Er verspricht, Argumente, Diskurs in den Mittelpunkt seiner Politikform zu rücken. Er verspricht, Mut zu machen, all das ist richtig, und er verspricht weniger Schönrederei. Hoffen wir es einmal!
Er verspricht auch, weil er über sechs Jahre Fraktionsvorsitzender war, einen anderen Umgang mit dem Parlament. Seine Personalentscheidung, wer jetzt Staatsrat in der Senatskanzlei werden soll, gibt vielleicht Hoffnung, dass dieses Versprechen dem Parlament gegenüber auch eingelöst werden könnte. Auch das würde sicherlich zu einer Verbesserung der Politik in Bremen beitragen.
Die Kritik der Grünen an dem, was Sie hier vorgetragen haben und was die Mitteilung des Senats ist, bezieht sich auf zwei zentrale Punkte, die ich hier kurz darlegen will. Der erste Kritikpunkt ist, dass wir und die Öffentlichkeit es Ihnen nicht durchgehen lassen werden, dass Sie hier so tun, Herr Bürgermeister Böhrnsen, als seien Sie urplötzlich wie ein Vogel aus dem Nest in das Rathaus gefallen. Sie sind jetzt Bürgermeister einer Koalition, die Sie selbst als in Agonie liegend, nicht mehr fähig für eine konstruktive Politik, so nicht mehr als zukunftsfähig angesehen haben, und das fanden wir auch ziemlich zutreffend.
Es ist nach wie vor richtig, dass dieser Koalition die Gemeinsamkeiten fehlen, und wenn man sich jetzt einmal auch die Posse aus den letzten Tagen, nämlich um die gescheiterte Härtefallkommission, die erst ewig umkämpft, dann angekündigt, dann beschlossen und jetzt wieder einkassiert wurde, anschaut, dann weiß man, was bei Ihnen eigentlich in Wirklichkeit los ist und welches Maß Ihre Regierungsunfähigkeit längst erreicht hat.
Sie, Herr Bürgermeister Böhrnsen, tragen die Verantwortung für den parlamentarischen Teil der Politik der letzten Jahre mit. Der parlamentarische Teil wiegt schwer. Das wissen Sie selbst. Das Parlament ist viel mächtiger, als es denkt und sich häufig an Macht nimmt. Sie haben hier leider den Kanzlerbrief
schwindel wieder aufgewärmt, obwohl ich ganz genau weiß, dass Sie der Auffassung sind, dass man es so nie hätte machen dürfen. Das hat Sie aber nie davon abgehalten, Haushalte zu beschließen, in denen dieser ungedeckte Scheck auftauchte.
Sie sind es gewesen, der vielleicht nicht gern oder mit Grummeln im Bauch letztendlich mit beschlossen hat, dass Bremen als Staat in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zerfällt, wichtige strategische Teile wie Wirtschaftsförderung, wie das Managen der Gewerbeflächen, wie die Beratung von Firmen im Reich der Wirtschaft, wie der gesamte Hafenbereich ausgegründet werden und sowohl die parlamentarische Kontrolle als auch, wie wir gestern in der Fragestunde sehr gut sehen konnten, die Kontrolle der Exekutive über unsere Tentakeln völlig daniederliegt. Das ist auch Ihr Werk!
Sie sind es auch gewesen, der als Fraktionsvorsitzender beschlossen hat, dass alle möglichen Bereiche unseres Haushalts in Sondervermögen und Sonderhaushalten versteckt werden, zum Teil dann von den Gesellschaften verwaltet, über die wir jetzt mit steigender Tendenz gern reden. Als Handlung hat sich bisher wenig getan. Da sagen Sie in Ihrer Rede, es dürfe nirgendwo der Verdacht aufkommen, wir wollten die ganze Wahrheit über unseren Schuldenstand nicht wissen oder nicht wahrhaben. Verdacht? Welchen Verdacht meinen Sie denn? Das weiß doch jeder, dass wir es nicht wissen wollten! Deshalb ist es doch extra gemacht worden. Von Ihnen, halten zu Gnaden, ist es beschlossen worden, damit wir den anderen Bundesländern nicht sagen müssen, welches Investitionsvolumen in Wirklichkeit vorgenommen worden ist, weil es uns selbst zu viel wurde, was wir da getan haben. Deshalb wurde das versteckt.
Jetzt sollen wir es hervorzerren. Das finde ich auch! Ich sage Ihnen aber, da werden Ihnen die Augen tränen! Ob Sie dann wirklich den Mut haben, alle Teile zum Teil des Haushalts zu machen, das werden wir ja sehen!
Sie verantworten auch ein kleinkariertes Kopftuchgesetz, das dem Bremer Ruf, eine weltoffene und migrantenfreundliche Stadt zu sein, nicht Rechnung trägt und das sogar so weit geht, dass es Menschen, Frauen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen, den Zugang zu einem Beruf verwehrt, weil sie nicht ausgebildet werden dürfen. Sie verantworten das Bremer Gesetz zu Studiengebühren, ein Unikum
in der Bundesrepublik Deutschland, das wird uns hier bald um die Ohren fliegen. Mit Ihnen ist abgestimmt worden, dass die Haushalte der Hochschulen und der Universität in den nächsten Jahren um 100 Millionen Euro abgeschmolzen werden. Nicht, dass ich der Auffassung bin, dass dort nicht auch ein Sparbeitrag geleistet werden muss, aber so eine Kürzungsvorgabe zu machen, ohne den Universitäten und den Hochschulen Vorgaben zu machen, wo sie es denn überhaupt erbringen können, und sich mit den Folgen dieser Sparpolitik auseinander zu setzen, das ist auch mit in Ihrer Verantwortung.
Sie reden hier über den Vorrang für Arbeitsplätze und soziale Integration. Da werden Sie die Grünen immer an Ihrer Seite finden. Die Wirklichkeit war anders. Bremen hat eine Spitzenstellung in der Verwendung von Ein-Euro-Jobs, von denen jeder weiß, dass das alles andere als Integration ist, sondern es ist stumpfe Überprüfung der Arbeitsbereitschaft und bietet den Menschen alles Mögliche, aber ganz bestimmt keine Perspektive. Auch das ist in den letzten Jahren unter Ihrer Verantwortung – Sie haben diese Haushalte beschlossen, in denen es steht – passiert.
50 Prozent Kürzungen der Weiterbildungsträger! Da gab es hier schon ein kleines Geplänkel zwischen der SPD und der Fraktion der Grünen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Vorhaben des Senats, die Mittel der Weiterbildungsträger um 50 Prozent zu kürzen, mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden nicht abgestimmt wurde. Vielleicht ist es aber ja so. Dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie nicht nur allgemeine Reden über den Stellenwert von Bildung halten, sondern dass Sie hier ein klares Bekenntnis zu einer verlässlichen und pluralen Struktur von Erwachsenenbildung abgeben.
In Ihre Verantwortung fällt auch der Abbau von Ganztagsplätzen in Kindergarten und Hort. Das ist auch etwas ganz anderes als das, was Sie hier in Ihrer allgemeinen Rede gesagt haben, es ist nämlich dort ein Abbau passiert und kein Aufbau, wie Sie es hier als Ziel der Politik der großen Koalition verkaufen wollen.
Sie werden es mir nachsehen müssen, dass es grünes Bestreben ist, Politik nach ihren Inhalten zu bewerten, nach dem, was dabei herauskommt, nach dem, wie es gemacht wird, ob es zukunftsfähig ist,
transparent, und was das reale Ergebnis ist. Wir bewerten Politik nicht nach den Personen, von denen sie vertreten wird. Das haben wir auch bei Herrn Bürgermeister Scherf nicht gemacht, er konnte das zwar nie verstehen, weil das sein einziges Raster war, und bei Ihnen werden wir es auch nicht machen. Es geht um grüne Inhalte und Ziele in unserer Oppositionsarbeit.
Dann sage ich noch eine persönliche Bemerkung: Bei uns zu Hause hackt mein Mann das Holz, und Zigarren verpasse ich höchstens, ich rauche sie nicht.
Sie müssen sich der Tatsache stellen, dass Sie als neuer Bürgermeister bei einem Wechsel der Position – oh, Unruhe bei der SPD! – trotzdem in Kontinuität stehen, nicht nur zur Politik der großen Koalition, sondern auch Ihrer eigenen.
Der zweite Kritikpunkt an dem, was Sie heute vorgetragen und vorgelegt haben, bezieht sich darauf, dass es mir schlicht und einfach zu allgemein ist. Natürlich ist es richtig, dass, wenn Sie jetzt als Bürgermeister anfangen, man sich orientieren muss, auch wenn Sie in der Person eine gewisse Kontinuität haben. Aber ich kann Ihnen sagen, die Bremerinnen und Bremer haben genug allgemeine Reden gehört in den letzten Jahren. Die allgemeinen Reden waren im Überfluss, die Reden, aus denen man nicht wirklich sehen konnte, wie es weitergeht, die waren genug!
Es muss jetzt eine Zeit anbrechen, in der konkrete Entscheidungen im Sinne der von allen in aller Regel geteilten Ziele getroffen werden müssen. Das ist etwas anderes als die Liebe zum Detail, von der Sie sich in Ihrer Rede abgegrenzt haben, sondern das sind strategische Entscheidungen: Wie soll es hier eigentlich mit welchen Mitteln und mit welchen Instrumenten weitergehen? Da will ich ein paar Punkte in Ihrer Rede nennen, bei denen die Bevölkerung in Bremen immer noch nicht weiß, wie Sie das eigentlich machen wollen.
Ich fange einmal mit dem ausgeglichenen Primärhaushalt an. Ich habe den Text sehr genau gelesen, und es gibt Absetzbewegungen vom ausgeglichenen Primärhaushalt im Jahr 2009, und das ist auch gut so, denn er ist nicht zu schaffen. Aber sagen Sie es doch einfach! Sagen Sie, dass Sie festgestellt haben, dass man bei der Haushaltsgestaltung der Haushalte 2006/2007 dieses Ziel so nicht wird ansteuern können, weil wir eine andere Strategie haben, und zwar soll die Strategie sein, einen Vergleich zu machen, was Bremen für die Bürgerinnen und Bürger ausgibt, mit anderen Großstädten! Dann müssen Sie
In Ihrer Rede sagen Sie weiterhin: Wir sind uns einig über die finanziellen Spielräume, die wir auch in Zukunft für Investitionen nutzen werden. Ich verstehe es nicht! Welche finanziellen Spielräume meinen Sie denn? Es gibt eine riesige oder eine ein bisschen weniger riesige Kreditaufnahme in Bremen! Finanzielle Spielräume habe ich hier nicht entdeckt, Sie haben behauptet, dass es sie gibt.
Sie sagen auch nicht, mit welcher Klagestrategie Bremen vor das Verfassungsgericht ziehen soll. Dass geklagt werden soll, das ist der Bürgerschaft jetzt schon mehrmals mitgeteilt worden. Das musste mühsam erkämpft werden, nun macht es der Senat. Das ist nichts Neues. Es geht um die Frage: Mit welcher Strategie klagen wir eigentlich? Es geht darum, ob Sie sich die Ergebnisse des Seitz-Gutachtens zu eigen machen, immerhin von uns selbst in Auftrag gegeben, oder ob Sie das nicht machen. Da sage ich Ihnen, an einem Punkt sollten wir es uns zu eigen machen, indem wir Fehler eingestehen. Wir gestehen ein, dass der Bremer Weg, mit den anderen abgestimmt, aber von uns verantwortet, von uns so nicht wieder gegangen werden darf und dass wir den anderen vorschlagen, aus den Bremer Erfahrungen zu lernen. Darin, bin ich der Auffassung, sollten wir Seitz übernehmen.
Dem anderen Vorschlag, nämlich die Ausgaben in Bremen auf 120 Prozent des Bundesniveaus herunterzusparen, was ja nach wie vor als Strategie aus dem Finanzressort droht, sollten wir nicht folgen, diese Strategie sollten wir nicht wählen. Sagen Sie das den Bremerinnen und Bremern! Diese sind nicht so, dass sie mit Allgemeinplätzen zufrieden sind.
Bei dem Umgang mit den zu erwartenden Ergebnissen der Föderalismuskommission hat Bremen, dabei bleibe ich auch, in der Vergangenheit eine völlig unrühmliche Rolle gespielt. Es hat so getan, als seien wir ein riesiges Geberland und als sei jeder Abbau von Mischfinanzierung und die Möglichkeit für Öffnungsklauseln im Interesse unseres armen Bundeslandes. Das ist nun Schnee von gestern, das müssen Sie letztendlich in der Bilanz vor den Wählerinnen und Wählern verantworten!
Jetzt wird eine Föderalismusreform kommen, die für Bremen eine ganze Reihe von gravierenden Nachteilen nach sich ziehen wird. Allein der Abbau der Mischfinanzierung im Hochschulbau wird uns ordent
lich Geld kosten. Herr Bürgermeister, wie wollen Sie damit umgehen? Will Bremen im Bundesrat jetzt die Verhandlungsergebnisse abnicken, oder gibt es eine Strategie Ihrer Regierung, an den ärgsten Punkten, die sich auch auf die Frage beziehen, wie wir mit unserem öffentlichen Dienst umgehen, noch einmal zu versuchen, für Bremer Interessen zu kämpfen? Auch da keine Aussage, die irgendwie konkret ist!
Solche Kleinigkeiten, wie es mit dem Space-Park weitergehen soll, das interessiert die Bremerinnen und Bremer, ob da jetzt eine große Spieleinrichtung hineinkommt oder vielleicht auch nur ein großer weiterer Einzelhandel. Fehlanzeige! Oder welche Strukturen braucht es eigentlich, damit sich die von Ihnen angekündigte kleinteiligere Entwicklung, das ist auch der richtige Weg in der Wirtschaftsförderung und beim Schaffen von Existenzen und Arbeitsplätzen, in den Strukturen, in denen Sie regieren, und in den Förderprogrammen niederschlagen?
Kein Wort dazu, wie Bremen trotz der Haushaltslage mehr Ganztagsplätze und Plätze für unter Dreijährige bekommt! Das alles sind die zentralen Zukunftsfragen. Keine Antwort darauf, wie wir die anderen Bundesländer und den Bund davon überzeugen wollen, dass Hafenlasten von ihnen wenigstens stärker als bisher noch teilweise mit übernommen werden!
Insgesamt denke ich, dass Sie sich nicht dem Ernst der Lage stellen. Ich habe ja schon letztes Mal versucht, über das Gutachten des wissenschaftlichen Beirates zu reden. Da weht uns doch der Wind ins Gesicht! Da gibt es Überlegungen, uns hier einen Staatskommissar herzuschicken oder uns pleite gehen zu lassen. Wo ist denn die Bremer Strategie dagegen? Wo sind die Bündnisverhandlungen mit den Bundesländern, die vielleicht auch davon betroffen wären? Fehlanzeige, allgemeine Reden!
Was uns zusteht, Herr Bürgermeister Böhrnsen, das entscheiden wir doch nicht! Im Gegensatz zur CDU fanden wir die Strategie von Bürgermeister Wedemeyer mit der Klage vor dem Verfassungsgericht richtig, nur müssen Sie doch einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Zeiten heute anders sind, dass sich überall in der Republik das Maul zerrissen wird über den so genannten Bremer Sanierungsweg und dass man mit der Nummer, wir wollen nur das, was uns zusteht, nicht weiterkommt, weil überall in Deutschland das Problem besteht, dass die Wirtschaftsentwicklung und das Bruttoinlandsprodukt abgekoppelt sind von den Steuereinnahmen. Da könnte man Bündnispartner suchen, denn das betrifft noch mehr Gebietskörperschaften, das ist eine ganz schlimme allgemeine und nicht nur Bremen betreffende Fehlentwicklung im deutschen Steuersystem.