Die CDU-Anfrage habe ich erst einmal so interpretiert – jedenfalls so, wie sie gestellt worden ist –, dass da sehr stark die Sorgen der Betriebe und der Kammern in den Mittelpunkt gestellt worden sind, auch das, was die Betriebe immer bemängelt haben, nämlich dass Jugendliche gegenwärtig nicht ausbildungsfähig sind. Die Rede von Herrn Ravens war da deutlich moderater. Er hat auch sehr deutliche Kritik an den Betrieben geübt. Dafür bin ich sehr dankbar, denn wir müssen schon zur Kenntnis nehmen, dass es nicht einfach nur darum geht, dass es natürlich Jugendliche gibt, die nur bedingt ausbildungsfähig sind, sondern wir müssen auch darüber reden, dass es sehr
Ich will an dieser Stelle nur sagen, dass wir in Anbetracht von 40 Prozent an Ausbildungsabbrüchen im Handwerk auch darüber reden müssen, wie dort die Ausbildungsfähigkeit der Betriebe und die Qualitätssicherung in den Betrieben an dieser Stelle gegeben ist. Das gehört meines Erachtens zu der gesamten Debatte dazu.
Genauso gehört Herr Lemke natürlich dazu mit der Frage: Was leisten Schulen für einen Beitrag, dass sie den Übergang in den Betrieb schaffen? Von daher stellen wir an der Stelle auch die Startchancen von Jugendlichen in den Mittelpunkt.
Ich will noch ein paar Worte zum Vollzug des Gesetzes sagen. Ein Gesetz zu schreiben ist die eine Sache. Wie es dann in der Praxis tatsächlich aussieht und wie es sich für die Jugendlichen anfühlt, ist noch einmal eine ganz andere Sache. Da steht zentral im Mittelpunkt, und Frau Böschen hat schon darauf hingewiesen, dass es leider nicht genügend Ausbildungsplätze gibt. Das ist bei der Sache aus meiner Sicht der Dreh- und Angelpunkt, und wir sind meilenweit davon entfernt. Die Anzahl der eingetragenen Ausbildungsverträge ist nach wie vor rückläufig, da beißt die Maus auch keinen Faden ab, Ausbildungspakt hin oder her, das ist einfach so.
Die Anzahl der Jugendlichen, die auf den Arbeitsmarkt streben, wird einfach größer, und die Schere geht an dieser Stelle immer noch weiter auseinander, als dass sie an der Stelle zusammenläuft, und wir schleppen einen großen Bestand von Jugendlichen aus den Vorjahren vor uns her, die nach wie vor keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, die praktisch seit Jahren auf einen Ausbildungsplatz warten, und das ist eigentlich ein zentrales Problem an der Stelle. Volkswirtschaftlich brauchen wir pro Jahr 7,5 Prozent Ausbildungsplätze. Bremen kommt da gegenwärtig gerade einmal auf vier Prozent. Das ist eine große Lücke. Wir brauchen an der Stelle auch Wahlmöglichkeiten.
Fachleute sagen, in Deutschland fehlen gegenwärtig 300 000 Ausbildungsplätze, die man braucht, um die Funktionalität des dualen Systems überhaupt aufrechtzuerhalten. Gerade vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, was hier ja auch gesagt worden ist, brauchen wir diese Anzahl an Ausbildungsplätzen. Das ist ein zentraler Punkt für uns.
Dann zur Berufsbildweiterentwicklung! Es wurde auch schon einiges dazu gesagt, mit welchen Langfristchancen das verbunden ist. Ich möchte aber trotzdem ein Beispiel dazu bringen, was Bremen an der Stelle selbst machen kann, zum Beispiel im Bereich Gesundheitswirtschaft. Gesundheitswirtschaft ist ja etwas, was in Bremen und der Zukunftsentwicklung
von Bremen immer hoch aufgehängt wird. Das ist auch richtig. In Bremen sind die kommunalen Krankenhäuser zu GmbHs umgewandelt worden, aber die Bremer Kliniken haben zirka 5000 Beschäftigte, wenn ich da richtig informiert werde. Meiner Kenntnis nach gibt es in Bremer Kliniken aber nur drei bis vier Ausbildungen zu Gesundheitskaufleuten, und da würde ich einfach einmal sagen: Wenn man daraus GmbHs macht, ist der Bereich der Gesundheitskaufleute eigentlich ein zentrales Zukunftsfeld, wo man tatsächlich auch neue Ausbildungen schaffen könnte, aber das passiert aus meiner Sicht gegenwärtig ziemlich unzureichend.
Dann zur Qualität der betrieblichen Ausbildung! Sie muss deutlich gesichert werden, ich hatte es vorhin schon gesagt. Im Moment ist es so, dass zu viele Jugendliche mit ausbildungsfremden Aufgaben beschäftigt werden. Das Schwarzbuch Ausbildung des DGB hat das belegt. Die Initiative „Bleib dran“ stellt das auch immer wieder in ihren Gesprächen fest. Das darf nicht sein! Jugendliche werden zu häufig als billige Arbeitskräfte eingesetzt, auch das darf nicht sein. Das sagen auch die einschlägigen Studien, und es darf, wie gesagt, auch keine Diskriminierung am Arbeitsplatz geben. Ich hoffe sehr, dass Probleme wie sexuelle Belästigung, die auch immer wieder beschrieben werden, in der Tat nur Ausnahmen sind und dass das nicht die Regel ist, aber das gehört dazu, und darüber müssen wir auch an dieser Stelle reden.
Die Ausbildungsabbrüche hatte ich vorhin schon kurz erwähnt. Die Abbruchquote im Handwerk liegt in Bremen bei 40 Prozent. Insgesamt liegt die Abbruchquote in Bremen bei 26 Prozent. Hinzu kommen noch einmal zirka 14 bis 15 Prozent von Jugendlichen, die nicht durch die Prüfung kommen. Das heißt, wir haben hier eine Erfolgsquote, die eindeutig katastrophal ist, so dass eine Modernität von Ausbildung auch daran arbeiten muss, dass es diese Ausbildungsabbrüche nicht gibt und die Jugendlichen auch durch die Prüfung kommen. Hier läuft offenbar einiges falsch und wirft auch ein schlechtes Licht auf die Qualität der gegenwärtigen Ausbildung.
Ein weiterer Punkt ist, dass wir Warteschleifen abbauen müssen. Die Anfrage der CDU hat gezeigt, dass zu viele Auszubildende über 23 Jahre alt sind. Eine andere Studie zeigt, dass der durchschnittliche Einstieg in die Berufsausbildung gegenwärtig bei 19,5 Jahren liegt. Es gibt ein Niemandsland von drei Jahren zwischen Schulabschluss und Einstieg in die berufliche Ausbildung. Das heißt, dass dazwischen noch
einmal eine Stufe der Berufsausbildung entstanden ist, die gegenwärtig völlig ungeregelt ist, wo Einstiegsqualifizierungen stattfinden, wo Qualifizierungen aller Art stattfinden, wo Berufsvorbereitung, Praktikum und so weiter stattfinden, und die Jugendlichen sind am Ende, wenn sie aus der Berufsausbildung kommen, deutlich zu alt. Das sind dann auch verpasste Lebenschancen.
Das hat auch viel damit zu tun, dass es schlicht zu wenig Ausbildungsplätze gibt. An der Stelle wollen wir auch, dass diese Phasen deutlich mehr anerkannt werden, ich hatte es eingangs gesagt, damit diese Zeiten nicht sinnlos für die Jugendlichen sind, sondern dass sie auch wissen, wofür sie das tun. Wie gesagt, das muss aus unserer Sicht deutlich abgebaut werden. Wenn man das abbaut, ist das für uns auch ein Zeichen von Modernität und würde an dieser Stelle sehr viele Kosten im Bildungssystem sparen, denn diese Zeiten sind einfach auch sehr teuer.
Ich will jetzt noch zu ein paar Punkten kommen, die ich ehrlich gesagt nicht so richtig verstehe. Einerseits fordern die Kammern und auch viele Betriebe, dass die Berufsschule auf einen Tag reduziert werden soll, damit die Jugendlichen mehr im Betrieb sind. Andererseits wird bemängelt, dass die Jugendlichen nicht richtig rechnen und schreiben können, also elementare schulische Fähigkeiten nicht haben. Da frage ich mich ehrlich gesagt: Wo sonst sollen sie die denn nachholend lernen, wenn nicht in der Berufsschule? Der Betrieb wird das sicherlich nicht machen. Die Betriebe sollten doch geradezu ein Interesse daran haben, dass die Auszubildenden vernünftig nachgebildet werden, wenn das in der Schule so nicht stattgefunden hat.
Was sicherlich nicht sein darf, ist, dass Jugendliche billige Arbeitskräfte sind und nur deswegen vier Tage im Betrieb bleiben sollen. Nein, ich finde es ziemlich richtig, dass diese Berufsschule auch auf zwei Tagen erhalten bleiben soll. Es ist auch im Übrigen im Berufsbildungsreformgesetz festgelegt, und ich bin sehr dankbar, dass sich Herr Ravens in eine ähnliche Richtung geäußert hat.
Was ich im Übrigen auch nicht verstehe, ist, dass sich Betriebe häufig sehr gegen diese vollzeitlichen Ausbildungsgänge richten, weil sie ein „Anschlag“ auf die duale Ausbildung wären. Einerseits schaffen die Betriebe zu wenig Ausbildungsplätze im dualen System, aus welchen Gründen auch immer. Andererseits beschweren sie sich, wenn dann der Staat vollzeitliche Ausbildungsgänge schafft. Hier springt der Staat in der Not ein, um den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, und dann wird es kritisiert. Das
Ich möchte noch einen Punkt zu diesen Warteschleifen und zu der Praktikumsentwicklung sagen. Es ist in der Anfrage erwähnt worden, wie Praktika bewertet werden. Sie werden dort durchgehend positiv bewertet, aber ich glaube, wir müssen bei einer Sache aufpassen: Es kommt in letzter Zeit immer häufiger vor, dass Betriebe Jugendliche bis zu einem Jahr unbezahlte Praktika machen lassen, und dann geben sie ihnen hinterher keinen Ausbildungsplatz. Ich finde, das darf nicht gehen, davor muss man auch einen Riegel schieben. So kann man die Nöte der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden, an der Stelle nicht ausnutzen, und da bitte ich auch den Senator, deutlich ein Auge darauf zu haben.
Ich möchte jetzt noch einmal kurz zur schulischen Bildung kommen, die auch in der Anfrage abgefragt worden ist. Da will ich nicht verschweigen, dass die schulische Bildung deutlich verbessert werden muss. Es kann nicht sein, dass zehn Prozent der Jugendlichen ohne jeglichen Schulabschluss aus der Schule herausgehen. Es ist ein Armutszeugnis für ein Industrieland, dass wir zulassen, dass jedes Jahr zehn Prozent der Jugendlichen ohne Schulabschluss dort herauskommen. Ich finde im Übrigen, dass das auch ein totales Versagen der Bildungspolitik der großen Koalition an dieser Stelle ist.
Am Ende sind es 57 Prozent – wir haben das in der letzten Debatte gehabt – der Jugendlichen, die keine abgeschlossene schulische Bildung haben. Das ist später der große Teil an Arbeitslosen, und ich glaube, dass da deutlich mehr gemacht werden muss. Gleichzeitig wird bei nachholenden Schulabschlüssen das Geld gekürzt wie in der Erwachsenenschule. Da werden im Bildungsbereich auch völlig falsche Weichen gestellt, und das ist ein großer Fehler, den Sie da machen.
Eine moderne Berufsausbildung ist eine enorme Zukunftsherausforderung, das sage ich jetzt zum Schluss noch einmal. Da sind die Betriebe gefordert, und da ist auch der Senat gefordert. Ich würde den Senator hier auch auffordern, dass im Bündnis für Arbeit und Ausbildung nicht nur die Anzahl der Ausbildungsplätze, die geschaffen werden, gezählt wird, sondern auch darin die Qualität verankert wird, um die Ausbildung zukunftsfest zu machen. Frau Böschen hat ja schon etwas zu der innovativen Berufsausbildung gesagt. Das ist sicherlich ein Baustein des gesamten Problemaufrisses, aber dazu gehört sicherlich noch eine ganze Menge mehr. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Keine Angst, ich werde nicht noch einmal so ausholen wie beim ersten Mal, aber ich muss noch zwei Punkte ansprechen, die für mich immer ganz wichtig sind, weil wir diese auch ein Stück begleiten können! Das betrifft einmal den Bereich Weiterentwicklung der Prüfungen. Was meine Fraktion gern möchte: Die Prüfungen der beruflichen Ausbildung müssen der betrieblichen Praxis besser angepasst werden. Von Frau Böschen ist schon angesprochen worden, Prüfungen in Einzelfächern mit der Trennung von Theorie und Praxis sind abzuschaffen, weil wir fächerübergreifend jetzt bereits prüfen, und da finde ich es besser, dass man Theorie und Praxis zusammenfasst und nicht einzelne Fächer abfragt. Das ist, glaube ich, alles Schnee von gestern. Dass die Prüfungen jetzt in Teilprüfungen aufgeteilt worden sind, ist der richtige Schritt, so steht es auch im Gesetz.
Wir müssen auch noch einmal zur Abschlussprüfung kommen, und darum komme ich bewusst noch einmal nach vorn. Wer etwas länger im Parlament ist, weiß, dass wir das nicht erst seit gestern debattieren, man findet kaum noch durch. Erstens ist das in der Kultusministerkonferenz am 4. Dezember 2003 in Bonn besprochen worden. Auch Sie, Herr Senator – also die Kultusminister insgesamt –, kommen zu dem Ergebnis: „Die in der Berufsschule erbrachten Leistungen sollen künftig in das Gesamtergebnis der Abschluss- und Gesellenprüfung einbezogen werden.“ Das war für mich der entscheidende Satz, den ich auch in unsere Broschüre hineingeschrieben hatte.
Wie lange ich dafür arbeite, mögen Sie daran erkennen, dass ich bereits in der 53. Sitzung in der 11. Wahlperiode am 28. April 1986
den ersten Antrag dazu eingebracht habe zusammen mit Herrn Wilhelmi aus der Fraktion der SPD. Damals waren wir in der Opposition, die SPD hat, glaube ich, allein regiert, aber sie war mit mir der Meinung, dass das der richtige Weg ist. Sie können sehen, wir sind noch nicht am Ende. Ich kann das jetzt weiter vorlesen, das war dann 1988 und ging dann weiter, 2000, 2001! 2001 bin ich deswegen von der Handelskammer sehr beschimpft worden, aber ich stehe immer noch hier – –.
(Beifall bei der CDU und bei der SPD – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann sind Sie ja in guter Gesellschaft!)
Ja, wenn man älter wird, lässt man sich mehr aus der Ruhe bringen! Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ärgert mich ein bisschen, dass man nicht weiterkommt. Wir stellen uns immer so offen und weltoffen hin – ich sage jetzt nicht Bremen, wir sind es ja, wir sind die weltoffene Hansestadt, wenn es nach uns gehen würde –, und ich bin auch fest davon überzeugt, dass der Senator es vorgetragen hat, damals, als wir den Beschluss alle drei gemeinsam gefasst haben. Ich bleibe dabei: Die bisherige punktuelle berufliche Abschlussprüfung ist zu verändern.
Sie wissen, wir machen bei den Auszubildenden eine Punktlandung. Der Abiturient, das habe ich damals auch gesagt, nimmt seine Vornoten mit, und wenn er nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, besteht er sein Abitur. Der junge Mann aber, der vielleicht in dreieinhalb oder in vier Jahren zum Beispiel seine Schiffbauerprüfung macht, muss genau an dem Tag topfit sein, und ist er es nicht, fällt er durch die Prüfung. Das ist doch eine Ungerechtigkeit! Wir reden immer von Gleichberechtigung allgemeiner und beruflicher Bildung. Wo ist denn da die Gleichberechtigung? Im Gegenteil!
Aus dem Grund sind wir dafür, dass die Abschlussprüfung zu einem Viertel – darüber können wir jetzt streiten, ob Viertel oder Fünftel – aufgeteilt werden sollte: einmal die bereits erbrachten und zertifizierten Teilqualifikationen, die der junge Mann oder das junge Mädchen im Beruf erbracht habt, dann die Teilprüfungen nachgewiesen hat, dann das Berufsschulzeugnis, dann das betriebliche Zeugnis – und hier muss man nicht so tun, ob das nun in einem Handwerksbetrieb oder einem Großbetrieb ist, dass die Ausbilder dumme Leute sind, die nicht beurteilen können, wie sich der junge Mensch im Betrieb verhalten hat, sondern sie können durchaus ein Zeugnis ausstellen, die Betriebszeugnisse sind manchmal
besser geschrieben als die an einer Schule – und dann anschließend die Ergebnisse der Abschlussprüfungen der zuständigen Kammern! Wenn das zusammengezogen wird, dann glaube ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und das zeigt auch viel deutlicher, wie sich der junge Mensch in der Berufsausbildung dargestellt hat, eben nicht nur im Betrieb, sondern auf dem ganzen Parkett der Berufsausbildung. Das gibt für mich ein aussagefähiges Zeugnis, und damit sollte er seinen Weg machen für Fort- und Weiterbildung im In- und Ausland.