Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 16/1010 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben diesen Dringlichkeitsantrag zum Thema Stalking schon vor geraumer Zeit eingebracht, deswegen ist es eigentlich auch kein Dringlichkeitsantrag mehr, sondern ein der Zeit angepasster Antrag.
Da wir nicht die Regelungskompetenzen besitzen, um Strafprozessordnung und Strafgesetzbuch zu ändern, soll dieser Antrag nur dazu dienen, das Verfahren in Berlin vielleicht etwas zu forcieren, zumindest zu unterstützen und ein Signal zu setzen. Wie notwendig dies bezüglich der Rechtsänderungen ist, zeigt nicht nur die Statistik, sondern zeigen auch zahlreiche Berichterstattungen über Stalking in all seinen Facetten. Grundsätzlich kann man sagen, dass in jedem Ablauf eine gewisse Ähnlichkeit zu erkennen ist. Es sind überwiegend Ehedramen, die sich vollziehen. Nach der Trennung verfolgt der ehemalige Ehemann die Frau und bedroht und belästigt sie. Im schlimmsten Fall bringt er sie um oder treibt sie in den Suizid.
Ich will nur kurz darauf eingehen, dass aktuell über einen Stalker berichtet wurde, der von der Polizei hier in Bremen überwältigt wurde, eine scharfe Schusswaffe bei sich trug und dann auch in Haft gekommen ist. Auch bei diesem Verlauf war es so, wie ich es gerade grundsätzlich geschildert habe. Leider musste der Mann wieder aus der Haft entlassen werden, weil es keinen konkreten Haftgrund gab. Hier wird auch die Bedeutung dieser Rechtsänderungen deutlich, die angestrebt sind.
Darüber hinaus gab es Berichterstattung über einen Achtundvierzigjährigen in Oldenburg beziehungsweise in Niedersachsen, der dreiundreißigmal auf seine Ex-Lebensgefährtin eingestochen hat. Es gab einen Fall in Kempten, wo ein Ehemann seine Frau erstach, nachdem er sie nach der Trennung hartnäckig belästigt hatte. Oder betrachten wir den Fall in Bremen im März 2005! Der Ehemann als Stalker bringt seine Frau nach Trennung und darauf folgenden erheblichen Belästigungen im Sinne von Stalking im Maritim-Hotel um, es bleiben zwei Kinder zurück. Ich meine, das sind erschütternde Beispiele dieses Kriminalitätsphänomens. Deshalb müssen wir auch dringend alle gemeinsam versuchen, in Berlin dazu zu kommen, entsprechende Regelungen zu treffen.
Die Problematik des Stalkings, aus dem Englischen übersetzt „sich an das Opfer heranpirschen“, in der rechtlichen Definition „die fortgesetzte Verfolgung, Belästigung und Bedrohung anderer Personen gegen deren Willen“, ist nach wie vor im kriminalpolitischen Sinne aktuell und von größter Relevanz mit zunehmender Tendenz. Die steigenden Tatzahlen sind, auch gerade hier in Bremen, unter anderem darauf zurück––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
zuführen, dass sich die Anzeigenbereitschaft der Opfer erhöht hat. Dies lässt sich nicht zuletzt auf die gute Aufklärungsarbeit und Bekämpfung dieses Phänomens Stalking durch Polizei und Staatsanwaltschaft zurückführen. Durch diese Anzeigenbereitschaft verringert sich auch die Dunkelziffer in diesem Deliktbereich und macht damit die Vielzahl der Fälle belegbar deutlich.
Meine Damen und Herren, alle Fachleute in den Verfolgungsbehörden sind sich einig, dass die derzeitige Rechtslage nicht ausreicht, um die Bekämpfung der Delikte im Stalking-Bereich effektiv und frühzeitig vornehmen zu können, um die Bedrohungsoder Verfolgungsspirale zu unterbrechen. Auch deshalb enden diese Stalking-Tragödien oft mit Mord oder Suizid. Derzeitige strafrechtliche und strafprozessrechtliche Regelungen sowie das Gewaltschutzgesetz oder das polizeirechtliche Wegweisungsrecht reichen nicht aus, um Stalking umfänglich und wirksam zu bekämpfen.
Deshalb, meine Damen und Herren, werden eigenständige, gesonderte strafrechtliche und strafprozessliche Regelungen unumgänglich. Es kann nicht länger hingenommen werden, dass die sich erfahrungsgemäß ständig verschärfende Bedrohungsspirale nicht unterbrochen werden kann und dass die Verfolgungsbehörden im Extremfall abwarten müssen, bis es zur Eskalation kommt. Opferschutz und Rechtsstaatlichkeit müssen auch in diesem Deliktfeld vollständig hergestellt werden.
Meine Damen und Herren, ursprünglich sollte der vorliegende Antrag schon, ich hatte es am Anfang gesagt, wesentlich eher debattiert werden. Leider konnten wir aus verschiedenen Gründen erst heute zu dieser Debatte kommen. Gleichwohl können wir heute feststellen: Die große Koalition in Berlin hat auf der Basis der Koalitionsvereinbarungen und einer Bundesratsinitiative die erste Lesung für entsprechende Gesetzesänderungen durchgeführt. Derzeit wird nach meinen Informationen in den zuständigen Ausschüssen des Bundestags darüber beraten.
Für die CDU-Fraktion ist das ein erfreulicher Umstand, weil das unendliche Leid für viele Menschen, das durch diese kriminellen Vorgehensweisen potentieller Täter entsteht, zielgerichtet, zeitnah und wirkungsvoll bekämpft werden kann, wenn es zum Abschluss eines Strafstandbestands Stalking kommt und die Strafprozessordnung mit einem entsprechenden Haftgrund versehen wird.
Im Kern sind sich alle politischen Kräfte in Berlin einig, ein solches Straf- und Strafprozessrechtänderungsgesetz zu verabschieden. Allerdings gibt es in einem Punkt unterschiedliche Auffassungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat. Deshalb hat der Bundesrat auch den Entwurf der Bundesregierung vom Februar 2006 über ein Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen abgelehnt. Die Entwürfe
verschiedener Länder, insbesondere Bayerns, beinhalten die Ergänzungen der Strafprozessordnung in Paragraph 112 a. Dabei geht es um die sogenannte Deeskalationshaft. Gefährliche Stalking-Täter können damit aus dem Verkehr gezogen werden. Aktuellen Informationen zufolge sollen sich Bundesregierung und Bundesrat weitgehend geeinigt haben. Insofern besteht berechtigte Hoffnung auf den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens.
Meine Damen und Herren, in jüngster Zeit sind, wie ich am Anfang schon sagte, massive Fälle von Stalking bekannt geworden, bei denen Opfer aufgrund des vom Täter verursachten Terrors in ihrer Lebensführung schwerwiegend beeinträchtigt wurden. Zum Beispiel verließen sie ihre Wohnung nur noch selten und gegebenenfalls unter Schutzvorkehrung, oder sie mussten auch ihre Arbeitsstelle und ihren Wohnsitz wechseln. Es sind auch mehrere tragische Fälle mit tödlichem Ausgang bekannt geworden. Dabei sind potentiell alle Bevölkerungsschichten betroffen. Daher, meine Damen und Herren, muss den Opfern das Gefühl der Hilflosigkeit genommen werden. Das Vertrauen zur Rechtsstaatlichkeit und Rechtsordnung wird für Betroffene letztlich nur über den Weg der Ergänzung des StGB und der StPO herzustellen sein.
Leider, das muss man in diesem Zusammenhang sagen, ist die letzte rotgrüne Bundesregierung hier zu zögerlich herangegangen, so dass es erst jetzt berechtigte Hoffnung auf entsprechende Regelungen gibt. Das Gewaltschutzgesetz war schon ein Schritt in die richtige Richtung, es reicht aber nicht aus.
Meine Damen und Herren, wie sehen die angestrebten Neuregelungen nun im Wesentlichen aus? Im Strafgesetzbuch wären folgende Tatbestände einzufügen: Beeinträchtigung der Freiheitssphäre des Opfers, Belästigung des Opfers – Angst, Schrecken und Abscheu –, der Täter muss unbefugt und gegen den Willen des Opfers handeln, Gesundheitsschädigung, auch von Angehörigen oder nahe stehenden Personen, Misshandlungen, auch von Angehörigen oder nahe stehenden Personen, und Verursachung des Todes, das heißt, das Opfer wird in den Suizid getrieben. In der Strafprozessordnung sind das die Deeskalationshaft, die Inhaftierung und Privatklagedelikt bei schwerer Belästigung nach Paragraph 238 StGB. Das sind die Kernpunkte, die in diese Gesetzgebungswerke einfließen müssten und sollen.
Die Medien haben bis in die jüngste Vergangenheit, ich habe es am Anfang vorgetragen, zu Recht immer wieder aufgerufen und deutlich gemacht, dass es sich bei diesen Delikten um Taten handelt, die eine entsprechende kriminelle Energie und zum Teil krankhafte Züge voraussetzen. In mehreren Fällen sind die Opfer zu Tode gekommen, in den Suizid getrieben oder nach langer Drangsal getötet worden. Deshalb und weil auch in Bremen die Fallzahlen steigen, verfolgen die Polizei und Staatsanwaltschaft in hervor
Bremen ist, das will ich noch einmal hervorheben, in dieser Hinsicht mit den Verfolgungsbehörden sehr gut aufgestellt. Das Personal ist entsprechend geschult, die Kriminalpolizei weist einen ausgewiesenen Fachmann für Stalking auf, und ein entsprechendes Kommissariat wird angestrebt. Kriminalprävention durch Informationsblätter als Hilfen für Opfer von Stalking und häuslicher Gewalt sind in Bremen längst Praxis. Bereits 2001 initiierte die Polizei Bremen als Erste in Deutschland ein Stalking-Projekt. Sie definierte kriminalpolizeiliche Präventionsziele, zum Beispiel Kenntnisse über das Stalking-Phänomen vermitteln, diese auf- und ausbauen, Beamte sensibilisieren oder auch abschätzen, wie hoch die Gefahr für das Opfer ist, zu analysieren, welche Gefährdung vom Täter ausgeht. Als Ansprechpartner wurden Stalking-Beauftragte in den Polizeiinspektionen eingesetzt. Alle Fälle von Stalking werden erfasst, auch wenn noch keine Straftat vorliegt. Auffällig ist auch, dass bundesweit vermehrt Jugendliche als Stalker auftreten, auch bedingt durch moderne Telekommunikation wie Handys und Internet.
Meine Damen und Herren, das Gewaltschutzgesetz von 2002 war, ich sagte es schon, ein Schritt in die richtige Richtung und hat vermehrten zivilrechtlichen Schutz bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie Verweisungen aus Ehewohnungen gebracht. Aber ausreichend war und ist diese Regelung nicht, um den Verfolgungsbehörden die wirksamen Instrumentarien zur gezielten Verfolgung von Stalking in die Hand zu geben. Bis zu abschließend brauchbaren Regelungen wird der Bundestag hoffentlich nicht mehr lange brauchen. Die Signale jedenfalls lassen hoffen. Über die gesetzgeberischen Maßnahmen hinaus werden auch elektronische Datenbanken und Vernetzungen mit benachbarten Polizeidienststellen, mit denen Erkenntnisse und Daten ausgetauscht werden, hilfreich bei der Bekämpfung von Stalking sein.
Zum Beschlussvorschlag möchte ich anmerken, dass er in gewisser Weise zwischenzeitlich überholt ist. Dennoch bitte ich, ihn so zu interpretieren, dass der Wille der Bremischen Bürgerschaft zum Ausdruck kommt, entsprechende Regelungen im Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung einzufügen, damit zivilrechtliche Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes fortgeschrieben werden. Ich hoffe, dass wir uns in diesem Sinne alle darunter versammeln können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass wir uns in der großen Koalition weitestgehend einig sind
(Abg. D r. S c h u s t e r [SPD]: Da bin ich einmal gespannt! – Abg. K n ä p p e r [CDU]: Da bin ich auch gespannt!)
Es gibt allerdings einige kleine Anmerkungen, die ich noch machen muss. Wir sind uns einig, es muss etwas geschehen. Wir sind auch froh darüber, dass in Berlin die Sache vorangeht. Wir wissen nach einer Studie des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim, dass immerhin zwölf Prozent der Bevölkerung schon Opfer von Stalking geworden sind. Opfer sind meistens Frauen. Opfer und Täter kennen sich, häufig stellt der Ex-Partner seiner Ex-Partnerin nach. Da ist also vieles, was sich so im engeren persönlichen Bereich abspielt, und es geht vom Auflauern über das Telefonieren bis hin zu schweren Körperverletzungen, Totschlag und Mord.
Manches davon ist bereits strafrechtlich erfasst, es gibt ja verschiedene Tatbestände, die ich eben angesprochen habe, aber es gibt eben auch einen erheblichen Handlungsbedarf. Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, gerade weil ja häufig Frauen Opfer sind: Nach einer Studie des Familienministeriums ist jede dritte Frau, das ist eine erschreckende Zahl, finde ich, in ihrem Leben schon einmal von ihrem Partner verprügelt worden. In solchen sich auflösenden Beziehungen finden wir also ganz viele unterschiedliche Formen von Gewalt, psychischer Gewalt bis hin zu physischer Gewalt. Das sind erschreckende Umstände.
Nun ist es ja nicht so, dass nichts geschehen ist, sondern der Gesetzgeber ist durchaus zu Taten geschritten und hat das Gesetz geändert. Seit 1997 immerhin ist die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Das muss man sich vorstellen, bis dahin war das straffrei! Zum 1. Januar 2002 ist das Gewaltschutzgesetz des Bundes in Kraft getreten, wonach einem Täter durch einen Gerichtsbeschluss gewisse Auflagen gemacht werden können, er kann für mehrere Monate aus dem Haus gewiesen werden. Bremen hatte bereits Ende 2001 das Wegweisungsrecht beschlossen, seitdem können Polizeibeamte einen Gewalttäter für einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen aus der Wohnung verweisen. Es gibt immerhin mehrere hundert solcher Wegweisungen, die seitdem stattgefunden haben.
Dennoch, da sind wir uns einig, fehlt eine präzise gesetzliche Grundlage für viele dieser Fälle, die wir angesprochen haben. Es fehlt insbesondere eine Möglichkeit, schnell und effektiv in den Fällen zu reagieren, in denen besonders aggressive Täter schwere Taten begehen. Wir haben uns deshalb auch als SPD frühzeitig dafür eingesetzt, dass nicht nur das zivilrechtliche Gewaltschutzgesetz geändert wird, sondern dass sich auch im Strafgesetzbuch etwas ändern soll. Wir sind dafür eingetreten, dass ein neuer
eigener Straftatbestand geschaffen werden soll, der abschrecken und der Polizei bessere Eingriffsmöglichkeiten geben soll. Dazu zählt nach unserer Auffassung auch, auch wenn es öffentlich gelegentlich anders behauptet wird, dass in besonders krassen Fällen Untersuchungshaft angeordnet werden kann.
Wir haben daran gedacht und denken immer noch daran – und wir sehen gute Chancen, dass das jetzt in Berlin auch beschlossen wird, so wie die Dinge jetzt laufen –, dass ein eigener Haftgrund für diese Fälle in die Strafprozessordnung aufgenommen wird, der eine Inhaftierung dann erlaubt, wenn Wiederholung von Stalking droht und schwere gesundheitliche Schäden beim Opfer zu befürchten sind. Wir wollen nämlich vor allem die Opfer besser schützen. Dafür brauchen wir eine bessere Regelung.
Wir sind darüber hinaus natürlich auch dafür, dass die Regelungen des Gewaltschutzgesetzes verändert werden. Da ist im Gespräch, dass die Tatbestände konkretisiert und präzisiert werden, um die es geht, und es ist auch im Gespräch, dass im Wiederholungsfall, also bei wiederholten Verstößen gegen gerichtliche Anordnungen, die Strafandrohung erhöht werden soll. Das ist auch ein Weg, der neben der Änderung des Strafgesetzbuches verfolgt werden soll.
Das ist alles ganz vernünftig, finde ich, was wir hier diskutieren. Was ich nicht verstehe, was viele von Ihnen nicht verstehen und was, glaube ich, auch die Öffentlichkeit zum Teil nicht versteht, ist, warum eigentlich diese Änderung dieser gesetzlichen Regelungen so lange dauert,
weshalb es ein so langes Gerangel um die verschiedenen Vorschläge gegeben hat. Herr Herderhorst, ich muss Sie da ein bisschen korrigieren: Ich habe es auch bedauert, dass die rotgrüne Koalition in Berlin an diesem Punkt nicht weitergekommen ist. Mich erinnert das so ein bisschen an die Debatte um Graffiti und Sachbeschädigung, da war es so ähnlich. Man war sich einig, es sollte etwas passieren, aber die letzten Schritte wurden nicht getan. Das lag aber nicht nur daran, dass Rotgrün so viele Bedenken hatte, Herr Herderhorst, sondern das lag mit Sicherheit auch daran, dass von Ihnen, nicht von Ihnen persönlich, aber von Ihrer Partei, Forderungen aufgestellt wurden, die viel zu weit gehen.
Das, was jetzt vorliegt, die Einigung, auf die sich die Bundesregierung und der Bundesrat verständigt haben, ist eine Regelung, die verfassungsrechtlich gangbar ist, mit der die Tatbestände so genau bestimmt sind, dass die Gerichte damit umgehen können. Damit ist die Kritik vom Tisch, die wir an den ursprünglichen Vorschlägen einiger Bundesländer for