Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie einige Mitglieder der Bürgerschaft mit konstruktiven Anregungen umgehen.
Da will die Handelskammer eigene Vorschläge für eine bessere Wirtschaftspolitik machen, dazu auch die Politik, namentlich den Wirtschaftssenator, einladen und bekommt die „volle Breitseite“ zurück.
Darunter dann der dreiste Vorwurf – wir haben es gehört –, die Handelskammer hätte keine Grundüberzeugung für Bremen! Meine Damen und Herren, wer Vorschläge für die Verbesserung der Lage macht, ist also schon fast ein Landesverräter, nur weil er vielleicht andere Ansichten hat als die Koalition. Herr Dr. Sieling, die Selbstständigkeit unseres Landes als Totschlagargument zu benutzen hilft niemandem!
In der Argumentation, mit der hier teilweise gearbeitet wurde, zeigt sich das Paradoxe an der SPD im Land Bremen. Wer jahrzehntelang für die Sozialpolitik im Land verantwortlich ist, benutzt seine desaströse Bilanz zur Rechtfertigung der eigenen Politik. Eine deutliche soziale Spaltung unserer beiden Städte wird zum Argument dafür, die Politik, die erst dazu geführt hat, fortzusetzen. Zur Erinnerung: Die Probleme mit der Arbeitslosigkeit, mit der sozialen Schieflage einiger Stadtteile und der Bildungspolitik bestanden auch schon zu Zeiten der SPD-Alleinregierung.
Eines, meine Damen und Herren, will ich im Rahmen dieser Debatte aber doch deutlich machen: Wir teilen die Forderung nach einer Fortsetzung der Ausgabenpolitik bei der Wirtschaftsförderung nicht!
Gleichzeitig verschließen wir uns aber auch nicht den Anregungen von außen. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir nicht allergisch reagieren, nur weil der Vorschlag aus einer Ecke kommt, wo nicht nur Parteifreunde von uns sitzen.
Der Wirtschaftssenator hat es schon gesagt, teilweise sei die Kritik der Handelskammer berechtigt. Wir alle wissen, dass in der Politik nicht immer allzu direkt gesprochen wird. Ich versuche also, diese Einsicht wie folgt zu übersetzen: Die Handelskammer hat uns an unserer schwächsten Stelle getroffen. Die Wirtschaftspolitik der jetzigen Koalition hat bisher überhaupt keine Struktur.
Sie hat nicht einmal eine Struktur, die man angreifen könnte, da es keine gibt. Schwammige Formulierungen, Bremen zum Zentrum für grüne Energie zu machen, sind keine Wirtschaftspolitik!
Aber was will man denn erwarten, wenn man sich den aktuellen Antrag der Koalition zum Thema Schifffahrt anschaut? Im Antrag mit der Drucksachen-Nummer 17/226 heißt es im ersten Satz: „Das Land Bremen entwickelt in den letzten Jahren ein Profil als bedeutender Schifffahrtsstandort.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, gehen Sie in der Mittagspause bitte einmal an die Schlachte! Dort können Sie mit dem Neubau der Beluga-Reederei nicht nur eine starke Bremer Reederei sehen, da sehen Sie auch den Nachbau einer Kogge, Symbol für mehrere Jahrhunderte erfolgreicher Schifffahrt aus Bremen.
Die rot-grüne Koalition entdeckt, dass im Land Bremen Schiffe zu finden sind! – Herzlichen Glückwunsch!
Der neue Senat hatte angekündigt, die Fehler der letzten Jahre nicht zu wiederholen, dazu gehört beispielsweise eine desaströse Einzelhandelspolitik. Es sind in der Vergangenheit reihenweise gewachsene Strukturen kaputt gemacht worden, die Existenz von Einzelhändlern wurde zerstört. Aber offenbar hat man nichts gelernt: Gerade konnte man lesen, dass in Bremen-Blumenthal das Blumenthal-Center ausgebaut werden soll. Da baut man ein großes Einkaufszentrum nicht weit von der gewachsenen Struktur auf und wundert sich, wenn diese dadurch deutlich an Zuspruch verliert!
Anstatt jetzt das alte Zentrum zu stärken, will man das neue Einkaufszentrum ausbauen. Denken Sie bitte an die Diskussion um die Kaufland-Ansiedlung in Lehe! Wo ist denn dort eine neue Struktur in der Wirtschaftsförderung? Wo sind die Konzepte, meine Damen und Herren?
Dazu kommt, bei all Ihren planlosen Vorstellungen sind Sie nicht einmal willens, die Folgen abzuschätzen. Dazu zitiere ich nun den Staatsrat Dr. Heseler, der auf eine Frage nach der Folgenabschätzung für
das Nachfolgeprojekt der gläsernen Werft schlicht antwortete: „Das wird schon ein Erfolg!“ Dann dürfen wir uns noch anhören, dass die EU-Gelder, mit denen der Bau finanziert werden soll, sonst wegfallen würden. Abgesehen davon, dass es sich hier auch um Steuergelder handelt, bleibt auch die Frage, warum wir erst vor kurzem erfuhren, es sei ja viel weniger Geld in den EU-Töpfen für Bremen.
Jetzt scheinen wir es uns leisten zu können, ohne Folgenabschätzung Geld herauszuwerfen. Aber das hat ja auch Tradition in Bremen: Anderer Leute Geld gibt man gern schnell aus!
Wir teilen Ihren Ansatz, dass eine Wirtschaftsförderung nach bisherigem Maßstab nicht möglich ist. Es gibt schlicht nicht genug Geld dafür. Umso wichtiger ist es aber, dass wir genau abschätzen, was wir mit dem Geld erreichen können. Dazu gehören eben nicht nur blumige Visionen, es gehören auch knallharte Erfolgsrechnungen und Folgekostenabschätzungen dazu.
Mit einer entsprechenden Kosten-Nutzen-Analyse wären uns übrigens auch viele Probleme mit misslungenen Großprojekten erspart geblieben. Bei geeigneter Evaluation wäre auch der Grundsatz, dass nur eine Stärkung der Wirtschaftskraft zu mehr Steuereinnahmen und somit zu einer Konsolidierung der Haushalte führt, nicht so „verbrannt“, wie er heute ist, meine Damen und Herren.
Eines der größten Defizite besteht bei uns noch immer in der Förderung des Mittelstands. Hier haben wir auch eine große Chance, mit wenig Mitteleinsatz viel zu ereichen. Bürokratieabbau ist da ein Stichwort. Vor einigen Jahren hat sich Bremen erfolgreich als Modellregion „Bürokratieabbau“ beworben. Viel Tamtam, viel Aktionismus, mittlerweile redet keiner mehr darüber! Schauen Sie einmal nach Ostwestfalen-Lippe, damals eine von zwei weiteren Modellregionen! Dort ist konsequent gearbeitet worden, und mittlerweile zeigt sich dort der Erfolg der Bemühungen.
Schauen Sie auf das Gütezeichen Mittelstandsfreundliche Verwaltung! Wieso versucht man sich nicht daran? Unser Land ist doch mehr als der Rest Deutschlands durch den Mittelstand und gerade auch durch den kleinen Mittelstand geprägt. Hier werden
Der Benchmarking-Bericht des Senats hat es noch einmal gezeigt: Bremen ist bei der Gründungsaktivität noch immer auf den hinteren Plätzen, und wir haben schon eine nahezu unanständige niedrige Selbstständigenquote.
Den Hochschulen – interessanterweise sprach es Herr Dr. Sieling an –, anerkannter Motor des Strukturwandels, wird so viel Geld gekürzt, dass sie nahe an der Arbeitsunfähigkeit sind.
Zur Erinnerung: Die bremischen Hochschulen bekommen schon jetzt Gelder weit unter Bundesdurchschnitt!
(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Reden Sie den Standort doch noch weiter in den Keller! – Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Schönreden macht es auch nicht besser!)
Die Hochschulen haben ihren Sparbeitrag erbracht, an anderer Stelle hat man dieses Gefühl aber leider nicht. Aber Selbstständige und Hochqualifizierte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sind wohl auch nicht gerade die Stammwählerschaft der Regierungsparteien.
Noch einmal die Frage: Wo ist denn das wirtschaftspolitische Konzept der Koalition? In der Deputation konnten Sie diese Frage auch nicht beantworten. Sogar in der selbsternannten Domäne – wir haben es heute gehört – der Umweltwirtschaft passiert nichts. Nur allein das Verhindern eines Kohlekraftwerks auf dem Stahlwerksgelände ist keine Förderung der Umweltwirtschaft.
In einem Antrag zu fordern, dass die Internetpräsenz der BIG jetzt auch auf türkisch und russisch verfügbar werden soll, ist auch nicht gerade Ausdruck größter Kreativität.