Protocol of the Session on October 6, 2004

(Drucksache 16/376)

Wir verbinden hiermit:

Das Fördern ausgestalten

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 4. Oktober 2004 (Drucksache 16/423)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Röpke, ihr beigeordnet Staatsrat Dr. Knigge.

Frau Senatorin, möchten Sie die Antwort auf die Große Anfrage hier mündlich wiederholen?

(Senatorin R ö p k e : Nein, ich verzichte!)

Das ist nicht der Fall.

Ich gehe davon aus, dass wir in eine Aussprache eintreten wollen. – Das ist nicht der Fall.

(Abg. Karl Uwe O p p e r m a n n [CDU]: Doch, doch!)

Es wäre normal nach der Geschäftsordnung so, dass derjenige, der die Anfrage gestellt hat, auch zuerst redet.

(Abg. Karl Uwe O p p e r m a n n [CDU]: Ich melde mich doch die ganze Zeit!)

Ja, aber das ist schlecht zu sehen.

(Abg. Karl Uwe O p p e r m a n n [CDU]: Da müssen wir aber einmal mit dem Opti- ker reden! – Heiterkeit bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Karl Uwe Oppermann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident hat es beim Aufrufen des Tagesordnungspunktes gesagt, die Große Anfrage haben wir im Juni gestellt, und im August ist die Antwort des Senats gekommen. Heute würden wir gemeinsam, SPD und CDU, viele Fragen anders formulieren, denn in der Zwischenzeit ist ein Vierteljahr ins Land gegangen. Sie würden anders antworten, Frau Senatorin, für den Senat, davon gehe ich einmal aus. Wir konnten heute in der Zeitung lesen, dass Bagis gegründet worden ist, wieder so eine schöne Abkürzung, also das Herzstück von Hartz IV ist in Bremen gegründet worden. Danach haben wir in dieser Großen Anfrage noch gefragt, aber wir werden im Laufe dieser Debatte sicherlich noch darauf eingehen.

Frau Schön, zu den Grünen: Ihren Antrag werden wir ablehnen, denn es ist ein untauglicher Versuch, in Berlin Hartz-Gesetzgebung, SGB II und SGB III mitzubeschließen und sich dann für Ihr Klientel hier in Bremen einen weißen Fuß machen zu wollen. Das geht nicht, das haben wir gemerkt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD – Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch absoluter Blödsinn!)

Die Senatoren der CDU und auch die CDU-Fraktion haben sich nie gegen die Gesetzgebung SGB II, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

III und XII, man muss sie in einem Atemzug nennen, gewandt. Das Gleiche gilt auch für die CDU in diesem Haus. Wir haben immer erkannt, Reformen in diesem Bereich sind notwendig. Wir hielten und halten eine Neuregelung des sozialen Netzes in Deutschland für unverzichtbar, weil, wie ich es hier für die CDU schon des Öfteren gesagt habe, es sich viele Menschen in der sozialen Hängematte bequem gemacht und vergessen haben, sich selbst zu helfen oder eben das System nicht helfen konnte.

Ich will Ihnen gern den Unterschied zwischen Netz und Hängematte erklären. Beide bestehen aus sehr vielen Löchern, die man mit einem Band zusammenbindet. Nur, bei einer Hängematte sind die Löcher so klein, dass Sie keinen Druck am Rücken verspüren, das ist angenehm. Ein Netz besteht aus größeren Knoten, und darin zu liegen, das tut richtig weh, und das hilft manch einem, sich selbst zu helfen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Wenn alles in Ordnung gewesen wäre, dann hätte man auf diese neue Gesetzgebung, für die die beiden großen Parteien in Deutschland ja auch geprügelt wurden, verzichten können. Es ist aber im föderativen System nun einmal so, dass man im Bundesrat und Bundestag gemeinsam diese Sache angegangen ist.

Was wir nicht wollten, und ich glaube, dabei kann ich auch zur SPD hinüberschauen, ist dieses Gewürge mit dem, was den Menschen beigebracht worden ist! Darunter haben wir alle sehr gelitten, Sie wahrscheinlich noch mehr als wir. Darüber waren Sie sicher nicht begeistert, über diese Meldung, über diese beinahe auch Unmeldung, die aus Berlin kam und den Leuten alles falsch erklärt hat oder die Presse dann auch noch darauf eingestiegen ist mit Horrorszenarien. Dilletantischer ging es wirklich nicht, alle Erläuterungen und Erklärungen zu spät und zu ungenau! Dann hatte man wieder Angst vor der eigenen Courage bekommen. Bundesminister haben direkt oder indirekt mit Rücktritt gedroht. Von dem ganzen Theater will ich nur zwei Stichworte nennen: das unsägliche Spiel um die Zahlpause im Januar 2005, zum Glück geklärt, und die erschreckende Geschmacklosigkeit mit der AchtundfünfzigerRegelung, meine Damen und Herren.

Die Verantwortung dafür trägt die Regierung in Berlin, nicht die Opposition, die das Gesetz mit beschlossen hat. Ich habe schon gesagt, im föderalen System hat man sich im Bundesrat und Bundestag geeinigt. Die beiden großen Parteien und auch die Grünen tragen diese Gesetzgebung mit, und das ist auch gut so, aber für die Ausführungsverordnung und Übermittlung an die Menschen und Irritationen, die damit in den Menschen ausgelöst worden sind, trägt allein die Regierung in Berlin die Verantwortung.

Zwischenzeitliche Nachbesserungen sollen zwei Milliarden Euro, so sagt die Regierung, fünf Milliarden Euro sagt die Opposition, kosten. Irgendwo in der Mitte wird wohl die Wahrheit liegen, das wird man in der nächsten Zeit dann sicherlich feststellen. Da wundern sich diese Damen und Herren noch, dass die Menschen in unserem Land auf die Straße gehen. Ich weiß nicht, ob das Wort Montagsdemonstration mit diesen Demonstrationen wirklich in einem Atemzug genannt werden sollte, das hat damals die Welt verändert. Diese Montagsdemonstrationen werden die Welt nicht verändern. Ich meine auch die Menschen, die sich wirklich Sorgen um ihre Zukunft machen, um ihren Arbeitsplatz, um die Zukunft des Sozialsystems, ich meine nicht die, die wir bei jeder Demonstration sehen, egal, wogegen demonstriert wird. Dass die beiden großen Parteien bei den letzten Kommunalwahlen ein bisschen abgestraft worden sind für die Hartz-Gesetzgebung, das haben wir alle schmerzlich erfahren, aber nicht wir in Bremen, sondern die Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen, in denen gewählt worden ist.

Die neuen Regelungen, die in den Gesetzen SGB II, III und XII ihren neuen Ausdruck finden, sagen nichts anderes, als dass jeder Mensch, der arbeitslos ist, aber drei Stunden am Tag arbeiten kann, sich aus dem Bundessozialhilfegesetz verabschiedet und sich künftig im Rahmen des SGB II aufhält. Das SGB XII gilt ab 1. Januar nur noch für einen deutlich kleineren Kreis, noch heißt es Bundessozialhilfegesetz, später heißt es dann SGB XII, von Menschen, nämlich für alte, kranke und schwerbehinderte Menschen. Es regelt aber auch deutlich die Verankerung von ambulant vor stationär ganz deutlich. Alle anderen Menschen finden sich im SGB II wieder.

Das Hauptziel dieser Gesetze ist es, die Menschen wieder in Arbeit und Beschäftigung zu bringen. Es gibt den Kommunen die Aufgabe der Trägerschaft für die Kosten der Unterkunft und die sozial integrativen Lösungen, Fördern und Fordern ist da die oberste Aussage. Leider, das muss man hier vielleicht auch einmal sagen, ist der Gedanke des Förderns auch in den Medien in der Vergangenheit deutlich zu kurz gekommen. Auf die Bremer Bemühungen zum Fördern komme ich noch in meinem Beitrag zurück.

Wenn ich mir den heutigen Zeitungsausschnitt ansehe, dass die Sozialsenatorin glücklich ist, dass die Bagis gegründet ist, das kann ich verstehen, aber, Frau Senatorin, die größte sozialpolitische Reform der Nachkriegsgeschichte ist diese Gesetzgebung sicherlich nicht.

(Abg. P i e t r z o k [SPD]: Agenda 2010!)

Herr Pietrzok, ich habe es leider nicht miterlebt, denn zu der Zeit war ich noch nicht in der Politik, mit der Einführung des Bundessozialhilfegesetzes ist erstmals von der Wohlfahrt für den Menschen auf

einen Rechtsanspruch umgestellt worden! Was wir jetzt machen, ist, im Rechtsanspruch Türen zu verändern.

(Zuruf des Abg. P i e t r z o k [SPD])

Das Bundessozialhilfegesetz, Herr Pietrzok, hat zum ersten Male die Menschen nicht mehr von dem Gutdünken der Wohlfahrt abhängig gemacht, sondern einen gesetzlichen Rechtsanspruch verankert. Das, finde ich, ist eine ganz tolle Sache gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Begleitet werden beide Gesetze durch das SGB III, das die Neuausrichtung und Steuerung, die Vereinfachung und leistungsrechtlichen Neuordnungen der arbeitsmarktpolitischen Instrumente sowie neue Prozesse und Strukturen auf seine Kunden regelt.

Meine Damen und Herren, wir hatten im Januar 2004 ja ein kleines Problem mit der Sozialhilfeauszahlung. Das hat uns schon viel Ärger und viel Mühe gemacht. Im Januar 2005 darf das auf keinen Fall passieren, dass das neue Geld, die neuen Ansprüche durch einen Systemfehler in der Soft- oder Hardware nicht ausgezahlt werden können. Ab 4. Oktober, also seit vorgestern, arbeiten diese neuen Geräte in Kaskadenschaltung, so hat mir das der Arbeitsamtdirektor gesagt.

(Senatorin R ö p k e : Ab 18.!)

Ab 18. erst? Gut, das ist schon wieder eine Zeitverschiebung, es sollte am 4. Oktober passieren. Vielleicht können Sie in Ihrer Antwort sagen, wieweit das Softwaresystem wirklich ausgeprägt ist, denn eine Verzögerung darf nicht passieren. Es wäre wirklich ein Supergau, wenn wir die Gesetze einführen wollen und wir den Menschen ihre Leistungen, die ihnen dann zustehen, nicht pünktlich auszahlen können. Dann hätten wir als Bremer keine Schuld, aber wir würden alle blamiert sein, das ist völlig klar!

Meine Damen und Herren, zur Anfrage der großen Koalition! Zu der Zeit, als wir diese Anfrage gestellt haben, das habe ich vorhin gesagt, hat man etwas andere Fragen gestellt als heute, sonst hätte man etwas andere Antworten bekommen. Trotzdem sagt aber die Antwort des Senats, und wir haben ja die Bemühungen des Senats in den Sozialdeputationen und in den Arbeitsdeputationen begleitet, dass viel gemacht worden ist. Da muss man wirklich sagen, hier in Bremen hat die Verwaltung nicht nur die Ärmel hochgekrempelt, sondern richtig gearbeitet. Wir haben von vielen Überstunden gehört, die gemacht worden mussten, von Urlaubsverschiebungen, damit alles zeitnah in die Wege geleitet wird.

Wir haben der Sozialverwaltung in den letzten Jahren sehr viel zugemutet. Das Grundsicherungsgesetz, das ab 1. Januar dann auch schon wieder

zum Teil hinfällig ist, die Neuordnung der Sozialen Dienste, die Bildung der Sozialzentren. Ich glaube, wir sollten uns bei den Menschen, die in der Sozialverwaltung an der Spitze stehen, und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das bedanken, was sie in den letzten Jahren geleistet haben.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

In den Dank schließe ich auch ein, dass die Sozialverwaltung bundesweit ein einmaliges Programm durchgeführt hat, nämlich bei den Fragebögen, alle die Antworten, die wir schon hatten, eingesetzt hat und es den Sozialhilfeempfängern und HLU-Empfängern so vereinfacht hat, diesen Wust von Anträgen zu bearbeiten, weil alles das, was der Behörde ohnehin schon bekannt war, eingetragen war. Vorbildlich für die Republik! Ich kann nur hoffen, dass es andere nachgemacht haben, was wir ihnen hier vorexerziert haben, Frau Senatorin.

In der vorletzten Deputation sind wir dann aber auf ein Thema gestoßen, das eigentlich niemand von uns erwartet hat, oder würden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, von vornherein wissen, dass viele hundert Menschen in dieser Stadt diese Anträge nicht ausfüllen konnten, weil sie nicht lesen und schreiben können, Hilfe gebraucht haben? Glücklicherweise haben wir Einrichtungen in diesen beiden Städten, die diesen Menschen beim Ausfüllen dieser Liste helfen konnten, so dass sie auch im Januar ihre berechtigten Ansprüche haben können.

Ich habe gehört, der Rücklauf in Bremen liegt bei 60 Prozent, das ist sehr gut. Zehn Prozent werden sicherlich keinen Antrag stellen, weil sie keine Unterstützung auf das Arbeitslosengeld II mehr bekommen, weil sie wegen des Familieneinkommens hinausfallen. Das ist ein sehr guter Rücklauf. Ich habe mir sagen lassen, er wäre besser als in den meisten Kommunen oder Gebietskörperschaften.

Lassen Sie mich noch ein Wort zum SGB XII sagen, dem Nachfolger des BSHG! Viele Einzelleistungen werden durch Pauschalen ersetzt. Ich sage: zum Glück! Von dieser Stelle habe ich es in der Vergangenheit wiederholt gesagt, wir entmündigen die Bezieher von HLU, wenn wir ihnen nicht zutrauen, mit ihrem Geld auch wirtschaften zu können. Es gibt immer solche, die mit ihrem Geld nie wirtschaften können. Die meisten, denen Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt wird, können sehr wohl mit ihrem Geld auskommen, es einplanen.

Ich bin beinahe ausgelacht worden, als ich es von dieser Stelle gefordert habe, insbesondere von einem langjährigen Staatsrat, der ist jetzt aber nicht mehr im Dienst, ich hätte bei ihm keinen Stempel bekommen, der dies für unmöglich hielt, der nicht einmal die Öffnungsklausel für Bremen haben wollte. Jetzt geht es, Rotgrün in Berlin schreibt es in das Gesetz, und endlich kann der Unsinn aufhören, Frau

Wangenheim, dass über viele kleine Dinge extra Vorgänge angelegt werden müssen, dass sich gut bezahlte Widerspruchsachbearbeiter mit diesen Vorgängen beschäftigen müssen und dass sich ein großer Ausschuss dann zwei Jahre später damit beschäftigt, ob der Teppichboden vor zwei Jahren zu Recht abgelehnt worden ist, meine Damen und Herren. Das ist jetzt Vergangenheit, und diese Mitarbeiter der Verwaltung können jetzt besser eingesetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Dafür wird der Grundbetrag für den Haushaltsvorstand ab Januar 2005 von 296 Euro im Monat auf 345 Euro im Monat angehoben und entsprechend bei allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft beziehungsweise Familie.