Protocol of the Session on October 11, 2006

Die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) heute Nachmittag beginnt mit der Regierungserklärung des Senats zur Föderalismusreform; danach werden die Punkte, die sich mit der Änderung der Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft befassen, Drucksachen 16/1120, 16/1139 und 16/1159, und im Anschluss daran der Tagesordnungspunkt 22, Sportwetten: Die Gemeinwohlziele des Staates durch ein gesetzlich normiertes und kontrolliertes Lizenzierungsverfahren durchsetzen, aufgerufen.

Zu Beginn der Sitzung morgen Nachmittag werden die miteinander verbundenen Punkte 43, Misstrauensantrag gegen die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, Karin Röpke, und der Antrag außerhalb der Tagesordnung, Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungssausschusses, aufgerufen.

Die Abstimmung über den Misstrauensantrag, Drucksache 16/1148, erfolgt geheim in Wahlkabinen. Das Verfahren richtet sich nach Paragraf 58 Absätze 5 und 6 der Geschäftsordnung.

Wird das Wort zu den interfraktionellen Absprachen gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wer mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit den interfraktionellen Absprachen einverstanden.

(Einstimmig)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Fragestunde

Für die Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag) liegen 13 frist- und formgerecht eingebrachte Anfra

gen vor. Die Anfrage Nummer 9 wurde inzwischen von der SPD-Fraktion zurückgezogen.

Die erste Anfrage trägt die Überschrift „Webcams auf Bau- und Arbeitsstellen“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Reichert, Frau Peters-Rehwinkel, Jägers, Dr. Sieling und Fraktion der SPD.

Bitte, Herr Kollege Jägers!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie bewertet der Senat, dass Webcams auf Baustellen das Baugeschehen in Echtzeit ins Internet stellen?

Zweitens: Welche rechtlichen Probleme im Hinblick auf Datenschutz, Arbeitsrecht und Ähnliches ergeben sich?

Die Anfrage wird beantwortet von Herrn Staatsrat Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Fragen eins und zwei wie folgt:

Der Einsatz von Webcams auf Baustellen kann ein geeignetes Mittel sein, um den Fortschritt von Bauvorhaben öffentlich zu dokumentieren. Dies gilt auch für Bauvorhaben der öffentlichen Hand, die in der Regel mit Steuergeldern finanziert werden und bei denen deshalb ein besonderes Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger bestehen kann. So wird zum Beispiel der Baufortschritt beim CT IV in Bremerhaven regelmäßig im Internet dokumentiert.

Das Datenschutzrecht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und das Arbeitsrecht setzen dem Einsatz von Webcams allerdings enge Grenzen. Eine Darstellung des Baugeschehens im Internet ist grundsätzlich nur zulässig, wenn auf den veröffentlichten Bildern keine Personen gezeigt werden oder eine Identifizierung abgebildeter Personen zuverlässig ausgeschlossen werden kann oder eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt.

Eine Identifizierung abgebildeter Personen kann nur dann zuverlässig ausgeschlossen werden, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: Die technischen Einstellungen müssen so gewählt werden, dass auf den Bildern lediglich die Umrisse von Personen zu erkennen sind. Es dürfen keine beweglichen Bilder veröffentlicht werden, sondern nur in gewissen Zeitabständen aktualisierte Standbilder. Schließlich ist sicherzustellen, dass eine Identifizierung nicht anhand sekundärer personenbeziehbarer Merkmale – wie zum Beispiel durch Kfz-Kennzeichen – erfolgen kann.

Ein Verstoß gegen diese Grundsätze kann für den Verantwortlichen zivilrechtliche, ordnungsrechtliche und unter Umständen sogar strafrechtliche Konse

quenzen haben. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz kann von sich aus oder auf die Beschwerde eines Betroffenen hin als zuständige Aufsichtsbehörde Verstöße gegen das Datenschutzrecht rügen beziehungsweise unterbinden. Der Betroffene kann auf Unterlassung und möglicherweise auch auf Schadensersatz klagen oder Strafantrag stellen.

Soweit Bauvorhaben der öffentlichen Hand betroffen sind, ist nach Kenntnis des Senats den dargelegten rechtlichen Anforderungen bisher stets in vollem Umfang Rechnung getragen worden. – Soweit die Antwort des Senats!

Herr Kollege, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr, Herr Jägers!

Unter www.sparkassebremerhaven.de kann man einer Webcam folgen, die alle 2 Sekunden ein Bild einstellt. Würden Sie das noch unter gewisse Zeitabstände fassen, oder wie würden Sie das bewerten?

Bitte, Herr Staatsrat!

Das entzieht sich meiner Kenntnis und ist uns bisher nicht bekannt gewesen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Jägers!

Kamerahersteller werben damit, dass Webcams natürlich wetterfest sein müssen, dass man sie alternativ aber auch als Standort in Wohnungen einbauen könnte und dass es zwei getrennte Objektive gibt, Weitwinkel und Zoom. Ist Ihnen bekannt, dass es innerhalb der EDV Zoomfunktionen gibt?

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich bin technisch zwar ein Laie, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass man das technisch hinbekommt. Entscheidend ist ja die Frage: Was ist rechtlich zulässig? Das, was ich vorgetragen habe, schließt dies jedenfalls eindeutig aus. Es ist ja auch kein neues Thema. Schauen Sie sich das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 an! Dort ist diese Sache schon geregelt. Danach können technische Einrichtungen nur mit Zustimmung des Betriebsrates nach Paragraf 87 Betriebsverfassungsgesetz unter ganz engen Voraussetzungen zugelassen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht in zahlreichen Entscheidungen betont, und so gesehen, wenn ich das alles zusammenfasse, gibt es hinreichende rechtliche Rahmenbedingungen, um einen solchen Missbrauch auszuschließen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ist Ihnen bekannt, dass zirka 50 000 Betriebe des Baugewerbes nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz fallen, weil sie weniger als 6 Arbeitnehmer haben? Wer schützt diese eigentlich?

Bitte, Herr Staatsrat!

Das ist in der Tat ein Problem in Betrieben, wo es keinen Betriebsrat gibt. Deswegen ist es so sinnvoll, Betriebsräte auch dort zu haben.

(Abg. J ä g e r s [SPD]: Das geht ja rechtlich nicht!)

Ich kenne die Ursachen! Es findet in der Tat dies alles nicht statt, aber es besteht die Möglichkeit, nach dem Bremischen Datenschutzgesetz zu intervenieren. Der Datenschutzbeauftragte ist auch für betriebsratlose Betriebe zuständig. Natürlich ist es in Betrieben, wo keine Betriebsräte sind, nicht so einfach, sich zu wehren. Das ist bekannt.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wie oft kontrolliert der Beauftragte für Datenschutz denn so etwas? Schaut er im Internet nach, oder wie muss ich mir das vorstellen?

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich denke, damit ist man überfordert, weil das Internet unüberschaubar ist. Es bedarf schon konkreter Hinweise. Diesen wird der Datenschutzbeauftragte auch nachgehen.

Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Kollegin Reichert! – Bitte sehr!

Sie haben uns also versucht darzustellen, dass im Grunde genommen seit 1972 alles geregelt ist. Seitdem, das habe ich sogar gemerkt, ist die Technik einen Schritt weitergegangen. Es wird hier unterstellt, dass man keine Menschen oder Ähnliches auf diesen Bildern sehen kann. Selbst mir ist es gelungen, Standbilder zu vergrößern. Ich habe auf Anregung meines Kollegen Jägers ein bisschen im Internet gesurft und konnte mir wunderbar die Menschen und die Autokennzeichen heranzoomen, das ist heute alles möglich. Sehen Sie Handlungsbedarf, um in irgendeiner Form dort noch etwas zu verbessern?

Bitte, Herr Staatsrat!

Das Problem liegt auf der Hand. Wir haben natürlich auch Strafgesetze, und dennoch werden Tausende und Zehntausende von Straftaten im Lande Bremen begangen. Es ist leider so. Insofern haben wir auch keine Regelungsdefizite im Bereich der Gesetzgebung, sondern es fehlt möglicherweise am Problembewusstsein. Möglicherweise muss mehr im Bereich der Kontrolle getan werden.

Das ist natürlich ein sehr weites Feld. Wer soll das alles organisieren? Es ist nicht möglich, nun alle Baustellen daraufhin zu kontrollieren, ob dort Kameras eingesetzt werden. Wenn es konkrete Hinweise gibt – und ich denke, dass viele dazu aufgerufen sind, etwas zu tun –, dann müssten die entsprechenden Hinweise kommen, aber eine flächendeckende Kontrolle durch staatliche Organe kann man nicht verlangen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Reichert!

Es steht hier unter anderem, dass die Betroffenen selbst dagegen vorgehen können. Geben Sie mir recht, dass das sehr schwierig ist, weil der Betroffene, der heute etwas vorträgt und sagt, da passiert etwas auf der Baustelle, was den Gesetzen widerspricht, dann die längste Zeit dort seinen Arbeitsplatz gehabt hat?