Für ein persönliches Budget braucht man unabhängige Beratung. Sie haben das so auf die Budgetassistenten konzentriert, das ist ja nur eine bestimmte Form für Menschen, die ihre Rechte nicht selbst in Anspruch nehmen können, insbesondere Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen. Aber es braucht eine unabhängige Beratung. Sie haben von 847 Budgets in Deutschland gesprochen. Das ist nicht ganz richtig, das sind die Budgets in den Modellregionen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Budgets, insbesondere in Rheinland-Pfalz. Man geht davon aus, dass es allein in Rheinland-Pfalz ungefähr 2000 Budgetnehmer gibt. Diese Budgetnehmer sind deshalb dort so stark vertreten, weil Rheinland-Pfalz die unabhängige Beratung insbesondere mit den Behindertenverbänden frühzeitig aufgebaut und das sehr stark unterstützt hat.
An der Antwort habe ich in der Tat etwas zu kritisieren, Sie haben das aber so nachgefragt und damit auch dem Senat die Antworten in den Mund gelegt, dass die gemeinsamen Service- und Beratungsstellen hier eine wichtige Rolle spielen sollen. Das persönliche Budget werden sie kaum zum Erfolg führen, weil im Grunde genommen die Renten- und Krankenversicherungsträger, die hier die gemeinsamen Beratungsstellen in Bremen unterhalten, häufig gerade in diesen Bereichen nicht besonders qualifiziert sind.
Im Wesentlichen sind insbesondere die Sozialhilfebehörden angesprochen. Sie haben als gemeinsame Beratungsstelle auch keine Entscheidungsbefugnisse, sondern müssen das Budget vermitteln. Sie kön
nen auch nicht als sogenannte Beauftragte tätig werden, weil die Beauftragten ja die Leistungen koordinieren und dann Entscheidungen treffen müssen. Insofern würde ich mir überlegen, wenn ich ein solcher Budgetnehmer wäre, überhaupt zu einer solchen gemeinsamen Beratungsstelle zu gehen. Ich halte diese für wenig geeignet, hier weiterzuhelfen, sondern ich würde insbesondere zu den Leistungsträgern gehen, die den großen Teil der Leistungen erbringen. Das sind im Wesentlichen die Sozialhilfeträger.
Ermutigend ist allerdings, dass der Sozialhilfeträger, also Bremen, sich jetzt darauf einrichtet und sechs Leute in sechs verschiedenen Bereichen geschult hat, also insofern weiß ich nicht, warum Sie zu der Aussage kommen, hier in Bremen habe man sich nicht vorbereitet. Hier in Bremen wird diese Schulung erfolgen oder ist schon erfolgt, sodass das Amt für Soziale Dienste, das in Bremen auch diese Beratung vornimmt, soweit es jetzt die Seite des Finanzierungsträgers angeht, auch vorbereitet ist.
Bei Rahmenrichtlinie haben Sie von Beschwerden der Verbände gesprochen! Ich weiß nicht, auf welche Verbände Sie sich beziehen. Die Behindertenverbände sind mit dem Behindertenbeauftragten einbezogen worden, und dieses persönliche Budget richtet sich ja primär an die Behinderten. Die anderen sind nur auf der Leistungserbringerseite gefragt, nämlich bei der Frage, ob sie ihre Angebote entsprechend auf das persönliche Budget zuschneiden. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück.
Wichtig ist, dass wir jetzt damit anfangen, und nun kommt es darauf an, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Zahlreiche Personen, die ihre Hilfen nicht immer unter der Beachtung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften zum Beispiel im Rahmen der Nachbarschaftshilfe organisieren, könnten jetzt Budgetnehmer werden. Sie könnten das einerseits in der Form des Arbeitgebers in legale Arbeitsverhältnisse überführen, aber auch eine sichere Unterstützung, wie das über Nachbarschaftshilfe möglich ist, erreichen, indem sie selbst dann vertraglich die Leistungserbringer verpflichten.
Dazu muss die unabhängige Beratung der Betroffenen ausgebaut werden, das haben wir bereits in der Koalitionsvereinbarung angedeutet. Ich bin der Auffassung, dass in Bremen und Bremerhaven ein entsprechendes Beratungsangebot von unabhängigen Trägern vorgehalten werden muss, wenn möglich, von Behindertenverbänden.
Auch sollte die Sozialsenatorin mit den Leistungserbringern Gespräche aufnehmen, das wäre meine herzliche Bitte an Sie, Frau Senatorin, über die Modularisierung – ein furchtbares Wort – ihrer Leistungsangebote. Das heißt, dass sie ihre Komplexleistungen, also die Gesamtleistungen, zum Beispiel die Heimunterbringung, in einzelne Teilbereiche aufgliedern. Behinderte Menschen müssen die Möglichkeit erhalten, zum Beispiel in Einrichtungen zwar die Un
terkunft und Nachtpflege in Anspruch zu nehmen, ihren Pflegedienst am Tag aber selbst in die Hand zu nehmen.
Mitarbeiter der Werkstatt Bremen könnten zum Beispiel ihre Leistungen in einem Budget für Arbeit mitnehmen, um sich die Unterstützung für die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt einkaufen zu können. Besucher einer Tagesstätte müssen die Möglichkeit erhalten, die Fahrt zur Tagesstätte statt des Fahrdienstes selbst zu organisieren und die Freizeitaktivitäten mit eigenen Helfern wahrzunehmen. Das sind Beispiele, die meines Erachtens ein Mehr an Qualität und Selbstbestimmung ermöglichen werden. Dazu müssen diese Gesamtleistungen, die Rundum-die-Uhr-Versorgung, in Teilleistungen aufgesplittet werden, und dazu muss man dann mit Leistungserbringern reden.
Mit einem solchen Unterstützungskonzept muss die senatorische Behörde nicht nur abwarten, dass die Leistungserbringer kommen, sondern man kann hier aktiv die Nachfrage nach dem persönlichen Budget fördern. Sie kann damit aktiv diese innovative Leistungsform zur Unterstützung der Selbstbestimmung behinderter Menschen fördern und Wirklichkeit werden lassen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Bevor ich jetzt dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Ihnen mitteilen, dass inzwischen interfraktionell vereinbart wurde, nach der Debatte zum Datenschutz den Tagesordnungspunkt 5 auszusetzen. Das heißt, der Tagesordnungspunkt, in dem es um die Verwendung von zugesicherten Bundesmitteln für den Ausbau der Kleinkinderbetreuung im Land Bremen, Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 13. November 2007, Drucksache 17/123, zusammen mit der Mitteilung des Senats vom 15. Januar 2008, Drucksache 17/207, geht, wird heute nicht mehr debattiert.
Stattdessen soll nach der Datenschutzdebatte die Beratung mit Tagesordnungspunkt 6 fortgesetzt werden. Da geht es um die Verlegung des Sozialmedizinischen Dienstes vom Gesundheitsamt in das Sozialamt Bremerhaven, Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 13. November 2007, Drucksache 17/ 124, zusammen mit der Mitteilung des Senats vom 18. Dezember 2007, Drucksache 17/191. Soweit zu den interfraktionellen Vereinbarungen!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bereits mehrfach angesprochen worden: Seit dem 1. Januar 2008 haben Menschen mit Behinderungen nunmehr einen
uneingeschränkten Rechtsanspruch auf die Leistungserbringung als persönliches Budget, also die Gewährung von Hilfen verschiedener Leistungsträger als Geldleistungen aus einer Hand.
Frau Senatorin, eigentlich müssten Sie der CDU für diese Anfrage dankbar sein, die sie noch rechtzeitig vor Jahresschluss darauf hingewiesen hat, dass in diesem Bereich noch einige Arbeiten ausstehen. Wir als FDP wären nicht so gnädig mit Ihnen gewesen, wir hätten diese Anfrage im Januar eingebracht.
Ich habe den Eindruck gehabt, dass danach doch die Hektik im Ressort sehr groß war, um noch rasch alle Vorbereitungen zu treffen und rechtzeitig in die Gremien einzusteuern, aber Sie können ja nachher erklären, dass das nicht so gewesen ist, ich will es Ihnen gern glauben.
Seit mehreren Jahren können Behinderte und Pflegebedürftige das trägerübergreifende persönliche Budget bereits im Rahmen von Modellprojekten beanspruchen, insofern ist es in der Tat kein Experiment. Man muss auch noch einmal deutlich sagen: Die Reform verfolgt das Ziel, möglichst vielen Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und dem Grundsatz ambulanter vor stationärer Betreuung zu genügen. Das ist das Ziel, es ist also von vornherein darauf angelegt, dass möglichst viele dies auch wirklich in Anspruch nehmen sollen und nicht eine Randerscheinung dort zu schaffen, die am Ende von niemandem wahrgenommen wird.
Meine Damen und Herren, wir Liberale treten für die größtmögliche Freiheit des einzelnen Menschen in jeder gegebenen Lebenssituation ein. Deshalb ist die Erhaltung und Entfaltung der Individualität persönlichen Daseins und der Pluralität menschlichen Zusammenlebens auch eines der Kernziele liberaler Politik. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich diesen Ansatz des persönlichen Budgets.
Für uns ist, und so habe ich auch den Kollegen Bartels verstanden, das persönliche Budget eben kein fiskalisches Instrument, um im Bereich der Eingliederungshilfe möglichst geringe Mittel aufwenden zu müssen. Für uns steht immer im Vordergrund, dass Menschen so selbstbestimmt wie möglich leben können.
Wir Liberale haben allerdings den Eindruck, dass der Senat das persönliche Budget im Grunde eigentlich gar nicht will. Es überwiegen nach unserem Eindruck Bedenken, weil sich durch die Budgets einerseits die Mittelverteilung auf die einzelnen Träger noch stärker der zentralen Kontrolle entzieht und zum anderen gerade kleinere Anbieter von Hilfeleistungen davon profitieren könnten.
Der Vorwurf, dass Budgets nicht bedarfsdeckend seien, und das, denke ich, ist auch ein Teil der Wahrheit, Herr Kollege Frehe, warum das noch nicht so angenommen wird, ist ein Vorwurf, der auch in anderen Bundesländern schon erhoben worden ist. Ich denke, dem muss man hier auch entschieden entgegentreten, denn das sind natürlich auch Ängste, die gerade Menschen mit Behinderungen haben, dass sie sich dann vielleicht schlechter stellen, wenn sie das persönliche Budget annehmen sollten. Insofern sind gerade da auch Information und Aufklärungsarbeit unbedingt geboten.
Aus unserer Sicht stärkt die Antwort des Senats allerdings auch hier nicht unbedingt das Vertrauen der Leistungsempfänger in das persönliche Budget. So heißt es in der Antwort des Senats zu Frage 11 etwa: Ein Auftrag zur Sicherstellung der bisherigen Kostenhöhe ist auf Basis der gesetzlichen Grundlagen nicht herleitbar. Frau Senatorin, das mag zwar so sein, aber bei den Leistungsempfängern, die das lesen, wird doch auf diese Weise die Sorge gerade noch genährt, dass ihnen künftig weniger Mittel und Leistungen zur Verfügung stehen werden, wenn sie sich für das persönliche Budget entscheiden. Das kann, jedenfalls aus meiner Sicht, nicht in unserem Interesse sein.
Wenn wir die Schlagworte „ambulant vor stationär“ oder „individueller Hilfebedarf“ oder die Forderung nach einer möglichst großen Selbstbestimmtheit bei Menschen mit Behinderungen nicht nur in Sonntagsreden im Mund führen, sondern wirklich ernst nehmen, muss in diesem Bereich mehr geschehen, muss mehr Informationsarbeit geleistet werden. Schon zu Beginn der vergangenen drei Testjahre wurden zahlreiche Konstruktionsfehler des persönlichen Budgets aufgedeckt, und das darf ich hier an dieser Stelle auch einmal sagen, die leider bisher nicht zu den nötigen Korrekturen seitens des Bundesgesetzgebers geführt haben.
Infolge fehlender Beratungs- und Unterstützungsangebote und komplizierter Verfahren zur Hilfebedarfsermittlung, Kollege Frehe ist darauf ja schon ansatzweise eingegangen, ist die Zahl der Budgetnehmer in Bremen, aber auch in anderen Bundesländern weit hinter den Erwartungen zurückgeblie
ben. Bremen ist hier eben leider kein Vorreiterbundesland, und das finde ich schade. Wir könnten das sein, denn wir haben eigentlich sehr ausgeprägte Hilfestrukturen für Menschen mit Behinderungen. Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass man diese Chance des persönlichen Budgets stärker wahrgenommen und im Vorfeld auch stärker beworben hätte.
Die FDP fordert den Senat daher auf, die Vorteile und Chancen des persönlichen Budgets noch stärker zu bewerben und auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die Konstruktionsfehler bei der gesetzlichen Ausgestaltung des persönlichen Budgets umgehend korrigiert werden! Aber auch die Unternehmen der Sozialwirtschaft sind jetzt aufgefordert, mit mehr Angeboten und einer, Herr Kollege Frehe hat es mit dem Begriff Modularisierung umschrieben, entsprechenden Angebotspalette auf das persönliche Budget zu reagieren und dies noch stärker zum Erfolgsmodell werden zu lassen, als es das bisher geworden ist. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, wenn ich mir die ja immerhin Große Anfrage der CDU ansehe, das ist etwas überproportioniert, ich denke, eine Kleine Anfrage hätte es auch getan.
(Zurufe von der CDU – Abg. Frau T r o e - d e l [Die Linke]: Lass dich nicht aus dem Konzept bringen!)
Was ich etwas sonderbar finde, ist im Grunde genommen, es hat in der Sozialdeputation eine Diskussion über diese Hilfen gegeben, wir haben damals über mögliche Formen der Veröffentlichung und Werbung dafür geredet. Wir haben damals auch festgestellt, dass es Probleme bei der Qualität und der Umstrukturierung der heutigen Trägerlandschaft geben könnte. Daraus resultierten die verabschiedeten Rahmenrichtlinien, was ich völlig in Ordnung finde. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Was ich an dieser Anfrage beziehungsweise an der Antwort in der Tat ein bisschen dünn finde, dazu möchte ich die Frage 5 zitieren, da fragt die CDU: „Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass die Nachfrage nach der Leistungsform des persönlichen Budgets im Lande Bremen bisher gering ist?“ Dann ist die Antwort: „Ziel des persönlichen Budgets ist es, behinderten Menschen ein größtmögliches Maß an Selbstbestimmung zu gewährleisten. Selbstbestimmung heißt auch, über die Inanspruchnahme des persönlichen Budgets als alternative Leistungsform gegenüber einer Sachleistung selbst zu entscheiden. Die Nachfrage obliegt den behinderten Menschen.“ Das ist so eine Formulierung: Na ja, sie können selbst entscheiden, wenn sie dann nicht entscheiden, dann entscheiden sie nicht, das ist uns egal. Ich finde, diese Antwort ist einfach ein bisschen dünn.
Ich glaube, berechtigt ist ja, dass man auch in den Modellversuchen feststellt, dass diese an sich erst einmal gute Möglichkeit wenig angenommen wird. Dann muss man ja fragen, warum sie nicht angenommen wird. Da hat Herr Frehe schon einige Antworten gegeben. Ich denke, eine weitere Möglichkeit, um die man sich sicherlich auch aus dem Ressort heraus kümmern müsste, ist natürlich, dass die Träger, die es bis heute gibt, die die Leistungen bis heute angeben, einen solchen Umbau auf Module vornehmen, wie Herr Frehe vorgeschlagen hat. Ich finde, das ist eigentlich eine gute Sache, aber dann darf man ja nicht vergessen, dass das große beschäftigungspolitische Folgen zum Beispiel für die Träger hat. Das bedeutet eine vollkommene Umstrukturierung. Dass da von der Seite, sage ich einmal, die ganze Sache nicht unbedingt gefördert wird, kann man, glaube ich, nachvollziehen.
Da, denke ich, müsste man sich schon noch einmal ein bisschen einmischen, auch bei der Qualität. Die Rahmenrichtlinie, die in der Sozialdeputation verabschiedet wurde, ist ein richtiger Ansatz, aber natürlich, auch dabei muss man schauen: Ist denn tatsächlich in allen Fällen die Qualität gewährleistet, und wie kann man da Sicherheitsbarrieren einbauen, dass es da zu keinen komischen dunklen Wegen beziehungsweise zu schlechter Qualität für die Behinderten kommt? Von daher würde ich einfach vorschlagen: Die CDU hat nachgefragt, ich finde, einige der Antworten sind zu dünn ausgefallen, aber ich kann mir durchaus vorstellen, die nächste Sitzung der Sozialdeputation kommt bestimmt, und da sollte man dieses Thema weiter bearbeiten.
Meine Damen und Herren, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich auf der Besuchertribüne Herrn Reinhard Führer, den Präsidenten des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge und ehemaligen Parlamentspräsidenten des Abgeordnetenhauses Berlin,