Protocol of the Session on September 14, 2006

Ich finde, das ist die erste Bedingung, wenn man diesen Kräften entgegentritt, diese Frage von Zivilcourage und bürgerschaftlichem und politischem Engagement.

Ich will, weil auch zu Delmenhorst hier etwas gesagt worden ist, gern aus meiner Sicht darauf hinweisen, dass wir das Thema umfassender betrachten müssen. Wir hatten am letzten Sonntag die Kommunalwahlen in Niedersachsen. Dort hat es in verschiedenen Bereichen erschreckende Ergebnisse gegeben, den Einzug der NPD in einige Gemeinderäte.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Warten Sie Mecklenburg-Vorpommern erst einmal ab!)

Wir haben den Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, und ich muss sagen, was wir dort erleben, meine Damen und Herren, diese Übergriffe auf die Aktivitäten der demokratischen Parteien, machen mich auch als Sozialdemokraten sehr betroffen, denn der Erste, der sozusagen beim Plakatieren in das Krankenhaus musste, war wieder einmal ein Sozialdemokrat. Ich stelle vor allem fest, alle demokratischen Parteien sind davon betroffen, dass ihre Stände gestürmt werden, dass da Verhaltensweisen Einzug nehmen, die einer Demokratie nicht gerecht werden. Ich finde, Klaus Wowereit, der Bürgermeister von Berlin, hat recht, das ist eine Zumutung für die

Demokratie, was dort von rechts auf uns zukommt, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde aber, wir greifen in der Debatte zu kurz, wenn wir nur dieses Element der Aggressivität ins Auge fassen. Die rechten, neonazistischen Aktivitäten sind mittlerweile feiner geworden. Sie sind aggressiv, und gleichzeitig treten sie brav und ordentlich auf. Sie treten sozusagen mit Knüppeln und gleichzeitig mit der Advokatenfeder auf, denn das, was wir in Delmenhorst, im Heisenhof erleben, zeigt, dass dahinter nicht nur Kräfte stehen, die dumpf versuchen, autoritäre und andere Strukturen durchzusetzen, sondern es stehen richtige Ideologen dahinter, Leute, die mit Programm, Intelligenz

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Und mit Geld!)

und mit Geld versuchen, das zu verfolgen. Der Kollege Güldner hat völlig recht, damit wird die Gefahr richtig groß. Ich finde, wir sind gut beraten, wenn wir beide Seiten der Medaille dieser politischen Aktivitäten und Akteure sehen. Es geht darum, die Aggressionen, aber auch die Ideologen von rechts zurückzuweisen und diese Auseinandersetzung hier zu suchen.

Ich bin deshalb ganz bei meinen Vorrednern und will es einmal so zuspitzen: Ich habe für den 13. Mai 2007 ein Wahlziel. Für uns Sozialdemokraten, und ich glaube, ich kann gewiss sagen, wenn ich mir den Antrag anschaue, es ist ein Wahlziel, das alle demokratischen Fraktionen hier in diesem Hause haben, das auch Herr Wedler für die FDP teilt, heißt das Wahlziel: Herr Tittmann, Sie gehören hier nicht in das nächste Parlament! DVU und auch NPD haben nach dem 13. Mai 2007 hier keinen Platz!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das demokratische Bremen braucht dies nicht, und ich sage es auch, Herr Güldner hat auf die Auftritte in Sachsen hingewiesen, es ist sehr unterschiedlich, in welchem Gewande Sie daherkommen werden. Sie können als DVU oder als NPD daherkommen, das interessiert uns nicht. Wir werden uns in Bremen und Bremerhaven mit allen Kräften, die wir haben, dagegenstellen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe als erste Bedingung sozusagen, dass das zu schaffen ist, die Frage der Zivilcourage und des Engagements genannt. Ich möchte gern zwei weitere Bedingungen, die ich für die politische Grund

auseinandersetzung für wichtig halte, anfügen. Die erste ist die politische Haltung, die wir zum Zusammenhalt der Gesellschaft haben. Es ist eine ganz wichtige Angelegenheit, wie wir mit Minderheiten umgehen. Es darf kein Klima erzeugt werden, das schwierig ist. Ich will deshalb an dieser Stelle ausdrücklich ansprechen, weil es mich sehr gefreut hat, Herr Senator Röwekamp, wie Sie sich hier gestern zu der Diskussion um das Bleiberecht eingelassen und wie Sie deutlich gemacht haben, dass Bremen und Bremerhaven so etwas sind wie Zuwanderungsstädte. Mich hat dies sehr gefreut. Ich habe hier in diesem Hause auch schon andere Töne zu diesen Themen gehört, und ich finde, das war ein Weg in die Mitte der bremischen Gesellschaft. Das ist eine wichtige Haltung, ich bin froh, dass alle Fraktionen sie haben, um neonazistische, rechte Tendenzen zurückzuweisen. Wir müssen so weitergehen, Herr Senator!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Haltungsfrage ist die zweite Bedingung. Die dritte Bedingung ist die sozialen Lage, meine Damen und Herren. Es ist nicht zu bestreiten, dass das Aufkommen derartiger Tendenzen etwas damit zu tun hat, dass unsere Gesellschaft natürlich im Inneren auseinanderfällt. Die mittlerweile jahrzehntelange hohe Arbeitslosigkeit ist eine Ursache. Wir können heute zumindest in der Bremer Tageszeitung nachlesen, dass ein Datenreport im Zusammenhang mit der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen ist, in dem herausgearbeitet wird, dass ein großer Teil der Bevölkerung die soziale Lage für sich als bedrohlich empfindet und sich gleichzeitig mehr und mehr abwendet von der Demokratie.

Demokratie in Deutschland ist verbunden mit der sozialen Marktwirtschaft, das ist gut so. Wenn aber Demokratie verbunden wird mit einer neuen Marktwirtschaft, einer rein freien Marktwirtschaft, verbunden mit neoliberalem Gedankengut, dann begibt man sich in die Gefahr, dass die Leute Angst vor dieser Demokratie bekommen, die mit einer solchen Wirtschaftsordnung verbunden wäre. Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Wir sind in der Verpflichtung, auch in der Sozialpolitik, in der Bildungspolitik, aber natürlich auch in der Wirtschaftspolitik immer darauf zu achten, dass der soziale Zusammenhang gewahrt wird, dass die Schaffung von Beschäftigungsverhältnissen, von Arbeitsplätzen im Vordergrund steht. Wenn wir uns dem entziehen, werden wir einen Boden dafür bereiten, dass solche Ideologien wachsen können. Deshalb bin ich der Auffassung, gute Politik gegen Rechts ist gute Sozialpolitik und erfolgreiche, arbeitsmarktorientierte Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte zum Schluss darauf hinweisen, dass wir, glaube ich, in Bremen in guter Verbindung zu dem Engagement in Delmenhorst stehen. Es gibt viel Engagement auch gegen eine rechte Szene, die es in Bremen und Bremerhaven gibt. Ich verweise einmal auf die gute Arbeit, die im Lidice-Haus für Jugendliche gemacht wird. Ich verweise auch darauf, was mich sehr stolz macht, wie sich auch die Medien in Bremen damit auseinandersetzen. Ich möchte es hier auch nutzen: Christiane Kröger hat einen Preis bekommen, für die Bremer Tageszeitung hat sie ja sehr sauber und sehr gut recherchiert. Das ist wichtiges Engagement aus der Gesellschaft heraus. Das ist Mut, und ich denke, wir als Bremische Bürgerschaft können auch dies unterstützen.

Die Debatte heute, die Resolution, die wir hier einstimmig beschließen, umfasst das ganze Thema in unserer Auseinandersetzung gegen Rechts. Da stehen wir als demokratische Fraktionen alle zusammen, weil wir auch alle in eine Ecke gestellt werden sollen von diesen Kräften. Meine Damen und Herren, lassen Sie es uns gemeinsam weiter so angehen und am 13. Mai, wie gesagt, dafür sorgen, dass NPD und DVU in Bremen keinen Platz in dieser Bürgerschaft haben. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich auf der Besuchertribüne Jugendliche jüdischer und arabischer Herkunft aus unserer Partnerstadt Haifa.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, diese Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren haben sich der Stadt Haifa in der schwierigen Zeit der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Libanon als freiwillige Helfer zur Verfügung gestellt. Untergebracht sind sie in dieser Woche im Lidice-Haus in Bremen-Nord. Im Rahmen eines vom Kreisverband der AWO-Bremen entwickelten Besuchsprogramms besuchen sie mit ihren Betreuern Sehenswürdigkeiten in Bremen und Bremerhaven und natürlich auch das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Seien Sie ganz herzlich willkommen in der Bremischen Bürgerschaft!

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war bei diesem interfraktionellen Antrag von Anfang an mit einbezogen. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei den Initiatoren dieses Antrags bedanken! Ich stehe mit voller Überzeugung

hinter diesem Antrag. Deswegen bin ich auch mit vollem Herzen dabei, wenn wir nachher über diese Resolution abstimmen.

Wir alle, SPD, CDU, Grüne und FDP hier in diesem Hause, haben diesen Antrag gemeinsam gestellt. Wir bezeugen damit stellvertretend für unsere Parteien und als Landtagsabgeordnete auch für viele Bürgerinnen und Bürger der Städte Bremen und Bremerhaven Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Delmenhorst, die sich nicht damit abfinden wollen, dass in ihrer Nachbarschaft ein Schulungszentrum für Neonazis und andere Rechtsradikale eröffnet werden soll. Wir in der FDP finden es richtig, finden es auch ungemein wichtig, dass die verfassungstreuen Parteien in dieser Frage in diesem Hause über die Parteigrenzen, aber auch über die Grenzen unseres Bundeslandes hinweg zusammenstehen, denn diese Resolution eint uns auch über die Grenze des Bundeslandes Bremen hinweg mit den Kollegen in Niedersachsen.

Den in der letzten Zeit zunehmenden Provokationen von Rechtsradikalen muss entschlossen Einhalt geboten werden. So bereiten nicht nur die aggressiven und gewalttätigen Übergriffe im Landtagswahlkampf in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern erheblichen Anlass zur Sorge – darauf ist schon hingewiesen worden –, auch die Erfolge der NPD bei der jüngsten Kommunalwahl in Niedersachsen stimmen uns äußerst nachdenklich.

Sie, liebe Bremer Kollegen, haben sich vorgestern in der Stadtbürgerschaft bereits mit dem beantragten NPD-Aufmarsch in Gröpelingen beschäftigt. In dieser Sache stehen Sie auch nicht allein, wir stehen an Ihrer Seite und unterstützen das, was Sie da in der Stadtbürgerschaft beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Den Versuch, rechtsextreme Propaganda aggressiv zur Schau zu stellen, und das gezielt im Vorfeld des traditionellen Gröpelinger Gedenkens an die Novemberpogrome von 1938, kann und darf unsere Gesellschaft nicht widerstandslos hinnehmen. Deswegen stehen wir als FDP auch voll und ganz hinter der Diskussion, die in der Stadtbürgerschaft kürzlich stattgefunden hat.

Das, was in den vergangenen Jahren, vielleicht bestärkt durch das gescheiterte Verbotsverfahren, an Aktivitäten von der verfassungsfeindlichen NPD vorgebracht wurde, hat in Aggressivität, Öffentlichkeit und Ernsthaftigkeit eine neue Qualität erreicht, eine Qualität, über die sich vielleicht mancher, der nur hier mit den unsäglichen Auftritten des DVU-Alleinunterhalters in Kontakt geraten ist, vielleicht gar keine Vorstellung gemacht hat. Das ist etwas unterhalb dessen, was man strafrechtlich oder hier aus dem

Haus der Bürgerschaft heraus rügen könnte. Das ist der Wolf im Schafspelz, der sich hier äußert. Herr Dr. Güldner hat das vorhin sehr eindrucksvoll dargelegt, wie dieser dann nach außen und anderswo auftritt. Das ist nicht hinzunehmen, und dagegen müssen wir alle aufstehen, dass so etwas nicht passieren kann.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Versuche des Neonazis Rieger, zuerst mit dem Heisenhof in Dörverden und nun mit dem Hotel in Delmenhorst neofaschistischem und rassistischem Gedankengut einen festen Standort in Norddeutschland zu verschaffen, gehören genauso zu den Aktivitäten wie die sogenannte Aktion Schulhof, bei der Propaganda-CDs an Schülerinnen und Schüler in unserer Region verteilt werden beziehungsweise verteilt werden sollten.

Meine Damen und Herren, auch im Hinblick auf die anstehenden Bürgerschaftswahlen in Bremen und Bremerhaven muss für uns Antragsteller gelten, den Kampf gegen den Rechtsextremismus gemeinsam zu führen. Uns allen muss dabei klar sein, dass den Worten auch Taten folgen müssen. Herr Dr. Sieling, Sie haben bestimmte Modalitäten und Bedingungen aufgestellt, diese kann ich nur nachdrücklich und vollständig unterstützen, denn wir müssen politisch mit diesem Themen- und Gedankengut umgehen, und das sollte uns auch in unseren Bemühungen einen, hier Widerstand zu leisten.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bei allem politischen Meinungsstreit sollte ein Grundbestand an Gemeinsamkeiten eines freiheitlichen, demokratischen und sozialen Staatswesens verteidigt werden. Es reicht nicht, sich nur solidarisch zu erklären, wir müssen auch solidarisch handeln.

889 000 Euro, also fast 900 000 Euro, hat die Delmenhorster Initiative „Delmenhorst sagt Nein!“ bislang gesammelt, um das zu verhindern, was dort versucht wird, in die Wege zu leiten. Über 5000 Menschen haben sich auf der Internetseite www.fuerdelmenhorst.de als Unterstützer eingetragen, und in Gröpelingen finden erste Treffen der Gegner der NPDDemo statt. Das sind, denke ich, ermutigende Zeichen, die wir hier von dieser Stelle aus nachdrücklich unterstützen sollten. In diesem Sinne hoffe ich, dass das große Engagement der Bürgerinnen und Bürger von Delmenhorst einen erfolgreichen Abschluss nimmt, und bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn sich eine braune Kaderschmiede, eine Neonazi-Schule, im Herzen unserer Nachbarstadt Delmenhorst breitmachen will, dann ist das eine Bedrohung für uns alle, in Delmenhorst, in Bremen und wo auch immer wir in Deutschland leben. Wir alle, die wir in Deutschland leben, wir müssen gemeinsam sagen, wir können und wir werden und wir dürfen nicht zulassen, dass sich Neonazis Plätze und Straßen im Herzen unserer Städte unter den Nagel reißen und von dort Hetzkampagnen gegen andersdenkende, andersgläubige Ausländer lostreten. Das werden wir nicht zulassen, weder in Delmenhorst noch anderswo!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, alle Demokraten sind aufgerufen, sich dem entgegenzustellen. Hier ist es schon gesagt worden, und ich schließe mich dem ausdrücklich an, dies ist in beeindruckender Weise in Delmenhorst geschehen. Wie dort eine Stadt zusammensteht, das ist vorbildlich. Wie uns dort breites Engagement, breite Beteiligung an dieser Auseinandersetzung gezeigt wird, das ist eindrucksvoll, und deswegen ist es gut und richtig, dass wir heute von Bremen aus dem Parlament, und ich sage es ausdrücklich für den Senat, das Signal geben: Ganz Bremen steht in Solidarität und Unterstützung an der Seite der Delmenhorster, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Treiben der Neonazis in Delmenhorst – angesprochen worden sind Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, demokratische Wahlhelfer werden zusammengeschlagen, demokratische Wahlveranstaltungen werden gesprengt –,

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das kennen wir zur Genüge!)

all das zeigt, dass wir eine neue, eine starke Verantwortung aller Demokraten wiederbeleben und stärken müssen für ein freiheitliches, für ein soziales, für ein friedliches Deutschland. Dazu gehört, dass wir es niemals als normal betrachten werden, dass Neonazis in unseren Parlamenten sitzen, niemals!