Protocol of the Session on June 23, 2005

Große Justizreform ist, dass alle Länder derzeit im Moment knappe Kassen haben und prüfen, wie sie auch Kosten einsparen können.

Für mich aber der wichtigste Punkt, warum wir eine Große Justizreform betreiben sollten, ist, dass viele Bürger Unverständnis haben gegenüber der Rechtsordnung und dem Rechtssystem. Jeder wird es vielleicht selbst einmal, wenn er einen Rechtsstreit führt, erfahren, wie er mit seinem Anwalt umgeht. Auch ich habe die Erfahrung gemacht als Anwältin, und hier sind ja noch andere Anwälte im Raum, die das sicherlich bestätigen können, man wird vielen Fragen ausgesetzt, oder man hat viele Fragen: Warum dauern die Verfahren so lange? Was passiert denn da noch, das kann ich jetzt nicht nachvollziehen, warum wird denn noch danach gefragt? Wieso ist der Prozess nicht zu Ende, wenn ein Urteil gefällt ist? Warum geht es denn immer noch weiter? Das sind alles Fragen, die der Bürger hat, und weil er das System nicht versteht, weil das System nicht unbedingt transparent genug ist, gilt es für mich auch, eine Justizreform anzupacken.

Ziele der Justizreform müssen sein Transparenz für die Bürger, mehr Bürgernähe, eine Entbürokratisierung, straffere Strukturen, und letztlich sollte sie, wenn möglich, auch zu Kosteneinsparungen führen. Ob dies gelingt durch die Vorschläge, die die Justizministerkonferenz vorgelegt hat, wie gesagt, bisher nur in Eckpunkten, möchte ich zumindest zum Teil bezweifeln. Ich teile nicht alles, was die Justizministerkonferenz beschlossen hat. Ich finde aber, dass gute Ansätze erkennbar sind. Ich möchte jetzt im Folgenden auf die einzelnen Punkte kurz eingehen insoweit, wie ich sie von Bedeutung halte. Ich glaube aber, und das will ich schon vorab sagen, dass wir uns auch im Rechtsausschuss mit der einen oder anderen Frage beschäftigen sollten und dann noch einmal etwas mehr in die Tiefe gehen können.

Zu dem Bereich Deregulierung wird vorgeschlagen, die Gerichtsverfassung und die Prozessordnung zu vereinheitlichen. Ich halte das für sinnvoll und finde auch positiv, dass der Justizsenator in diesem Punkt meine Auffassung teilt. Ich glaube, dass es richtig ist, bei den unterschiedlichen Instanzenzügen Rechtsmittelmöglichkeiten etwas übersichtlicher, etwas transparenter zu machen, gleiche Fristen zu haben, gleiche Verfahren zu haben und somit eine Anpassung vorzunehmen. Ich kenne auch, ehrlich gesagt, relativ wenige, die das bezweifeln, sondern es wird überwiegend geteilt, dass das ein vernünftiges Verfahren ist. Über Einzelpunkte kann man sich sicherlich streiten.

Der zweite Punkt, auf den ich in diesem Bereich eingehen möchte, ist die Zusammenführung der Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeit. Das haben die Länderjustizminister beschlossen. Ich halte auch diesen Beschluss für richtig. Es ist leider noch nicht im Bundestag durchsetzbar. Das hängt auch da

mit zusammen, dass natürlich die Länder vor den Problematiken stehen und das gern haben möchten, eben auch, wie der Senat richtig ausführt, um flexibler zu sein und zeitnäher auf Belastungsschwankungen einzugehen, also auch ein Kostenargument.

Das wird im Bundestag, da der Bund die Kosten nicht direkt tragen muss, sicherlich nicht so gesehen. Ich halte das für richtig, und ich halte es auch für richtig, obwohl ich weiß, dass es auch an der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag liegt, dass das bisher noch nicht so beschlossen ist. In dieser Frage gibt es aber in den unterschiedlichen Ländern und unterschiedlichen Positionen verschiedene Auffassungen. Ich finde es richtig, dass wir diesen Bereich weiter vorantreiben.

Ein weiterer Bereich, der nicht Beschlussfassung der Justizministerkonferenz ist, aber in diesem Zusammenhang genannt werden sollte, ist die Zusammenführung der Arbeitsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Hierzu hat Herr Wedler auch schon einmal einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht. Ich war, gebe ich offen zu, am Anfang sehr skeptisch, was das Ganze angeht, insbesondere weil das Arbeitsrecht eine eigene Materie ist, die Arbeitsgerichte speziell zusammengesetzt werden, dass zum Beispiel die Gewerkschaften mit gehört werden oder vertreten sind, dass auch Fachleute hinzugezogen werden. Das, denke ich, ist auch möglich bei einer Zusammenlegung der Gerichtsbarkeiten. Wir haben auch die Kammer für Handelssachen, wo auch Laienrichter mit anwesend sind. Ich denke, insofern wäre es auch durchsetzbar bei einer Zusammenführung der Arbeitsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Insbesondere nachdenklich gemacht hat mich eine Ausführung bei einer Veranstaltung, die die CDU gemacht hat, zu der sie die niedersächsische Justizministerin Frau Heister-Neumann eingeladen und eine Anhörung zur Großen Justizreform gemacht hat, die bei den hier ansässigen Anwälten, aber auch bei den Richtern auf sehr große Resonanz gestoßen ist. Dort ist es insbesondere auch von den Richtern als positiv vermerkt worden, wenn die Möglichkeit besteht, auch einmal zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit eine Zusammenführung zu haben und einen Austausch zu machen. Ich gebe offen zu, ich bin in dieser Frage noch nicht abschließend festgelegt, aber ich habe für diesen Vorschlag schon gewisse Sympathien.

Der dritte Punkt, den ich in diesem Bereich ansprechen möchte, ist die funktionale Zweigliedrigkeit. Das bedeutet, dass die Eingangsinstanz als Tatsacheninstanz bleibt und dann grundsätzlich nur noch ein Rechtsmittel folgen kann, also in der zweiten Stufe keine Tatsachenüberprüfung mehr stattfindet. Ich lehne diese funktionale Zweigliedrigkeit ab. Ich halte es für keinen funktionablen Vorschlag und sehe mich da eigentlich in guter Gesellschaft von Anwälten und Richtern auch insbesondere hier in Bremen. Auf die

ser Anhörung ist es sehr deutlich gemacht worden, dass in diesem Bereich sehr starke Kritik herrschte, weil es dazu führen würde, dass die erste Instanz sehr aufgebläht wird. Es würde dazu führen, dass alle Beweisvernehmungen und Beweise bereits in die erste Instanz eingebracht werden müssen, weil in der zweiten Instanz keine Möglichkeit mehr besteht, in dieser Hinsicht etwas vorzutragen.

Es ist insbesondere im Bereich des Strafrechts verdeutlicht worden, wo Herr Joester, der Strafverteidiger und gleichzeitiger Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer ist, dazu vorgetragen hat, dass die meisten Verfahren im Strafrecht im erstinstanzlichen Verfahren abgeschlossen werden. 86 von 100 Verfahren werden also damit rechtskräftig, und es wird nicht notwendig, in eine Berufung zu gehen, oder es wird keine Berufung eingelegt. Würden wir jetzt aber diese funktionale Zweigliedrigkeit einführen, würde man die Verfahren natürlich noch einmal erheblich aufblähen, weil man jedes Beweismittel bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorbringen muss. Ich denke, das führt in diesem Bereich nicht zu einer Effizienz und stellt meines Erachtens keine vernünftige Lösung dar. Insofern würde ich mich gegen diese funktionale Zweigliedrigkeit aussprechen.

Ein weiterer Punkt, der bei der Großen Justizreform eine Rolle spielt, ist die Privatisierung, nur kurz angeschnitten, weil ich schon wieder dieses rote Licht hier vor mir sehe. Für sinnvoll halte ich die Privatisierung im Bereich der Gerichtsvollzieher. Ich glaube, dass das auch im Wesentlichen unstreitig ist. Dafür haben sich zumindest die Anwaltschaft und die Richter sehr stark ausgesprochen. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dort im Sinne der Beleihung vorzugehen und dieses Aufgabengebiet zu übertragen. Beim Registerrecht – darüber haben wir hier schon ausführlich gesprochen, deswegen muss ich darauf nicht näher eingehen –, was den Bereich des Familien- und Erbrechts angeht, sehe ich auch da die Möglichkeit einer Übertragung, stärker im Erbrecht, gebe ich zu, als im Familienrecht, aber auch dort muss es weitere Prüfungen geben. Im Bereich der Konzentration, ebenfalls ein Eckpunkt der Justizministerkonferenz, ist die außergerichtliche Streitbeilegung und Mediation. Auch das ist meines Erachtens sehr sinnvoll und sollte verstärkt eingeführt werden.

Ein Punkt, der in unserer Großen Anfrage eine nicht ganz so starke Rolle spielt, den ich aber zumindest kurz ansprechen möchte, ist die Qualitätssicherung. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt der Justizministerkonferenz. Dabei muss darauf geachtet werden, dass es auch eine Führungsverantwortung von Richtern und Staatsanwälten gibt sowie eine angemessene Weiterbildungsmöglichkeit, die auch genutzt wird. Ich glaube, dass Bremen da durch das Personalentwicklungskonzept des Landgerichts ganz gut aufgestellt ist, dass da sehr viel gemacht wird und dass wir das auch ruhig positiv mit in die Diskussion einbringen können.

Abschließend möchte ich sagen, ich finde, dass die Justizministerkonferenz sehr gute Ansätze, sehr diskussionswürdige Ansätze geliefert hat. Ich teile nicht alles, aber ich glaube, dass wir uns weiter darüber austauschen sollten. Ich halte es für dringend notwendig, auch hier in Bremen die Diskussion mit den Betroffenen zu führen, also die Diskussion mit den Anwälten, den Gerichten zu führen und sich da stark rückzukoppeln. Ich hatte aufgrund der Veranstaltung, die wir als CDU gemacht haben, den Eindruck, dass es bisher in Bremen noch nicht ausreichend war, sondern dass dies verstärkt angegangen werden kann und da ein sehr großer Diskussionsbedarf besteht.

Ich glaube auch, es ist richtig, dass wir erst einmal abwarten sollten, was sich aus der Evaluierung der letzten Reform ergeben hat. Die letzte ZPO-Reform war 2001. Das ist noch nicht so sehr lange her, so dass man auch dort die Ergebnisse abwarten und sie mit einfließen lassen sollte.

Jetzt zum Schluss kommend möchte ich noch einmal ausführen, dass ich, wie gesagt, positive Ansätze sehe. Für mich muss gewährleistet werden, dass es bei dieser Justizreform zu keiner Verkürzung des effektiven Rechtsschutzes des Bürgers kommen darf. Ich möchte nur noch ganz kurz eine Zahl nennen, wenn ich darf, Herr Präsident: Der Staat in Deutschland gibt 1,5 Prozent seiner Haushalte für Rechtspflege aus, wenn wir den Strafvollzug herausrechnen. Ich finde, 1,5 Prozent sind für so einen wichtigen Bereich nicht immens viel. Insofern sollte das Kostenargument bei einer Großen Justizreform meines Erachtens nicht im Vordergrund stehen, sondern es sollte wirklich nach Qualität gehen, es sollte nach Rechtsschutzinteressen gehen.

Die bayerische Justizministerin hat einmal ausgeführt: „Eine Große Justizreform darf keine kleine Justiz zur Folge haben.“ Dem möchte ich mich anschließen, und ich hoffe, dass wir weiterhin Diskussionen über diesen Themenbereich haben werden, auch noch im Rechtsausschuss, und freue mich auch jetzt auf eine spannende Diskussion. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich hoffen, dass bei mir die Klingel auch nicht eingesetzt wird.

Lassen Sie mich zunächst einmal einiges zum Begriff der Justizreform sagen! Dieser Begriff der Großen Justizreform hat Anfang der neunziger Jahre eine Rolle gespielt, als es nach der Wiedervereinigung um die Frage ging, ob unsere Gerichtsbarkeit grundsätzlich neu organisiert und anstelle des viergliedrigen Systems eine Dreigliedrigkeit eingeführt werden könnte. Das ist damals leider gescheitert. Es wäre sinnvoll gewesen, denn wir haben im Moment in Zi

vil-, in Strafsachen ein System mit Amtsgerichten, Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof. Das hätte man verkürzen, vereinfachen können. Das ist, wie gesagt, damals leider nicht gelungen.

Deshalb finde ich eigentlich – das wäre ein großes Thema gewesen – den Begriff der Großen Justizreform für das, was wir jetzt diskutieren, als nicht ganz passend. Ich will keinem Minister, auch nicht unserem Justizsenator oder seinem Staatsrat zu nahe treten. Ich finde, dass die Justizminister da verbal etwas übertreiben, wenn sie dies, was sie diskutieren, als die Große Justizreform bezeichnen. Wir wissen aber ja, das gehört auch so ein kleines bisschen zum politischen Geschäft dazu, das ist erlaubt.

Es geht also um insgesamt fünf zusammenhängende Punkte: die funktionale Zweigliedrigkeit, die Vereinheitlichung der Prozessordnungen, die Zusammenlegung der Fachgerichte, um Fragen der Deregulierung und Privatisierung und als Fünftes, meine ich, was auch noch ganz wichtig zu erwähnen ist, die Fragen der außergerichtlichen Streitschlichtung, Stichwort Mediation.

Bei der funktionalen Zweigliedrigkeit gibt es, glaube ich, zwischen der CDU und der SPD keine großen Differenzen. Wir haben in Zivilsachen seit der letzten ZPO-Novelle praktisch jetzt schon eine Zweigliedrigkeit, und in den Strafsachen würde es nur dazu führen, dass die Amtsgerichte unzumutbar mit Beweisaufnahmen belastet würden. Das ist nicht praktikabel. Deshalb sind alle Verbände, soweit ich weiß, gegen eine solche Reform. Ich glaube auch nicht daran, dass sich dafür eine politische Mehrheit finden wird. Wir sind jedenfalls gegen eine solche Lösung. Wir haben auch intern spannende Diskussionen um diese Frage geführt, das heißt, die Juristen in der SPD.

Was aber sinnvoll wäre und woran man arbeiten muss – aber ich sage Ihnen, das ist eine Sisyphusarbeit –, das ist eine Vereinheitlichung der Prozessordnungen, die im Moment für die Zivilgerichtsbarkeit, für das Verwaltungsgericht, für das Sozialgericht und für das Finanzgericht jeweils unterschiedlich organisiert sind. Da gibt es echte Verbesserungsmöglichkeiten. Da gibt es die Möglichkeiten für viel mehr Bürgernähe, als es im Moment der Fall ist. Daran muss man arbeiten.

Es ist unvorstellbar, wenn man sich die verschiedenen Prozessordnungen anschaut, wie viele unterschiedliche Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen es gibt, also Erinnerung, Beschwerde, weitere Beschwerde, sofortige Beschwerde, sofortige weitere Beschwerde, und es ist einem Laien kaum zu erklären, warum im Strafprozess ein Urteil innerhalb einer Woche angefochten werden muss, es aber gegen einen Strafbefehl reicht, wenn man innerhalb von zwei Wochen ein Rechtsmittel einlegt. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die verschiedenen Beschwerden in den unterschiedlichen Verfahrensordnungen unter

schiedliche Fristen haben. Das muss dringend – das sage ich aus der richterlichen Praxis – geändert werden, und das sollte man auch tun. Diese Änderungen würden dann zu einer Erhöhung von Transparenz führen, die wir dort unbedingt benötigen.

Ich bin allerdings auch kein Freund davon, dass man nun alles über einen Kamm schert. Dort, wo es Unterschiede gibt, die sich aus der Sache heraus rechtfertigen, beim Arbeitsgericht, beim Sozialgericht, müsste es auch in gewissem Sinne erhalten bleiben. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass mir, dass uns ganz wichtig ist, dass wir nicht die Möglichkeit über Bord werfen, ehrenamtliche Richter zu den Verfahren beizuziehen, sei es in Strafsachen oder bei den Verwaltungsgerichten, sei es bei den Sozialgerichten oder auch bei den Kammern für Handelssachen. Da, finde ich, Frau Hannken, kann man übrigens nicht davon sprechen, dass die Handelsrichter die Laienrichter sind. Das sind ja eigentlich diejenigen, die von der Sache mehr verstehen als die Berufsrichter. Das sind ja die Kaufleute, die auf Vorschlag der Handelskammer dort eingesetzt werden.

Da werden wir, glaube ich, nicht mitmachen, wenn man da alles Geltende über Bord wirft, wobei es im Übrigen durchaus einen Sinn ergibt, wenn man jedenfalls die Möglichkeit schafft – dazu wäre wohl eine Grundgesetzänderung notwendig –, die Fachgerichte zusammenzulegen. Dazu muss ich aber auch sagen: Dies macht vielleicht für Bremen Sinn, in den Flächenländern ergeben sich, glaube ich, Mehrkosten und unnötige Umorganisationen. Wir müssen daran denken, dass die Verbände wie zum Beispiel der DGB, den wir sehr ernst nehmen, sehr große Bedenken dagegen haben, dass sich bei der Wahl der ehrenamtlichen Richter in dem Bereich der Sozialgerichte etwas ändert.

Wofür wir überhaupt nicht zu haben sind, ist eine Zusammenlegung der Arbeitsgerichte und der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

(Beifall bei der SPD)

Die Struktur, die wir dort haben, hat sich sehr bewährt. Wenn wir uns anschauen, wie die Vergleichsquoten bei der Arbeitsgerichtsbarkeit und bei der Zivilgerichtsbarkeit sind, dann muss man sagen: Die Arbeitsgerichte sind mit dem Gütetermin, an dem viele Sachen im ersten Anlauf verglichen werden, sehr erfolgreich. Ich weiß, dass es bei Ihnen in der CDU sehr große Bedenken oder Vorbehalte gegen die Arbeitsgerichte gibt und eine gewisse Sympathie für eine Zusammenlegung. Diese gibt es bei uns auch vereinzelt. Es ist also nicht so, dass wir alle völlig einer Meinung sind, aber die deutliche Mehrheit bei uns ist dafür, dass die Arbeitsgerichte als selbständige Gerichte erhalten bleiben.

Nächstes Stichwort: Deregulierung, Privatisierung! Da wird, finde ich, viel Unsinn erzählt. Wenn ich lese, was die Justizminister – letztens habe ich ein Inter

view mit Frau Heister-Neumann in der Zeitung gelesen – da verbreiten –, das kann ich nicht alles nachvollziehen. Es wurde also lange über eine Privatisierung der Handelsregister geredet. Das ist Gott sei Dank vom Tisch. Das hätte ich nicht gut gefunden. Es ist aber nicht vom Tisch, weil man da Einsicht gehabt hätte, sondern weil aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dort kein Geld mehr zu verdienen ist. Es dürfen dort nur noch kostendeckende Gebühren erhoben werden. Deshalb ist es für die Kammern nicht mehr interessant. Das Thema ist, glaube ich, erledigt. Es wäre gut, wenn man die Kammern bei der Vorbereitung gerichtlicher Entscheidungen, sprich Eintragungen, mehr einbeziehen würde, als es jetzt der Fall ist.

Es macht für mich auch keinen Sinn, wenn man Grundbuchangelegenheiten privatisiert. Da gibt es sicherlich einen Verbesserungsbedarf, weil das System beschleunigt werden muss. Ich glaube aber, es ist besser, wenn man dort auf den Einsatz moderner Technik setzt, als wenn man das System insgesamt verändert.

Bei den Nachlasssachen ist es sinnvoll, dass sie in den Händen der Gerichte bleiben und sie nicht auf die Notare übertragen werden, weil sie im Einzelfall viele Rechtswirkungen, Folgewirkungen haben, wenn es um einen Erbschein geht. Diese Entscheidungen sollten in objektiver und staatlicher Hand bleiben müssen. (Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Bei den Gerichtsvollziehern sehe allerdings auch ich einen dringenden Handlungsbedarf. Dort gibt es immer wieder erhebliche Klagen aus der Anwaltschaft und von privaten Gläubigern, die sich darüber beklagen, dass die Verfahren so lange dauern, dass sie kostenträchtig sind, dass sie schwierig sind. Aber auch da warne ich vor Illusionen. Eine Beleihung von Gerichtsvollziehern, ein Schritt hin zu einer Privatisierung, wird nicht dazu führen, dass die Verfahren billiger werden, sondern je mehr sich der Staat aus diesem Bereich zurückzieht – im Moment ist das ein subventionierter Bereich –, umso teurer muss es für die Beteiligten werden. Man muss sich also von der Illusion lösen, dass es diese Leistungen zum Nulltarif gibt.

Ein letzter Punkt: Scheidung künftig beim Notar, das war ein Stichwort. Das halte ich für blanken Unsinn. Das wird mit uns überhaupt nicht zu machen sein, weil es ja darum geht, dass der Schwächere im Verfahren geschützt wird. Das können die Familiengerichte sehr viel besser gewährleisten, als wenn man dies in private Hände gibt.

Bei dem Stichwort außergerichtliche Streitschlichtung, Mediation, gibt es erheblichen Handlungsbedarf, das sehen wir. Da müssen wir Fortbildungsmaßnahmen finanzieren, wir müssen alles unterstützen, was dazu führt, dass Rechtsfrieden hergestellt wird,

ohne dass die Gerichte eingeschaltet werden müssen. Das wollen wir alles ernsthaft unterstützen.

Wir warten jetzt darauf, was denn an konkreten Vorschlägen von den Justizministern kommt, denn bisher liegt noch nichts vor, was man im Einzelnen nachvollziehen könnte. Die Justizminister sind jetzt für den 29./30. Juni verabredet. Sie treffen sich, soweit ich weiß, in Nordrhein-Westfalen. Da gibt es einen Ministerwechsel, dort hat ja bekanntermaßen eine Wahl stattgefunden. Wir sind gespannt, was bei dieser Konferenz herauskommt. Alles, was sinnvoll ist, werden wir unter den Überschriften, die ich eben genannt habe, unterstützen. Was wir nicht wollen, ist eine reine Sparreform, bei der es nur ums Geld geht. Ich muss es ganz deutlich sagen, jeder Mann, jede Frau muss sich darüber klar sein, dass Rechtsstaat und Rechtsschutz nicht zum Nulltarif zu haben sein werden. – Danke schön! (Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Köhler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Justizsystem ist in weiten Teilen ein Reparaturbetrieb für soziale, für gesellschaftliche Konflikte, die konkret ausgetragen werden. Wir könnten uns jetzt darauf beschränken, diesen Reparaturbetrieb so gut wie möglich zu organisieren, oder wir könnten auch versuchen, Reparaturen zu vermeiden. Es ist ein Fehler anzunehmen, dass es eine feststehende Menge an sozialen Konflikten gibt, die durch das Justizsystem gelöst werden müssen. Da wäre ein wichtiger Ansatzpunkt, wenn es darum geht, tatsächlich Justiz grundlegend weiter zu entwickeln.

Viele soziale Konflikte in Bremen werden zum Beispiel durch den Täter-Opfer-Ausgleich geschlichtet, der ja nicht nur auf richterliche Weisung oder auch nur in Strafsachen eingeschaltet wird, sondern es ist so, dass da auch Angelegenheiten geklärt werden, die ansonsten vielleicht später teuer vor Gericht gezerrt worden wären. Wir sind der Meinung, dass genau das gestärkt werden muss. Das ist kein netter Anhang, den man über Sondertöpfe finanzieren kann, sondern das ist eine dauerhafte, massive Stärkung von außergerichtlicher Konfliktlösung, und das ist wesentlich für die Weiterentwicklung des Justizsystems.

Es geht auch darum, dass eine große Zahl von rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Staat und Bürger, also im öffentlichen Recht, ganz einfach im Vorfeld dadurch vermieden werden kann, dass die Verwaltung schlicht besser arbeitet, durch Bescheide, die jeder versteht, Berechnungen, die jeder nachvollziehen kann. Zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung können Rechtsstreitigkeiten vermieden werden, wenn es qualifizierte Beratungsstellen gibt, die die Klienten betreuen und die gegenüber Behörden auftreten. Das Schließen von Beratungsstellen

ist genau das Falsche, wenn man Rechtsstaat will, aber Prozesse nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es reicht nicht aus, sich jetzt nur die gerichtlichen Verfahren im Einzelnen anzusehen, sondern Gerechtigkeit und sozialer Frieden werden auch und vor allem durch die materiellen Regeln des Rechts hergestellt. Zum Beispiel geht es im Zivilrecht darum, die Verbraucherrechte weiter zu stärken und dadurch das Verhältnis zwischen kommerziellen Unternehmen und privaten Kunden fairer zu machen.

Wenn gesagt wird, dass es gut sei, die Justiz auf ihre Kernaufgaben zu beschränken, dann fällt mir sofort das Strafrecht ein. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum zum Beispiel das Schwarzfahren immer noch eine Straftat ist, bei der mit einem riesengroßen Aufwand für die Justiz gearbeitet wird und es zu üblen Konsequenzen für die Betroffenen kommen kann, mit denen sich zum Beispiel ein Falschparker nicht herumschlagen muss. Falschparken ist eine Ordnungswidrigkeit, während Schwarzfahren als Straftat verfolgt wird. Schwarzfahren ist mit Sicherheit nicht krimineller als Falschparken.