Protocol of the Session on December 8, 2004

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In meinem Alter ist das mit der Hitze so eine Sache! Zwei Dinge: Frau Dr. Spieß, ich finde es ja gut, wenn Sie sagen, wir wollen das mit Bildung gemeinsam machen, aber bitte schön, dann hätten Sie den Bildungsdeputierten, den Fachdeputierten hier erst einmal den Vorrang lassen sollen für die Diskussion, bevor wir über die Hochschulen sprechen!

Das Nächste ist, wir sind Spitze in der Forschung, gut, in den Rankings bei den Absolventen und bei der Studiendauer sind wir am unteren Ende, und das beeinträchtigt auch, aber wenn Sie sagen, wir sind Spitze in der Forschung, dann darf ich Sie darauf hinweisen, dass nicht nur die Professoren für diese Erfolge zuständig sind, sondern sie haben wissenschaftliche Mitarbeiter, und sie haben Studierende. Das ist das vorhandene Know-how, und sie kommen größtenteils aus unserer eigenen Universität und aus unseren eigenen Hochschulen, also sollten Sie nicht nur alles mies machen.

Noch einmal dazu, dass der Senat die Hochschulen zwingen soll: Bitte, Herr Senator, tun Sie das nicht!

(Beifall bei der SPD)

Wir haben unseren Hochschulen die Autonomie verordnet, und ich finde, es hat den Hochschulen gut getan, dass Politik und Verwaltung sich auch ein bisschen zurückgenommen haben. Ich bin sicher, dass wir sie nicht zwingen müssen, sondern dass sie alles Notwendige tun, um zum Erfolg zu kommen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Senator Lemke, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist etwas schwierig, jetzt für den großen Senat eine Zusammenfassung der kontroversen Diskussion zu schaffen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Die große Koalition!)

Die große Koalition! Ich spreche ja als Bildungs- und Wissenschaftssenator, der seit fünfeinhalb Jahren die politische Verantwortung hat, aber immer, wenn ich mich richtig erinnere, gemeinsam mit den Mitgliedern der CDU und niemals gegen Sie in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Ich erinnere mich, dass wir sehr gut die letzten fünfeinhalb Jahre, das kann ich jedenfalls verbindlich aus meiner Erinnerung sagen, alle Beschlüsse gemeinsam gefasst haben.

Deshalb habe ich eben sehr wenig Verständnis, liebe, sehr verehrte Frau Dr. Spieß, für Ihren Beitrag

gehabt, da ich überhaupt nicht sehe, dass Sie akzeptieren, was in den letzten Jahren alles auf den Weg gebracht worden ist. Ich glaube, dass es dem Ansehen Bremens und dem Standort Bremen nicht besonders gut getan hat, wie Sie in Ihrem ersten Redebeitrag die Bildungs- und Wissenschaftspolitik dargestellt haben. Das hat mir eben selbst beim genauen Zuhören, ehrlich gesagt, nicht so gut gefallen.

Ich will aber sagen, was ich absolut in Ordnung finde und weshalb ich diese Debatte auch richtig finde: Wir haben im Bereich der Lehre Defizite an unseren Hochschulen und an der Universität, ohne Wenn und Aber. Wir haben eine zu lange Studiendauer, und wir haben, da liegen Sie natürlich völlig richtig, eine viel zu große Anzahl von Abbrüchen. Das ist allerdings nicht nur an der Universität Bremen und den Hochschulen so, das ist in ähnlicher Weise auch an anderen Hochschulen Deutschlands der Fall.

Es ist, das ist besonders erschreckend, auch im dualen System so, dass wir Ausbildungsbereiche haben, in denen bis zu einem Drittel der Auszubildenden ihre Ausbildung mittendrin abbrechen. Das ist sehr belastend, zum einen für die Gesellschaft, weil es natürlich mit unheimlich vielen Kosten verbunden ist, aber zum anderen auch für jeden Einzelnen, der nach einer gewissen Zeit der beruflichen, dualen Ausbildung oder der Ausbildung an der Universität dann zu dem Ergebnis kommt, dass er das Falsche studiert, was er möglicherweise gar nicht kann oder was nicht seinen Neigungen entspricht.

Deshalb unterstütze ich alles, was dahin geht, die Studierfähigkeit der Studenten zu verbessern, sie besser zu beraten, und zwar nicht erst in der Universitätseingangsphase, sondern, wie ich es aus verschiedenen Redebeiträgen gehört habe, bereits deutlich früher. Wir müssen in der Schule, in der Sekundarstufe I für die duale Ausbildung schwerpunktmäßig, aber dann in der gymnasialen Oberstufe deutlich bessere Übergänge schaffen. Dafür, liebe Frau Berk, sind wir ausdrücklich vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft gewürdigt worden. Wir haben einen Preis dafür bekommen, dass wir uns bereits vor einigen Jahren mit diesem Thema besonders befasst haben und gesagt haben, Schulen und Hochschulen, schafft Übergänge, macht Veranstaltungen wie Saturday Morning Physics. Die sind gerade wieder durchgeführt worden, an dieser Veranstaltung nehmen 900 Schüler teil. An vier Samstagen 900 Schüler!

Ich habe damals, als sie damit vor etwa drei oder vier Jahren angefangen haben – es war meine Bitte, dass man stärker kooperiert, sie haben diesen Vorschlag gemacht –, gesagt, macht es doch um Gottes Willen nicht am Samstagvormittag! Welcher Bremer Schüler findet denn am Samstagmorgen aus dem Bett, um zur Universität zu gehen, an vier Samstagen hintereinander? Ich habe nicht geglaubt, dass dieses Projekt von derartigem Erfolg begleitet wird,

und bin den Verantwortlichen in den Schulen und in den Hochschulen, an der Universität ausgesprochen dankbar, dass solche Projekte – und das ist nur ein Beispiel für viele – dazu führen, die Schüler, die kommenden, die zukünftigen Abiturienten zielführender in das Studium zu bringen. Das ist ein richtiger Weg!

(Beifall bei der SPD)

Gar nichts kann ich damit anfangen, Menschen zu zwingen: Ordnen Sie es doch an, Herr Lemke, zwingen Sie die Hochschulen, diese Eingangsprüfungen verbindlich zu machen! Nein, erst einmal muss ich die Rahmenbedingungen schaffen, dass es an Schule und Hochschule besser läuft, als es heute de facto läuft, und dass es besser wird, dass diese Abbrecherquoten von einem Drittel uns nicht belasten, uns als Wissenschaftsbehörde, uns aber auch als Gesellschaft, als Steuerzahler, weil diese Abbrüche, wie ich es eben auch schon gesagt habe, sehr viel Geld kosten.

Ich bin der Meinung, wir müssen zum Beispiel Programme fördern, über die Sie ja auch Bescheid wissen, dass wir 500 000 Euro in diesem Jahr für Modellprojekte ausgegeben haben. Wie können wir es hinbekommen, die Zielgenauigkeit der Studenten, welches Fach sie studieren sollen, zu verbessern? Da haben die Universität und die Hochschulen 500 000 Euro nur für ein Studienjahr erhalten, um entsprechende Projekte durchzuführen. Das, meine Damen und Herren, halte ich für einen richtigen Weg. Ein Zwang widerstrebt mir total. Wenn ich mit Zwang in Schule und Hochschule arbeiten würde, liebe Frau Dr. Spieß, ich würde überhaupt keine Richtungsänderung hinbekommen. Ich würde nur Unfrieden, Streit und Chaos an unseren Schulen und Hochschulen stiften. Das will ich nicht, das gehört wirklich der Vergangenheit an.

Deshalb stört mich auch die Strukturdebatte der letzten Tage, übrigens von beiden Seiten angestoßen. Ich will es gar nicht einäugig sehen, sondern ich will deutlich sagen, dass ich es richtig finde, was wir in Bremen machen, dass wir sagen, nicht die Parteipolitik, nicht die zufällige Zusammensetzung einer Regierungskoalition soll entscheiden, was mit unseren Kindern wird, sondern wir geben, liebe Frau Schön, den Eltern in unserem Land, in unseren Städten die Chance zu sagen, wir wollen unsere Kinder nach der vierten Klasse, wie bisher, in die Gesamtschulen geben, oder sie sagen, nein, wir möchten unsere Kinder gern in die Sekundarschulen geben oder auf das durchgängige Gymnasium.

Ich finde, dieser Weg, ohne eine chaotische Auseinandersetzung, wie wir sie in den siebziger und achtziger Jahren gehabt haben, ist der deutlich bessere Weg, als sich gegenseitig Vorhaltungen zu machen, da ist die Gesamtschule ganz klar besser, siehe Finnland. Dann sagen die anderen: Aber dreigliedrig geht es doch in Bayern, die sind ja viel bes

ser als in Bremen. Dann sage ich: Ja, in den Niederlanden mit vergleichbarer Population, der Zusammensetzung der Schülerschaft haben sie meines Erachtens bessere Ergebnisse als in Finnland, denn in Finnland ist die Migrationsquote 1,9 Prozent, und in den Niederlanden ist sie vergleichbar mit unserer. In Schweden ist die Population ähnlich wie bei uns, aber schauen Sie sich die Ergebnisse von Norwegen und Schweden an. Dann werden Sie sagen: Oh, was ist denn da in Schweden und Norwegen passiert? Die sind nicht vergleichbar mit den Finnen, sondern sie sind deutlich schlechter und mit uns vergleichbar. Die Schweden sind ein bisschen weiter vorn. Insgesamt aber war ich da enttäuscht, als ich die Ergebnisse von Schweden und Norwegen gesehen habe.

Wir reden gern von der skandinavischen Bildungskultur. Deutlich heraus ragt da aber eigentlich nur das finnische Ergebnis. Wenn man sich dagegen das niederländische Ergebnis ansieht, das sagt ja sowohl der Pisa-Bericht als auch die einstimmige Stellungnahme der KMK, dass es keinen Nachweis darüber gibt, ob die integrative Beschulung oder die selektierende Beschulung letztendlich erfolgreich ist.

Meine feste Überzeugung ist, dass es auf das Schulklima und guten Unterricht ankommt und dass das wesentlich wichtiger ist als eine strukturelle Eingrenzung. Dieser Weg, meine Damen und Herren – davon bin ich so überzeugt, und ich weiß, dass die beiden Koalitionsfraktionen uns dabei auch massiv unterstützen –, ist richtig, zu sagen, die Eltern sollen es entscheiden. Die Eltern haben sich ganz klar entschieden.

Übrigens, das sage ich ohne besondere Freude und Empathie, sondern ich sage ganz deutlich, und das geht ein bisschen in die Richtung der Grünen, die ja eben gesagt haben, es sei eine verfehlte Schulpolitik, es ist eine genau richtige Schulpolitik, weil sie den Eltern die Möglichkeit lässt, jetzt dies entsprechend anzuwählen. Das Ergebnis war ja, dass sich die Anzahl der Fünftklässler im letzten Jahr in den Gesamtschulen um 65 Prozent gesteigert hat. Da frage ich mich, wieso Sie von einer verfehlten Schulpolitik reden, wo wir es den Eltern freistellen! Zwang möchte ich weder in dem Wissenschaftsbereich haben noch im Schulbereich. Das sollen bitte die Eltern entscheiden und nicht wir für sie.

Frau Dr. Spieß, Ihnen muss ich noch verdeutlichen, was wir alles im gymnasialen Bereich und auch im Grundschulbereich verändert haben. Das ist aus meiner Sicht zielführend. Die Gymnasien sind mittlerweile in einem Wettbewerb, dass diejenigen Schulen, die in unserer Stadt bisher einen besonderen Zulauf gehabt haben, mit einem Mal sagen: Was ist eigentlich bei uns los? Wir haben derartig gute Ergebnisse, und das werden wir in den nächsten Jahren auch in verschiedenen Vergleichsarbeiten sehen, unter anderem auch bei einem von uns gemeinsam eingeführten Zentralabitur, dass wir – das ist

jetzt aber nicht durch diese Debatte entstanden, sondern das haben wir vor einigen Jahren auf den Weg gebracht – sagen, jawohl, wir setzen die Standards, wir sorgen dafür, dass die Standards eingehalten werden in einem Wettbewerb, aber nicht unter der Maßgabe, weniger Abiturienten dabei zu produzieren, sondern wir wollen – und das ist doch überhaupt gar keine Frage, dass wir in die Köpfe unserer Kinder investieren müssen – doch nicht weniger Abiturienten haben, sondern wir wollen mehr Abiturienten mit besseren Leistungen erzielen. Das ist doch unsere Zielsetzung!

(Beifall bei der SPD)

Mehr Abiturienten mit besseren Leistungen, weil das die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist! Das ist doch der Hauptpunkt unserer Bemühungen! Dann schauen Sie bitte noch einmal nach, Frau Dr. Spieß, ich gebe Ihnen gern die entsprechenden Unterlagen darüber: Pisa II hat nachgewiesen, dass in den Gymnasien im Fach Mathematik ein deutlicher Leistungssprung im Vergleich 2000 zum Jahr 2003 zu beobachten ist. Das ist das allererfreulichste Ergebnis. Das mit der sozialen Kopplung belastet uns alle. Da sind auch alle Politiker, ob A- oder B-Seite, völlig einer Meinung. Die soziale Kopplung ist etwas, das wir nicht hinnehmen können, fast original zitiert aus der einstimmigen KMK-Erklärung. Das können wir nicht hinnehmen. Die Leistungssteigerung, der Sprung in den Gymnasien ist aus meiner Sicht genau auch ein Beleg dafür – und ich bin sicher, dass es in Bremen ganz genauso ist –, dass wir hier auf einem Weg sind, die Leistungen der zukünftigen Abiturienten deutlich zu verbessern, damit sie eben nicht Nachhilfeunterricht in der Universität bekommen müssen, sondern wir es auch im Sinne Ihrer Initiative hinbekommen, dass diese Abiturienten dann praktisch sofort studierfähig sind. Dies, meine Damen und Herren, möchte ich aber wie bisher im Sinne der großen Koalition so hinbekommen, dass wir die Universitäten und die Schulen entsprechend ausrichten. Einen Zwang dort anzuwenden, denke ich, ist der völlig falsche Weg. Ich würde darum bitten, dass wir nicht allzu oft Debatten dieser Art führen, das möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen. Ich erlebe im Augenblick in unseren Schulen eine Belastung durch die Dynamik dessen, was wir alles auf sie haben zukommen lassen. Die Klassenlehrer der vierten Klassen, die dort an diesen Vergleichsarbeiten beteiligt waren, arbeiten mit 20 bis 40 Stunden Mehrarbeit, ohne dass sie irgendeine Entlastung erfahren haben. Die Lernentwicklungsberichte, die die große Koalition jetzt beschlossen hat, bedeuten für die Klassenlehrer der dritten und vierten Klassen ebenfalls Mehrarbeit von 20 bis 40 Stunden, ohne dass sie dadurch irgendeine Entlastung bekommen. Ich bin für beide Projekte ohne Wenn und Aber, wir dürfen aber nicht belasten und gleichzeitig an den Pranger stellen.

Das, was ich in Ihrem ersten Beitrag erfahren habe, Kuschelpädagogik

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Unmöglich!)

und eine Abrechnung mit der Bildungspolitik, ist nach neuneinhalb Jahren der gemeinsamen Arbeit in der großen Koalition für bessere Bildungs- und Wissenschaftspolitik der falsche Weg. Ich kann nicht kritisieren und an den Pranger stellen, sondern ich muss da, wo ich gute Ansätze sehe, loben. Nur mit dem Lob kann ich den richtigen Weg beschreiten. Das sollten wir uns bei zukünftigen Debatten überlegen. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 16/463, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Mitteilung des Senats vom 9. November 2004 (Drucksache 16/450) 1. Lesung

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Drucksache 16/450, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

(Einstimmig)

Meine Damen und Herren, es ist Einigung darüber erzielt worden, nach der ersten Lesung das Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten zu überweisen.

Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?