Tat. Ich glaube, dass das Strafrecht dafür da ist, um Kriminalität zu bekämpfen, um Drogenkriminalität zu bekämpfen. Ich glaube, dass es nicht das geeignete Instrument ist, um Drogensucht zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Für Drogensuchtbekämpfung brauchen wir andere Instrumente. Darum kann es sein, dass eine entsprechende Auflage mit einer Therapie oder aber eine bereits existierende Therapie zur Verhinderung des Einstiegs in Drogensucht deutlich sinnvoller ist, als dort mit der vollen Wucht des Strafrechts zuzuschlagen.

Insofern ist mein Eindruck, dass der Senat hier eine sehr pragmatische Umgehensweise mit dem Thema gefunden hat. In diesem Sinne habe ich aus meiner Sicht durchaus Verständnis dafür, dass man noch die eine oder andere Nachfrage stellt und die ganzen Punkte auch noch einmal konkretisiert: Wo ist der Hintergrund der geringeren Auflagenzahl? Dass man hier aber grundsätzlich davon ausgeht, dass der Senat bagatellisieren würde oder aber, dass man sich dazu versteigt, mit dem Strafrecht Suchtproblemati

ken in den Griff bekommen zu wollen, kann ich für meine Person nicht so sehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Interesse haben wir die Antwort des Senats auf die Große Anfrage der CDU zur Kenntnis genommen. Wir können erleichtert feststellen: Bremen fährt bei der Verfolgung von Drogendelikten eine ruhige Gangart. Die Richtung der Drogenpolitik stimmt. Prävention und Therapie, also die Hilfe für Menschen mit Drogenproblemen, stehen im Mittelpunkt. Gleichzeitig wird auf eine unnötige Kriminalisierung der Betroffenen verzichtet. Aus der Antwort lässt sich ablesen, dass die Staatsanwaltschaft in Bremen im Bundesvergleich von unnötiger Härte und Strafverfolgung absieht. Dies ist eine Drogenpolitik, von der sich manches konservative Bundesland gut etwas abschauen und lernen kann.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Diese Politik geht jedoch nicht weit genug. Es reicht nicht, die Freiräume, die das Betäubungsmittelgesetz bietet, auszuschöpfen und möglichst weitgehend auf Strafverfolgung zu verzichten. Eine Änderung des Gesetzes ist dringend geboten. Dass eine weiche Droge wie Cannabis verboten ist und auf einer Stufe mit Heroin und Kokain steht, ist absurd. Eine Legalisierung sogenannter weicher Drogen sollte vorgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

So ließe sich die rechtliche Grauzone der faktischen Duldung kleiner Mengen endlich beseitigen. In der Folge würde dies die Strafverfolgungsbehörden massiv entlasten. Aber auch beim Heroin müsste ein Umdenken einsetzen. Sucht ist keine kriminelle Handlung, sondern ein individuelles menschliches Problem. Es muss also als solches erkannt und behandelt werden.

In einigen Städten hat es erfolgreiche Versuche gegeben, Heroin an Süchtige abzugeben. Durch diesen Schritt sind die Betroffenen nicht mehr gezwungen, mit jedem Heroinkonsum eine kriminelle Handlung zu begehen. Sie können dem Schwarzmarkt mit seinen horrenden Preisen entfliehen. Die dazugehörige Beschaffungskriminalität wird ebenso reduziert bis überflüssig.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch geduldete Heroinabgabe ist es vielen der Betroffenen möglich, wieder ein normales Leben zu führen und einer üblichen Arbeit nachzugehen. Dies ist der richtige Weg einer modernen Drogenpolitik. Dass sich die CDU auf Bundesebene weigert, diesen Weg mitzugehen, ist für alle Betroffenen tragisch und treibt diese weiter in die Kriminalität.

Vom Senat erwarten wir, dass er sich auf Bundesebene engagiert und dafür einsetzt, weiche Drogen zu legalisieren

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Einstiegs- droge!)

und die Abgabe von Heroin an Betroffene, zum Beispiel Kranke, Schwerstkranke, durch Apotheken und Ärzte zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fänden es gut und richtig, wenn der Senat Schritte einleitet, auch in Bremen versuchweise Heroin an Suchtbetroffene abzugeben. Diese Schritte dürften einen wesentlich besseren Einfluss auf die Kriminalstatistik haben als alle Vorschläge, die man von der CDU zum Thema Drogen hört.

Eine Reihe von Fragen hat die CDU auch dem Komplex Jugendliche und Drogendelikte gewidmet. Die Tendenz dieser Fragen weist in die falsche Richtung, und es ist gut, dass der Senat dieser Richtung nicht folgt. In den Fragen der CDU scheint durch, dass sie ein Konzept von Kontrolle und Strafe wünscht und hofft, so Jugendliche vom Drogenkonsum fernzuhalten. Dies funktioniert nicht! Im Gegenteil, es ist zu befürchten, dass der Reiz des Verbotenen noch steigt. Statt Jugendliche zu bestrafen, wenn sie Drogen ausprobieren, brauchen wir pädagogische Konzepte, die Kinder und Jugendliche stark machen, so stark, dass sie selbstbewusst Nein sagen zu Drogen und drogenähnlichen Angeboten, und nicht Gruppendynamiken unterliegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies gilt nicht nur für illegalisierte Drogen, sondern insbesondere auch für Drogen, die in Deutschland anerkannt und weitverbreitet sind: Nikotin und Alkohol. Diese stellen ein ebenso großes, oft ein erheblich größeres Risiko für Jugendliche dar als Cannabis oder Heroin. Leider macht der Senat in seinen Antworten keine Angaben dazu, welche Präventionsprogramme Jugendliche in Bremen stark gegen Drogen machen. Ich weiß, das war auch nicht gefragt, aber eine Auseinandersetzung damit hier in der Bürgerschaft wäre auch weitaus sinnvoller als mit der vorgelegten Kriminalstatistik.

Zum Abschluss eine sehr persönliche Bemerkung: Ich habe dies auch als Betroffene vorgetragen. Am

11. August bin ich 30 Jahre trocken, das heißt alkoholtrocken, und die Zeit davor und danach habe ich nicht vergessen. Eine Auswirkung war die Ausbildung zur Suchthelferin. In diesem Zusammenhang habe ich mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gearbeitet. Uns hat das Alter, das Geschlecht und häufig auch die Biografie getrennt, auch die Drogen, die wir zu uns genommen haben, waren sehr unterschiedlicher Art, aber eines hat uns vereint, eines war gleichermaßen: Das, was nicht gut für uns war, was genau in die falsche Richtung gegangen ist, das war Kriminalisierung, Ausgrenzung, Ächtung und Diskriminierung von drogenkranken Abhängigen, die wir krank waren oder immer noch sind.

Was wir brauchen, ist Prävention und Aufklärung, und das auch in einer Sprache, die Kinder und Jugendliche verstehen, die Hilfe zur Selbsthilfe und eine Perspektive. Schauen Sie mich an! Jetzt bin ich 30 Jahre trocken, und ich lebe auch. Eine Perspektive, die stark macht – bei Angeboten welcher Art der Droge auch immer –, selbstbewusst und mutig Nein, danke, zu sagen, eine Alternative zu haben, in der ich bestehen kann in meiner Gruppe, in meinem Ver-ein, in meinem Betrieb oder wo auch immer.

Die Form der Ächtung, gerade bei Kindern und Jugendlichen, geht sehr viel tiefer. Wer glaubt, mit Kriminalisierung dieses Problem – das ein großes gesellschaftliches Problem ist, denn ohne Perspektive gehe ich am Abend etwas heiterer zu Bett, lassen Sie mich es einmal so sagen, in der Hoffnung, dass ich am nächsten Morgen das persönliche Elend nicht sehe – zu lösen, der irrt. Den mache ich verantwortlich für jedes Kind, für jeden Jugendlichen – und es geht über das Alter hinaus –, dem er Leben und die Chance zum Leben genommen hat. Geben wir ihnen allen Kraft und ein politisches Gleichgewicht, das verbirgt sich unter Perspektive! – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, in Anbetracht der Zeit – wir haben noch 3 Redner auf der Rednerliste – empfehle ich Ihnen, jetzt diese Debatte zu unterbrechen.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung der Sitzung 13.06 Uhr)

Vizepräsidentin Dr. Mathes eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Die unterbrochene Landtagssitzung ist wieder eröffnet. Wir setzen die

Aussprache zu dem Tagesordnungspunkt 14, Verfolgungen von Drogendelikten, fort.

Das Wort hat der Abgeordnete Frehe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hinners hat zum Gegenstand seiner Großen Anfrage und der Anfrage der CDU eine statistische Auffälligkeit genommen, nämlich die Tatsache, dass 62,5 Prozent der Verfahren in Betäubungsmittelsachen ohne Auflage eingestellt worden sind, im Gegensatz zum Bund, was auch schon sehr viel ist, dort haben wir 36,4 Prozent Einstellungen ohne Auflage. Das könnte natürlich erst einmal jemanden sehr beunruhigen, und ich denke, es ist es auch wert, einmal nachzufragen, was sind denn die Ursachen. Es könnte ja der Eindruck entstehen, dass Drogendealer hier überwiegend straffrei davonkommen, und ein wenig klang das in dem Beitrag von Herrn Hinners auch an. Das ist aber nicht so.

Richtig ist, wie aus der Beantwortung der Großen Anfrage durch den Senat hervorgeht, dass wir den Schwerpunkt auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität setzen. Es geht nicht darum, den einzelnen kleinen abhängigen Drogendealer zu fangen, sondern vor allem zu sehen: Wie kommt der gesamte Drogenhandel zustande?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aber auch bei kleinen kriminellen Straftätern ist es natürlich für diejenigen, die davon betroffen sind, auf jeden Fall ärgerlich, wenn bei ihnen eingebrochen wurde, große Schäden verursacht wurden, auch für diejenigen im Viertel, die das häufiger erleben müssen, da kann man verstehen, dass die Bewohner dort, wenn sie von dieser Beschaffungskriminalität vor allem betroffen sind, sich darüber ärgern und auch Abhilfe wollen. Ich finde es völlig legitim zu sagen, dass so etwas auch bekämpft werden muss, und da fällt natürlich ins Auge, wenn das völlig sanktionslos oder ohne Auflage sein soll, dann scheint das erst einmal völlig falsch zu sein.

Schauen wir uns doch die Zahlen einmal ein bisschen genauer an! Wie aus der Beantwortung der Großen Anfrage hervorgeht, haben viele Einstellungen auch wegen geringer Schuld stattgefunden, also juristisch nach Paragraf 153 Strafprozessordnung. Das bedeutet, dass Leute möglicherweise das erste Mal mit Drogen erwischt worden sind, und da ist auch das Strafverfahren selbst Sanktion genug.

(Abg. P e r s c h a u [CDU]: Nicht erwischt worden! Das sind meistens 20, 30 Fälle vor- her gewesen!)

Ich glaube, das wird nicht dazu führen, dass man die Einstellung wegen geringer Schuld macht. Die

Einstellung bei geringer Schuld setzt ja voraus, dass der Tatvorwurf so gering sein muss, dass man unter Opportunitätserwägungen auf ein Strafverfahren verzichten kann. Da, glaube ich, liegen Sie nicht richtig, dass es da um Straftäter geht, die mindestens dreißig Mal vorher erwischt worden sind und womöglich noch – –.