Protocol of the Session on November 16, 2006

Ich finde es einerseits schön, dass es diese Vorlage gibt, weil sie so ehrlich ist und wir an dieser Stelle doch sehen, wo die Schwachpunkte stehen. Wir haben insgesamt 4 Mädcheneinrichtungen, die sich spezifisch nur für Mädchen ausgerichtet haben. Die „Gewitterziegen“ wurden von Frau Windler schon angesprochen. Ich weiß gar nicht mehr, wann standen „Gewitterziegen“ das letzte Mal zur Schließung? War es letztes Jahr, vorletztes Jahr? Das ist doch gerade das Problem. Diese Mädchenarbeit, diese wenigen Einrichtungen, die wir haben, sind immer in Konkurrenz zu allen anderen Einrichtungen im Stadtteil, und letztlich entscheidet es sich dann in den Stadtteilgremien, wie das wenige Geld, das nicht für alle reicht, verteilt wird. Wer dann als Erster zwinkert, der hat ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

die Torte im Auge, und da haben die Mädcheneinrichtungen sicher nicht den stärksten Stand.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aus Sicht unserer Fraktion muss man in zwei Richtungen argumentieren. Einerseits ist es wichtig, dass wir tatsächlich ein Drittel aller Angebote in der Jugendarbeit für Mädchen offen halten. Das bedeutet auch, dass es in gemischten Einrichtungen, in Jugendfreizeitheimen und so weiter Möglichkeiten für Mädchen gibt, dass sie dort spezifische Angebote zu bestimmten Tages- und Wochenzeiten vorfinden, und daneben gibt es dann in der gleichen Einrichtung Angebote speziell für Jungen und gemischte Angebote.

Es ist aber auch wichtig, meine Damen und Herren, dass wir diese ganz zentralen Orte wie das BDPMädchenkulturhaus, wie die „Gewitterziegen“ haben, die nur für Mädchen sind. Ich muss sagen, ich war sehr stolz, als ich als Mann vor einigen Jahren einmal das Mädchenkulturhaus betreten durfte, weil wir uns als Grüne auch mit denen gut verstehen. Das war ein großes Privileg, weil es eigentlich nicht normal ist, dass ein Mann in ein Mädchenhaus geht. Gerade das ist ein geschützter Rückzugsraum, der eigentlich nur den Mädchen zusteht, so wie wir das auch von Frauenhäusern kennen. Das, finde ich, ist eine wichtige Sache, und die kann man nicht einfach wegwischen. Da kann man nicht einfach sagen, irgendwie ist die 30-Prozent-Quote schon erfüllt, die Frage ist, wie sie erfüllt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dann müssen wir uns auch fragen, wie das Geld, das wir für Mädchenarbeit ausgeben, über die Stadtteile verteilt wird beziehungsweise die Angebote, die es da gibt. Ich finde die Anmerkungen sehr richtig, die schon gemacht wurden, da muss man sozialraumbezogen argumentieren. Da will ich jetzt auch nicht den Stadtteilpolitiker raushängen lassen, der sagt, da muss aber in jedem Stadtteil etwas sein. Natürlich, wenn man auf der Grenze von zwei Stadtteilen ein Angebot hat, das aus beiden Stadtteilen gut erreichbar ist, ist das wunderbar. Das Entscheidende ist nur, und das ist die Frage zwischen Zentralität und Dezentralität, dass es nicht sein kann, dass wir einige wenige Angebote sehr zentral in der Stadt haben, die aber weite Anfahrtswege bedeuten.

Wir müssen schauen, dass die einzelnen Sozialzentren, jedes für sich, eine mädchenpolitische Kompetenz aufbauen. Ich glaube, dabei müssen wir den Stadtteilgremien behilflich sein und sie bei dieser Entwicklung auch konzeptionell unterstützen. Wenn sie bei uns deswegen anfragen, müssen wir ihnen die Hand reichen. Es kann nicht sein, dass beispielsweise jemand aus dem Bremer Osten weite Wege auf sich nehmen muss, um eine Mädcheneinrichtung aufsu

chen zu können. Damit macht man solche Angebote auch kaputt, davon bin ich ganz fest überzeugt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe ja noch fünf Minuten, ich möchte aber kurz noch etwas dazu sagen, dass es eine Vorlage im letzten Jugendhilfeausschuss gab, zu der darüber diskutiert wurde, wie jetzt Standards für Mädchenarbeit weiterentwickelt werden können. Ich war ein bisschen enttäuscht, der Arbeitskreis Mädchenpolitik hat diese Standards entwickelt und war auch da, wir als Grüne haben gesagt, lasst uns das noch konkreter fassen, als es in der Vorlage steht, nicht nur „es soll“ und „es sollte“, sondern „es muss“. Da gab es leider Gottes nicht den Rückhalt seitens der Koalition.

Ich weiß, dass im Anpassungskonzept die Mädchenarbeit bereits steht, aber die Frage ist doch, wie das umgesetzt wird. Jedes politische Signal, das von diesem Hause ausgeht, sagt, das, was im Anpassungskonzept steht, ist verbindlich. Das ist ein gutes Signal, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich unterbreche Sie ungern, aber Sie können ja noch einmal reden!

Letzter Satz! Ich glaube auch, dass wir eine parallele Debatte über Jungenarbeit führen müssen. Es ist angekündigt worden, dass zum nächsten Jahr endlich eine Vorlage über Jungenarbeit erstellt wird. Ich finde es ein bisschen schade, dass das ein Jahr dauert, aber ich hoffe, dass die Vorlage dann auch so gut ist, dass wir da eine vernünftige, substanzielle Grundlage haben. Wir müssen natürlich immer beides betrachten, nur heute war der Fokus Mädchenpolitik, deshalb habe ich weniger zur Jungenarbeit gesagt, aber natürlich muss man auch das immer im Blick behalten. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will zunächst ein bisschen grundsätzlich vortragen, bevor ich auf die hier sehr deutlich und richtig sympathisch vorgetragenen Worte der Vorrednerinnen und des Vorredners eingehe.

Eine geschlechterbewusste Pädagogik als Querschnittsaufgabe aller Bereiche der Jugendhilfe ist rechtlich gefordert und politisch gewollt. Seit 1991 sind die Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen, der Abbau

von Benachteiligungen und die Förderung der Gleichberechtigung in Artikel 9 des KJHG verankert. Im 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 wird darauf hingewiesen, dass Geschlechtszugehörigkeit nach wie vor die Lebenslagen von Mädchen und Jungen bestimmt. Da sage ich ganz deutlich, Mädchenarbeit ist somit keine Randgruppenarbeit, sondern eine selbstverständliche Querschnittsaufgabe der Jugendarbeit und der Jugendhilfe.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Verständnis von Mädchenarbeit verbinden sich pädagogische mit gesellschaftspolitischen Zielsetzungen. Mädchenarbeit muss Räume schaffen, und das auch im übertragenen Sinne, das heißt also, Räume schaffen zum Denken über Mädchenarbeit und tatsächliche Räume schaffen, wo die Mädchen ihre Fähigkeiten einbringen, aber auch Hilfs- und Beratungsangebote zur Bewältigung konkreter Lebensprobleme in Anspruch nehmen können. Die Prinzipien von Mädchenarbeit sind Ganzheitlichkeit, Parteilichkeit, Partizipation und der Einbezug von Mädchenpolitik.

Ich will einmal darauf verzichten, den gesamten Abriss, wie die Entwicklung der Mädchenarbeit seit vor über zehn Jahren hier in Bremen auf den Weg gebracht worden ist, darzustellen, ich will aber ganz kurz noch einmal in Erinnerung rufen, dass 1995 die Empfehlungen für die Förderung der Mädchenarbeit in der Jugendförderung vorgelegt und vom Jugendhilfeausschuss, das ist von Herrn Crueger schon angesprochen worden, beschlossen wurden. Damit wurde der jugendpolitische Handlungsbedarf mit einem parteilichen Ansatz grundsätzlich anerkannt und die Mädchenarbeit insofern materiell abgesichert.

Ich habe verstanden, und ich finde es gut und richtig, dass hier sehr deutlich darauf hingewiesen wird, ein Drittel der finanziellen Ausstattung soll für Mädchenarbeit zur Verfügung stehen. Eigentlich ist das doch noch zu wenig. Daran müssen wir arbeiten. Wenn ich daran denke, dass wir ein hervorragendes Projekt im Bereich der Jugendarbeit haben, das hier auch angesprochen worden ist, nämlich der Sportgarten, so dürfen uns diese Versäumnisse nicht wieder auf unserem Weg von Mädchenarbeit begleiten, nämlich dass wir die Mädchen in der Konzeptionsphase mit einbeziehen, sie aber dann letztendlich in der Umsetzung nicht mehr oder nur sehr wenig vorkommen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bin häufig in meiner bisherigen Funktion im Sportgarten gewesen. Ich glaube, viele von Ihnen haben das beobachtet, wenn dort die Jungen, die jun

gen Männer sehr selbstbewusst und dynamisch auf den Rampen stehen und die Mädchen eher sehr zurückhaltend darauf warten, wenn die Jungen einmal Pause machen. Wir müssen einfach Möglichkeiten schaffen, dass alle dann auch diese guten, hervorragenden Einrichtungen nutzen können.

(Beifall bei der SPD)

Die Fortschreibung der Mädchenarbeit im Land Bremen wird vom Arbeitskreis Mädchenpolitik außerordentlich kritisch begleitet. Hier, und das ist schon gesagt worden, müssen auch entsprechende Standards entwickelt werden. Das wird eine der vorrangigen Aufgaben des Arbeitskreises sein. In einer 2004 gezogenen Bilanz der Koordinatorin für Mädchenpolitik des Amtes für Soziale Dienste konnte dem Jugendhilfeausschuss berichtet werden, dass die Mädchenarbeit, und ich wiederhole das gern noch einmal, als Querschnittsaufgabe in der kleinräumigen Jugendhilfeplanung durchweg akzeptiert und weitestgehend in die Ausgestaltung der zu erstellenden Stadtteilkonzepte einbezogen werde.

Ich will hier noch einmal einen Bezug zu den Akteurinnen und Akteuren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort herstellen. Hier sind von Frau Windler, die auch eine sehr ausgewiesene Fachfrau im Bereich der Arbeit von und für Mädchen und Frauen ist, einige Projekte genannt worden. Darüber hinaus haben wir aber doch auf der Stadtteilebene – und ich bin froh darüber und kann nur all denen, die sich dort auch ehrenamtlich engagieren, Dank sagen – eine ganze Reihe von Initiativen und Projekten, die an Vereine, Organisationen und Institutionen angegliedert sind und sich ganz speziell mit der Mädchenarbeit beschäftigen. Das sollten wir auf alle Fälle mit in unsere Arbeit einbeziehen und dort auch daran denken, dass die Finanzierung und Unterstützung mit ins Auge genommen wird.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich komme zum Schluss. Wir haben gerade im Jugendhilfeausschuss dieses Thema sehr ausführlich behandelt, es ist beraten worden und sehr deutlich auch gesagt worden, dass hier die Umsetzung, nicht nur die Entwicklung, von Standards sehr schnell vorangebracht werden muss. Erlauben Sie mir zum Schluss, auch hier deutlich zu sagen: Mädchenpolitik ist ein ganz wichtiger und wesentlicher Baustein, aber – und da bin ich den Vorrednerinnen und dem Vorredner dankbar, der ja hier als ein richtiger Anwalt für die Mädchenarbeit aufgetreten ist – wir müssen Mädchenarbeit insgesamt in das Konzept für eine Jugendarbeit einbetten, das heißt, wir dürfen an dieser Stelle eben auch explizite Konzepte für eine Jungenarbeit nicht vergessen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/1162, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich Ihnen mitteilen, dass inzwischen interfraktionelle Einigung erzielt wurde, den Tagesordnungspunkt 18 „Keine Rundfunkgebühren auf Internet-PC und Handy“ und die verbundenen Tagesordnungspunkte 30 und 40, das ist der 15. KEF-Bericht und Antrag, für diese Sitzung auszusetzen.

Des Weiteren darf ich noch auf der Besuchertribüne recht herzlich einen Sprachkurs aus Bremen-Kattenturm begrüßen. Seien auch Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Sachstand zur Gesundheitsvorsorge für Kinder und Jugendliche im Lande Bremen in Kindergarten und Schule

Mitteilung des Senats vom 1. August 2006 (Drucksache 16/1094)

Wir verbinden hiermit:

Schneller handeln durch verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen und besser kooperieren zum Wohle unserer Kinder

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 14. November 2006 (Drucksache 16/1198)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bartels.

Verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch auf den Zuschauerrängen! Nicht zum ersten Mal debattieren wir über die Gesundheitsvorsorge von Kindern und Jugendlichen. Die CDU-Fraktion hat mehrfach mit Großen Anfragen, Fragen in der Fragestunde, aber auch über die Arbeit in den Deputationen das Thema problematisiert. Meine Kollegin Frau Dr. MohrLüllmann lässt ja nicht nach, dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Es ist auch richtig, denn zahlreiche Studien belegen es: Unsere Kinder werden immer unbeweglicher. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Häufiges Übergewicht und die Gefahr von Folgeerkrankungen nehmen in ganz Deutschland erheblich zu. Vor allem chronische Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes schon im frühen Kindesalter, aber auch Suchterkrankungen wie der frühe Konsum von Drogen alarmieren uns.

Wir hatten im Juni des vergangenen Jahres einen Antrag zusammen mit der Fraktion der SPD eingebracht, in dem wir den Senat aufgefordert haben, die Gesundheitserziehung in Kindergarten und Grundschule auszuweiten, den Gesundheitsgedanken durchgängig in den Schulunterricht einzubauen, zum Beispiel durch Einbeziehung von Ärzten und Zahnärzten, die Einführung von Projekttagen zur Gesundheitsförderung und die Intensivierung der Gesundheitserziehung in der Lehreraus- und -fortbildung.