Protocol of the Session on January 25, 2006

(Abg. I m h o f f [CDU]: Das würde er heute nicht mehr sagen!)

Dort heißt es, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Gerade in Zeiten knapper Kassen und schwieriger Sparentscheidungen ist es umso notwendiger, für eine höchstmöglichste Transparenz bei der Entscheidungsfindung zu sorgen. Ich schließe mich ausdrücklich dem Vorschlag des Bürgerschaftspräsidenten Christian Weber an, auch die Deputationssitzungen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir werden jetzt auf den Koalitionspartner zugehen, um für diesen Vorschlag zu werben.“ Soweit das Zitat und soweit die vollmundigen Worte!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Doch Taten gab es leider keine! Offensichtlich konnte sich die große Koalition wieder einmal nicht einigen. Das Ergebnis ist, die Probleme werden ausgesessen, Neuerungen werden nicht angegangen, es wird überhaupt nichts beschlossen, nicht einmal solche Dinge wie die Öffnungen der Deputationen und parlamentarischen Ausschüsse, die nichts kosten würden.

Meine Damen und Herren, zusammengefasst: Wir Grünen wollen natürlich eine Entscheidung in unserem Sinne. So, wie die Änderungen des Gesetzes heute hier zur Abstimmung stehen, das wäre ein echter Demokratiegewinn! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen ist eine ganz frühe Errungenschaft des Rechtsstaates gewesen. Parlamentssitzungen ohne Öffentlichkeit sind nicht denkbar. Funktionale Teile des Parlaments sollen nichtöffentlich tagen, das bedarf eigentlich besonderer Gründe. Besondere Gründe können sein, dass Personalentscheidungen getroffen werden, es kann sich um den Schutz personen- oder wirtschaftlich bezogener Daten handeln. Es leuchtet schwer ein, wenn man sagt, die alltägliche parlamentarische Auseinandersetzung stellt einen besonderen Grund dar, die Öffentlichkeit auszuschließen.

In den USA wurde infolge der Gesetzgebung zur Informationsfreiheit der „Government in the Sunshine Acts“ schon in den sechziger Jahren festgelegt, dass auf allen Ebenen des Bundes und auf allen Ebenen der Gliedstaaten der USA Kollegialsitzungen von öffentlichen Einrichtungen in der Öffentlichkeit stattzufinden haben. Begründet wurde das damit, dass die Transparenz staatlichen Verhaltens erfordert, dass Entscheidungsfindungen staatlicher Gremien grundsätzlich in der Öffentlichkeit stattfinden. Insofern würde ich in Abwandlung dieses „Government in the Sunshine Acts“ hier gern stehen und sagen, Abgeordnete, zur Sonne, zur Freiheit!

(Heiterkeit)

Zur Transparenz gehört aber auch mitzuteilen, wie unser Abstimmungsverhalten sein wird, und unser Abstimmungsverhalten ist, Frau Dr. Mathes, wie Sie eben vorausschauend verkündet haben, negativ. Wir haben uns nicht einigen können. Gesetze werden nur dann geändert mit der Koalitionsmehrheit, wenn wir uns einigen. Die Einigung liegt leider nicht vor, also sind wir naturgegeben dazu gezwungen, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich finde das schade, der Vorschlag der Grünen ist im Grundsatz gut, über Ein

zelheiten hätte man diskutieren müssen. Ich wäre sehr dafür, die Öffentlichkeit in Deputationen und Ausschüssen herzustellen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Pflugradt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben die Regelung seit 1975, und zwar einstimmig noch zu Zeiten der Ampelkoalition so beschlossen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: 1975 war es nicht die Ampelkoa- lition!)

Zu der Zeit, als diese Regelung beschlossen wurde, gab es die Ampelkoalition, liebe Frau Kollegin!

(Abg. F o c k e [CDU]: 1995!)

Entschuldigung! 1995! Da habe ich mich versprochen. Im April 1995 haben wir das so beschlossen, und zwar einstimmig. Die Sitzungen der Deputationen sind in der Regel nichtöffentlich. Die Deputationen können beschließen, zu einzelnen Verhandlungsgegenständen öffentlich zu tagen. Bei den Ausschüssen ist es so geregelt, dass die Ausschüsse zu Beginn ihrer Arbeitsaufnahme darüber entscheiden, ob sie öffentlich oder nichtöffentlich tagen. Sie können jederzeit für einzelne Verhandlungsgegenstände von diesem Beschluss abweichen. Es ist auch so, dass mehrere Ausschüsse beschlossen haben, prinzipiell öffentlich zu tagen. Das sind der Rechtsausschuss, der Medienausschuss und der Hafenausschuss.

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Der Jugendhilfeausschuss auch!)

Der Jugendhilfeausschuss auch, sehr schön!

Es gibt andere Ausschüsse, das haben selbst die Grünen nicht beantragt, wo es per se nicht geht, öffentlich zu tagen, nämlich zum Beispiel beim Petitionsausschuss. Das ist auch gesetzlich so geregelt, dass es nicht geht, weil der Kollege Tschöpe davon gesprochen hat, man müsste bei der Ausschusssitzung eigentlich generell öffentlich tagen und so weiter. Selbst Sie werden zugestehen, dass solch ein Ausschuss nicht öffentlich tagen kann.

Es ist so, dass die Deputationen zwar nicht prinzipiell öffentlich tagen, dass aber Betroffene zu den Sitzungen eingeladen werden können. Bei der Bildungsdeputation ist es so, das habe ich mir sagen lassen, dass die Gesamtschülervertretung daran teilnimmt, dass der Stadtring aus Bremen und Bremerhaven da

ran teilnimmt, dass Vertreter des ZEB aus Bremen daran teilnehmen und hin und wieder auch die Handelskammer. Bei der Sozialdeputation sind es die Wohlfahrtsverbände, die LAG nimmt daran teil, bei der Sportdeputation ist es der Landessportbund, der daran teilnimmt, die jeweiligen Betroffenen werden da also einbezogen. Bei der Baudeputation haben wir die Regelung, dass der Behindertenbeauftragte, wenn er will, dabei sein kann, also diejenigen, die unmittelbar davon betroffen sind, können auch daran teilnehmen.

Nun wird gesagt, sie sollten prinzipiell öffentlich tagen. Wir wissen aus der Baudeputation, wir haben manchmal 50 Tagesordnungspunkte. Woher soll der Bürger aus Hemelingen, aus Huchting oder aus Blumenthal wissen, dass sein Bebauungsplan gerade dabei ist? Im Übrigen, dazu komme ich gleich noch einmal, können wir die Bebauungspläne alle nicht öffentlich beraten, weil immer Rechte Dritter davon betroffen sind. Bei diesen Dingen müssen wir die Öffentlichkeit sowieso ausschließen.

Wenn dann aber einmal Dinge dabei sind, die beraten werden sollen, woher sollen die Bürger das wissen? Frau Wischer, Sie wissen doch auch, wie ellenlang die Tagesordnungen sind. Woher soll ein Bürger wissen, wenn wir das wirklich ernst meinen und das wirklich glaubwürdig vertreten, dass Sitzungen öffentlich sind, woher soll ein Bürger wissen, dass das beraten wird? Dann müssen wir alle Tagesordnungen, die wir haben, unter amtlichen Bekanntmachungen veröffentlichen, sonst geht das nicht. Wir stellen doch jetzt schon fest, zum Beispiel bei Bebauungsplanverfahren, dass die Leute, wenn wir die Bebauungspläne öffentlich auslegen, es doch nicht mitbekommen, denn wer liest denn immer diese ellenlangen öffentlichen Bekanntmachungen! Das ist doch genau das Problem.

Wenn ich dann nehme, dass wir bei den Deputationen auch Verwaltungsausschüsse haben, vielfach dort Verwaltungshandeln behandeln! Insofern hört es sich schön an, wenn Frau Dr. Mathes sagt, wir wollen Transparenz. Das ist ein Demokratiegewinn. Das ist ein Vorgaukeln von Demokratie, liebe Frau Dr. Mathes. Das ist jedenfalls meine Auffassung.

Ich würde mir wünschen, wenn Herr Weber denn schon sagt, wir wollen die Öffentlichkeit herstellen, sich hier einmal umzuschauen, wir haben die Öffentlichkeit doch hergestellt. Drei Leute sind hier und ein Bediensteter.

(Abg. G r o t h e e r [SPD]: Das Mikrophon dürfen Sie nicht vergessen! – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Und die Kameras!)

Das Mikrophon, da haben Sie Recht! Wie viele Leute hören und sehen draußen wohl zu? Lieber Herr Grotheer, die Leute kommen wahrscheinlich deswe

gen nicht hierher, weil sie das jetzt im Fernsehen sehen können.

(Abg. F o c k e [CDU]: Im Offenen Kanal! Ganz Bremen sitzt davor? – Heiterkeit)

Im Offenen Kanal, ganz Bremen sitzt davor, das ist richtig!

Als wir das noch nicht hatten, war die Zuschauerresonanz auch nicht größer. Ich finde, es wäre gut, wenn das Haus, die Verwaltung oder wer auch immer dafür sorgen, dass mehr Leute hierher kommen. Das wäre ein Anfang.

(Beifall bei der CDU)

Wir bemühen uns im Übrigen darum. In der letzten Bürgerschaftssitzung hatten wir auch immer Besuchergruppen hier. Man sollte sich verstärkt bemühen, dass man zu bestimmten Sachverhalten, wenn sie denn hier diskutiert werden, die Leute hier auch einlädt. Dann ist das auch glaubwürdig, und es ist ernsthaft gemeint, aber zu sagen, wir wollen zu den einzelnen Dingen die Leute einladen! Ich habe mir einmal ein paar Tagesordnungen mitgebracht und will sie einfach durchgehen. Bevor ich aber zu den Tagesordnungen komme, will ich noch einmal sagen, viele Dinge, die wir in den Deputationen beraten, und die Baudeputation ist die Deputation, die am meisten damit zu tun hat, werden in den Beiräten vorher diskutiert.

(Abg. F o c k e [CDU]: In öffentlichen Sitzungen!)

In öffentlichen Sitzungen, herauf und hinunter, zum Beispiel bei diversen Bauvorhaben, bei Baugebieten! Bevor wir überhaupt Bebauungsplanverfahren machen, wird darüber diskutiert, siehe Osterholzer Feldmark!

Wir haben hier übrigens schon darüber diskutiert. Es ist doch nicht so, als würden solche Dinge unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Dinge, die öffentlichkeitswirksam und von Bedeutung sind, werden in den Beiräten behandelt. Dafür haben wir auch immer wieder gekämpft und gesorgt. Frau Möbius, Sie werden das bestätigen, als wir mit den Beiräten darüber diskutiert haben, das haben Sie zum Beispiel gesagt, das war noch in der letzten Legislaturperiode, da war Frau Wischer Bausenatorin, die Beiräte haben ausdrücklich die Bauverwaltung und die Baudeputation gelobt, weil dort die Beteiligung der Beiräte, und dort ist sie auch am notwendigsten, immer sichergestellt ist.

(Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Meistens!)

Meistens! Auch da passieren Fehler, wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler! Das will ich gern zugestehen.

Nun nehmen wir einmal die Sitzung der Wirtschaftsförderungsausschüsse! Die Genehmigung des Protokolls interessiert wahrscheinlich keine Öffentlichkeit. Ich gehe einfach einmal die Tagesordnung durch, damit man sich das nicht nur theoretisch, sondern auch einmal praktisch ansieht: Aufstellung der Mittelbindung, Ziel-II-Programm des Landes Bremen – das würde einen unheimlichen Run auf die Wirtschaftsförderungsausschüsse auslösen, wenn wir das öffentlich diskutieren – Fortführung der Aufgaben der Außenwirtschaftsförderung und der nationalen Akquisition durch die BIG, die Bereitstellung eines Mittelrahmens für Vor- und Nachlaufkosten, Gewerbeerschießung Bremer Vulkan, BWK! Das ist hinauf und hinunter in Bremen-Nord diskutiert worden. Weiterentwicklung des Güterverkehrszentrums, Realisierung eines Querbauwerks, das ist auch vor Ort diskutiert worden. Dann die Programmplanung Mittelzentrum Vegesack, Maßnahmen im Umfeld des Vegesacker Hafens! Das ist auch hinauf und hinunter im Beirat Vegesack behandelt worden, es ist dort alles bekannt.

(Zuruf des Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grünen])

Dann kommt doch keiner! Da gaukeln wir den Leuten doch etwas vor, wenn wir sagen, wir wollen da Öffentlichkeit herstellen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grünen])

Wo es notwendig ist, da stellen wir sie her, und das haben wir in bestimmten Ausschüssen auch gemacht. Das hat aber doch mit der Verbesserung der Demokratie und mit der Erhöhung der Transparenz nichts zu tun. Anschließend gehen wir dann hin und sagen: Aber wir haben doch öffentlich getagt, warum sind Sie nicht gekommen? Dann werfe ich doch plötzlich den Bürgern etwas vor, denn sie hätten ja hinkommen können. Ich finde, sie haben dann auch eine gewisse Verpflichtung, hinkommen zu müssen, wenn sie Bedenken haben. Wenn ich dann aber öffentlich tage und sie nicht kommen, dann sieht das auch ein bisschen komisch aus.

Zum Beispiel Ziel II, Aufbau eines Kompetenzzentrums Rotorblatt, das können wir gar nicht öffentlich diskutieren und entscheiden. Aufbau eines neuen Labors des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz, auch das könnten wir nicht öffentlich diskutieren. Ich kann so weitermachen. Ich könnte auch einmal die Tagesordnung des Haushaltsausschusses nehmen. Auch da wollen Sie ja, dass er öffentlich tagt, bis auf die Veräußerung von Vermögensgegenständen, Auflistung der noch abzuarbeitenden

Aufträge aus den Sitzungen der Haushalts- und Finanzausschüsse, die Brüsselreise des Ausschusses!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das wäre sehr interessant! – Abg. Frau L i n n e r t [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das erfährt die Öffent- lichkeit doch sowieso! Was ist davon ge- heim?)

Wir gaukeln doch den Leuten etwas vor, wenn wir sagen, das wollen wir öffentlich diskutieren. Die bremischen Ressorts im Städte- und Ländervergleich, Vorfinanzierung betriebswirtschaftlich rentabler Maßnahmen, Controllingberichte der Eigenbetriebe und Museumsstiftungen, Nachtragshaushalt und alles das, ich kann die anderen Tagesordnungspunkte weiter so durchgehen!

Dann nehme ich doch einmal die Tagesordnung der Sportdeputation. Man muss doch einmal an konkreten Sachverhalten diskutieren: Genehmigung des Protokolls, das ist, glaube ich, uninteressant. Bericht der Verwaltung zum Sportentwicklungsplan! Dazu ist der Landessportbund da, den interessiert das auch, und er beschäftigt sich damit. Aber da kann ich nicht sagen, das will ich öffentlich diskutieren. Im Übrigen wird es vor Ort viel besser diskutiert in den einzelnen Beiräten, weil es da angesprochen wird.