Protocol of the Session on March 22, 2007

Hierzu wird mein Ressort alle Anstrengungen unternehmen, um eine Fortführung dieser wichtigen Arbeit auch gewährleisten zu können. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 16/1278 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig)

Rückkehr zum Armenrecht?

Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU vom 24. Januar 2007 (Drucksache 16/1279)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 6. März 2007

(Drucksache 16/1330)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Mäurer.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Staatsrat Mäurer, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU nicht mündlich wiederholen möchten, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir waren etwas beunruhigt über Pressemeldungen, die darauf hindeuteten, dass es auf Bundesebene Pläne gäbe, das Prozesskostenhilferecht ganz entscheidend zu beschneiden, und haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner diese Große Anfrage auf den Weg gebracht, um uns auch Informationen zu verschaffen und herauszubekommen, wie denn eigentlich der Senat dieses Projekt, das von erheblicher rechts- und sozialpolitischer Bedeutung ist, beurteilt. Wir müssen sagen, wir sind froh, dass wir diese Anfrage gestellt haben, weil wir doch eine gewisse Aufklärung über die Hintergründe, über die Entwicklung in diesem Bereich bekommen, und das kann uns nur von Nutzen sein.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Regelungen der Prozesskosten im Zusammenhang unseres gesamten Rechtsschutzsystems gesehen werden müssen. Der Staat sanktioniert Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, er regelt aber auch alle anderen Bereiche des Zusammenlebens. Das, was im Wilden Westen oder im Wilden Osten mit der Faust oder mit dem Revolver gelöst wird, das gibt es bei uns nicht, sondern wir haben Gerichte, die Streitigkeiten entscheiden. Wir müssen sehen, dass das System insgesamt funktionsfähig bleibt, damit es auch gesellschaftliche Akzeptanz hat.

Wer sich um Verträge, Schadensersatz, Bauprozesse, Unterhaltsfragen und vieles andere streitet, der muss sich an die Gerichte wenden, um zu seinem Recht zu kommen. Aber das ist nicht so ohne Weiteres möglich, sondern wer zum Gericht geht, kann das zum Teil ohne Anwalt machen, aber es gibt viele Verfahren, in denen man einen Anwalt beauftragen muss

oder jedenfalls beauftragen sollte, um keinen Schiffbruch zu erleiden.

Das wiederum geht meistens nur dann, wenn man einen entsprechenden Kostenvorschuss beim Anwalt zahlt, oder wenn man direkt zum Gericht geht, muss man dort einen Gerichtskostenvorschuss einzahlen. Ohne Geld passiert da nicht viel, Geld ist nicht alles, aber ohne Geld geht da gar nichts, das heißt Gerichtskostenvorschuss, Vorschuss für Zeugengebühren, Vorschuss für Sachverständigenkosten! Wer baut und mit Baumängeln zu kämpfen hat, muss unter Umständen damit rechnen, dass er erst einmal mehrere 1000 Euro vorstrecken muss, bevor ein Gerichtstermin stattfinden kann, bei dem er dann vielleicht am Ende des Verfahrens recht bekommt oder auch nicht. Das hängt dann auch vom Sachverhalt ab. Aber es ist eben Vorraussetzung, dass ein Vorschuss gezahlt wird.

Das betrifft übrigens auch den von uns häufig diskutierten Bereich des Opferschutzes. Wer im Adhäsionsverfahren in einem Strafprozess als Geschädigter einen Anspruch geltend machen will und dazu einen Anwalt beauftragt, muss auch dort einen Vorschuss bezahlen. Auch da, wie gesagt, geht das nur, wenn die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen.

Früher gab es dafür das sogenannte Armenrecht. Wem Armut von seiner Gemeinde bescheinigt wurde, der konnte den Prozess unter bestimmten Voraussetzungen ohne Vorschuss führen. Das war aber ein sehr eingeschränktes Recht. Wir waren als SPD, und die CDU hat es auch mitgetragen, auch die FDP, die Grünen waren damals noch nicht in der Bundespolitik tätig, sehr froh, als die Regelungen zu den Prozesskosten vor nun über 25 Jahren in die Zivilprozessordnung aufgenommen wurden.

Das Gericht prüft jetzt die Erfolgsaussicht einer Klage oder der Verteidigung gegen eine Klage und prüft, ob die Einkommensverhältnisse die Prozesskostenhilfe notwendig machen. Das heißt, dass ein Prozess gestaffelt nach der Einkommenssituation ohne Vorschuss geführt werden kann oder dass sonst gewisse geringe Raten gezahlt werden müssen. Im Übrigen wickelt sich das finanzielle Verhältnis zum Anwalt dann über die Staatskasse ab. Dieses System hat sich in der Praxis sehr bewährt. Wir haben da ein sehr ausgefeiltes System des Rechtsschutzes und sind nach dem europäischen Maßstab auch gut aufgestellt. Andere Länder geben übrigens noch mehr Geld für diesen Bereich aus, aber wir stehen gut da.

Nun gab es, wie gesagt, Bestrebungen, die Prozesskostenhilfe einschneidend zu beschränken, und zwar wegen der steigenden Kosten, aber nicht, weil man das grundsätzlich nicht will, sondern weil die Landeshaushalte extrem belastet sind. Die Ausgaben sind in den Jahren von 1999 bis 2006 von 3,7 Millionen auf 4,5 Millionen Euro gestiegen. 800 000 Euro mehr sind wirklich nicht wenig. Das ist natürlich für einen ohnehin gebeutelten Justizhaushalt eine Menge Geld.

Deshalb kann man schauen, wie man dort einen weiteren Anstieg begrenzen kann.

Die stärkste Steigerung hat es übrigens beim Arbeitsgericht, beim Landesarbeitsgericht gegeben. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist die Steigerung aus ganz naheliegenden Gründen am stärksten bei den Familiengerichten. In Bremen, das kann ich Ihnen berichten, gibt es ganz wenige Scheidungen, die die Beteiligten aus eigener Tasche bezahlen können, sondern in den meisten Fällen wird ein Verfahren beim Familiengericht nur dadurch möglich, dass es die Prozesskostenhilferegelungen gibt.

Was kann man da ändern? Würde man die Prozesskostenhilfe abschaffen, würde man viele Bürger rechtlos stellen. Das wollen wir natürlich überhaupt nicht, das kommt überhaupt nicht infrage!

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen ist es aber so, dass wir, wenn man unsere Entwicklung mit den Entwicklungen in den anderen Bundesländern vergleicht, gar nicht so schlecht dastehen. In Bremen beträgt die Steigerung der Ausgaben von 2003 bis 2005 etwa 13 Prozent, in Hamburg liegt sie bei 9 Prozent, aber in Hessen bei erstaunlichen 38 Prozent. Da gibt es noch Auffälligkeiten, die ich auch anhand der Antwort des Senats nicht durchschauen konnte, aber das mögen regionale Besonderheiten sein. Vielleicht liegt es auch daran, wie die Statistiken in den verschiedenen Bundesländern geführt werden. Das finde ich doch etwas rätselhaft.

Fest steht jedenfalls, dass die jüngsten Steigerungen auf eine Änderung im Gebührenrecht der Rechtsanwälte zurückgehen. Das ist so, das ist auch mit den Anwaltsverbänden auf Bundesebene vereinbart worden, das kann man nicht zurückdrehen. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass eine maßvolle Überprüfung dieser Regelungen angebracht ist.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident!

Wir sagen, wie auch der Senat, es ist in Ordnung, wenn für bestimmte Fälle eine Bearbeitungsgebühr eingeführt wird. Das ist vertretbar. Wir haben aber erhebliche Bedenken, wenn generell das aus dem Rechtsstreit Erlangte für die Prozessführung eingesetzt werden soll. Das passt zum Beispiel dann nicht, wenn ein Schmerzensgeld ausgeurteilt wird, weil das andere Dinge ausgleichen soll. Wir sind aber sehr einverstanden, dass der Senat in der Gesamtbewertung zu dem Ergebnis kommt, dass das Prozesskostenhilferecht eine sozialstaatliche Errungenschaft ist, die wir nicht aufgeben wollen. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wargalla.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie Herr Grotheer bereits festgestellt hat, handelt es sich um eine Bundesratsinitiative zur Verringerung der Aufwendungen der Prozesskostenhilfe. Diese ist, wie die Bundesinitiative festgestellt hat, in den Ländern exorbitant gestiegen. Er hat auch gesagt, dass die Berechnung dieser Kostenexplosion auf keiner gültigen Grundlage steht, darauf will ich jetzt auch nicht näher eingehen. Richtig ist, dass die Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe in den letzten Jahren auch in Bremen gestiegen sind. Woran liegt es? Es liegt an dem Kostenmodernisierungsgesetz von 2004, das war ein rot-grünes Gesetz, das verabschiedet worden ist, aber man muss dazu sagen, dass der Bundesrat einstimmig alles mitgetragen hat.

Die Folgen sehen wir jetzt, denn es stimmt, was Herr Grotheer gesagt hat, es liegt einfach daran, dass die Gebühren der Rechtsanwälte angehoben worden sind. Wenn wir auf Seite zwei der Antwort des Senats schauen, können wir das ganz genau verfolgen, wie die Gebühren gerade im Anwaltsbereich gestiegen sind. Wenn jetzt eine Initiative gestartet wird, dass die Ärmsten der Armen weniger bekommen oder irgendwelche Regelungen gemacht werden, damit sie nicht so oft Prozesskostenhilfe bekommen, dann wird das eigentlich auf Kosten der ärmeren Bevölkerung ausgetragen. Ich denke, das können wir nicht zulassen!

Ich möchte einmal dem Parlament, um die Brisanz dieses Antrags herauszustellen, nur drei Vorschläge nennen, die die Länder eingebracht haben: Einmal ist es der Vorschlag der vollen Anrechnung des durch den Prozess Erlangten für die Rückzahlung der Prozesskostenhilfe ohne Begrenzung auf Existenzminimum und Schonvermögen. Dazu muss man erst einmal wissen, dass bereits jetzt die Partei die Rückzahlung von Verfahrenskosten grundsätzlich auch mit solchen Vermögenswerten vornehmen muss, die sie in einem Rechtsstreit erlangt hat. Normale Leute müssen das auch.

Der eingereichte Vorschlag von den Ländern geht aber darüber hinaus, denn er möchte, dass auch solche Beträge abgeschöpft werden, die das Existenzminimum sichern sollen oder ein Schonvermögen darstellen. Das können zum Beispiel Unterhaltsansprüche oder Arbeitsentgelt sein. Wenn also ein Unterhaltsanspruch für ein Kind erfolgreich erkämpft wurde, so müsste dieser anschließend für die Verfahrenskosten eingesetzt werden. Im Klartext heißt das: Der bedürftigen Partei wird im Prozesskostenverfahren das genommen, was ihr der Staat bei der Sozialhilfe wieder zukommen lassen muss. Das ist sehr widersprüchlich. Es springt einem förmlich ins Gesicht und ist meiner Meinung nach nicht tragbar!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt: Streichung der gegenwärtigen Begrenzung der Ratenzahlung von maximal 48 Monate und Einführung einer Bewilligungsgebühr! Dazu muss man wissen, auch jetzt gibt es Prozesskostenhilfe, bei der die Verfahrenskosten mit Ratenzahlung abgegolten werden können. Allerdings macht man eine Begrenzung auf 48 Monate. Als die Länder diese Streichung der Begrenzung beantragt haben, hat die Bundesregierung ihre verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen geäußert und gesagt, das halte bedürftige Personen davon ab, zum Gericht zu gehen, weil sie – bis sie die Verfahrenskosten endlich abbezahlt haben – so lange belastet werden könnten, dass sie davon keinen Gebrauch mehr machen. Ich denke – das müssen wir uns noch überlegen, Herr Grotheer ist schon darauf eingegangen –, dass das überprüft werden muss.

Der dritte Punkt ist, dass es eine stärkere Eigenbeteiligung der Partei durch Absenkung der Einkommensfreibeträge auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum gibt. Das heißt, Parteien, deren einzusetzendes Einkommen das sozialhilferechtliche Existenzminimum geringfügig überschreitet – und wir haben in diesem Hause schon über die immer steigende Zahl von prekären Arbeitsverhältnissen gesprochen, das sind genau diese Menschen –, werden jede wirtschaftliche Belastung vermeiden, was zur Folge hat, dass sie einfach nicht zu Gericht gehen und ihr Recht einklagen. Das ist unserer Meinung nach für mittellose Bürger nicht hinnehmbar!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe eine etwas andere Auffassung als Herr Grotheer. Der Senat hat in seiner Antwort durchblicken lassen, dass er die Bundesratsinitiative mit den erwähnten Vorschlägen für sinnvoll erachtet. So ist er der Meinung, dass das sozialhilferechtliche Einkommen der Maßstab für Prozesskostenhilfe sein soll. Alle Einkommen über dem Existenzminimum sollen Prozesskostenhilfe nur in Form eines zinslosen staatlichen Darlehens erhalten. Er setzt auch gleich die Gebühr fest, er schlägt 50 Euro vor.

Da nützt auch der Hinweis nicht, den der Senat macht und den ich wichtig finde, dass die Einführung der Prozesskostenhilfe eine sozialstaatliche Errungenschaft ist, die auch der Bevölkerung aus den schwächeren Einkommensschichten einen chancengleichen Zugang zum Recht ermöglicht – der nützt dann eigentlich nichts! Wenn Sie das wirklich befürworten, dann geben Sie die sozialstaatliche Errungenschaft auf!

Ich möchte nur noch einen Satz sagen. Diese Reformvorschläge, die wir vorliegen haben, zielen nur auf die Schwächsten der Gesellschaft, und sie schränken den chancengleichen Zugang zum Recht erheblich ein. Die Große Koalition sollte sich sehr genau überlegen, ob sie so eine Reform unterstützt, die auf Kosten und auf dem Rücken von einkommensschwa

cher Bevölkerung ausgetragen wird. Bündnis 90/Die Grünen findet, dass das keine Reformvorschläge sind, und wir lehnen sie auf der ganzen Linie ab! – Danke!