Protocol of the Session on November 25, 2003

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen zur Kenntnis geben, dass mir der Landeswahlleiter mitgeteilt hat, dass Frau Karin Garling seit dem 20. Oktober 2003 Mitglied der Bürgerschaft (Landtag) ist.

Herzlichen Glückwunsch und herzlich willkommen in unseren Reihen!

(Beifall)

Weiterhin möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Staatsgerichtshof auf seiner konstituierenden Sitzung Herrn Professor Dr. Alfred Rinken zum Präsidenten und Herrn Dr. Jörg Bewersdorf zum stellvertretenden Präsidenten des Staatsgerichtshofs gewählt hat.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen zwei Themen vor, und zwar erstens, auf Antrag des Abgeordneten Böhrnsen und Fraktion der SPD: Radio Bremen: Zukunft auf Sendung – Sender mit Zukunft; und zweitens auf Antrag des Abgeordneten Kastendiek und Fraktion der CDU: Erfolgreiche Sanierungsstrategie konsequent fortsetzen.

Meine Damen und Herren, hinsichtlich der Reihenfolge der Redner wird nach der Reihenfolge des Eingangs der Themen verfahren.

Ich stelle Einverständnis fest.

Radio Bremen: Zukunft auf Sendung – Sender mit Zukunft

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Böhrnsen. Bitte, Herr Kollege!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist etwas gewöhnungsbedürftig, so weit vom Plenum entfernt zu reden. Es fällt auch auf, dass der Senat räumlich ein ganzes Stück vom Parlament weggerückt ist. Ich hoffe, das ist nur räumlich und nicht anders zu verstehen!

Meine Damen und Herren, zur Aktuellen Stunde! Seit einigen Wochen gibt es in Deutschland eine recht bizarre Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie begann als fast ganz normaler Streit um eine Erhöhung der Rundfunkgebühren, dieses Mal für die Gebührenperiode ab 2005. Die Debatte wurde dann grundsätzlicher, als die Ministerpräsidenten von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen einen Forderungskatalog für tief greifende Strukturveränderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgelegt haben. Sie fordern unter anderem die Abschaffung von 16 ARD-Hörfunkprogrammen. In dieser Debatte witterten dann auch die Privaten ihre Chance und forderten, dass sich die öffentlichrechtlichen Sender von allem trennen, was den Privaten Konkurrenz macht. Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin setzte schließlich noch ei

nen oben darauf und schlug vor, die Zahl der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Kosten der kleinen Sender zu reduzieren und damit Radio Bremen oder den Saarländischen Rundfunk abzuschaffen.

Das alles war viel Getöse vor der Ministerpräsidentenkonferenz in München. Diese Konferenz hat – so nehme ich es jedenfalls wahr – zu einer gewissen Beruhigung der Debatte geführt. Die Debatte ist aber nicht zu Ende, sie geht weiter, denn es ist ja vereinbart worden, dass die Rundfunkkommission der Länder bis zum März 2004 den Ministerpräsidenten eine entscheidungsfähige Vorlage vorlegen soll.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir als Parlament haben allen Anlass, uns an dieser Debatte zu beteiligen, denn man muss daran erinnern, dass es letztlich die Landesparlamente sind, die innerhalb gewisser verfassungsrechtlicher Grenzen am Ende die Entscheidung darüber treffen, ob Gebühren des Rundfunks in Deutschland erhöht werden oder nicht, deswegen mischen wir uns ein. Es geht für Bremen aber um mehr: Für Bremen und die Bremische Bürgerschaft geht es um den Bestand und um die Existenz von Radio Bremen, es geht um die Zukunftsperspektive von Radio Bremen, und es geht ganz konkret um die Realisierung des Umzugs von Radio Bremen in das Faulenquartier oder Stephaniviertel.

Meine Damen und Herren, manches in der Debatte der vergangenen Tage und Wochen hörte sich an – jedenfalls für mich – wie ein Generalangriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und da müssen wir als Parlamentarier sehr aufmerksam werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat im Prozess der freien Meinungsbildung in Deutschland eine wichtige Funktion, einen wichtigen Auftrag. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll die Gesamtheit der Bevölkerung umfassend informieren und so zur Meinungsvielfalt beitragen. Ich erinnere daran, dass wir das in dem von der Bremischen Bürgerschaft beschlossenen Radio-Bremen-Gesetz auch entsprechend formuliert haben. Deshalb, denke ich, steht es gerade dem Parlament und hier auch der Bremischen Bürgerschaft gut an, allen Attacken gegen das System und den Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entschieden entgegenzutreten.

(Beifall)

Ich denke, dass mus ein Signal aus den Parlamenten sein.

Meine Damen und Herren, zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland gehört seine regionale, föderale Struktur und seine regionale Vielfalt. Wie hat es so schön und freundlich der WDR-Intendant Fritz Pleitgen an dem netten parlamentarischen Abend vor einigen Tagen gesagt: „Zum Föderalismus gehören die Großen und die Kleinen, wobei die Kleinen das Salz in der Suppe sind.“ Schöner kann

man eigentlich das Wesen des Föderalismus nicht beschreiben!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weil ich bei Fritz Pleitgen bin: Ich fand es sehr eindrucksvoll, wie er sich zur Solidarität innerhalb der ARD bekannt hat, aber auch ganz ausdrücklich zur Solidarität zu Radio Bremen. Ich denke, für diese eindrucksvolle klare Haltung von Fritz Pleitgen sind wir dankbar.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, alle Medienexperten und die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wissen, die KEF hat es in ihrem jüngsten Berichtsentwurf ausdrücklich bestätigt, dass gerade die kleinen Anstalten die Vorreiterrolle beim Sparen innerhalb der ARD übernommen haben. Die von Radio Bremen unternommenen Anstrengungen zur Kostensenkung sind in diesem KEF-Berichtsentwurf in höchstem Maße anerkannt worden. Wenn ich nur eine Zahl herausgreifen darf: Radio Bremen hat, so hat es die Kommission vermerkt, seine Stellen, seinen Personalbestand um über 29 Prozent gesenkt. Die ARD ist im Durchschnitt in diesem Bereich bei einer Einsparung von 3,3 Prozent. Das zeigt, wie die Sparanstrengungen bei Radio Bremen, auch überregional, wahrgenommen werden.

Ich denke, wer sich vor dem Hintergrund einer solchen Entwicklung bei Radio Bremen dennoch für die Abschaffung der kleinen Anstalten und insbesondere Radio Bremens einsetzt, dem muss man sagen, der will ein anderes System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und dem müssen wir entgegenstellen, dass wir gemeinsam weiter für die Selbständigkeit Radio Bremens als Rundfunkanstalt in der ARD eintreten und dort, wo wir können, für eine Finanzausstattung sorgen, die den Aufgaben Radio Bremens gerecht werden kann.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, Radio Bremen muss nach den Beschlüssen der Ministerpräsidenten von 1999 mit sehr viel geringeren Finanzausgleichsleistungen innerhalb der ARD auskommen, als es früher der Fall war. Deshalb ist Radio Bremen schon jetzt dabei, sich durch ganz grundlegende Umstrukturierungen auf den reduzierten Finanzrahmen einzustellen. Weil das so ist und die Erfolge auf diesem Weg auch sichtbar sind, aber weil auch noch ein steiniger Weg vor Radio Bremen liegt, möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich sagen: Wir stehen uneingeschränkt hinter den Bemühungen des Senders, diese schwierige Umbruchsituation zu meistern, und

die Politik wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten und innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen, die wir selbstverständlich beachten, auch dafür sorgen, dass dieser Weg ordentlich und mit gutem Erfolg weiter gegangen werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dazu ist unbedingt erforderlich, dass Radio Bremen die von der ARD zugesagte Strukturhilfe von 64,4 Millionen Euro für Investitionen in neue Gebäude, in neue Technik und für den Personalumbau auch tatsächlich erhält; 64,4 Millionen Euro, die eine unabdingbare Voraussetzung sind, dass der Umzug in das Faulenquartier auch gelingen kann. Diese Strukturhilfe, diese 64,4 Millionen Euro, soll den gebenden ARD-Anstalten – so ist die Beschlusslage – über die Gebühr in der nächsten Gebührenperiode, also ab 2005, wieder zufließen. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen der Zukunftsperspektive von Radio Bremen und der Gebührenhöhe. Deshalb verbietet sich nach meiner festen Überzeugung aus Bremer Sicht jeder populistische Beitrag in der aktuellen Gebührendebatte.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Mit anderen Worten, ich will es deutlich sagen: Ich glaube, dass eine Gebührenerhöhung vermutlich unverzichtbar sein wird, und das lässt sich, denke ich, auch aus Bremer Sicht begründen. Selbstverständlich müssen auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sparen, und die Sparvorschläge werden jetzt auch unter die Lupe genommen. Klar muss aber sein, dass die Strukturhilfe für Radio Bremen am Ende nicht auf der Strecke bleiben darf, denn der Umzug von Radio Bremen ist zur Existenzsicherung von Radio Bremen, zur Förderung der Medienwirtschaft in unserem Bundesland, aus stadtentwicklungspolitischen Gründen ein unverzichtbares Projekt, auf das wir weiter drängen und dringen wollen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss sagen, die Fraktionen der Bürgerschaft haben Bürgermeister Dr. Scherf vor der Ministerpräsidentenkonferenz in München mit unterschiedlichen Formulierungen, aber im gleichen Sinne gebeten, sich für den Erhalt und für die Interessen Radio Bremens einzusetzen! Dass das jedenfalls in einem Zwischenschritt erfolgreich geschehen ist, kann man vielleicht schon daraus ableiten, dass die schleswigholsteinische Ministerpräsidentin ihren Vorschlag zur Abschaffung von Radio Bremen nicht wiederholt hat. Das ist in diesen Zeiten auch schon ein Fortschritt.

Natürlich kommt es aber in den nächsten Wochen und Monaten weiter darauf an, die guten Argumente für Radio Bremen mit Nachdruck einzubringen. Das

ist unsere Bitte und unsere Erwartung an den Präsidenten des Senats. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Böhrnsen hat es schon richtigerweise skizziert: Wir haben vor zirka zwei Wochen ein riesengroßes Getöse miterleben dürfen im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz, wie es so landauf, landab üblich ist. Nur war dieses Mal der Gegenstand ein Thema, das natürlich in Bremen und insbesondere bei Radio Bremen eine besondere Sensibilität herbeiführt: Wie geht es weiter mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunksystemen? Wie sieht es aus mit einer möglichen Gebührenerhöhung? Wie sieht es aus mit der Bewertung des Berichts der Kommission für die Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF genannt?

Ich denke, das, was Herr Böhrnsen hier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Radio Bremen gesagt hat, können wir von der CDU voll und ganz unterstreichen. Wir stehen voll und ganz hinter diesem Sender, wir stehen für das duale Rundfunksystem und natürlich auch für vernünftig ausgestattete Anstalten, damit sie ihrem Auftrag in diesem Land gerecht werden können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Dennoch muss man bei der Beurteilung des Getöses etwas differenzieren, die Sichtweisen, die die einzelnen Ministerpräsidenten hervorgebracht haben, doch einmal etwas genauer anschauen und das Pauschalurteil, das vielleicht sehr locker in der Hüfte liegt, dann für einen Moment zurücknehmen und schauen, was überhaupt im Vorfeld passiert ist. Wir haben drei Ministerpräsidenten unterschiedlicher politischer Couleur aus unterschiedlichen Regionen. Der bayerische Ministerpräsident, der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen – zu der vierten Ministerpräsidentin, die sich dort im Zusammenhang geäußert hat, komme ich später noch in meinem Wortbeitrag – haben, und das muss man aus deren Sicht verstehen, deswegen will ich das, was dort im Vorfeld zur Ministerpräsidentenkonferenz gelaufen ist, nicht ganz so aufgeregt kommentieren, wie es der eine oder andere hier gemacht hat, von den Anstalten einen höheren Sparwillen abgefordert, einen Sparwillen, eine Sparerfordernis, die in den öffentlichen Haushalten im Augenblick gang und gäbe sind und wo man bei einzelnen Anstalten doch

sehr wohl zu der Auffassung kommen kann, dass dort der Wille nicht existiert.

Wenn man sich das Nettosparvolumen der ARD und des ZDF anschaut und sich ansieht, welche realen Einsparpotentiale die öffentlichen Anstalten, insbesondere der WDR, der NDR, der MDR, der Bayerische Rundfunk, mit sich bringen, dann kann man nur an die Adresse von Radio Bremen sagen, und das muss man hier auch an der Stelle öffentlich noch einmal unterstreichen und betonen, was Radio Bremen hier an Nettoeinsparvolumen realisiert in den vergangenen Jahren, ist vorbildlich und ein Beispiel für die großen Anstalten! Das muss ausdrücklich noch einmal erwähnt werden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dass natürlich dann der Verdruss der Ministerpräsidenten, die immer ganz gern auf Sparsamkeit und mit dem Finger auf die kleinen Anstalten zeigen, besonders hoch ist, das kann ich dann nachvollziehen. Da interpretiere ich die Initiative der drei Ministerpräsidenten auch so, dass sie sich eher an die eigenen Anstalten, an die großen Anstalten, richtet. Wenn man sich das Papier zur Strukturreform der drei Ministerpräsidenten durchliest, wird man in keiner Zeile feststellen, dass ein ausdrücklicher Angriff auf Radio Bremen darin zu sehen ist. Dennoch teile ich Ihre Auffassung, Herr Böhrnsen, dass man dort an der Stelle immer vorsichtig sein muss und lieber einmal zu früh Vorsicht und Achtung rufen soll als einmal zu spät.

Ich denke aber, und das ist auch ein Beleg, warum föderale Strukturen in diesem Land funktionieren, dass man sieht, wie kleine Einheiten, ob es auf Länderebene oder auf der Ebene der Rundfunkanstalten ist, doch beispielhaft vorangehen und zeigen können, wie große Einheiten sparen können. Das ist auch ein Beleg für die föderale Rundfunkstruktur, an der wir voll und ganz festhalten.

Ein Satz zu dem, was Frau Simonis geäußert hat, weil das nämlich eine andere Qualität ist, was wir dort vernommen haben! Frau Simonis hat sich – ich vermute einmal, etwas hektisch, weil sie ja auch wiedergewählt werden will

(Widerspruch bei der SPD)