Auf dem Besucherrang begrüße ich herzlich Mitglieder des Seniorenbüros Bremen, eine Besuchergruppe der CDU-Fraktion und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Mitglieder des Bremer Tierschutzvereins.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache zu Tagesordnungspunkt fünf, Mit Prävention und Aufklärung häusliche Gewalt verhindern, fort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren hier schon oft über das Thema häusliche Gewalt debattiert, und wir müssen dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzen, denn nur so ist es möglich, langfristig das Ziel zu erreichen, dass Gewalt im häuslichen Bereich verhindert wird. Dazu gehört erst einmal, Strategien zu entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen, aber auch, und das ist besonders wichtig, eine Bewusstseinsänderung zu erwirken, die klar und deutlich macht, wir akzeptieren in unserer Gesellschaft keine Gewalt, und Gewalt ist keine Privatsache.
Bei diesem Punkt, dass Gewalt eben keine Privatangelegenheit ist, sind wir in den letzten Jahren, denke ich, einen großen Schritt weiter gekommen. Wesentliche Voraussetzung dafür war auch die Gesetzgebung der rotgrünen Bundesregierung. Ich nenne hier nur das Gewaltschutzgesetz sowie Maßnahmen gegen Stalking und auch die klare Aussage, dass Ehrenmorde eine Menschenrechtsverletzung darstellen und dann natürlich auch so bestraft werden müssen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass häusliche Gewalt nicht nur thematisiert wird und entsprechende Gesetze verabschiedet werden, sondern dass wir auch das Wissen über die verschiedenen Formen von Gewalt vertiefen. So haben viele Studien und Ergebnisse aus Pilotprojekten das Ausmaß sowie auch die verschiedenen Formen von Gewalt deutlich gemacht. Alle, die sich mit dem Thema in den letzten Jahren beschäftigt haben, sind immer von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen. Jetzt liegen uns Daten und Fakten vor, wie hoch diese Dunkelziffer wirklich ist. Sie ist erschreckend hoch, aber auch für den Bereich Gewalt gegen Männer, den ich hier nicht ausblenden möchte, gibt es inzwischen Studien.
Doch jetzt lassen Sie uns den Blick wieder auf das Land Bremen richten und auf die Große Anfrage der Koalition! Mit Prävention und Aufklärung häusliche Gewalt verhindern, so ist die Überschrift. Doch eigentlich hätte es dieser Großen Anfrage überhaupt nicht bedurft. Warum nicht? Nicht, weil dieses Thema nicht wichtig ist, ich denke, ich habe in meinen Ausführungen am Anfang deutlich gemacht, wie wichtig dieses Thema ist, sondern hier ist der Senat seiner Berichtspflicht nicht nachgekommen. CDU, SPD und Grüne haben hier im Frühjahr 2003 einen Antrag über die Berichtspflicht des Senats zum Präventionskonzept „Häusliche Beziehungsgewalt“ verabschiedet. Inhalt des Antrags war: Der Senat wird gebeten, der Bürgerschaft im Rhythmus von zwei Jahren über die Weiterentwicklung und Umsetzung des Präventionskonzeptes zu berichten. In den Bericht einzubeziehen sind dabei die in der Stadt Bremerhaven entwickelten Maßnahmen, Fortschritte in der Zusammenarbeit zwischen der Polizei, den sozialen Diensten sowie den Frauenhäusern und einzelne Fortbildungsmaßnahmen im Bereich der Kindertagesheime, Schulen, der offenen Jugendarbeit, der Krankenhäuser sowie bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Der Senat wird ferner gebeten, eine fachkundige Aktenanalyse von allen angezeigten Fällen häuslicher Gewalt durchzuführen und diese Erkenntnisse ebenfalls in diesen Bericht einzubeziehen. Eigentlich wäre die Frage gewesen, warum der Senat seiner Berichtspflicht nicht nachgekommen ist.
Vielleicht kann uns die Senatorin diese Frage beantworten, doch jetzt zur Situation im Land Bremen! In Bremen und Bremerhaven haben in den letzten Jahren viele Kampagnen und auch Aufklärungsarbeit zu dem Thema stattgefunden mit sehr starker Unterstützung der ZGF, das möchte ich hier auch noch einmal deutlich herausheben. Für uns Grüne sind zwei Punkte bei dem Thema häusliche Gewalt sehr wichtig: erstens, die Aufklärung, die gesellschaftliche Debatte über dieses Thema. Da die Gewalt oft im Kopf stattfindet, muss auch die Verhaltensänderung im Kopf stattfinden. Das ist der präventive Gedanke daran. Zweitens: Welche Hilfe brauchen die Menschen, die von Gewalt betroffen sind? Bei diesem Punkt wird ganz deutlich, dass wir die speziellen Einrichtungen des Hilfesystems auch weiterhin finanziell unterstützen müssen sowie auch deren Vernetzung untereinander fördern. Das wurde bei einer öffentlichen Sitzung des Frauenausschusses zum Thema häusliche Gewalt, Hintergründe und Fakten besonders deutlich. Deutlich wurde hier auch die Tatsache, dass Kinder häufig Betroffene von häuslicher Gewalt in der Familie sind. So richtet sich die Gewalt nicht nur gegen die Beziehungspartnerinnen, sondern häufig richtet sich die Gewaltanwendung ganz konkret auch gegen die Kinder, oder sie werden immer wieder Zeuge von Gewalt in der Fami
lie. So entsteht ein Lerneffekt, dass Gewalt in der Familie ganz normal ist, und dem müssen wir entgegenwirken, meine Damen und Herren.
Deshalb ist es die beste Prävention, wenn der Kreislauf der Gewalt frühzeitig durchbrochen wird. Da kommen wir schon auf das nächste Defizit, das auch bei der Anhörung des Ausschusses deutlich wurde, meine Kollegin Frau Arnold-Cramer hat vorhin auch schon darauf hingewiesen, nämlich die Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten zum Thema häusliche Gewalt. Oft sind sie es, die zuerst aufgesucht werden, weil es zu Verletzungen gekommen ist. Oft werden diese Verletzungen als Unfall dargestellt, wobei die Schilderung des Unfallhergangs und die Art der Verletzung nicht zusammenpassen. Seit 2004 gibt es in der Bundesrepublik eine Fortbildungspflicht für Ärztinnen und Ärzte, jedoch nicht für das Thema häusliche Gewalt. Die Ärztekammer Bremen hat zu diesem Thema in den letzten Jahren nur wenige Fortbildungen angeboten, weil diese von den Ärztinnen und Ärzten nicht gut angenommen worden sind. Wie ich aber höre, hat es Gespräche gegeben, und wir werden da weiter nachhaken, dass dieses Defizit auch behoben werden kann.
Ärztinnen und Ärzte müssen den Frauen nicht nur bei Verletzungen helfen. Sie müssen auch die Möglichkeit der Hilfesysteme kennen und diese den Frauen auch nennen können. Andererseits, das hatte Frau Arnold-Cramer auch schon gesagt, geht es hier oft um das Sichern von Beweisen, die später dann auch vor Gericht verwendet werden können.
Lassen Sie mich zum Schluss folgendes Fazit ziehen: Es hat im Land Bremen viele Anstöße, Initiativen und Veranstaltungen gegeben, und viele interdisziplinäre Gruppen beschäftigen sich mit diesem Thema. Das steht alles in der Beantwortung dieser Großen Anfrage, und deshalb werde ich das hier nicht noch einmal alles ausführen. Es ist aber richtig, dass wir dieses Thema immer wieder in der Bürgerschaft debattieren und hier auch die Öffentlichkeit damit erreichen. Das werden wir auch weiterhin machen, wenn der Senat seiner Berichtspflicht nachkommt. Zudem wäre es gut, wenn sich auch Männer das nächste Mal an der Debatte beteiligten und nicht nur Frauen diese Debatte führten.
Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem und betrifft nicht nur Frauen, sondern auch Kinder, ältere Menschen und Männer. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass jährlich etwa vier Millionen Frauen von körperlicher und sexueller Gewalt betroffen sind. Jede dritte Frau erlebt diese Gewalt im Laufe einer Beziehung. Frau Arnold-Cramer hat das vorhin schon etwas provokant auch mit ihrer Rede dargelegt. Hinzu kommen zahlreiche Kinder, die in gewaltorientierten Verhältnissen aufwachsen, die nichts anderes kennen als Gewalt in der Familie. Was immer wieder eine Randerscheinung in der Diskussion darstellt, aber trotzdem ein wichtiger Bereich ist, das sind ältere Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, die abhängig sind, die in abhängigen Lebenssituationen sind, die gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt sind.
Die Beantwortung der Großen Anfrage greift diese Themenfelder auf, gerade auch Pflege und Medizin. Das finde ich auch sehr wichtig, dass dieser Blick der Großen Anfrage auf diese Bereiche gelenkt wird und Sie das in den Mittelpunkt Ihrer parlamentarischen Initiative gestellt haben, weil Gewalt in der häuslichen Beziehung meist sehr eng auf diese häuslichen Bereiche gesehen wird, aber das Umfeld, was alles dazu gehört, um Gewalt präventiv von vornherein anzugehen, ist meist nicht so in den Fokus gestellt. Das greift diese Anfrage auf und stellt auch genau die richtigen Fragen.
Wir haben vielfältige Maßnahmen, die hier in Bremen und Bremerhaven präventiv angelegt sind. Das Konzept für die häusliche Beziehungsgewalt vom 18. April 2000 ist Ihnen bekannt, und, Frau Hoch, wir haben im Jahr 2003 auch über die Umsetzung berichtet. Ich nehme das noch einmal als Anregung auf, was Sie eingefordert haben, das wird sicherlich richtig sein. Ich habe den Antrag nicht vorliegen, aber Sie haben daraus zitiert, dass wir es als Aufgabe übernommen haben, alle zwei Jahre zu berichten. Sie können sich darauf verlassen, dass ich das sofort mitnehme und wir das klären.
Neben der Frage, wie wir mit Präventionsmaßnahmen zum Thema häusliche Gewalt umgehen, steht für mich ganz klar die Öffentlichkeitsarbeit im Mittelpunkt. Öffentlichkeit herzustellen ist wichtig, das haben meine Vorrednerinnen auch gesagt, um das Gewaltthema aus der Tabuzone zu holen, aber vor allen Dingen auch Menschen zu ermutigen, sich einzumischen, sich zu kümmern und tatsächlich konkret etwas dazu zu tun, dass Gewalt nicht stattfindet.
Es hat öffentlichkeitswirksame Aktionen gegeben. Ich erinnere nur an die ZGF-Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“. Das war eine Aktion mit Bremer Bäckerinnen und Bäckern zum Tag der Gewalt am 25. November. Ich bin sehr dafür, dass wir diese Wege, das Thema Gewalt auch etwas unkonventionell aufzugreifen, weiter fortführen, weil man heute in dieser Medienlandschaft nur noch Aufmerksamkeit er
Neben diesen Aktionen zur Öffentlichkeitsarbeit ist natürlich weiterhin wichtig, dass wir es hinbekommen, trotz finanzieller Enge die Förderung der spezifischen Beratungsstellen sicherzustellen, die sich um Opfer von Gewalt kümmern, wie Schattenriss, Verein neue Wege, Notruf oder Mädchenhaus, und natürlich gehört dazu auch die Arbeit der Frauenhäuser.
Meine Vorrednerinnen haben sehr deutlich die Fortbildung eingefordert. Das ist ganz wichtig für viele Berufsgruppen, die damit beschäftigt sind, nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sowie die Pflege, sondern auch selbstverständlich die Polizei, und es muss in diesen Berufsgruppen unbedingt Teil der jeweiligen Ausbildungsordnungen sein, und zwar systematisch.
Wir haben auch einiges erreicht. Ich greife das Thema Wegweisungsrecht auf. Das war eine entscheidende rechtliche Veränderung, die sehr wohl gefruchtet hat und die auch in den einzelnen Gewaltfällen eine sehr konkrete Lösungssituation anbietet.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen wird inzwischen von internationalen Organisationen als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen überhaupt eingeschätzt. Auch die erste bundesweite Studie über Gewalt gegen Frauen in Deutschland belegt, dass alle Formen von Gewalt zu erheblichen gesundheitlichen Folgen führen können.
Das haben meine Vorrednerinnen auch schon gesagt, die erste Anlaufstation für betroffene Frauen sind in der Tat häufig Ärztinnen und Ärzte, die als Fachpersonen mit diesen Verletzungen konfrontiert sind. Das zeigt einfach, wie wichtig es ist, dass diese Ärztinnen und Ärzte für das Thema sensibilisiert werden, aber nicht nur das, sondern sie müssen auch fachlich vorbereitet sein, um mit Gewaltopfern entsprechend umgehen zu können, aber auch überhaupt zu erkennen, dass ein solcher Gewaltfall vorliegt. Das ist das Entscheidende.
Die Ärztekammer ist mehrfach angesprochen worden. Sie wissen, dass es eine Angelegenheit der Selbstverwaltung ist, die Fortbildung zu organisieren. Aber sowohl mein Ressort als auch die ZGF sind unermüdlich in Gesprächen mit der Ärztekammer, um das Thema Gewalt dort auch zu platzieren. Die Ärztekammer ist auch sehr sensibilisiert. Sie bietet Veranstaltungen an. Auch diese Fachveranstaltung der kommunalen Klinik, die erwähnt worden ist, ist als Fortbildung anerkannt worden. Ich denke, das ist der richtige Weg, den die Ärztekammer auch in Zukunft weiter anbieten muss. Wenn die Ärztinnen und Ärzte dann nicht kommen, haben wir natürlich noch ein weiteres Problem. Dann muss man noch einmal mit der Ärztekammer darüber reden, wie man die Angehö
Die Beantwortung der Großen Anfrage macht an vielen Stellen deutlich, was konkret an Maßnahmen entwickelt worden ist. Gerade auch im Klinikbereich ist sehr viel an konkreten Hilfestellungen gegeben worden, wie das Personal mit solchen Fällen, bei denen der Verdacht auf häusliche Gewalt vorliegt, umgeht. Es ist für das Personal auch nicht ganz einfach, in einem solchen Fall mit der Patientin zu sprechen und sie auf die richtigen Betreuungsangebote hinzuweisen. Viele Patientinnen öffnen sich nicht, viele schämen sich auch. Da den richtigen, sensiblen Weg zu finden, das wollen wir mit einer entsprechenden Ausbildung, Schulung, Fortbildung, aber auch Information für das Personal erreichen.
Die Beantwortung der Großen Anfrage macht deutlich, dass auch im Politikfeld Wissenschaft das Thema Gewalt jetzt aufgegriffen wird, dass vielfältige Aktivitäten zum Thema akademische Ausbildung entwickelt worden sind. Es ist aber klar, es braucht einfach Zeit, bis diejenigen, die sich in der Ausbildung befinden, dort mit diesen Themen auch konfrontiert werden, es in ihrer Praxis nach Abschluss der Ausbildung umsetzen können.
Wir haben viele Initiativen, viele Baustellen zum Thema häusliche Gewalt in Bremen und Bremerhaven, die zeigen, dass wir es nicht hinnehmen, dass häusliche Gewalt tabuisiert wird. Wir greifen es auf. Auch für den Senat ist es ein wichtiges Thema, und wir werden damit weiterhin offensiv umgehen. Es zeigt aber auch, dass es schwierig ist, Gewalt nach Möglichkeit von vornherein zu vermeiden, ein Thema, das viele Facetten hat und natürlich auch viele Emotionen beinhaltet. Aus meiner Sicht ist Prävention unsere zentrale Aufgabe. Prävention muss dazu beitragen, Gewaltsituationen von vornherein gar nicht erst entstehen zu lassen.
Ich freue mich auch sehr, dass der Rat für Prävention jetzt vor der Gründung steht. In Bremerhaven gibt es ihn ja schon länger, in Bremen-Nord funktioniert er auch schon. Das sind die richtigen Wege. Ich hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung nun endlich das Präventionsgesetz verabschiedet. Uns war es in der Diskussion des ersten Entwurfs wichtig, dass im Präventionsgesetz auch das Thema Gewaltprävention einen deutlichen Stellenwert einnimmt, auch bei den Settings, die da geplant werden. Ich hoffe sehr, dass ein neues Präventionsgesetz auch diesen Schwerpunkt Gewaltprävention aufnehmen und zu einer bundesgesetzlichen Regelung führen wird. – Ich danke Ihnen!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/724, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.