Protocol of the Session on June 14, 2006

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Klar ist: Wohnungsbauprojekte, die wir in Bremen nicht realisieren, werden im Umland realisiert.

(Beifall bei der CDU)

Klar ist, die Menschen suchen Wohnraum. Klar ist, andere Städte wie Hamburg definieren sich da ganz

selbstbewusst, dass sie eine wachsende Stadt sein wollen. Bremen ist seit fünf Jahren eine wachsende Stadt. Wir haben Einwohnerrückgewinne und Einwohnerzugewinne, und die Menschen wollen wohnen, sowohl die Familien als auch die Senioren als auch generationsübergreifende Adressen. Die Adressen, die wir in Bremen nicht anbieten, werden irgendwo anders angeboten, und es wird zu einer Zersiedlungspolitik führen, die zusätzliche Verkehre produziert und keine umweltgerechte Politik ist.

(Beifall bei der CDU)

Vor dem Hintergrund ist es doch nur konsequent, in Bremen Angebote zu entwickeln, im Programmbereich an Wall und Weser insbesondere eine Adressierung für Menschen zu haben, die in den siebziger Jahren aus Bremen hinausgezogen sind und nun zurückwollen. Wir haben einen riesigen Nachfragedruck, gerade von älteren Menschen, die zurück in die Stadt wollen, die an der Urbanität, der Kultur und dem Straßenbahnsystem der Stadt teilhaben wollen. Da müssen wir Beiträge leisten, und wir dürfen nicht immer dagegen sein!

(Beifall bei der CDU)

Das ist kein Widerspruch dagegen, dass wir unabhängig davon auch Angebote für junge Familien machen wollen. Wir wollen nicht die Politik und die Fehler der siebziger Jahre wiederholen. Wir wollen jetzt nicht die Menschen ins Umland hinausdrängen, auf dass sie in 20 Jahren zurückkommen, weil die Familien in den großen Gärten und Häusern nicht mehr da sind, weil sie keine Lust mehr haben, ihren Lebensabend damit zuzubringen, im Grunde genommen nur noch Gartenpflege zu betreiben. Sie wollen teilhaben am Leben, und deswegen müssen wir jetzt schon eine entsprechende Adressierung anbieten, und das fängt bei den jungen Familien an.

(Beifall bei der CDU)

Ich füge hinzu, wir müssen uns auch die Quartiere mit Großwohnanlagen anschauen. Da habe ich ja auch etwas versöhnlichere Töne gehört zu den Themen Stadtumbau West, Wohnen in Nachbarschaften. Wir sind sehr sorgsam dabei, auch dort die Adressierung und die Quartiersbildung auf ein besseres Niveau zu heben. Wir sind mit knapper werdenden Mitteln trotzdem dabei, ganz gezielt mit ganz viel Initiative vor Ort auch gemeinschaftlich dafür zu sorgen, dass es Spaß macht, in diesen Quartieren zu leben. Das heißt auch, dass man Rückbau betreiben und auch in diesen Quartieren neue Adressen finden muss, und zwar seniorengerechte Adressen. Das ist auch Ausdruck unserer Wohnungsbaupolitik.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich darf Ihnen sagen, wir sind da sehr erfolgreich. Wir waren auch in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Im Jahr 2005 haben wir einen Anstieg an Baugenehmigungen von 22 Prozent gehabt, völlig gegen den Bundestrend. Der Bundestrend hatte einen Rückgang von zehn Prozent. Das heißt im Klartext, was wir hier betreiben, ist eine Politik für die Menschen, die in diesen beiden Städten wohnen wollen. Es ist aber auch eine Politik für die Selbständigkeit unseres Landes.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wichtig ist, dass wir Arbeitsplätze haben, aber wichtig ist auch, dass die Menschen, die in Bremen Arbeit finden, auch in Bremen wohnen können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Am Ende haben wir das Steuerzerlegungsprinzip. Nach dem Steuerzerlegungsprinzip, das wissen Sie, bleibt das Wenigste, was wir an eigener, originärer Wirtschaftskraft haben, bleibt nur ein Bruchteil dessen tatsächlich im Land, weil vieles in das Umland abwandert, und zwar nach dem Wohnortprinzip.

Ein bisschen vermisst habe ich auch eine Vision, wie sich beispielsweise die Grünen vorstellen, wie die Zukunft dieser beiden Städte sein soll.

(Abg. Frau D r. M a t h e s [Bündnis 90/ Die Grünen]: Gehen Sie einfach einmal ins Internet, da finden Sie das!)

Wir wollen den Flussraum zurückentwickeln, wir wollen die Überseestadt als Adressierung haben. Es gibt eigentlich nur Kritik. Es gibt Kritik an Mitteln, die in die Innenstadt gegangen sind. In Wirklichkeit ist die Innenstadt heute lebendig. Jeder wird bestätigen können, wenn man sich die Schlachte anschaut, dass das ein Gewinn für die Innenstadt ist, dass es Spaß macht, dass die Leute wieder gern in der Innenstadt sind. Jeder wird bestätigen: Das sind die Mittel, über die wir reden, die Sie hier kritisieren, das müssen Sie einfach wissen! Machen Sie sich da nichts vor!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die Wahrheit ist aber auch, dass wir heute mit weniger Mitteln auskommen müssen. Das ist auch eine Konsequenz, die natürlich der Situation geschuldet ist, dass wir Haushaltsnotlageland sind.

Frau Kummer hat zu Recht darauf hingewiesen: Wir haben uns sehr reduziert, und das auch mit vielen ganz schwierigen Gesprächen. Vor Ort haben wir zum Teil Anmeldungen von über 40 Millionen Euro auf 8,6 Millionen Euro zurückbauen müssen. Ich sage Ihnen ganz offen: Da liegen jetzt die Schwerpunkte auch in den Nebenzentren, in den Quartieren vor Ort, weil wir auch dort die Lebensqualität entsprechend

entwickeln und auch dort aufpassen müssen, dass die Zentralität nicht verloren geht. Wir müssen aufpassen, dass kleine urbane Zentren für die Nahvorsorge auch in Zukunft einen Beitrag leisten, und das müssen wir auch mit Mitteln der Wohnungsbau- und der Städtebaupolitik unterstützen. Das ist etwas, was Sie hier kritisieren, aber im Grunde genommen fehlt ein anderer Entwurf. Das hat etwas damit zu tun, dass wir alte Siedlungsachsen in der Stadturbanität stärken und die Siedlungsachsen und die Siedlungsbänder entsprechend aufwerten.

Ein Zukunftsprojekt ist mit Sicherheit das Thema Überseestadt, und ich bin dankbar, dass angesprochen wurde, dass wir zumindest an dieser Stelle offensichtlich, was die Innenstadteinbindung und auch die ÖPNV-Anbindung angeht, einen großen Einklang haben. Das ist ein wahnsinnig positives Zukunftsobjekt. Hier wird sich in Bremen Zukunft abspielen, und auch dort gilt selbstverständlich: Die Infrastrukturmaßnahmen, die dort auf den Weg gebracht wurden, sind schon relativ beachtlich. Es muss auch noch mehr passieren, aber hier gilt tatsächlich das, was auch schon im Bereich Wirtschaft diskutiert wurde: Da, wo Dritte kommen und Investitionen tätigen wollen, wollen wir auch möglich machen, dass diese die Investitionen tätigen können.

Wenn man sich anschaut, was dort heute schon passiert im Speicher XI, in der Feuerwache V, die Energieleitzentrale als Zentrum für Kultur, aber eben auch Speicher XVI und XVII als Bürostandorte oder die neueren Projekte, Speicher I für Lofts, 96 Büroetageneinheiten sind dort an den Mann gebracht worden, zwei sind, glaube ich, noch frei, habe ich mir sagen lassen, obwohl das Ganze erst vor einem halben Jahr an den Markt gegangen ist! Wenn man sich in dem Gebiet das ehemalige Eduscho-Zentrum anschaut, eigentlich ja eine Brache, heute ein neuer, sehr moderner Bürostandort, der sich auch an ganz innovative Köpfe adressiert, auch adressiert an Menschen, die sagen: Wir wollen nicht in den alten Räumen der Stadt bleiben, wo sich früher einmal Büro entwickelt hat, sondern wir wollen ganz bewusst an einer Adresse sein, die etwas mit Hafen und Wasser zu tun hat und wo auch ein bisschen Lärm von nebenan kommt. Das machen wir, das halten wir aus, das wollen wir, das gehört zur Zentralität einer Stadt.

Ich darf Ihnen sagen, dass die Projekte weiter voranschreiten werden. Neue Themen werden sein: Für das Hafenhochhaus wird es eine Nutzung geben, und am Weserbahnhof gibt es zwei zusätzliche neue Gebäude, die dort entstehen werden. Das heißt, wo wir entsprechend diese attraktiven Angebote marktfähig machen, werden sie auch angenommen, und sie tragen damit wesentlich dazu bei, dass sich dieses Land so entwickeln kann, um auch zu einer Wirtschaftskraftstärkung zu gelangen.

Ich möchte ganz gern kurz das Thema ÖPNV ansprechen, weil mir das in der Diskussion insgesamt ein bisschen zu kurz gekommen ist. Ich finde, man

muss nicht immer nur die kontroversen Dinge in den Vordergrund stellen, sondern man kann auch ein paar Dinge ansprechen, bei denen wir erfolgreich einvernehmlich einer Meinung sind. Ich glaube, dazu gehört die Stärkung des ÖPNV, die einen Schwerpunkt abbildet auch in der Verkehrspolitik der großen Koalition, auch das in immer schmaleren Budgets, aber trotzdem wird es die Verlängerung der Linie eins bis nach Mahndorf geben. Das heißt, wir werden auch den Weserpark damit vernünftig angebunden haben. Die Linie zwei wird nach Osterholz weitergeführt werden. Das hilft auch, um die Quartiersbildung in Tenever noch vernünftiger in den Verkehr einzubinden, und die Linie zehn wird das Daimler-ChryslerWerk anbinden. Im Klartext: viele neue ÖPNV-Angebote und Zukunftsprojekte! Das ist nicht alles etwas, das sich in diesem Doppelhaushalt abbildet, aber es ist etwas, das in diesem Doppelhaushalt auf den Weg gebracht wird.

Zur Linie vier ist eben schon etwas gesagt worden. In der Tat, die Umbaumaßnahmen am Concordiatunnel sind Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Realisierung der Linie vier. Übrigens, wenn wir das nicht tun, müssen wir Bundesförderung zurückgeben. Auch das haben Sie leider völlig ausgeblendet.

Positiv ist, dass die A 281 hier einen großen Konsens hat. Der Ausbau der B 74 ist strittig. Ich darf Ihnen sagen, Frau Krusche, ich lade Sie einmal nach Bremen-Nord ein. Wir fahren einmal gemeinsam dorthin.

(Abg. Frau K r u s c h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich bin da öfter!)

Ich zeige Ihnen, wie das dort aussieht. Ich zeige Ihnen, mit welcher verkehrlichen Randsituation der größte Industriearbeitgeber in Bremen-Nord zurzeit auskommen muss, das ist die Maschinenfabrik Krause mit über 1000 Arbeitsplätzen. Davon gibt es leider nicht so viele in Bremen-Nord. Es gehört zur Wahrheit, dass sie vernünftig anzubinden sind. Die Industriegebiete Farge-West und Farge-Ost gehören dazu, aber es sind eben auch neue Siedlungsbänder, die wir dort entwickeln, die wir sorgsam Stück um Stück mitten in der Stadt auch wieder zurückgewinnen können.

Zum Thema Ökologie und Umweltschutz! Weil da nun schon gestern die ersten Märchen erzählt wurden, ist es mir schon ein Bedürfnis, dass ich dazu auch etwas sagen möchte. Selbstverständlich gibt es eine Mittelbindung der Haushaltsstellen, so wie sie hier vom Haushaltsgesetzgeber, also dem Parlament, beschlossen wird. Das sind etwas über 700 000 Euro für Umweltprojekte und Umweltverbände. Darüber werden wir Zug um Zug in der Deputation sprechen müssen, was denn zu fördernde Umweltprojekte sind. Ich sage ganz offen, es gibt einen Diskurs zwischen Umweltverbänden und auch Teilen der Verwaltung, ob alle Projekte über Verbände gemacht werden müssen, die auch zum Teil über die Verwaltung in

diziert werden. Ich finde aber, es ist ein Streit, der sich lohnt, weil wir uns dann auch mit Inhalten auseinander setzen. Ich füge hinzu, das ist etwas, das im Konsens abzubilden ist. Im Gegensatz zu der Mär, die dort verbreitet worden ist, sind bereits jetzt – das müssten eigentlich alle Mitglieder der Deputation wissen – 300 000 Euro für Verbände entsprechend bewilligt worden.

Was die Schwerpunktsetzung angeht, kann ich Ihnen sagen, dass wir Umweltpolitik heute auch als Innovationspolitik begreifen. Ich denke, dass Bremen hier hervorragend positioniert ist, insbesondere, was die Themenfelder Windenergie, Offshore-Windenergie, Repowering von Altanlagen anbetrifft, durch eine Vernetzung von Angeboten, insbesondere in Bremerhaven mit über 140 Unternehmen und Verbänden und der Hochschule in Bremerhaven, die sich dort zusammengetan haben. Wir sind heute weltweit führend! 60 Prozent der Produkte, die im Zusammenhang mit Windenergie in Bremerhaven hergestellt werden, gehen in den Export. Wir sind hier Innovationsweltmeister, und Länder wie die USA fragen nach. Wir können gar nicht die ganze Nachfrage bedienen.

Im Klartext: Innovation und Energie- und Umweltpolitik hängen heute eng zusammen. Der Kollege Focke hat angesprochen, dass es auch andere Felder gibt. Solarenergie steht im Schwerpunkt, aber auch eine vernünftige Energiepolitik, die sich abbildet – da kann man dann auch den Kreis schließen, was das Ressort Bau, Umwelt und Verkehr anbelangt –, die sich auch in Bebauungsplänen abbildet. Wir sind dazu übergegangen, energieeffizientes Bauen zu fördern und Verträge mit Bauträgern auf den Weg zu bringen, dass man sich auch verpflichtet fühlt, nachhaltige Energieformen bei diesen Bebauungsplänen entsprechend abzubilden. Das ist etwas, was sehr konkret ist. Das ist nicht nur sozusagen heiße Luft, sondern das sind konkrete Maßnahmen, wie man CO2-Ausstöße für die Zukunft vermindern kann, ohne dass wir dabei auf den Einwohnergewinn zu verzichten haben. Insofern denke ich, dass wir dort vernünftig aufgestellt sind, und ich bedanke mich!

(Beifall bei der CDU)

Zum Themenkomplex sieben, Bau, Umwelt und Verkehr, liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Dann kommen wir zu dem letzten Themenkomplex, nämlich zur Schlussrunde.

Ich erteile Frau Kollegin Linnert das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht liegt es auch daran, dass nach so vielen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Stunden Haushaltsdebatte die Konzentration ein bisschen nachlässt, oder vielleicht hat es auch etwas mit den Politikbereichen zu tun, die wir dann letztendlich heute Nachmittag zuletzt diskutiert haben. Jetzt sind wir in dem alten Spiel von Grabenkämpfen gelandet, auch mit steigender Tendenz, ohne dass fiskalische Gegebenheiten auch nur einen Rest von Bedeutung gehabt haben wie bei diesem bizarren Streit zwischen dem Ausweisen von Neubaugebieten, wo ja immerhin die Stadt die Erschließung auf Kredit bezahlen muss, und der Innenentwicklung. Dieser Streit ist früher einmal unter ganz anderen Vorzeichen und mit einer ganz anderen Haushaltslage als heute geführt worden.

Ich frage Sie einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Ist es wirklich so, dass Sie glauben, dass es Bremen in Zukunft möglich sein wird, dass man all das, was Sie gern möchten, was wir hier vielleicht sogar gemeinsam wollen, hier in einer Haushaltsdebatte aneinanderreihen und erzählen kann, wie wichtig das alles für die Zukunft Bremens ist, ohne dass Sie sich auch nur an einer einzigen Stelle der Herausforderung stellen müssen, dieses damit verbundene Geldausgeben auf die Frage hin zu überprüfen: Was bringt es für die Zukunft an Schulden, und was bringt es für die Zukunft an Nutzen? Das kann doch wirklich nicht wahr sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie reden hier so, als sei das Geldausgeben eine Tugend per se, und das können Sie so nicht weiter machen! Wenn Sie glauben, dass die Menschen Sie dafür wählen, dann irren Sie sich. Das wird man Ihnen hier in dieser Stadt so nicht durchgehen lassen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist unangenehm, und es macht auch keinen Spaß, sich hier zu betätigen als jemand, der der Bevölkerung gegenüber Nein sagen muss. Ich habe dafür menschlich großes Verständnis, aber wenn Sie sogar hier in dieser Debatte noch nicht einmal ansatzweise eine Bereitschaft erkennen lassen, sich mit den fiskalischen Grundlagen unseres Staates auseinander zu setzen, sondern sich das eine Wirtschaftsförderprojekt, das neue Bau- und Straßen- und sonstwie Wohnungsbauprojekt wünschen, ohne auch nur einen Fetzen an Gedanken daran zu verschwenden – –.

(Abg. F o c k e [CDU]: Einwohner bringen Geld, die kosten nichts!)

Ja, Einwohner gewinnen ist richtig! Dann müssen Sie sich nach den gesetzlichen Vorgaben gefallen lassen, dass Sie hier vorrechnen müssen, was die kreditfinanzierte Erschließung von Baugebieten kostet, und was es bringt, wenn man dann im Jahr 2015 –

Originalton Frau Winther vorhin – die entsprechenden Effekte im Haushalt hat. So geht das einfach nicht!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)