Meine Damen und Herren, auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Klasse des Lloyd-Gymnasiums aus Bremerhaven. Seien Sie ganz herzlich willkommen, und ich wünsche Ihnen einen schönen Vormittag!
Meine Damen und Herren, gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Herr Senator, ich gehe davon aus, dass Sie darauf verzichten wollen, so dass wir gleich in die Debatte eintreten können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Grünen haben eine Große Anfrage zur Bedeutung der Kulturwirtschaft für Bremen an den Senat gerichtet. Kulturwirtschaft, was versteht man eigentlich darunter? Zu den Kernbranchen der Kulturwirtschaft zählen das Verlagsgewerbe, die Filmwirtschaft, die Rundfunkwirtschaft, Musik, visuelle und darstellende Kunst, der Einzelhandel mit Kulturgütern – zum Beispiel der Musikfachhandel –, Buchhandel, Galerien, Kunsthandel, dazu gehören Architekturbüros und die Designwirtschaft. Die Kulturwirtschaft ist nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa ein dynamisch wachsender Markt, und wir Grünen möchten, dass dies auch in Bremen so ist.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Der Gesamtumsatz betrug im Jahr 2000 in Deutschland rund 204 Milliarden Euro, das entspricht einem Anteil von rund 5 Prozent am Umsatz der Gesamtwirtschaft. Die Kulturwirtschaft ist damit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der ein großes Beschäftigungspotenzial birgt. 2003 zählten 134 576 Unternehmen in Deutschland zur Kulturwirtschaft. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen liegt die Kulturwirtschaft in der Brutto-Wertschöpfung zwischen der Chemieindustrie und der Energiewirtschaft, das allein macht schon die Bedeutung deutlich. Die Kulturwirtschaft basiert immer auf der künstlerischen Kreativität der Menschen in den Städten und Regionen. Es gibt einen engen Bezug zwischen der beruflichen Kernkompetenz von Künstlerinnen und Künstlern sowohl in den klassischen öffentlichen Kulturbetrieben als auch in der freien Kulturszene und der Kulturwirtschaft. Wir wollen mit unserer Großen Anfrage zur Bedeutung der Kulturwirtschaft für Bremen dazu beitragen, dass Kultur und Kreativität für Bremen eine deutlich größere Bedeutung beigemessen wird als bisher. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)
Die Kulturwirtschaft ist zu einem in Europa zunehmend wichtigen Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung von Städten und Regionen geworden. Das hat auch Bundeskulturstaatsminister Bernd Neumann erkannt. Er wird im Februar bei einem Ministertreffen in Berlin das Thema Kulturwirtschaft zu einem Schwerpunkt machen. Er sagt, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten, „dass die Kulturwirtschaft und die Kreativindustrien die Wirtschaftszweige in Europa mit den größten Zuwachsraten sind“. Daher – so Neumann – müsse der Zusammenhang von Kultur und Wirtschaft stärker betont werden.
Das finden wir richtig! Gerade weil die Kulturwirtschaft eine immer größere Rolle spielt, gibt es nur noch wenige Bundesländer ohne Kulturwirtschaftsberichte. Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und leider auch Bremen legen bisher keine Kulturwirtschaftsberichte vor. Der Bremer Senat, so steht es in der Antwort auf unsere Großen Anfrage, erkennt zwar die wachsende Bedeutung der Kulturwirtschaft für Bremen und die wirtschaftliche und kulturelle der Entwicklung der Landes, ob es in Bremen zukünftig Kulturwirtschaftsberichte gibt, will er so lange prüfen, bis auf Bundesebene alle statistischen Daten zu Umsatz und Beschäftigung in Kunst und Kulturwirtschaft vorliegen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie so lange warten und prüfen wollen, sind Sie, Herr Senator Kastendiek, schon lange nicht mehr in der Regierung.
Man kann doch einerseits nicht auf Ergebnisse des Bundes warten und alle Aktivitäten begrüßen, die zur
Stärkung und Weiterentwicklung in kulturwirtschaftlichen Teilbereichen, so ein Zitat aus der Antwort des Senats, warten und sich andererseits zurücklehnen und gar nicht die Mühe machen, für Bremen diese Daten überhaupt zusammenzutragen. Auf welche Daten wollen Sie sich denn im Bund stützen, wenn nicht auf die Daten, die in den Ländern erhoben werden? Diese Arbeit, lieber Herr Senator, müssen Sie hier vor Ort schon selbst leisten!
Mit den Antworten des Senats zeigen Sie leider nur, dass Sie die Bedeutung von Kultur und der Kulturwirtschaft für die Entwicklung Bremens und der Region bisher nicht wirklich ernst nehmen. Kulturwirtschaft bedeutet eben nicht einfach, dass die Wirtschaft Kultur fördert wie zum Beispiel das Musikfest. Wenn Sie uns hier aufschreiben, dass es hier kein Datenmaterial gibt über Wertschöpfung, Zahl der Betriebe, Arbeitsplätze, Aufträge an private Dritte, Wertschöpfung durch auswärtige Besucher, Imagesteigerung, Bedeutung für den gewerblich-kulturellen Sektor, dann sagt es doch indirekt etwas über Ihr Verständnis für Kulturwirtschaft aus. Kultur ist offensichtlich etwas, was nur mit dem Kulturressort zu tun hat, und ab und zu geben die Wirtschaftsförderer ein paar Euro oben drauf. Das ist aber genau nicht das Verständnis von Kulturwirtschaft.
Es geht aber darum, die Gesamtwirtschaft und auch die Politik davon zu überzeugen, dass die Kulturwirtschaft eine für die lokalen Ökonomien wesentliche Branche ist und nicht etwas, was nur gesponsert werden soll oder was der staatlichen Förderung überlassen werden kann. Kulturwirtschaftsberichte haben eben nicht zum Ziel, nur Datenmaterial anzuhäufen, sondern die Daten sollen dazu dienen, regionale Entwicklungskonzepte zur Kulturwirtschaft zu erarbeiten und branchenübergreifende, regionale Netzwerke aufzubauen, um in Europa der Regionen wettbewerbsfähig zu sein. Ich finde, das ist ein lohnendes Ziel auch für Bremen.
Die Kulturwirtschaft ist ein wesentlicher Motor für den Strukturwandel, das gilt auch für Bremen und Bremerhaven. Sie basiert auf der Kreativität der Menschen als wichtigster Ressource für die Zukunft. Sie setzt und sie baut auf auf Kunst und Kultur in der Stadt, und sie schafft Arbeitsplätze, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Sie sagen, es sei noch zu früh, um eine entscheidungsfähige Einschätzung möglicher und sinnvoller Maßnahmen geben zu können. Wir sagen, es kann auch zu spät sein, wenn alle anderen sich auf den Weg gemacht haben und der Senat die Hände in den Schoß legt und sich mit Prüfen und Abwarten zufrieden gibt.
Für uns zeigen Ihre Antworten, dass im Senat noch kein rechtes Verständnis für die Bedeutung der Kulturwirtschaft aufgebracht wird. Das bedauern wir, weil doch gerade in Bremen mit seiner vielfältigen Kulturszene, mit dem Stephaniviertel, mit den kulturwirtschaftlichen Betrieben, die sich inzwischen in der Überseestadt ansiedeln, ein großes und ausbaufähiges Potenzial vorhanden ist. Ein Kulturwirtschaftsbericht für Bremen wäre ein Signal, dass man dieses Potenzial für wichtig erachtet für eine kreative Stadt, aber auch für ein modernes Bundesland Bremen. – Danke schön!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der Abgeordneten Frau Emigholz das Wort erteile, möchte ich etwas nachholen, was ich versäumt habe, nämlich unserem Kollegen Martin Günthner zu seinem heutigen Geburtstag ganz herzlich zu gratulieren!
Herr Kollege, ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihren Tag, für Ihren Geburtstag! – Es ist schön, dass Sie unter uns sind!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin den Grünen dankbar für die Anfrage zur Kulturwirtschaft, weil sie einmal mehr den Hinweis darauf gibt, welche Produktivität auch kulturelle Aktivitäten zustande bringen. Kultur wird im öffentlichen Bewusstsein, und das ist ein Problem, allzu oft nur auf künstlerische Avantgarde reduziert, und das, meine Damen und Herren, wird der Kultur nicht gerecht. Dabei umgeben wir uns im Alltäglichen ganz selbstverständlich mit Produkten der Kulturwirtschaft.
Die zentrale Rolle, Frau Krusche hat auf die vielen Sektoren schon hingewiesen, nimmt sicher das Lesen ein, aber auch die Nutzung des Designs und die Nutzung moderner Medien. Bremen gibt abgebildet über den Zweig, der sich um die HfK entwickelt, ein gutes Bild davon genauso wie über die Gesellschaft für Produktgestaltung. Hierbei kann man schauen, welche Impulse kulturelle Produktivität für Produktionsprozesse, für die Herstellung auch einzelner Industriegüter haben. Das ist wichtig! Denken wir nur an solche Erfolgsmodelle wie dem iPod von Apple, dann wissen wir, dass kulturelle Produktivität nichts Kleines, nichts Niedliches ist, nichts Irrelevantes ist, was sich in Ecken verstecken muss, son––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Die Beantwortung der Fragen durch den Senat, möchte ich hier deutlich sagen, habe ich schon besser, ausführlicher und umfassender erlebt. Es gibt eine sehr starke Reduzierung, ich sage einmal, über die Bremer Investitionsgesellschaft als gebildete Bereiche. Doch die staatlich geförderte Kultur trägt ebenfalls einen Beitrag zur Kulturwirtschaft bei, den man nicht unterschätzen soll.
Meine Damen und Herren, es ist mitnichten so, dass diese staatlich geförderte Kultur keine messbaren Daten vorlegt. Ich weiß nicht, wie es gelungen ist, dass zum Beispiel die Kunsthalle Erhebungen, Herr Senator Perschau erinnert sich aus der Wirtschaftsdeputation daran, über Standortmarketing gemacht hat hinsichtlich der Großausstellung, wie man das verschweigen kann. Es gibt in der Tat Daten, Fakten über überregionale Ausstrahlung, über Besucherzahlen, über die Belegung von Hotellerie und Gastronomie, über mittelbare und unmittelbare Wirtschaftseffekte, all das liegt der öffentlichen Hand vor, und auch das gehört dazu. Kultur und Kulturwirtschaft leisten einen Beitrag zur Standortsicherung und auch dazu, wirtschaftliche Produktivität innovativ zu gestalten. Das merkt man auch am Areal, das sich um die Universität entwickelt, vieles wäre ohne kulturelle Impulse nicht denkbar.
Liebe Frau Krusche, nun zu Ihrer Forderung, wir möchten endlich einen Kulturwirtschaftsbericht vorlegen und möchten dieses Feld nicht vernachlässigen! Ich weiß nicht, ob Ihnen diese Studie bekannt ist. Ich bin immer so eine Horterin und Sammlerin von allem, was man in Bremen zur Kultur findet. Es gibt noch eine zweite, die ist bereits von 1990 und eine Studie der ersten bundesweit, die in Auftrag gegeben wurden über die regionalwirtschaftlichen Effekte von Kultur. Nun raten Sie einmal, wer sie in Auftrag geben hat! Das war der Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst in Bremen im Jahr 1990, das ist eine Veröffentlichung des IFO-Instituts für Wirtschaftsförderung, dargestellt von Marlis Hummel und Kollegen.
Bremen hat eine Vorreiterrolle gehabt in der Anerkennung dessen, dass kulturelle Produktivität standortfördernd ist. Viele Förderplattformen, ob jetzt die Programmplattform des AIP, die einzelnen Aktivitäten der BIG sprechen dafür. Das, was uns fehlt, sind aktualisierte Standards, und damit befinden wir uns bundesweit in allerbester Gesellschaft. Wenn man die Anfrage des Senats deutlich liest, weiß man, dass jetzt auf Initiative von Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg zustande gekommen ist, dass es eine Erhebung von kulturellen Daten gibt, die außerhalb der branchenspezifischen Erhebung gemacht werden soll. Nur, das wird dauern. Die letzten Daten, die uns vorliegen, und das weist ja auch die Antwort des Senats aus, sind von 2003. Eines wird jedenfalls deutlich mit dieser Anfrage und mit der Beantwortung
Nimmt man die Bruttowertschöpfung, liegen wir jährlich bei circa 35 Milliarden Euro. Mit einer solchen Zahl, die schon um 6 Milliarden Euro öffentliche Kulturförderung bereinigt ist, kann sich der Kultursektor durchaus sehen lassen. Er steht nicht nur in der verniedlichten Ecke dessen, was man mag, will oder nicht will, sondern er steht in der Ecke dessen, dass er für die Gesellschaft unverzichtbar ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen, Innovationen hervorzubringen und den Strukturwandel einzelner Länder zu befördern.
Nehmen wir uns ein Beispiel an Nordrhein-Westfalen! In Nordrhein-Westfalen ist im Zuge des Strukturwandels jeder dritte neu geschaffene Arbeitsplatz mit kulturwirtschaftlichen oder kulturellen Bezügen definiert. Nordrhein-Westfalen hat gut daran getan, auf dieses Segment zu setzen. Hier gibt es eine boomende Industrie, eine boomende Produktivität und es gibt erfreuliche Wirtschaftskennzahlen. Ich glaube, was in Bremen nötig ist, noch nötiger als die Erhebung von validen Daten, ist, dass es eine Zusammenarbeit, einen Crossover verschiedener gesellschaftspolitischer Bereiche gibt.
Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur arbeiten in vielen Bereichen nach wie vor sehr isoliert. Das zeigt ja auch die Beantwortung des Senats. Wenn die Kulturwirtschaft kommt, erhebt man tatsächlich nur Wirtschaftsdaten anstatt zu schauen, welche Umwegrentabilität sich auch in anderen Bereichen abbildet. Wenn man über Wirtschaftsförderung, über Innovationsfelder redet, redet man dann auch schnell nur über neue Technologien, ohne die Impulse anderer Bereiche zu berücksichtigen. Ich glaube, wir tun gut daran, unsere bisherigen Programmplattformen darauf zu überprüfen, ob Kulturwirtschaft, wie sie sich realistisch darstellt, sich in vielen Segmenten in den Förderfeldern abbildet.
Die bisher vorliegenden Daten, und da trete ich Ihnen völlig bei, Frau Krusche, brauchen wir nur zu erheben, brauchen wir nur zu sammeln, sie sind nicht weg. Wir brauchen sie nur zusammenzutragen und auszuwerten und die Kultur aus der Ecke dessen zu holen, was niedlich, nicht ernst zu nehmen und nice to have ist. Kultur ist ein Innovations- und Gestaltungsfaktor in der Gesellschaft. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Dinge sind mir heute wichtig. Die Kulturwirtschaft ist für Bre––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
men wichtig, für Kunst und Kultur ist das Zusammenspiel von Kulturwirtschaft und Kulturschaffenden wichtig. Die Kultur hat für Bremen und Bremerhaven eine hohe Bedeutung, denn sie ist ein wichtiger Wirtschaftsund Standortfaktor. Die Kulturwirtschaft stellt nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze. Das kulturelle Angebot einer Stadt und seine Attraktivität spielen für die Menschen bei der Auswahl einer Stadt als Wohnort und bei der Ansiedlung von Unternehmen eine wichtige Rolle, deshalb müssen wir die Förderung der Kulturwirtschaft auch als unsere Aufgabe ansehen.
Ich möchte jetzt noch ein paar Worte zu dem Kulturwirtschaftsbericht sagen. Frau Krusche hat ja darauf hingewiesen, dass Bremen noch keinen hat, und fordert diesen ein und hält den Senat nicht für fähig, dies schon getan zu haben. Deshalb bin ich meiner Kollegin Emigholz sehr dankbar, dass sie einen Kulturwirtschaftsplan aus ihrem Fundus heute vorgelegt und bewiesen hat, dass Bremen eine entscheidende Vorreiterrolle gerade auch in diesem Bereich, nämlich schon vor Nordrein-Westfalen, was in der Antwort des Senats dargestellt war, 1990 vorgelegt hat. Da sind wir also auch Spitzenreiter.