Protocol of the Session on January 24, 2008

Wenn ich betriebliche Akteure sage, meine ich damit alle – vom Existenzgründer über den Klein- und Kleinstunternehmer bis zur Unternehmensleitung und Betriebsleitung, aber auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und ihre Interessenvertretung –, weil diese, und das haben wir gerade hier in Bremen erlebt, schon eher als die Betriebsleitung wissen, wo die Probleme ihres Betriebs liegen und wie da möglicherweise Abhilfe zu schaffen ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Frau Präsidentin, ich glaube, wir haben im Augenblick sogar aufgrund der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage, die ich beschrieben habe, die große Chance, hier in Bremen und anderswo einen großen Schritt in Richtung Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit zu tun, Langzeitarbeitslose in qualifizierte Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bringen und gleichzeitig den Fachkräftebedarf der Wirtschaft zu befriedigen. Es darf uns nicht passieren, dass wir in zwei Jahren da stehen und sa

gen, die Wirtschaft schreit nach Fachkräften, und wir haben auf der anderen Seite weiterhin einen großen Anteil an Langzeitarbeitslosen.

Aus meiner Sicht ist es eine der großen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik in den nächsten beiden Jahren, dass wir diesen sogenannten Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit abbauen, dass wir diese Langzeitarbeitslosen in wirkliche betriebliche Beschäftigung bringen und Arbeitslosigkeit beseitigen und nicht nur verwalten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dies wollen wir, und damit komme ich jetzt zu dem CDU-Antrag, allerdings in Kooperation der beiden Ressorts und der Gesellschaften und nicht durch Unterordnung, wie ich jedenfalls in Ihrem Antrag gelesen habe, Herr Dr. Schrörs. Das liegt auch daran, dass wir Wirtschaft und Arbeit als durchaus gleichwertige Zielgruppen betrachten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Natürlich wollen wir Betriebe fördern, ihnen helfen und sie unterstützen, wobei ich auch immer ganz deutlich sage, dass wir angesichts der gegenwärtigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation von den Betrieben erwarten, dass sie auch selbst im Augenblick ein stärkeres Engagement zeigen, sowohl was Qualifizierung der Beschäftigten betrifft als auch Ausbildung und Innovationen im Betrieb. Wir wollen Betriebe unterstützen, aber wir wollen genauso auch Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Arbeitslose unterstützen, und zwar nicht nur in der Sicherung ihrer Arbeitsplätze oder indem wir ihre Arbeitslosigkeit beenden, sondern indem wir ihnen durch Qualifizierung und Ausbildung auch die Möglichkeit geben, ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt, ihre Chancen und ihre Zukunftsperspektiven zu verbessern und dadurch ihre Existenz sicherer zu machen. Es ist uns sehr wichtig, dass dies ein genauso gleichwertiges Ziel unserer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Den CDU-Antrag werden wir deshalb ablehnen, und zwar obwohl er sich in Teilen der inhaltlichen Zielsetzung durchaus mit unserem überschneidet. Was Sie da als Zielsetzung von Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik angeben, sind auch unsere Zielsetzungen, aber wenn ich mir den Antrag so anschaue, führt Ihre Forderung, die betriebsbezogene Arbeitsmarktpolitik in die Verantwortung des Wirtschaftsressorts zu geben, nicht nur zu einer Unterordnung von Arbeitsmarktpolitik unter die Wirtschaft nach dem

Motto, die Betriebe sagen, was sie brauchen, und die Arbeitsmarktpolitik liefert, sondern auch zu einem Auseinanderreißen der Arbeitsmarktpolitik in einen Wirtschaftsteil und einen Teil, von dem ich sagen würde, das ist dann mehr der der hoffnungslosen Langzeitarbeitslosen, die dann noch ein bisschen sozial betreut werden können. Dann kann man auch die Arbeitsmarktpolitik nachher gleich ganz abschaffen und den letzteren Teil zum Teil der Sozialpolitik machen. Da sage ich ganz deutlich, das wollen wir nicht!

Wir beharren darauf, dass es eine eigenständige Arbeitsmarktpolitik gibt, die auf Integration aller Gruppen am Arbeitsmarkt und Chancen für alle Menschen in Bremen und Bremerhaven zielt, die auf die Arbeitsmarkt- und Lebenschancen für alle Menschen, egal in welchem Stand der Arbeitsmarktnähe oder Arbeitsmarktferne sie sind, ausgerichtet ist.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken – Glocke)

Ich komme zum Schluss! Ich will nur sagen, dadurch, dass heute erst dieser Antrag hier vorgelegt wird, haben wir den Ressorts eine relativ kurze Frist gesetzt. Wir wollen es ja das nächste Mal schon in der Bürgerschaft diskutieren. Ich denke aber angesichts dessen, dass dies auch ein Teil der Koalitionsvereinbarungen und des Vorhabens ist, dass die Ressorts da vorbereitet sind. Senator Nagel wird dazu gleich etwas sagen. Es ist sinnvoll, eine solche Neuausrichtung auch gleich am Anfang der Legislaturperiode in die Wege zu leiten, und dazu wollen wir hier heute auch beitragen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für die rotgrüne Koalition ist es ein zentrales Anliegen, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Sie sollen Existenz sichernd sein, darauf hat Frau Ziegert schon hingewiesen. Wir wollen die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit, bekämpfen. So steht es im Koalitionsvertrag, alle Menschen müssen von ihrem Gehalt leben können und die, die arbeitslos sind, müssen einen Job haben. Jetzt zu der Zeit, in der die Konjunktur anspringt, gibt es gute Bedingungen, gerade Langzeitarbeitslose zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu führen und dort für sie die Chancen zu erhöhen. Das ist unser Ziel, und unser Antrag soll dazu auch einen zentralen Beitrag leisten. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Es ist völlig klar, dass Politik aus sich heraus keine Arbeitsplätze schaffen kann, es sei denn, sie ist selbst Arbeitgeber im öffentlichen Gemeinwesen, ansonsten kann das nur die Wirtschaft. Politik kann aber die Rahmenbedingungen verbessern und für gute Rahmenbedingungen sorgen. Auch das wollen wir mit unserem Antrag unterstreichen, in dem Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderungsprogramme immer einen zentralen Beitrag dazu leisten können. Der Antrag soll diese Programme, die wir auch haben, optimieren, und sie sollen den Zugang für die Unternehmen zu diesen Programmen erleichtern und die Chancen für Arbeitslose, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, erhöhen.

Deshalb wollen wir im Ergebnis mehr Transparenz für Unternehmen schaffen. Frau Ziegert hat darauf hingewiesen. Es gibt viele Programme, aber es ist teilweise nicht wirklich sichtbar und deutlich für die Unternehmen, welche Fördermöglichkeiten mit welchen Konditionen es überhaupt gibt. Für sie ist es daher manchmal schwer zu überblicken, wie das individuelle Paket für ihren Betrieb denn aussehen könnte. Da wollen wir deutliche Optimierungen erzielen.

Vor dem Hintergrund, dass es ja auch Überschneidungen in den verschiedenen Gesellschaften gibt – Doppelstrukturen ist da immer das Stichwort, diese wollen wir abbauen – und gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir weniger Geld haben, werden wir uns so etwas nicht mehr leisten können. Die Gesellschaften werden auch in Zukunft sehr viel zielgenauer zusammenarbeiten müssen. Als drittes Ergebnis muss für mich dabei herauskommen, dass natürlich die Wirksamkeit der Instrumente deutlich optimiert wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deshalb wollen wir die Programme und die Instrumente der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung stärker bündeln. Dazu wollen wir vom Senat ein ressortübergreifendes Strukturkonzept vorgelegt haben, das Doppelfunktionen vermeidet. Dazu gehört auch eine aufgabenkritische Überprüfung der Gesellschaften, das sind dann in dem Fall die BIG und die BIS in Bremerhaven und die bag und die BRAG. Wir wollen deutlichere und eindeutigere Regeln der Zusammenarbeit der Gesellschaften, um Doppelstrukturen zu vermeiden, und wir wollen eine einheitliche Anlaufstelle für die Unternehmen, also quasi die OneStop-Lösungen ermöglichen, damit dadurch ausdifferenzierte Programme und bessere Paketlösungen für die Unternehmen optimiert werden können. Wir müssen die Programme optimieren, das hatte ich gesagt, weil weniger Geld da ist. Im ESF, im Europäischen Sozialfonds, ist es ein Drittel weniger Geld, das ist sehr viel.

Ein viertes zentrales Anliegen für uns ist, auch Frau Ziegert hat darauf schon hingewiesen, dass wir vor dem Hintergrund der anspringenden Konjunktur eine

historische Chance haben, möglichst viele Langzeitarbeitslose jetzt auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Auch dazu soll ein Strukturkonzept einen entscheidenden Beitrag leisten, denn wir haben jetzt die Chance, wir wissen nicht, wie lange die Konjunktur so läuft, wie sie jetzt läuft. Wir müssen jetzt die Chance ergreifen, und das erklärt auch den Grund, weshalb wir schon in der nächsten Sitzung erste Bausteine vorgelegt haben wollen, weil wir jetzt schnell sein müssen und schnell zu Ergebnissen kommen müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Also, so ein Konzept muss in Wirklichkeit zu zwei Seiten optimiert sein: Es muss Paketlösungen für die Unternehmen liefern, aber es muss auch die individuellen Zugangschancen von Arbeitslosen und insbesondere Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt erhöhen. Es gibt also praktisch einen Dualismus in der Fragestellung, und beides muss an der Stelle zusammengeführt werden. Von daher bitten wir um Zustimmung zu dem Antrag!

Jetzt möchte ich noch auf den Antrag der CDU kommen! Zu der Analyse möchte ich gar nicht mehr so viel sagen, das hat Frau Ziegert ja ausgiebig erläutert. Ich habe den Antrag der CDU gern gelesen. Ich habe mich auch schon immer gefreut, dass die Linke aus unserem Koalitionsvertrag abschreibt, und ich freue mich, dass jetzt auch die CDU anfängt, von unseren Anträgen abzuschreiben. Ich werte das letztendlich als eine große Zustimmung zu unserer Regierungspolitik, das freut uns besonders hier im Haus.

Der TOP 4, den die CDU aufgeschrieben hat, ist in Wirklichkeit wortgleich mit dem, was wir in Punkt 4 haben. Der Punkt 1 ist sinngleich mit unseren Punkten 1 und 2, und der Punkt 2 des CDU-Antrags wird in Wirklichkeit schon umgesetzt, er ist in Wirklichkeit mehr oder minder erledigt. Dort geht es um Integration von Langzeitarbeitslosen auf den ersten Arbeitsmarkt. Das haben wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, und das neue operative Programm des Europäischen Sozialfonds und des Beschäftigungspolitischen Aktionsprogramms ist darauf bereits schon ausgerichtet.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Also stimmen Sie zu?)

Wir machen das! Wir müssen Ihren Sachen doch nicht zustimmen, bei denen Sie hinterherlaufen, was wir im September doch schon längst in der Arbeitsdeputation gehabt haben! Da hätten Sie sich vielleicht ein bisschen besser mit Ihrem Kollegen Nestler abstimmen müssen. Da lag das dicke ESF-Programm vor. 42 Prozent der ESF-Mittel sind darauf bezogen, Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir haben da also einen richtigen Schwerpunkt gesetzt, was in der Vergangenheit so nicht der Fall

war. Insofern ist Ihr Antrag in dem Punkt erledigt, abgearbeitet, in der Deputation praktisch in Vollzug gesetzt worden.

Vor dem Hintergrund verstehe ich allerdings auch Ihren langen Vorspann. Ich habe mich zunächst gefragt – auch vor der Debatte heute Morgen, Herr Röwekamp, in der Sie gesagt haben, jahrelang wurden hier in der Arbeitsmarktpolitik die Weichen falsch gestellt –: Wo war denn die CDU eigentlich in den letzten Jahren? Ich mache Arbeitsmarktpolitik jetzt auch schon ein bisschen länger. Ich habe weder hier im Parlament noch in der Deputation – und da gab es ja auch noch die nicht öffentlichen Sitzungen – irgendwann gehört, dass die CDU Kritik an dem Arbeitsmarktprogramm hat.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Sie ja!)

Wir haben Kritik gehabt, aber wir haben es ja jetzt auch geändert!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir haben ja auch die Schwerpunkte neu gesetzt. Wir haben ja jetzt auch einen deutlichen Schwerpunkt darauf gesetzt, dass nämlich genau die Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das schauen wir uns einmal an!)

Wir haben lange mit der BAgIS darüber verhandelt, dass wir mehr Qualifizierung in der Arbeitsmarktförderung haben wollen. Die BAgIS hat 60 Millionen Euro im Jahr. Wir haben immer gesagt, dass wir diese In-Jobs nicht wollen, sondern mehr Qualifizierung, weil Qualifizierung darüber entscheidet, wie die Arbeitsmarktchancen sind, und da gibt es Verschiebungen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Deshalb ha- ben Sie erst einmal die Mittel gekürzt!)

Bei der BAgIS ist ein Viertel mehr drin für

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Was?)

Qualifizierung, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das ESF, das wissen Sie selbst, kommt von der EU, hat mit unserem Haushalt hier erst einmal gar nichts zu tun,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Doch! Steht doch drin!)

das sind europäische Mittel. Wir haben da die Schwerpunkte deutlich verlagert.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wir haben um ein Viertel gekürzt!)

Wenn das bei Ihnen noch nicht angekommen ist, erläutere ich Ihnen das gern noch einmal,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Nein, danke!)

aber das ist längst in Vollzug gesetzt worden. Wir werden ein Programm „Chancengleichheit“ auflegen, und da ist einiges in Bewegung im Moment.

Bei Ihrem Punkt 3, in dem es um die Zusammenlegung der Arbeitsmarktförderung mit der Wirtschaftsförderung unter dem Dach des Wirtschaftsressorts geht, haben wir einen klaren Dissens: Wir sind erstens der Auffassung, dass die betriebsbezogene Arbeitsmarktförderung und Wirtschaftsförderung nicht die gesamte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung ist, es ist ein Teil. Bei der Wirtschaftsförderung gehören mindestens noch Infrastrukturmaßnahmen dazu, Immobilien und Flächen, und bei der Arbeitsmarktförderung gehört auch der soziale Arbeitsmarkt dazu.

Heute Morgen ist immer wieder das Stichwort von dem sozialen Zusammenhalt der Stadt gefallen. Das ist an der Stelle auch noch einmal ein Aspekt. Von daher ist es uns wichtig, dass es eine enge Zusammenarbeit gibt, aber eine gleichberechtigte Zusammenarbeit, wo die Arbeitsmarktförderung und auch die Wirtschaftsförderung ihren Stellenwert haben. Es gibt auch unterschiedliche Herangehensweisen.