Protocol of the Session on June 3, 2008

(Heiterkeit)

Peter Drucker, leider vor einigen Jahren gestorben, hat einmal gesagt: „Nicht Arbeit, nicht Kapital, nicht Land und Rohstoffe sind die Produktionsfaktoren, die heute in unserer Gesellschaft zählen, sondern das Wissen der Mitarbeiter in den Unternehmen.“ Darum kann das Thema Qualifizierung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das ist, glaube ich, in der Vergangenheit ein wenig vernachlässigt worden, zumindest vor diesem Hintergrund.

Diese meinerseits aufgezählten den Wissenstransfer fördernden Elemente sind zu einem großen Teil seitens des Senats gut angegangen, das wird in der Antwort auf die Große Anfrage deutlich. Aus dem Grund wage ich das Fazit, dass Bremen und Bremerhaven und dieser Senat für den Bereich Wissenstransfer bei der Innovationsunterstützung sehr gut aufgestellt sind. Ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass aufgrund der immensen Wichtigkeit dieses Themas an diesen Bereichen weiter gearbeitet wird. Die erfolgreichen Beispiele haben dokumentiert, Windenergie und auch Luft- und Raumfahrt, dass das ohne finanzielle Mittel so ganz nicht geht und nicht funktionieren kann. Aus dem Grund ist mein Plädoyer, Wissenstransfer weiterhin im Fokus zu behalten und auch mit entsprechenden finanziellen Mitteln zu unterlegen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Ella.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Beilken, liberale Politik, die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Sie ja nicht verstehen wollen oder können, bedeutet Sparen am richtigen Ende, aber eben auch Investieren am richtigen Ende.

(Beifall bei der FDP)

Investition in Bildung, lieber Herr Beilken, das heißt in Kinderbetreuung, in Schule, in Wissenschaft, sind Investitionen in die Köpfe der Menschen und damit in die Zukunft unseres Landes.

(Beifall bei der FDP)

Mit der von Ihnen beantragten linken politischen „Missbildung“ in den Schulen würden wir die Probleme unseres Landes jedenfalls nicht lösen können

(Beifall bei der FDP)

Nicht höhere Steuern, wie Sie es fordern, sondern Investitionen in die Köpfe der Menschen lösen unsere gesellschaftlichen Probleme wie Arbeitslosigkeit, Kinderarmut und soziale Ungerechtigkeit, die wir in Bremen ja ganz besonders haben. Linke Politik, Herr Beilken, ist unsozial und hat Bremen erst in die Lage gebracht, in der es sich jetzt befindet.

(Beifall bei der FDP)

Dass Sie, Herr Kottisch, unsere Kritik an Ihren Sparmaßnahmen nicht teilen, können wir verstehen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne eine zwölfte Klasse des Schulzentrums Bördestraße. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ein paar Dinge, die mich dazu bewogen haben, noch einmal hier nach vorn zu komme, und zwar einerseits noch einmal die Ausführungen des Kollegen Ella. Es bleibt sozusagen immer noch die spannende Frage, wenn man mehr Geld richtigerweise für Bildung und Schule ausgeben will, muss man sagen, woher es kommt!

Wir können hier gern ein bisschen Mengenlehre betreiben.

Wir haben gesagt, für diese Ausgaben wären wir bereit, uns zu verschulden. Ja, das kann man kritisieren, aber wir hielten es für eine sinnvolle Form von Investition. Die Kollegen von der FDP machen eine Politik, die uns immer weiter in diese Sackgasse bringt, nämlich dass wir immer weiter darüber nachdenken müssen, woher wir es eigentlich nehmen, und sagen müssen, wir können nicht. Das ist der Widerspruch in der Mengenlehre, und das wäre vielleicht eine gewisse Form von Bildung.

Die Steuern, die wir fordern, müssen im Wesentlichen diejenigen bezahlen, die vergleichsweise viel Geld haben, das wissen Sie auch, und die sind sozusagen in den letzten 30 Jahren in einer Weise entlastet worden, dass es nur so kracht.

(Abg. E l l a [FDP]: Genau, der kleine Mann!)

Nein, eben nicht der kleine Mann, die Besitzer großer Vermögen, die Unternehmen, Erbschaftssteuer und so weiter! Das alles kennen wir, und das müssen wir auch nicht wiederholen. Es ist einfach klar, dass wir sagen, wir brauchen gerechte Steuern in diesem Land, sonst können wir Bildung nicht finanzieren. Sie sagen, wir wollen Bildung haben, aber wir wissen nicht, woher das Geld kommt.

(Beifall bei der Linken)

Mengenlehre ist also zu Ende! Ich habe jetzt zu dieser Großen Anfrage folgende Anregung und folgenden Gedanken: Wenn man schon eine solche Frage stellt, wenn die Regierungsparteien ihrer eigenen Regierung Fragen stellen, würde es, glaube ich, ihr ganz gut anstehen, wenn man zumindest versucht, einen Hauch von Kritik oder Widersprüchen in diese Form von Fragen zu kleiden. Ich glaube, wenn wir uns selbst nicht kritische Fragen stellen, werden wir auch die Aufgaben, die wir haben, nicht lösen können.

Ich will es einmal konkret machen: In dieser ganzen Fragestellung ist überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass es einmal eine Idee gab von Freiheit von Forschung und Lehre. Freiheit von Forschung und Lehre bedeutet eigentlich Freiheit von staatlicher Beeinflussung, bedeutet aber auch Freiheit von ökonomischer Abhängigkeit. Das heißt, wir brauchen eine bestimmte Form von Forschung und Lehre, die weder staatlich beeinflusst, noch irgendwie ökonomisch abhängig ist.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Alles Theorie!)

Haben wir das nicht mehr, dann kommt eine Situation, in der Innovation auch deswegen schon nicht

mehr möglich ist, weil es einfach keine neuen Gedanken gibt, sondern weil ausschließlich Verwertbarkeitsinteressen im Vordergrund stehen. Das habe ich heute hier aus allen Reden gehört. Ich habe nicht einen Hauch von Kritik darin gehört, dass möglicherweise Produktbildung, Verwertbarkeit nicht das einzige Kriterium für Forschung und Bildung ist und nicht das einzige Ziel, worauf man sich ausrichten muss. Es wurde immer wieder betont, dass das Einzige, was wichtig ist, ist, dass das, was in der Hochschule herauskommt, unmittelbar verwertbar ist, und das sogar inklusive der geisteswissenschaftlichen Fachbereiche. Das habe ich in den Ausführungen gehört: Selbstverständlich kümmern wir uns um Geisteswissenschaften, denn das, was die produzieren, kann man auch verkaufen.

(Beifall bei der Linken – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, das hat jemand gesagt, die Kollegin Schön hat es, glaube ich, gesagt, wir können es im Protokoll nachlesen!

Im Konkreten heißt das, wir müssen uns die Frage stellen: Wie haben sich beispielsweise die Fachbereichsprofile an den Hochschulen verändert, und wie werden sie sich möglicherweise verändern? Wird es dazu führen, dass sozusagen durch diese eingleisige Orientierung auf Verwertbarkeit die Inhalte beeinflusst werden? Wird es dazu führen, dass an den Hochschulen nur ganz bestimmte Sachen – nämlich die, die man unmittelbar verwerten kann – geforscht, gelehrt werden, oder haben wir eine Situation, wo das ungefährdet ist? Ich finde, diese Frage muss man stellen, wenn man hier über diese Frage diskutiert.

Man muss auch die Frage stellen – nicht, wie viele Arbeitsplätze wir in diesem Bereich geschaffen haben –, ob es eine Einschätzung gibt, wie viele Arbeitsplätze eigentlich im Bereich der privaten Ausbildung und in der privaten Forschung abgebaut worden sind. Diese Frage steht da nicht, und diese Frage müssen wir uns stellen, damit wir den Nettoeffekt einer solchen Entwicklung klären können.

Es ist auch nicht die Frage gestellt worden, ob nicht beispielsweise aufgrund der eingleisigen Entwicklung Richtung Verwertbarkeit Rüstungskonversion in Bremen keine Rolle mehr spielt. Man kann sich auch eine Form von Wissenstransfer vorstellen, die Rüstungskonversion wieder möglich macht. Stattdessen wird in der Anfrage stolz darauf verwiesen, dass es auch Militärprojekte gibt, und das wird hoch gelobt. Das finden wir eine ausgesprochen schwierige Entwicklung.

Ich sage Ihnen, wenn wir nicht aufhören, eine neoliberale Betriebsblindheit hier zu vertreten, werden wir auch langfristig mit vielen Dingen, die wir auch wollen, scheitern. Ich werbe dafür, dass wir diese

Dinge in Zukunft auch selbstkritischer betrachten. – Danke!

(Beifall bei der Linken – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Vor 40 Jahren war das ja noch originell! – Abg. F o c k e [CDU]: Als Du das noch gesagt hast! – Heiterkeit)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da war offenbar gerade ein interessanter Zwischenruf, den habe ich hier leider nicht mitbekommen. Aber das scheint hier sowieso gerade ganz großes Kino zu sein, leider gerade ein etwas schlechteres. Schade, die Debatte hat gerade so gut angefangen, aber durch die Debattenbeiträge der Linkspartei und der FDP, finde ich, ist sie leider etwas abgeglitten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich finde es schade, dass Sie beide diesen Bereich Wissenstransfer so wenig ernst nehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es geht doch im Kern darum: Wie bekommt man aus Wissenschaftsentwicklung am Ende Produkte? Herr Kastendiek hatte das, glaube ich, gesagt. Herr Kottisch hat darauf hingewiesen: Wie platziert man diese Produkte letztendlich auch am Markt? Es sind doch in Wirklichkeit Produkte, die wir alle haben wollen, im Wesentlichen jedenfalls. Es mögen Produkte dabei sein, die wir vielleicht nicht so gern wollen, aber viele Neuentwicklungen, ich denke an das Handy, ich denke an das Internet und so weiter, was es nicht alles an Neuentwicklung in letzter Zeit gab, haben wir doch alle gewollt.

Da jetzt eine Debatte aufzumachen, es geht nur um das unmittelbare Verwertungsinteresse von Wissen, das ist doch Quatsch! Es gibt eine Verwertung, die wir alle hier gemeinsam haben wollen. Insofern ist es eine Geisterdebatte, die Sie an der Stelle führen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der andere Punkt ist, wir diskutieren an der Stelle über Arbeitsplätze.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Als ob es keine Grundlagenfor- schung mehr gäbe!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Wir diskutieren über Arbeitsplätze, damit Menschen Arbeit haben aufgrund von innovativen Entwicklungen, woraus wir innovative Produkte bekommen, woraus innovative Arbeitsplätze entstehen. Die Menschen, die aus den Hochschulen herauskommen, wollen Arbeitsplätze haben und ihre Existenz sichern. Sie stellen sich nicht die Frage, ist mein Wissen verwertbar. Ich habe selbst das Interesse, dass mein Wissen verwertbar ist, und ich gehe davon aus, das haben die meisten hier im Saal auch. Insofern ist es doch auch irgendwie – entschuldigen Sie bitte! – ein bisschen Quatsch an der Stelle. Dann kam der Vorwurf von FDP und Linkspartei, wir machten hier nur eine breite Bildungsdebatte. Ich finde es richtig, eine breite Bildungsdebatte zu führen. Aber das Problem, das wir im Technologie- oder Wissenstransfer gerade haben – ich hatte es vorhin angesprochen –, ist, dass wir gut ausgebildete Menschen in Bremen und Bremerhaven nicht halten können. Wir bilden viele Menschen aus, die aber am Ende weggehen. Das heißt, wir haben gerade dort einen zusätzlichen Bedarf zu überlegen, wie wir in den Dialog mit Unternehmen kommen, wie wir gemeinsame Kulturen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft schaffen, damit sie ins Gespräch kommen, damit die Menschen, die wir ausgebildet haben, in Bremen und Bremerhaven auch Chancen haben und eben nicht weggehen müssen nach München, Stuttgart oder sonst wohin, sondern dass die Menschen hier den Benefit haben und wir für unser Gemeinwesen letztendlich auch, indem sie hier Steuern zahlen, damit wir auch all das finanzieren können, was wir alle gemeinsam wollen: Kindergärten, Bildung und immer so weiter. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Darum geht es doch in Wirklichkeit, und von daher möchte ich Sie bitten, dass Sie in der Frage in einen konstruktiven Dialog zurückkommen. Uns ist völlig klar, dass man das nicht nur von der Wissenschaftsseite her diskutieren kann, sondern auch von der Unternehmensseite her diskutieren muss. Nicht nur die Wissenschaft geht auf Unternehmen zu, die Wirtschaft muss auch auf die Wissenschaft zugehen. Die Netzwerke, die gebildet worden sind – Herr Kottisch hat es angesprochen am Beispiel mit Windenergie –, sind hervorragend, wo Unternehmen und Wissenschaft zusammensitzen und für die Region und die Menschen Erfolgreiches herausgekommen ist. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten! Ich würde mir wünschen, dass man hier nicht so eine Gespensterdebatte über dieses Thema führt. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)