Protocol of the Session on June 15, 2006

Wenn nun die Länder allein für die Lehre zuständig sein sollen, dann ist doch völlig klar, was dann passieren wird: Gerade ärmere Länder werden anfangen, ihre Studienplätze abzubauen. Auch in Bremen können wir das mit den HEP-fünf-Planungen wunderbar beobachten. Das ist das Gegenteil von dem, was wir in Zukunft brauchen. Bereits jetzt haben wir einen negativen Bildungssaldo, das heißt, wenn die Hochqualifizierten der Babyboomerjahrgänge in Rente gehen, werden wir nicht mehr ausreichend Nachwuchskräfte haben, um die Arbeitsstellen wieder zu besetzen. Das ist das Gegenteil von dem, was uns zukunftsfähig machen wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zukunftsfähigkeit ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Daher ist es notwendig, dass der Bund die Länder in der Lehre unterstützt und ihnen hilft, ausreichend Studienplätze zur Verfügung zu stellen.

Ein weiterer Punkt ist, dass grundsätzlich auch ausreichend Geld für den Hochschulbau zur Verfügung stehen muss. Es kann nicht sein, dass perspektivisch nur noch Hochschulbau in den Bundesländern

stattfindet, die sich die Kofinanzierung leisten können, und in den Ländern, in denen man sich die Kofinanzierung nicht mehr leisten kann, der Hochschulbau dann nicht mehr stattfindet.

Bremen ist in der Vergangenheit beim Hochschulbau gut weggekommen. Wie das dann in Zukunft sein wird, sind wir sehr gespannt. Bei Großgeräten gab es immer eine Bagatellgrenze von fünf Millionen Euro, das soll nach den jetzigen Planungen auch so bleiben. Da hat sich jetzt schon gezeigt, dass Bremen dort nie etwas bekommen hat im Vergleich zu BadenWürttemberg und Bayern. Auch hier muss sich aus unserer Sicht einiges ändern, dass wir da auch eine Chance haben.

Nun hat Frau Schavan angekündigt, dass sie in einem Hochschulpakt 2020 all diese Probleme lösen will, aber da sagen die Sachverständigen auch, dass das im Grunde nicht möglich ist. Man kann keine folgenreiche Verfassungsreform mit der Klärung der Kompetenzen begründen und gleichzeitig an einem Vertrag arbeiten, der ganz offensichtlich diese neue Verfassungsregelung umgehen will und das zum Ziel hat. Das geht nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Bildungsbereich! Auch der Bereich Bildung und Erziehung eignet sich nicht, um ihn in den einzelnen Länderinteressen aufzusplitten. So ist die überwiegende Mehrheitsmeinung der Sachverständigen! Bremen hat in der Vergangenheit zum Beispiel massiv vom Ganztagsschulbundesprogramm sowohl inhaltlich als auch finanziell profitiert. 28 Millionen Euro sind allein hierfür nach Bremen geflossen, die zum Auf- und Umbau von Schulen genutzt wurden. Das Bundesprogramm hat in Bremen positive bildungspolitische Impulse gesetzt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nachdem Bremen jahrelang bundesweit Letzter bei der Gründung und Einführung von Ganztagsschulen auf der Landkarte war, ist es jetzt weit vorn. Statt drei Ganztagsschulen verfügt Bremen nun über 35 Ganztagsschulen, 23 sind noch auf der Warteliste.

Ebenfalls muss die gute Arbeit der Bund-LänderKommission erhalten bleiben, damit so positive Programme wie Sinus – das ist ein Programm zur Förderung der mathematischen Kompetenz – erhalten bleiben. Auch hier hat Bremen in der Vergangenheit inhaltlich wie finanziell profitiert. Diese Folge bestreitet letztlich in Bremen noch nicht einmal die CDU, soweit ich die Debatte mitbekommen habe.

Bildung braucht Kooperation von Bund und Ländern, bildungspolitische Kleinstaaterei darf es nicht geben. Im Interesse der Eltern und Kinder muss es

eine Abstimmung über Bildungsziele und Standards geben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Mittlerweile stehen wir mit unserer Kritik auch nicht mehr allein da, sondern bis weit in die SPD hinein wird das Kooperationsverbot mittlerweile kritisch gesehen. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagt, das Kooperationsverbot müsse in jedem Fall heraus. Auch bei der CDU gibt es offenbar eine neue Nachdenklichkeit, so sagt der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, wir sollten das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern für die Hochschulen aufheben, da Forschung und Lehre nicht zu trennen sind.

Einer der wenigen, die immer noch verbohrt in die falsche Richtung laufen, ist unser Exchef der Senatskanzlei, Professor Reinhard Hoffmann, der als Sachverständiger Bayerns in der Expertenanhörung saß und tatsächlich der Auffassung ist, dass ein Ganztagsschulprogramm für die Zukunft explizit ausgeschlossen werden muss. Ich frage mich: Wo war er die letzten Jahre hier in Bremen? Wo hat er die Bildungspolitik beobachtet?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch die Lehre soll seiner Auffassung nach alleinige Ländersache sein. Dieser Mann agiert offenbar gegen die Interessen Bremens nicht nur in der besagten Anhörung, sondern ganz offensichtlich auch in der Vergangenheit, als er Bremer Mitglied in der alten Föderalismuskommission war.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch das haben wir in diesem Haus mehrfach kritisiert. Es ist wünschenswert im Interesse Bremens, dass der Senat und die große Koalition endlich den Mut haben, das Ruder herumzureißen und in die richtige Richtung weiter zu gehen, anstatt alte Männer der vergangenen Zeit zu schützen, die in der Föderalismuskommission gravierende Fehler gemacht haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Fazit: Wir wollen einen Föderalismus, der Wert legt auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und sie sicherstellt, und keinen Wettbewerbsföderalismus, bei dem die armen Bundesländer nur verlieren können. Daher bitten wir Sie, dass Sie Einsicht zeigen und unseren Anträgen hier zustimmen werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da die Grünen jetzt mit drei Rednern alle Punkte einzeln aufgelistet haben, bitte ich es zu entschuldigen, wenn ich vielleicht zwei Minuten gleich überziehe, weil ich alle vier Anträge gleich mit abhandeln möchte. Aber bevor ich zu den Anträgen und Einzelanträgen der Grünen komme, möchte ich einige Dinge allgemein zur Föderalismusreform und deren Konsequenzen für unser Bundesland ansprechen.

Die in unserem föderalen System verankerte grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung des Bundes ist Bestandteil der so genannten Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes. Dennoch zeigten die wiederholten, teils auch parteipolitisch motivierten Blockaden der Gesetzgebungsverfahren durch den Bundesrat insbesondere in den achtziger und neunziger Jahren, aber auch Anfang des Jahres 2000, dass es einer grundlegenden Änderung bedarf, die die zustimmungspflichtigen Gesetze durch eine Neuordnung der Kompetenzen reduziert, um die permanent drohende Lähmung des politischen Lebens zu beseitigen. Kernpunkte der Reform sind sowohl die Reform der Mitwirkungsrechte des Bundesrats durch Abbau von Zustimmungsrechten, die Reform der Gesetzgebungskompetenzen als auch eine klare Zuordnung der Finanzverwaltung. Die klare Zuordnung der Finanzverwaltung ist eben sehr wichtig, weil es Punkte betrifft, die Sie auch in Ihren Anträgen angesprochen haben.

Das Kernproblem der föderalen Finanzverfassung liegt im mangelnden Anreiz, die regionale Wirtschaft zu stärken und Steuerquellen zu pflegen. Derzeit bleibt nur ein Bruchteil der Mehrerträge, die aus Wirtschaftsund Finanzkraftwachstum entstehen, im jeweiligen Bundesland. Der überwiegende Teil kommt der Ländergemeinschaft zugute, und damit kann der Föderalismus seine Effizienzpotentiale in den einzelnen Ländern nicht entfalten. Bremen ist hier das eklatanteste Beispiel für die Abweichung vom Prinzip einer leistungsgerechten Steuerzuordnung, die insbesondere Länder mit hohen Einpendlerquoten betreffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Diese inadäquate Zerlegung muss geändert werden, damit wir einen stärkeren Anreiz zum Ausbau unserer Wirtschaftskraft und zur Ansiedlung von Unternehmen bekommen, um somit unsere Steuerkraft zu verbessern.

Unsere bundesstaatliche Ordnung bedarf der Modernisierung, das wissen wir seit langem. Darüber besteht auch seit langem Konsens. Wie eine gute Reform aussehen sollte, war der Gegenstand der Diskussion der letzten sieben, acht Jahre, 1999 fing es ja schon an. Die jetzt vorgeschlagene Reform ist ein ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Kompromiss zwischen vielen Beteiligten. Dazu gehört – und das ist klar –, dass niemand zu 100 Prozent zufrieden sein kann. Aber es ist ein Kompromiss mit vielen Gewinnern. Die Reform verteilt Kompetenzen neu, macht das föderale System handlungsfähiger und durchschaubarer und stärkt so unsere Demokratie, meine Damen und Herren.

Die Zuständigkeit von Bund und Ländern wird klarer abgegrenzt. Die Gesetzgebung wird weniger kompliziert. Bundesgesetze werden künftig wieder vom Bundestag gemacht. Die Zustimmungs- und Vetorechte des Bundesrates werden deutlich reduziert. Die Föderalismusrefom bedeutet einen wichtigen Schritt zu mehr Bürgerfreundlichkeit. Die Bürger und Bürgerinnen sollen in Zukunft leichter nachvollziehen können, wer für welche Entscheidung Verantwortung trägt.

(Beifall bei der CDU)

Das ist den letzten Jahren vielfach verwischt, und keiner weiß mehr, wer wofür zuständig ist. Das bedurfte einer ganz deutlichen Klärung, und das ist mit dieser Reform gemacht worden.

Die Bundesländer, die in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Kompetenzen abgegeben haben, werden jetzt wieder gestärkt. Sie sind zukünftig umfassend für die Verwaltung zuständig. In die Schulpolitik kann der Bund nicht hineinreden. Jedes Land kann zeigen, jeder Bürger kann sehen, wer hier die besseren Konzepte hat.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Hochschulpolitik wird Ländersache. Die Länder tragen künftig wieder Verantwortung für die eigenen Beamten. Das sind drei sehr wichtige Punkte.

Gegenüber einer vollständigen Kompetenzübertragung an die Länder bietet das neue Instrument der Abweichungsgesetzgebung den Vorteil, dass die Länder, die mit dem Bundesrecht zufrieden sind, es übernehmen können, den anderen Bundesländern jedoch die Möglichkeit gegeben wird, für ihre Bereiche eine abweichende Gesetzgebung zu realisieren. Das ist ein Punkt, der von Ihnen mehrfach angesprochen worden ist, der viel Kritik ausgelöst, aber auch viel positive Reaktionen hervorgerufen hat. Ich finde, dieses neue Instrument sollte erst einmal erprobt werden, bevor es kaputtgemacht wird, bevor es eigentlich eingesetzt worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Außer einer Reihe von einzelnen Materien aus der bisherigen Rahmen- und der konkurrierenden Kompetenz des Bundes wie Presse-, Versammlungsrecht oder Ladenschluss sind vor allem zwei Komplexe, in

denen die langjährige schleichende Kompetenzverlagerung von den Ländern auf den Bund umgekehrt wird. Zum einen wird den Ländern die in den siebziger Jahren auf den Bund übertragene Regelungskompetenz für das Dienstrecht, die Besoldung und die Versorgung der eigenen Landesbeamten und Richter wieder zurückübertragen. Zum anderen werden den Ländern künftig durch eine Neuregelung des Artikels 84 des Grundgesetzes bei der ihnen seit jeher obliegenden Ausführung der Bundesgesetze durch die Landesverwaltungen bezüglich der Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren und der Behördeneinrichtung das letzte Wort erteilt. Sie haben durch das Abweichungsrecht von etwaigen Bundesregelungen das letzte Wort. Insgesamt schafft die Reform deutlich mehr Kompetenzen innerhalb der Länder. Deswegen glaube ich auch, dass sich die Länder insgesamt als Gewinner der Reform fühlen können, denn die Kompetenzlage in den Ländern wird deutlich verbessert.

(Beifall bei der CDU)

Dazu einige Beispiele! Vor allem in der Bildungsund Hochschulpolitik, wo die Länder bis jetzt schon eine zentrale Rolle spielten, entsteht jetzt ein zusammenhängender Politikbereich in der Verantwortung der Länder. Das Hochschulrecht wird künftig nicht mehr durch rahmengesetzliche Vorgaben des Bundes beschränkt, sondern fällt eindeutig in die Regelungskompetenz der Länder. Der Bund erhält im Gegenzug eine neue, konkurrierende Kompetenz zur Regelung der Hochschulzulassungen und der Hochschulabschlüsse. Dort werden die Länder künftig durch die neue Regelung des Abweichungsgesetzes von diesbezüglichen Regelungen abweichen können.

Die Wahrnehmung der Rechte der Bundesrepublik Deutschland in der EU wird nach dem neuen Gesetz vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter übertragen, wenn im Schwerpunkt ausschließlich Gesetzesbefugnisse der Länder auf dem Gebiet schulische Bildung betroffen sind. Ebenso wird die Organisations- und Personalhoheit der Länder gestärkt werden, indem die Kompetenz für das Dienstrecht, die Besoldung und die Versorgung der Landes- und Kommunalbeamten und Richter auf die Länder zurückverlagert wird.

Die Länder erhalten weiterhin neue Gesetzgebungskompetenzen für Versammlungsrecht, Strafvollzug, Notariat, Heimrecht, Ladenschlussgesetz oder Gaststätten- und Presserecht. Der Bund erhält im Umweltbereich konkurrierende Kompetenzen für den Naturschutz, in der Landschaftspflege sowie im Wasserhaushalt. Bei diesen neuen Bundeskompetenzen, bei denen bisher nach Artikel 75 des Grundgesetzes die Länder das Recht zur Gesetzgebung hatten und der Bund nur Rahmenregelungen erlassen konnte, dürfen die Länder künftig vom Bundesrecht abweichende Regelungen treffen. Wir finden das sehr positiv, bei Ihnen ist es andersherum. Sie sind jedoch an verfas

sungs-, völker- und europarechtliche Vorgaben gebunden.

Meine Damen und Herren, alle diese Änderungen sind in einem langen ausführlichen Prozess mit vielen Beteiligten verabredet und geeinigt worden. Jetzt das Paket an einer oder mehreren Stellen wieder öffnen zu wollen bedeutet, die gesamte Reform in Frage zu stellen. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist schwer genug gefallen, diesen Kompromiss zu erzielen, der von allen im Großen und Ganzen als sehr gut angesehen wird. Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese vier Punkte, die jetzt hier von Ihnen angesprochen worden sind, insgesamt nicht das Gros dieser Reform ausmachen. Sie sind aber natürlich ein wichtiger Bestandteil dieser Reform.

Jetzt zu Ihren einzelnen Punkten! Bildungspolitik! Die Bildungspolitik, insbesondere die Schulpolitik, ist eine der Kernkompetenzen der Länder. Das habe ich eben schon gesagt. Durch die geplanten Änderungen im Zuge dieser Föderalismusreform sollen die Zuständigkeiten im Schulbereich gestärkt werden. Wir haben in den einzelnen Bundesländern ganz unterschiedliche Aufgabenstellungen und Probleme. Diese müssen vor Ort gelöst werden, meine Damen und Herren. Deswegen befürworten wir die geplante Stärkung der Länderkompetenzen.