Protocol of the Session on September 15, 2005

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Nicht erreicht!)

Nicht erreicht, also, Sie bestätigen das noch einmal!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Sie müssen aber, glaube ich, zur Kenntnis nehmen, liebe Frau Linnert, dass wir als kleinstes Bundesland uns nicht vom Bundestrend völlig abkoppeln können.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Habe ich auch nicht vor, stelle das nur fest!)

Ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, dass wir uns nicht völlig abkoppeln können. Wenn es vier Jahre lang in Deutschland eine Stagnation gibt, dann können wir nicht das Gegenteil erreichen als kleinstes Bundesland, wie Konrad Kunick einmal gesagt hat, als „Fliegenschissstaat“. Das war seine Bezeichnung, das hat er öffentlich gesagt.

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Das war ein parlamentarischer Ausdruck!)

Das hat er hier sogar im Parlament gesagt. Der damalige Präsident hat dem nicht widersprochen. Er hat das ja nicht negativ gemeint, sondern hat das lediglich auf die Größe bezogen. Ich will ihn da überhaupt nicht kritisieren. Wenn Sie ihn kritisieren, dann ist das eine andere Sache, das ist dann Ihr Problem.

(Beifall bei der CDU)

Ich will nur deutlich machen, was die Größe anbetrifft. Wir können uns nicht vom Bundestrend völlig abkoppeln. Allerdings weise ich darauf hin, wenn ich hier noch einmal den Bericht nehme, den müssen Sie ja nicht ausblenden, sondern sich das einfach einmal anschauen. Wenn ich hier die Erwerbstätigen nehme, Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr, hat Bremen 2002 minus 0,1 Prozent, das ist richtig. Aber der Bundestrend war minus 0,6 Prozent. Wie war es 2003? Da waren wir minus 0,6 Prozent, aber der Bund minus 1,0 Prozent. Im Jahr 2004 haben wir einen Zuwachs von 0,4 Prozent gehabt, der Bund lediglich 0,3, und zu diesem Bundesdurchschnitt von 0,3 haben Baden-Württemberg, Bayern und Hessen viel beigetragen, nicht die sozialdemokratisch regierten Bundesländer, sondern unsere.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich die Differenz zur Arbeitslosenquote nehme: 1998 betrug der Abstand noch 4,3 Prozent, dann ging er herunter auf 4,1 Prozent 1999, im Jahr 2000 3,5 Prozent, 2001 3,3 Prozent, 2002 2,9 Prozent, 2003 nur noch 2,8 Prozent, 2004 nur noch 2,7 Prozent! Das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir uns vom Bundestrend positiv ein Stück weit abgekoppelt haben!

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen das auch zur Kenntnis nehmen, wenn Sie sagen, Bremen hat nicht umgesteuert, wörtlich haben Sie das gesagt. Ich habe darauf hingewiesen, wo wir umgesteuert haben im Haushaltsbereich, bei den konsumtiven Ausgaben, beim Personal. Herr Wedler, Sie haben das doch auch behauptet, dann sehen Sie sich doch einmal im Übrigen den Bericht an! Ich habe ihn leider da am Tisch vergessen, sonst könnte ich ihn Ihnen einmal zitieren, die gelben Seiten.

Auf 15 Seiten ist es aufgeführt in der Anlage drei, 15 Seiten lang, wo Bremen etwas verändert hat. Im Übrigen fing das schon beim Senat an, darauf will ich nur hinweisen, bei der Bildung der großen Koalition, dass wir damals nur acht Senatoren eingesetzt haben, und jetzt sind es nur noch sieben.

(Abg. Frau W i e d e m e y e r [SPD]: Aber einige brauchen mehr Staatsräte!)

Wir haben die Bürgerschaft verkleinert. Wir haben vieles andere gemacht. Wir haben im Personalbereich gespart, wir haben aufgabenkritisch Dinge gespart und so weiter. Das ist eine Umsteuerung gewesen, Frau Linnert, das muss man zur Kenntnis nehmen, das kann man nicht einfach ausblenden.

Bremen hat allerdings auch umgesteuert. Wir haben Gewerbeflächen ausgewiesen, und wir stehen dazu als CDU. Wir stehen zu diesen Gewerbeflächen, die wir ausgewiesen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir stehen zu den Arbeitsplätzen in der Hemelinger Marsch. Wir stehen zu den Arbeitsplätzen im Industriepark. Wir stehen zu den Arbeitsplätzen im Güterverkehrszentrum. Wir stehen zu den Arbeitsplätzen am Flughafen. Wir stehen zu den Arbeitsplätzen, die da in der sonstigen Neustadt geschaffen worden sind. Wir stehen zu der IUB. Wir stehen zum Technologiepark. Wir stehen zum Haven Höovt.

Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis mit dem Haven Höovt! Da gab es neulich gerade eine Umfrage. Ich will das noch einmal sagen, dass die Leerstände innerhalb eines Jahres um 50 Prozent sich reduziert haben. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen und darf das nicht einfach ausblenden! Herr Wedler, Sie haben ja einen ganz tollen Vorschlag gemacht, man solle nur noch bei den Investitionen die A 281 bauen und die Kaiserschleuse. Wo wird denn in Deutschland eine Autobahn gebaut, solch eine Eckverbindung, ohne anschließend Gewerbegebiete da anzuschließen? Das gibt es in Deutschland doch nirgendwo!

Warum ist der Landkreis Verden der Landkreis in Niedersachsen, der seit 20 Jahren das höchste Wirtschaftswachstum in Niedersachsen hat? Warum ist der Landkreis Verden der Landkreis, der das beste Verhältnis zwischen Arbeitsplätzen und Einwohnern hat? Warum ist das so? Weil er am Bremer Kreuz liegt, wunderbare Autobahnanschlüsse hat, Gewerbegebiete ausgewiesen hat, wo wir jahrelang, jahrzehntelang geschlafen haben in Bremen!

(Beifall bei der CDU)

Weswegen wurden die Erweiterungsinvestitionen vor 1995 im niedersächsischen Umland getätigt und

nicht in Bremen? Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen! Wer Autobahnen baut, ohne Gewerbegebiete zu bauen, der schafft doch keine Arbeitsplätze. Der schafft Arbeitsplätze im Zusammenhang mit dem Bau einer Autobahn, aber deswegen brauchen wir nicht unbedingt eine Autobahn zu bauen.

Im Übrigen will ich noch einmal darauf hinweisen, Frau Linnert, man habe nicht umgesteuert: Im Bildungsbereich haben wir umgesteuert. Wir haben im Technologiebereich umgesteuert. Wir haben im Bereich der Universität umgesteuert. Nicht umsonst sind wir Stadt der Wissenschaften geworden. Das hat doch einen Grund! Weil wir umgesteuert haben!

(Beifall bei der CDU)

Trotzdem bleibt, ich wiederhole, das war ja auch unsere Aussage in der letzten Wahl, wir haben viel getan, und es darf keiner glauben, meine Rede darf auch so nicht missverstanden werden, als sei alles Gold, was glänzt. Wir haben noch viel zu tun, auch im Bereich der Wirtschaft, ich wiederhole das noch einmal, wenn wir zum Beispiel die Investitionen uns anschauen. In Ihrem Bericht, Herr Nußbaum, wird ja darauf hingewiesen, dass wir Strukturschwächen nach wie vor haben, zum Beispiel in Bremerhaven. Aus gutem Grund investieren wir ja überproportional in Bremerhaven. Wir hätten andere Einwohnereffekte, wenn es uns schneller gelungen wäre, die Wirtschaftsstruktur noch früher umzusteuern. Das ist aber besonders schwierig in Bremerhaven.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Ja, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin! Ich will darauf hinweisen, dass wir noch viel tun müssen, dass wir noch lange nicht da angekommen sind, wo wir landen müssen. Wir haben im Dienstleistungsbereich doch nach wie vor ein erhebliches Defizit, deswegen haben wir in verschiedenen Bereichen erheblich etwas getan. Also, Fazit: Viel getan, aber es gibt noch viel zu tun!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Linnert.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Radiohörerinnen und –hörer nicht zu sehen, aber für alle hier im Haus: Das, worüber wir jetzt gerade reden, heißt Sanierung der bremischen Haushalte. Ein Haushalt ist das, was die finanziellen Grundlagen für unser Gemeinwesen zur Verfügung stellt. Dass Sie im Strukturwandel gute Dinge

gemacht haben, dass ein großer Teil von Wissenschaftsinvestitionen richtig war und auch bei den Grünen Billigung findet, das ist alles hier nicht die Debatte, Herr Pflugradt. Sie benehmen sich wie mein Sohn heute Morgen, Entschuldigung, aber den habe ich ausgeschimpft, weil sein Matheheft aussah, als sei ein Huhn darüber gelaufen, und was macht er? Er erzählt mir, was er für ein wunderbares Diktat geschrieben hat, und das geht so einfach nicht!

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der SPD)

Es ist doch gerade das Thema in Deutschland, und darauf fußen Sie doch auch Ihre Auseinandersetzung, Ihre bundespolitische, dass sich Wirtschaftswachstum, Bruttoinlandsprodukt entkoppelt hat von den steuerlichen Einnahmen. Das ist doch eines der zentralen Probleme Bremens! Was machen Sie? Sie reden über das Diktat, also über das Bruttoinlandsprodukt und die schöne Wirtschaftsentwicklung. Darum geht es aber nicht!

Es gibt ein Problem aller Gebietskörperschaften, die Entkopplung der wirtschaftlichen Entwicklung von den Einnahmen des Staates, und das muss man lösen! Da ist Bremen ein Paradebeispiel dafür, welche Probleme wir in Deutschland haben. Sie machen einen großen politischen Fehler, wenn Sie diese Diskrepanz einfach nicht zur Kenntnis nehmen, sondern immer weiter Ihre guten wirtschaftspolitischen Taten loben, ohne sich mit den grundlegenden Finanzgrundlagen des Staates auseinander zu setzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dann findet man natürlich in der langen Reihe im Sanierungszeitraum 1993 bis 2004 sowohl bei den Arbeitsplätzen als auch beim Bruttoinlandsprodukt, als auch bei den Einwohnern immer einmal wieder ein Jahr, in dem wir im Bundesdurchschnitt lagen oder in einem Fall sogar besser sind. Das ändert aber nichts daran, dass eine Betrachtung über den gesamten Sanierungszeitraum stattfinden muss, und da sind die Aussagen so, wie ich sie hier getroffen habe, die Entkopplung, die angestrebte, hat nicht funktioniert.

Da müssen Sie sich auch irgendwann einmal entscheiden. Natürlich kann es sein, dass man im Jahr 1999 einmal ein positives Ergebnis hatte in einem dieser Parameter, aber wenn das von Ihnen so hofierte und geschätzte BAW jetzt in seiner ganzen Not, weil nichts geklappt hat, was es prognostiziert hat, erzählt, dass die ganzen Effekte erst 2016 eintreten können, dann können Sie sich doch nicht gleichzeitig hier hinstellen und erzählen, im Jahr 2000 oder 2004 war es aber besonders toll, und das ist der Sanierungskurs der großen Koalition. Eines von beiden kann ja nur stimmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum Kanzlerbrief! Ja, das, was Sie vorgelesen haben, ist zutreffend, und das sagt, was ich hier gesagt habe, der Kanzler verspricht Hilfe für die Auswirkungen, die befürchteten negativen Auswirkungen der Steuerreform oder der Neuregelung des Finanzausgleiches. Das Bremer Problem ist ein Konjunkturproblem, und dafür kann kein Bundeskanzler der Welt irgendeiner Gebietskörperschaft einen Ausgleich versprechen. Das wissen Sie auch ganz genau, und ich bleibe dabei, es ist eine Schande! Es ist eine Schande für die politische Klasse Bremens, das ist ja nicht nur die CDU, dass man da interessengeleitet der Bevölkerung erzählt hat, da gibt es einen Bundeskanzler, und der hat uns einen Haushaltsausgleich, für den es noch nicht einmal eine rechtliche Grundlage gibt, versprochen. Das kann ich verstehen, ich finde, so weit sollte man nicht gehen, aber es gehören auch Sozialdemokraten dazu, allen voran Henning Scherf, der diesen Schwindel mitgemacht hat und lange gehofft hat, dass er nicht auffliegt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Kritik von Senator Nußbaum daran, dass ich keine Vorschläge gemacht habe, wie man jetzt sparen soll, nehme ich ernst. Ich hatte in der Tat ein bisschen Schwierigkeiten mit meiner Redezeit. Ich versuche, es noch einmal zusammenzufassen, es wird allerdings auch nicht übermäßig freundlich ausfallen.

Abgesehen davon, dass auch die Grünen der Auffassung sind, dass man den Tarifvertrag übernehmen sollte, weil er nämlich Geld spart – übrigens sind motivierte Mitarbeiter, die sich nicht drangsaliert fühlen, auch eine Ressource für unser Gemeinwesen –, sind wir auch seit langem dafür, dass man mit dem Ausgründen der Gesellschaften nicht nur aufhören sollte, sondern auch Gesellschaften zurückholen sollte, weil die gesamten Leistungen, die in den ausgegründeten Gesellschaften erbracht werden, umsatzsteuerpflichtig sind. Das meiste der Umsatzsteuer landet in den Taschen der anderen Gebietskörperschaften. Was für eine wunderbare Speisung aus bremischen Haushalten für die anderen Bundesländer!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Trotzdem räume ich ein, dass sich hier nicht nur die große Koalition, sondern auch die Grünen mit weiteren Sparvorschlägen schwer tun. Ich werde Ihnen auch erklären, warum. Das hat auch mit der Haushaltspolitik des Senats zu tun. Der Koalitionsausschuss beschließt vollmundig, Benchmarking und ab jetzt nur noch Bundesdurchschnitt. Was für ein Wahnsinn! Wir bekommen von dem bestehenden Finanzausgleichssystem 135 Prozent Ausgaben zugesprochen, und ich bin auf keinen Fall dafür, dass wir uns hier politisch vereinbaren, in den Leistungen, die der Bevölkerung direkt zugute kommen, unter so eine Marge zu sparen. Wir sind und bleiben eine Groß

stadt. Die Benchmarks müssen sich an den Erfordernissen einer Großstadt orientieren, sonst ruinieren wir hier im Dienste einer Finanzpolitik, die so nicht gelingen kann, weil man die Leute doch vertreiben wird mit so einer Politik, die Grundlagen unseres Gemeinwesens.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Um weitere Sparvorhaben, die unverzichtbar sind, und die Grünen werden das mit unterstützen, auch ohne Ansehen eigener Klientel, machen zu können, müssen Sie einen anderen Haushalt vorlegen, nämlich einen, der die Fragen, die wir beantwortet bekommen müssen für weitere Sparpolitik, beantwortet. Der Senat ist ja noch nicht einmal in der Lage, obwohl es die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass wir 150 Millionen Euro Defizit in diesem Jahr haben, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Mein Gott, so viel Angst vor einer Bundestagswahl, oder woran hat das nun gelegen?