Protocol of the Session on March 21, 2007

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats, Drucksache 16/1219, und von dem Bericht des Ausschusses für die Gleichberechtigung der Frau, Drucksache 16/1280, Kenntnis.

Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe im Land Bremen (Bremisches Jugendstraf- vollzugsgesetz – BremJStVollzG)

Mitteilung des Senats vom 30. Januar 2007 (Drucksache 16/1283) 2. Lesung

Wir verbinden hiermit:

Bremisches Jugendstrafvollzugsgesetz

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 15. Februar 2007 (Drucksache 16/1311)

s o w i e

Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe im Land Bremen (Bremisches Jugendstraf- vollzugsgesetz – BremJStVollzG)

Bremisches Jugendstrafvollzugsgesetz

Bericht und Antrag des Rechtsausschusses vom 15. März 2004 (Drucksache 16/1343)

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Mäurer.

Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf des Senats in ihrer 77. Sitzung in erster Lesung beschlossen und zusammen mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beratung und Berichterstattung an den Rechtsausschuss überwiesen. Der Rechtsausschuss legt mit der Drucksache 16/1343 seinen Bericht und Antrag dazu vor.

Wir kommen zur 2. Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort als Berichterstatterin Frau Winther.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Fünf-Minuten-Debatte, die wir zu diesem Thema haben, werde ich nur ganz kurz berichten und mich auf einige Aspekte beschränken. Sie mögen deswegen bitte Einzelheiten dem vorliegenden Bericht und auch dem Antrag selbst entnehmen.

Bremen ist im Länderkonzert das erste Bundesland, in dem auf der Basis der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der Föderalismusreform ein Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet wird, und zwar in einem eigenständigen Regelwerk und nicht in einem Gesamtgesetz zum Vollzug, also Erwachsenenvollzug, Jugendvollzug und Untersuchungshaft.

Es gab drei, vier strittige Punkte, auf die will ich jetzt eingehen, und zwar erstens auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Einrichtung des Jugendvollzugs in einer Teilanstalt. Angesichts der verhältnismäßig geringen Zahl von durchschnittlich 45 jugendlichen Strafgefangenen zum Beispiel im vergangenen Jahr in der JVA in Bremen ist ein eigenständiger Bau und Betrieb einer Jugendvollzugsanstalt auch aus Haushaltsgründen nicht angezeigt.

Das Bremische Jugendstrafvollzugsgesetz wird dem im Paragrafen 92 Jugendgerichtsgesetz normierten Trennungsgebot Rechnung tragen. Es werden in Paragraf 98 die wesentlichen Grundsätze für die bauliche und organisatorische Gestaltung des Jugendstrafvollzugs festgeschrieben. Bereits jetzt wird Jugendstrafe in einer vom Erwachsenenvollzug räumlich getrennten Teilanstalt auf dem Gelände der JVA vollstreckt. Im Ausnahmefall kann die Jugendstrafe auch in getrennten Abteilungen des Erwachsenenvollzugs, wie zum Beispiel an weiblichen jungen Gefangenen, vollzogen werden. Auch die Eigenständigkeit hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeiten der Anstaltsleiter wird gewährt.

Der Paragraf 101 weist dem Leiter des Jugendstrafvollzugs ausdrücklich die fachliche Verantwortung für den Vollzug zu. Lediglich die Dienstaufsicht liegt beim Anstaltsleiter der JVA, um die notwendige Organisation von gemeinsamen Dienstleistungen, also Krankendienste, Nachtdienste et cetera, für Erwachsene und Jugendliche im Vollzug sicherzustellen. Letztendlich entscheidet im Konfliktfall nach Paragraf 109 des Jugendstrafvollzugsgesetzes der aufsichtsführende Senator, und das ist in diesem Fall der Senator für Justiz und Verfassung als Dienstvorgesetzter.

Zweitens ging es um die Frage beziehungsweise die Forderung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den Wohngruppenvollzug als Regelvollzug auszuweisen. Der Wohngruppenvollzug wird im Paragrafen 26 Jugendstrafvollzug geregelt, und dem Anliegen, das die Grünen signalisiert haben, wird im Paragrafen 26 Rechnung getragen. Dort ist eine regelmäßi

ge Unterbringung geeigneter Gefangener in Wohngruppen vorgesehen.

Die Wohngruppe stellt aber nur eine der im Jugendstrafvollzug sinnvollen Unterbringungsformen dar. Sie erweist sich nur dann als geeignet, wenn der Gefangene aufgrund seiner Persönlichkeit überhaupt gemeinschaftsfähig ist. Erhöhte Gewaltbereitschaft, erhebliche Rückzugstendenzen oder soziale Unverträglichkeit zum Beispiel könnten den Erziehungserfolg in einer Wohngruppe massiv gefährden. Dem Jugendstrafvollzug ist ein weites Ermessen in den Entscheidungen einzuräumen, ob und welche jungen Gefangenen in Wohngruppen aufgenommen werden und gegebenenfalls daraus wieder verwiesen werden können.

Drittens: Mit Paragraf 13 des Jugendstrafvollzugsgesetzes wird zwischen den Vollzugsformen des offenen und des geschlossenen Vollzugs bewusst kein abstraktes Regel-Ausnahme-Verhältnis festgelegt. Beide Vollzugsarten sind in Bremen Regelvollzug. Die Unterbringung im offenen Vollzug entspricht gerade im Bereich des Jugendstrafvollzugs nicht der Vollzugswirklichkeit. Der Anteil von Jugendstrafgefangenen im offenen Vollzug ist länderübergreifend, also nicht nur in Bremen, durchweg deutlich niedriger als im Erwachsenenvollzug. Der Grund hierfür ist der hohe Anteil der verurteilten Gewalttäter im Jugendvollzug, und in Bremen liegt er zurzeit zum Beispiel über 40 Prozent.

Viertens: Der Rechtsausschuss hat sich auch mit der Zulässigkeit des Schusswaffengebrauchs im Jugendstrafvollzug beschäftigt. Der Rechtsausschuss ist übereinstimmend der Auffassung, dass außerhalb der Anstalt das Tragen und der Gebrauch von Schusswaffen insbesondere für die Bereiche der Vorführung, der Ausführung und der Transporte wegen der drohenden Gefahr von Befreiungsaktionen zu gestatten ist.

Fünftens: Letztendlich hat der Landesdatenschutzbeauftragte einige Forderungen eingebracht, und zwar nicht nur Forderungen, sondern auch Verbesserungen. Hierzu hat sich der Rechtsausschuss darauf verständigt, diese Fragestellungen teilweise im Rahmen der Beratung im noch anstehenden Gesetzgebungsverfahren zum Strafvollzugsgesetz, also Erwachsenen- und U-Haft, zu erörtern. Der Rechtsausschuss schlägt aber eine Änderung des Gesetzentwurfs im Paragrafen 7 durch Aufnahme eines neuen Absatzes 4 vor. Danach soll eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit für ehrenamtliche Mitglieder eingefügt werden.

(Glocke)

Ich bin auch fertig! Ich gebe nur noch den Hinweis, wie entschieden werden soll. Der Rechtsausschuss empfiehlt der Bürgerschaft (Landtag), den Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Der Rechtsausschuss empfiehlt der Bür

gerschaft (Landtag) einstimmig, das Bremische Jugendstrafvollzugsgesetz, wie eben dargestellt, zu ändern und in der zweiten Lesung zu beschließen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich jetzt der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich eine zehnte Klasse der kooperativen Gesamtschule Kirchweyhe begrüßen. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wargalla.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte das Gefühl im Rechtsausschuss, dass Anregungen und eventuelle Änderungen des Gesetzes nicht erwünscht waren. Die Stellungnahme des Justizsenators wurde mir erst während der Sitzung übergeben, gleichzeitig die Stellungnahme der Anregungen des kriminalpolitischen Förderkreises, den wir hier in Bremen haben und der sich zumindest massiv dafür einsetzt, dass Mindeststandards im Jugendstrafvollzug berücksichtigt werden müssen.

Meinen Vorschlag, die zweite Lesung doch bitte erst im April zu machen, damit wir die Stellungnahmen richtig gut durcharbeiten können und damit auch die Einwender genügend Zeit haben, ihre Vorträge zu erörtern, hat die Große Koalition nicht mitgetragen. Sie wollte auf alle Fälle heute die zweite Lesung durchführen.

Das ist schade, denn Einwände, wie wir sie vorgebracht haben und wie sie auch der kriminalpolitische Arbeitskreis vorgebracht hat, brauchen einfach Zeit. Ich kann verstehen, dass die beiden Wissenschaftler Professor Feest und Professor Pollähne, die ja zugegen waren in dieser Sitzung, richtig sauer sind, denn das Gesetz, wenn man es genau betrachtet, entspricht nicht dem wissenschaftlichen Stand.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, als Opposition bekommen wir nicht immer alles durchgesetzt, das fachlich sinnvoll und rechtlich notwendig ist. Das ist klar! Trotzdem stimmen wir diesem Gesetz zu! Wir sind davon überzeugt, dass es notwendig ist, über Einwände und Vorschläge langwierig zu beraten. Das braucht Zeit, und das braucht wahrscheinlich auch in nächster Zeit im Rechtsausschuss Möglichkeiten, dass wir noch weiterhin dieses Gesetz beraten können.

Das gilt auch für die Ausgestaltung der Wohngruppen! Das Bundesverfassungsgericht hat klare Vorgaben gemacht, wie eine Wohngruppe gestaltet wer

den soll, welche Mindeststandards, welche maximale Begrenzung der Wohngruppe und welche Zuweisung von Personal es geben soll. Es ist nicht im Gesetz enthalten, kann aber ohne Weiteres in einer Verordnung verankert werden. Das heißt, wir müssen darüber weiterhin diskutieren.

Bezüglich des offenen Vollzugs möchte ich nur so viel sagen: Es braucht eine gesetzliche Selbstverpflichtung, sie ist erforderlich, aber sie ist im Gesetz einfach nicht so verankert, dass man es sofort erkennen kann.

Bezüglich der Eigenständigkeit der Justizvollzugsanstalt wollten die Grünen mit ihrem Antrag einfach diese Anstalt stärken, damit sie allein agieren kann. Nicht nur die fachliche Zuständigkeit, die im Gesetz enthalten ist, sollte eindeutig erkennbar sein. Ich benötige keinen großen Apparat, um eine Eigenständigkeit sicherzustellen.

Dann gab es einige Anregungen vom kriminalpolitischen Arbeitskreis, die im Gesetz unbedingt nachgebessert werden sollten. Wegen der Kürze der Redezeit mache ich das nur in kurzen Stichpunkten. Die Abgeordneten, die im Rechtsausschuss sind, wissen, welche das sind: Das ist einmal die umfassende Vernetzung des Vollzugs, der sogenannte Chancenvollzug, die Vollzugslockerung, Disziplinarmaßnahmen, die wir auch noch erörtern müssen, sofern sie denn dem Erziehungsgedanken entgegenstehen, die Regelung des Briefverkehrs, des Telefonierens und der Nahrungsmittelpakete, die meiner Meinung nach hinter die Regelung des Strafvollzugsgesetzes zurückfallen.

Es ist Aufgabe der nächsten Legislaturperiode, konkrete Ziele vorzugeben und die Erreichung zu überprüfen. Die von mir vorgebrachten Änderungen, ich habe sie deswegen alle noch einmal ganz kurz aufgelistet, sowie die eingereichten Anmerkungen des Datenschützers und die Anmerkungen des kriminalpolitischen Arbeitskreises sind eigentlich eine gute Grundlage, in den nächsten Rechtsausschusssitzungen genau darüber zu debattieren.

Bündnis 90/Die Grünen werden dem Gesetz in zweiter Lesung zustimmen, weil der Jugendstrafvollzug endlich eine eigene gesetzliche Grundlage benötigt, obwohl – und das habe ich jetzt gerade aufgelistet – eine Reihe von Punkten und Paragrafen nicht ganz unserer Auffassung entsprechen.

Wir gehen davon aus, dass das Gesetz erst einmal einen Rahmen für den Jugendstrafvollzug darstellt, in dem die weitere Entwicklung stattfinden kann und muss. Es ist also wichtig für uns, wie das Gesetz umgesetzt wird. Ich sage das einmal an einem Beispiel: Bei der Forderung der frühzeitigen Entlassungsvorbereitung, die ohne Zeitangabe im Gesetz steht, aber von den Initiativen wird genau diese Zeitangabe gefordert. Erfolgt bei der Umsetzung des Gesetzes durch die Justizvollzugsanstalt eine frühzeitige Vorbereitung und bewährt sich diese, ist eine Änderung des

Gesetzes nicht notwendig, weil genau das eintritt, was wir wollen.

Ist es nicht so, müssen wir versuchen nachzubessern in Untergesetzen, in Verordnungen oder im Gesetz selbst. Es kommt also darauf an, wie das Gesetz gehandhabt wird. Das gilt auch für die Wohngruppen, und das gilt auch für die anderen Forderungen. Reicht das Gesetz nicht aus, muss nachgebessert werden oder, wie im Rechtsausschuss angekündigt, was Sie auch gesagt haben, dass noch einmal diskutiert wird im Rahmen des Strafvollstreckungsgesetzes.

Da laut Gesetz eine Evaluation stattfinden muss, haben wir also auch die Möglichkeit nachzuvollziehen, welche Vorgaben nicht umgesetzt werden, welche nachgebessert werden müssen, welche notwendig sind und wo präzisiert werden muss.

(Glocke)