Protocol of the Session on December 14, 2006

Herr Präsident, meine Damen und Herren, zentrale Probleme des Frauen-Strafvollzugs sind einerseits die Ausbildungssituation, andererseits der Umgang mit der Substitution und Drogenabhängigkeit. Die Ausbildungssituation im Frauen-Strafvollzug ist teilweise besser als anderswo, das muss man schon sagen, aber trotzdem ist Verbesserungsbedarf da. Wir brauchen

eine dauerhafte Absicherung. Fast neun von zehn Insassinnen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung.

Manches ist eine Frage des Blickwinkels, für die einen ist es ein Gefängnis, für die anderen die größte Fortbildungseinrichtung, die in Bremen aus Mitteln der Europäischen Union unterhalten wird. Zur Kofinanzierung werden Unterbringungskosten, Hafttagekosten, angerechnet, als ob Bremen das Hotel für auswärtig untergebrachte Seminarteilnehmer zahlen würde. Wir freuen uns über jede europäisch finanzierte Maßnahme, aber wir dürfen nicht zulassen, dass normale Angebote, die aus dem Justizhaushalt finanziert werden müssen, dafür abgeschafft werden.

Wir können froh sein, dass voraussichtlich fast genauso viel Geld nach Bremen fließen soll wie in der Vergangenheit, aber wir können nicht davon ausgehen, dass das immer so bleibt. Es muss auch die Möglichkeit geben, Dinge zu tun, die nicht auf europäische Förderlinien ausgerichtet sind. Wir brauchen eine solide, dauerhaft abgesicherte Basis, und die mit Europamitteln finanzierten Projekte müssen tatsächlich zusätzliche Maßnahmen sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was in der Senatsantwort zum Thema Drogenabhängige und Substitution gesagt wird, verblüfft doch etwas. Man bekommt den Eindruck, als sei alles in Ordnung. Wir haben doch gerade erst vor einem Monat über dieses Thema diskutiert. Ist das schon wieder vergessen? Ich glaube, wir hatten alle kritisiert, dass die Beigebrauchskontrollen nicht so funktionieren, wie sie laufen sollten. Wir haben gemeinsam einen Antrag verabschiedet, der zwar nicht nur, aber auch für den Strafvollzug gilt. Es ist viel zu häufig, dass erfolgreich verlaufende Therapien abgebrochen werden, und viel zu selten, dass neue Therapien in der Anstalt begonnen werden, sei es durch das Regelwerk innerhalb der Anstalt oder sei es dadurch, dass nach der Haft nicht sichergestellt ist, dass sich ein Arzt findet, der die Therapie fortführen kann, dass die Finanzierung gesichert ist und dass eine psychosoziale Betreuung sichergestellt ist. Da besteht ganz großer Verbesserungsbedarf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Einrichtung des Frauenvollzugs am Fuchsberg war richtig, die bisherige Entwicklung unter den gegebenen Bedingungen auch halbwegs positiv. Wir wünschen den Beschäftigten weiterhin viel Erfolg. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben am Fuchsberg einen Frauen-Strafvollzug, um den uns andere Bundesländer beneiden. Die Frauen wohnen in Pavillons, sie haben Aufenthaltsräume, sie haben eine Küche, sie haben Sporttrainingsgeräte, und insgesamt entsteht dort eine Situation, die sich weit vom Männervollzug absetzt, das hat Herr Grotheer schon geschildert. Eher, glaube ich, muss man befürchten, dass wir hier mehr eine Hotelsituation haben als eine Vollzugssituation.

(Zuruf der Abg. Frau S c h w a r z [SPD])

Es ist gut, dass wir diesen Schritt in der Koalition, den Frauen-Strafvollzug in Bremen zu halten, gemacht haben. Es ist deswegen gut, weil die Frauen auf diese Weise in Bremen bleiben können und näher an ihren Familien und Kindern sind. Deswegen haben wir ja auch diese Maßnahme unterstützt.

Es gibt zwei Punkte, auf die ich im Rahmen dieser Kurzdebatte noch eingehen möchte, und zwar ist das einerseits die Ausbildungssituation der Frauen im Vollzug und zweitens das Thema Nachsorge nach der Strafverbüßung und damit auch die Nachsorge zur Vermeidung von Rückfällen.

Zur Bildungssituation ist hier schon kurz etwas gesagt worden. Das Hauptproblem ist: Die Ausbildung von straffälligen Frauen ist in aller Regel ganz besonders schlecht, und die verhängten Strafzeiten reichen auch in aller Regel nicht aus, um die Frauen mit Schul- und Ausbildungsabschlüssen zu qualifizieren. Oft sind sie nur ein halbes Jahr dort und werden auch in aller Regel früher entlassen, sodass die Zeit, in der man ihnen Ausbildung zukommen lassen könnte, äußerst beschränkt ist. Insofern ist das, was dort im Moment an Elementarunterricht, EDV-Weiterbildung und schlicht auch Kochen und Nähen angeboten wird, gut und richtig und muss auch weiter unterstützt werden.

Herr Köhler, ich kann nun nicht verstehen, dass, wenn es europäische Projekte gibt, mit deren Hilfe man die Qualifizierung von Frauen unterstützen kann, Sie sich dann gegen diese Finanzierung über europäische Quellen ausgesprochen haben. Ich glaube vielmehr, dass wir auch für die nächsten Jahre die Finanzierung dieser Kurse absichern müssen auch über ESF-Mittel, damit diese Fortbildungsangebote nicht der Haushaltsmisere hier in Bremen zum Opfer fallen. Oftmals sind die Kurse, die dort angeboten werden, die ersten Momente, in denen Frauen in Strukturen leben, feste Verpflichtungen und einen geordneten Tagesablauf haben, und deswegen sind sie so immens wichtig.

Wir haben bekanntermaßen das Problem, dass Straffällige, natürlich auch straffällige Frauen, nach dem Vollzug möglicherweise nicht in stabile Verhältnisse kommen. Unsere Aufgabe muss es sein, dafür zu

sorgen, dass eine Integration nach dem Vollzug stattfindet, damit Rückfälle vermieden werden und damit unter dem Strich auch Kosten gespart werden. Auf diesem Wege wäre ein Projekt von ganz großer Hilfe, das zurzeit unter dem Stichwort Kompetenzzentrum in der Entwicklung ist.

Dieses Projekt verfolgt das Ziel, Strafgefangene direkt nach der Entlassung durch das Angebot von Trainings- und Arbeitsmaßnahmen aufzufangen. Die Vorbereitungen der Strafgefangenen auf die Zeit draußen und die konsequente Betreuung in der Freiheit sollen gewährleistet werden durch ein Expertenteam aus Arbeitsmarktexperten, Ärzten, Psychologen, Bewährungshelfern und den heutigen Netzwerken, das in einem solchen Kompetenzzentrum zusammengefasst werden soll. Ich bin überzeugt davon, dass ein solches Zentrum mit der Vorbereitung schon während der Strafverbüßung und der Nachsorge nach der Entlassung ein hervorragendes Integrationsinstrument ist. Für dieses Projekt möchte ich mich sehr offensiv einsetzen.

Zu der nachlaufenden Betreuung gehört natürlich auch die Methadonsubstitution. Wir haben das hier breit diskutiert. Wir wissen, dass die Netzwerke verbessert werden müssen, und wir wissen, dass wir eine verpflichtende Nachsorge organisieren müssen. Es gibt in diesem Zusammenhang noch ein weiteres Thema. Es gibt eine Reihe von HIV-positiven Frauen in der Vollzugsanstalt, und auch für diese Frauen müssen wir sowohl in der Anstalt dafür sorgen, dass sie eine weibliche Betreuung, eine weibliche Expertin und Ansprechpartnerin, haben, als auch auf die Zeit nach der Entlassung vorbereitet werden, denn zum Teil handelt es sich dort bei den Insassen um Prostituierte.

Abschließend, es scheint richtig, den Frauen-Strafvollzug in Bremen behalten zu haben. Die betroffenen Frauen sind oftmals sowieso schon sehr isoliert, weil die Männer sie verlassen haben, die Kinder in andere Familien gekommen sind. Es bleibt ja auch nichts anderes übrig. Auf diese Weise können dann diesen Frauen wenigstens die Kontakte zu ihren Kindern und ihren Familien gewährleistet werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Winther, einen Eindruck möchte ich ein bisschen relativieren. Wir haben es hier in Oslebshausen im Frauen-Strafvollzug nicht mit einer Reha-Klinik oder so zu tun,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

sondern es ist Strafe, die dort vollstreckt wird. Freiheitsentziehung heißt das, aber das Ganze im Rahmen eines modernen Vollzugs, und darüber können wir froh sein, dass das in Bremen möglich wird. Es ist nur so, dass der Kontrast natürlich stark ist, wenn man den Erwachsenenvollzug der Männer in Oslebshausen besucht und dann in die Frauenabteilung geht, dann ist das ein großer Unterschied. Deshalb soll man das aber nicht so zeichnen, als ob das nun sozusagen eine richtig schöne, heile Welt sei, sondern es ist und bleibt Strafvollzug.

(Beifall bei der SPD)

Strafvollzug heißt auch, dass das Gesetz die Verwaltung, die Anstalt verpflichtet, den Insassinnen Arbeits- und Bildungsangebote zu machen. Davon wird auch in Bremen Gebrauch gemacht. Wir haben eine Reihe von Fortbildungsmaßnahmen, die angeboten werden, acht Plätze allein im Bereich EDV, es gibt eine Reihe von Arbeitsplätzen, insgesamt können bis zu 34 Frauen in Arbeit und Ausbildung beschäftigt werden.

Es wird übrigens dafür auch ein Entgelt gezahlt, das liegt pro Stunde zwischen 1,39 Euro und 1,58 Euro. Das ist nicht viel, wenn man sich überlegt, dass auch Einkaufsmöglichkeiten bestehen und dass die Frauen auch Gelegenheit bekommen sollen, einen Teil dieses Entgelts anzusparen für das „Überbrückungsgeld“, mit dem sie dann die Zeit nach der Entlassung auch überbrücken können, also die erste Zeit, bis sie dann andere Einnahmen erzielen können. Diese Beträge ergeben sich aus dem Strafvollzugsgesetz und aus dem Sozialgesetzbuch, dort wird auf die sogenannte Eckvergütung Bezug genommen. Das Ganze ist keine bremische Erfindung, was diese Beträge angeht, sondern es geht um die Umsetzung von bundesgesetzlichen Regelungen.

Herr Köhler, ich wollte noch ein paar Sätze zu dem Thema sagen, das Sie hier in diese Debatte eingeführt haben: die Frage Neubau. Es hat uns allen nicht gutgetan, dass dort über Jahre hinweg eine Idee verfolgt worden ist, die eigentlich nicht von der Stelle kam, dass aber gegenüber den Bediensteten und der Fachöffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, da gehe es schrittweise doch ein bisschen voran. Ich finde es gut, dass wir als Große Koalition aus der finanziellen Situation den Schluss gezogen haben, dass wir uns den Neubau einer Justizvollzugsanstalt in Bremen unter den gegebenen Bedingungen nicht leisten können. Fachlich würde ich mir wünschen, dass wir das hinbekommen, aber wir haben gesagt: Es ist im Moment finanziell nicht darstellbar.

Ich finde auch, dass wir jetzt nicht diese Debatte wieder von vorn beginnen sollten. Wenn sich eine Situation ergeben sollte, in der wir erkennen: es ist wider Erwarten doch machbar, es ist finanziell zu schaffen, dann bin ich der Erste, der sagt: Das treiben wir voran, gar keine Frage! Ich sehe das im Moment aber nicht.

Deswegen finde ich, man kann es den Bediensteten und den Oslebshausern nicht zumuten, das jetzt hier ernsthaft wieder anzuschieben, sondern lassen Sie uns das umsetzen, was wir hier beschlossen haben, nämlich die Sanierung der Anstalt in Oslebshausen und die Diskussion um einen Neubau hier nicht ohne Substanz wieder von vorn beginnen! Das tut uns allen nicht gut.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße das übrigens ausdrücklich, was sich in Oslebshausen am Bahnhof und in dem Umfeld tut. Das ist klasse, die Verbesserung der Versorgungssituation in Oslebeshausen, Geschäfte, Wohnungen, Altenwohnungen, also eine ganz tolle Investition, die dort läuft, eine richtig gute privatwirtschaftliche Initiative, auf die das Ganze zurückgeht, das kann man politisch nur nachhaltig unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss nur noch ein paar Sätze zu der auch von Frau Winther und Herrn Köhler angesprochenen Frage der Substitution! Ich denke auch, wir können sicher sein, dass in der Anstalt die Substitution ordentlich durchgeführt wird. Da gibt es eine gute medizinische Betreuung und eine psychosoziale Begleitung, aber wir müssen im Auge behalten, wie die Frauen in der Zeit nach der Entlassung betreut werden. Da gibt es noch Informations-, Koordinationsprobleme. Wir wollen das nicht schlechtreden, aber wir sehen durchaus, dass es dort einen gewissen Handlungsbedarf gibt, und wir wissen, dass das Justizressort an diesem Thema dran ist wie auch die anderen beteiligten Stellen.

Insgesamt können wir sagen, wir sind froh, dass wir die Entscheidung getroffen haben, den FrauenStrafvollzug in Bremen zu belassen. Wir entnehmen das der Antwort des Senats sehr gern und begrüßen, dass auch der Senat diese Auffassung teilt. Es gibt, sagt er, keinen Anlass, eine Verlagerung des Frauen-Strafvollzugs aus Bremen zu betreiben, und das ist gut so. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es, dass diese Vorlage eine so breite Zustimmung in Ihrem Hause erfahren hat. Ich möchte mich auf zwei Punkte beschränken.

Die erste Sache geht zurück in die Vergangenheit und beschäftigt sich mit der Kritik an dieser Koaliti

onsvereinbarung. Ich glaube, man macht es sich zu leicht. Der Grundgedanke war, dass man einfach aufgrund unserer finanziellen Situation im norddeutschen Bereich mit Hamburg und Niedersachsen kooperieren muss. Das drängt sich gerade im Bereich des Strafvollzugs auf. Es war dann so, dass wir auch mit den Ländern über die Möglichkeiten gesprochen haben und dass wir leider sowohl in Hamburg als auch in Niedersachsen erfahren mussten, dass die Haftkapazitäten übergelaufen sind und dass von daher gesehen überhaupt keine Möglichkeit bestanden hat, mit uns in eine Kooperation in Sachen Frauen-Strafvollzug einzutreten. Das ist der historische Hintergrund, den man kennen muss und der mit dazu beigetragen hat, dass diese Entscheidung dann für den Standort Oslebshausen so getroffen wurde.

(Beifall bei der SPD)

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Frage, was wir in Oslebshausen haben. Ich glaube, man muss sehen, dass in der Tat große Probleme im FrauenStrafvollzug bestehen. Wenn man sich die Zusammensetzung anschaut, sieht man, dass der gesundheitliche Zustand der Inhaftierten sehr schlecht ist. Zwei Drittel sind drogenabhängige Frauen. Der Anteil der HIV-positiv-Infizierten ist extrem hoch. Insofern ist das auch kein klassischer Strafvollzug, was Sie dort erleben. Viele erholen sich in dieser Zeit der Inhaftierung. Viele kommen gesundheitlich besser da heraus, als sie hineingehen. Das heißt, dieser klassische Strafvollzug mit Wasser und Brot und Abschreckung ist es nicht, vielleicht für einige wenige,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

aber die Mehrzahl der Frauen ist in einem ganz desolaten Zustand, und was sie dort erfahren, ist in erster Linie Hilfe.

Das ist keine Abschreckung, das muss man einfach sehen, dass dies hier sich weiterentwickelt hat und dass auch der Strafvollzug durchaus Elemente hat, die man heute bei Gesundheit oder bei Soziales wiederfindet. Teilweise werden diese Frauen im Vollzug besser betreut als draußen. Das ist einfach Fakt. Sie müssen auch sehen, dass die Möglichkeiten besser sind, was die Verhinderung von Beigebrauch angeht. Da haben wir Möglichkeiten zu kontrollieren, und das unterschiedet auch den Frauen-Strafvollzug natürlich von der Situation der niedergelassenen Ärzte, die das in diesem Umfang überhaupt nicht leisten können. Insofern sind auch die Ansätze der Therapie in diesem Bereich durchaus positiv zu sehen.

Mein Fazit ist, die Sache nüchtern zu betrachten, zu sehen, dass wir hier mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, das getan haben, was wir konnten. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn zukünftig diese Mittel dauerhaft zur Verfügung stehen.

Herr Abgeordnete Köhler, es ist hier heute die letzte Möglichkeit, dass wir miteinander streiten. Wenn Sie zukünftig in den Bereich der Finanzverwaltung wechseln, hoffe ich, dass Sie uns da treu bleiben und auch dafür sorgen, dass diese Maßnahmen nachhaltig finanziert werden können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.