Protocol of the Session on April 9, 2008

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Das ist genauso banal wie die ganze Rede!)

Die Nord-West-Bahn ist dann allerdings nicht nur beim Preis der günstigste Bieter gewesen, sondern auch in Bezug auf alle anderen Kriterien, die angegeben worden sind und die insbesondere von Herrn Beckmeyer hier sehr massiv angegangen worden sind, was die Ware, die Dienstleistungen und die zusätzlichen Plätze betrifft, das ist alles ganz genau in der Deputation erklärt worden. Der Brief ist auch schön auseinandergenommen worden, und es ist nichts daran. Bei allen Dingen, die dort aufgeführt worden sind, ist auch dieser Bieter der Beste gewesen, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der CDU)

sodass man überhaupt von keiner Benachteiligung sprechen kann. Deswegen haben wir es hier noch einmal zum Anlass genommen, in einer Aktuellen Stunde darauf hinzuweisen, dass wir uns als Bundesland von der Bahn natürlich nicht erpressen lassen dürfen, man darf nicht das eine gegen das andere ausspielen,

(Beifall bei der CDU)

weil es damit nichts zu tun hat. Allerdings müssen wir auch davon ausgehen, dass der Chef einer an der Regierung beteiligten Partei hier im Lande Bremen und Bundestagsabgeordnete auch weiß, wie die Regeln sind, und sich entsprechend verhalten muss. Das hat er hier aber nicht getan, sondern er hat versucht, daraus politisches Kapital zu schlagen, und das ist auch keine Sache, die man gutheißen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grund hat Thomas Röwekamp auch dem Vorstandsvorsitzenden der Bahn, Herrn Mehdorn, einen Brief geschrieben und ihm auch mitgeteilt, wie wir über diese Einflussnahme denken. Meine Damen und Herren, wir unterstützen auch im Gegensatz zu gestern ganz eindeutig die Haltung des Umwelt- und Bausenators, der sehr konsequent anhand der vorgegebenen Ausschreibung im Verfahren gehandelt hat und auch entsprechend die Vergabe getätigt hat. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jägers. – Bitte, Herr Kollege!

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes zu unserem Vergabegesetz erhält die Angelegenheit eine neue Brisanz und eine neue Qualität. Über die Diskussion, wie es auch zukünftig um Vergaben geht, auch im ÖPNV und SPNV, müssen wir uns im Klaren sein. Deswegen, Herr Focke, ist eine Vergangenheitsbetrachtung legitim, aber ich will auch ein wenig in die Zukunft schauen, denn das ist nicht das letzte Vergabeverfahren, welches uns ins Haus steht.

Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: Lohndumping ist das Mittel, das das Hauptkriterium für öffentliche Auftragsvergaben ist. Dem Urteil kann ich mich und unsere Fraktion sich nicht anschließen.

(Beifall bei der SPD und bei der Linken)

Aber das Urteil ist in der Welt, und wir müssen damit klarkommen, wir müssen damit leben und wir müssen schauen, wie es weitergeht, insbesondere wenn es darum geht, dass der Besteller, wir sind Besteller von Leistungen, zukünftig Leistungen bestellt. Nach dem Regionalisierungsgesetz und mit Regionalisierungsmitteln bestellen wir Dinge, und wir müssen dann festlegen, wie diese bestellten Dinge aussehen sollen. Darauf müssen wir Einflussnahme haben, und die hatten wir nicht, das ist eines der Kritikpunkte. Wir haben es in der Baudeputation mehrfach angesprochen, Abgeordnete haben nur auf Nachfrage – insbesondere von der SPD – gehört, wie denn dort die Kriterien bei der Vergabe sein sollen. Also, transparent ist etwas anderes,

(Zuruf des Abg. Röwekamp [CDU])

transparent war diese Vergabe nicht. Für mich war nicht nachvollziehbar, welche Kriterien angelegt worden sind.

(Abg. F o c k e [CDU]: Hui!)

Jetzt ist der große Vorwurf da, die SPD und der Kollege Beckmeyer würden Lobbyarbeit für die Bahn machen; das ist der Vorwurf, der hier im Raum steht. Ich kann Ihnen sagen, Herr Focke, wofür die SPD steht und wofür die SPD Lobbyarbeit macht: Wir als Sozialdemokraten machen Lobbyarbeit für Arbeitsplätze möglichst am Standort Bremen, das ist unsere Aufgabe!

(Beifall bei der SPD)

Wir von der SPD sind für Ausbildungsplätze in Bremen, die hier angeboten werden, damit unsere jungen Leute Ausbildung und eine Chance haben, am Arbeitsmarkt zu bestehen. Wir sind gegen Lohndumping und für klare Verhältnisse. Wir sind für klare Vergaberegelungen, die auch von uns mitgestaltet werden können. Wir sind für Qualität vor Billiglohn!

(Beifall bei der SPD)

Bei den zukünftigen Vergaben sind aus unserer Sicht ein paar Fragen zu beantworten: Wie ist das eigentlich mit der Umweltfreundlichkeit der Züge? Wie kommen die Menschen eigentlich an Fahrkarten? Müssen sie sich mit komplizierten Automaten auseinandersetzen, die dann im Zweifelsfall sowieso nicht funktionieren? Wie ist das mit der Sicherheit in den Zügen,

(Zuruf des Abg. S t r o h m a n n [CDU])

mit Zugbegleitern,

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Fahren Sie einmal nach Osnabrück!)

wie ist es mit der Bezahlung der Beschäftigten, wie mit der Transparenz bei der Vergabe? Dort ist das Thema die Korruptionsbekämpfung, wenn man die Presse verfolgt. Dort hat es etwas gegeben.

(Abg. F o c k e [CDU]: Unglaublich!)

Ich gebe das nur wieder. Den Zeitungsausschnitt habe ich mit dabei. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem „Weser-Kurier“ vom 5. April 2008: „Auch schloss er öffentlich nicht aus“, hier ist der Betriebsrat gemeint, „dass im Ausschreibungsverfahren Korruption mit im Spiel war.“ Das muss man belegen, aber wir wollen transparente Auftragsvergaben, sodass gar nicht erst der Eindruck entstehen kann: Diese Politik verfolgen wir aber schon länger.

(Beifall bei der SPD)

Und warum sollen Anbieter nicht eigentlich auch eigene Ideen in das Vergabeverfahren mit einbrin

gen können? Herr Focke, wir kennen das doch vom Bau, dass man Nebenangebote machen kann, da ist es doch selbstverständlich. Warum eigentlich nicht hier?

(Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])

Wir wollen keine Beschlussfassung über Vergabekriterien im stillen Kämmerlein von Herrn Neumeyer, wir wollen da mitbestimmen und mitreden.

Herr Loske, Sie haben das abgewickelt, wie Sie es vorgefunden haben, da gibt es keinen Zweifel, und das ist auch in Ordnung so, das mussten Sie so tun.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Intranspa- rent!)

Ein bisschen mehr Transparenz und Fantasie wären angebracht gewesen, aber dann wären wir vielleicht zu anderen Entscheidungen gekommen.

Meine Damen, meine Herren, nicht der Billigste bekommt den Auftrag, sondern das wirtschaftlichste Angebot ist zu werten.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ja, aller- dings!)

Das wirtschaftlichste Angebot, das zu werten ist, muss Kriterien verfolgen. Es soll für alle Auftragsvergaben gelten, das ist auch im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelt. Das ist mehr als eine reine Preisbetrachtung. Ich zitiere noch einmal aus dem Artikel Staatsrat Dr. Heseler. „Heiner Heseler, Staatsrat beim Senator für Wirtschaft, gestand Versäumnisse im Ausschreibungsverfahren zum S-Bahn-Netz ein. Einen zumindest indirekten Zusammenhang zwischen der Ablehnung der Bahnofferte und unmittelbar darauf erfolgter Drohung zur Werksschließung bezweifelt er nicht.“ Dem kann ich nichts hinzufügen. Wer weiß, wie Wettbewerb funktioniert,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das halten Sie für legitim?)

übrigens auch im privaten Bereich, wenn andere Betriebe kommen und sagen, wir müssen da und hier noch etwas tun, dann reagieren wir auch. Von daher müssen wir sehen, dass wir einen Wettbewerb organisieren, der für Arbeitsplätze in Bremen und umzu steht, der für Arbeitsplätze in der Region steht. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Freude stelle ich fest, dass wir in der Tat eine positive Entwicklung in der Frage der Debatte um Wettbewerb, um Privatisierung und in der Frage, wie man solche Formen von Ausschreibungen gestaltet, haben. Ich selbst arbeite in einem Bereich, wo ich unmittelbar feststellen kann, wie der Versuch gemacht wird, über Ausschreibungen Leistungen zu beschreiben und sie dann möglichst billig einzukaufen; ich kenne drei Effekte!

Der erste Effekt ist eine Überbürokratisierung des Verfahrens. Das heißt, es gibt Dinge, die kann man nicht so kleinteilig ausschreiben, dass man die richtige Leistung bekommt. Da ist oft ein Punkt erreicht, wo man Intransparenz praktisch programmiert.

Der zweite Effekt ist, dass in dem Versuch, diese Leistungen dann möglichst billig anzubieten, das Produkt schlecht ist und einfach nicht lange genug hält oder zwar die Aufgaben auf dem Papier wahrnimmt, aber in Wirklichkeit nicht richtig.

Der dritte Effekt, mit dem ich oft zu tun habe, ist, dass ganze Firmen sich bemühen, einen Auftrag zu bekommen und ganz bewusst ihre Leistung unter Wert anbieten, und ihnen dann in der Realisierung beispielsweise einer Riesenhalle, wo irgendetwas gebaut wird, stumpf auf halber Strecke die Luft ausgeht und sie pleitegehen.

Das sind Effekte, die man auf jeden Fall im Auge behalten muss, wenn wir uns über Dinge wie das Vergabegesetz, über die Dinge öffentlicher Auftraggeber und so weiter unterhalten, denn wenn man das ausblendet und vollständig einseitig hofft, Wettbewerb an sich ist gut, und es darf dafür keine Regeln geben, wird man diese drei Effekte langfristig auch in den öffentlichen Bereich transportieren. Deswegen ist diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, ich sage einmal, ausgesprochen problematisch, aber für meine Begriffe ist es so, dass er natürlich immer auf der Grundlage der geltenden Gesetze entscheidet. Diese Gesetze sind von Politikern und Politikerinnen gemacht, also ein Stück weit von uns.

Wir können jetzt nicht sagen, da haben sie aber über etwas Blödes entschieden, sondern sie haben auf der Grundlage dessen entschieden, was Menschen in Berlin und Brüssel als Politikerinnen und Politiker definieren und dort festlegen. Also entwickelt sich daraus auch eine Verantwortung, möglicherweise Europa nicht nur im Sinne von GATS oder im Sinne von Bolkestein-Richtlinien zu denken, sondern Europa auch einmal auf der Grundlage von sozialen Standards und Vergabestandards zu denken, über Mindestlohn und Ähnlichem.

(Beifall bei der Linken und bei der SPD) ––––––– *) Vom Redner nicht überpüft. (A) (C)

Im Konkreten darf man sich aber, glaube ich, auch nicht wundern, wenn man die Geister der Privatisierung und die Geister des Wettbewerbs ruft, dass man sich dann auch mit solchen Dingen zurechtfinden muss, dass irgendjemand sagt: Pass einmal auf! Wenn ich den Auftrag nicht bekomme, dann muss ich möglicherweise irgendetwas Schließen. Solche Zusammenhänge, dass man auf unterschiedlichste Weise Druck macht, dass man auf unterschiedlichste Weise diese Form von Vergabe zu beeinflussen versucht, sind die Realität solcher Verfahren, ich kenne sie in vielfältiger Hinsicht. Darüber darf man sich nicht beschweren.