Protocol of the Session on September 9, 2004

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur noch ein paar kurze Worte! Frau Kauertz, mir ging es so wie Herrn Wedler. Ich glaube, Sie haben den Eindruck, dass man mit einer Schuldatenbank auf die einzelnen Schulen zeigt und sagt, du, Schule, bist schlecht, und du wirst an den Pranger gestellt. Darum geht es in der Tat nicht! Pisa und Iglu haben uns als Politiker aufgefordert, genau hinzuschauen, was an den Schulen falsch läuft und wo Schulen Unterstützung brauchen. Wenn man eine Schuldatenbank einrichtet, ist das auch die Aufforderung an die Politik, eine funktionierende Schulaufsicht und eine funktionierende Schulinspektion auf den Weg zu bringen und das mit richtigen Programmen zu flankieren. Herr Wedler, es geht nicht um das isolierte Ergebnis in einer Klasse, es geht nicht um den isolierten Schüler. Das sind anonymisierte Daten. Herr Wedler, alle europäischen Länder haben diese Datenbanken. Warum haben sie diese Datenbanken? Weil dort ganz offensiv über das Recht auf gute, auf allerbeste Bildung für die Kinder diskutiert wird! Es fließt viel Geld in die öffentliche Bildung, und da müssen wir als Politik doch zusehen, dass das Geld bestmöglich eingesetzt wird!

Frau Kauertz, selbst die schwedische Lehrergewerkschaft fordert diese Datenbank. Sie fordern geradezu von der Politik: Schaut hin, wie unterrichten wir! Wie ist unser Unterricht? Unterrichten wir nicht gut? Was können wir besser machen? Das wird ganz offensiv in allen anderen Ländern von allen anderen Lehrern gefordert. Wir sind doch blöd und wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir das nicht auch unseren Lehrerinnen und Lehrern anbieten würden!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Rohmeyer, irgendwie ist mir das auch ein bisschen zu blöd mit Ihnen!

(Heiterkeit)

Sie wissen ganz genau, wo der Hase entlangläuft!

(Glocke)

Liebe Frau Kollegin Stahmann, das war jetzt nicht nötig!

Also, Herr Rohmeyer, irgendwie ist es mir seltsam mit Ihnen!

(Heiterkeit)

Sie wollen mich partout nicht verstehen. Ich kritisiere die frühe Trennung der Kinder nach Klasse vier, weil ich sage, selbst an diesem Zeitpunkt kann man noch nicht genau feststellen, welche Begabungen, welche Talente die Kinder überhaupt entwickeln. Das frühe Trennen nach Klasse vier hat sich im internationalen Vergleich als Verlierermodell gezeigt und bringt eben nicht die Qualitäten, die wir brauchen.

Wir wollen alle Kinder bestens fördern. Das gelingt allen Ländern besser, indem sie die Kinder lange gemeinsam lernen lassen. Dort sind die Schlechtesten besser als hier, und auch die Besten sind noch besser, und das will ich für Bremen auch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Kauertz.

(Abg. Frau K a u e r t z [SPD]: Ich habe mich gerade entschlossen zurückzuziehen! Ich bedanke mich! Ich kann damit leben!)

Dann hat als nächster Redner Herr Senator Lemke das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Weltbild ist eben ein bisschen ins Wanken geraten. Gott sei Dank haben Sie das, Frau Stahmann, eben noch etwas zurechtgerückt, weil ich in fünf Jahren bildungspolitischer Debatten noch nicht so einen engen Schulterschluss zwischen Schwarz und Grün erlebt habe wie heute. Ich war ganz verwundert.

Als ich noch nicht im Amt war, gab es einen Leistungstest, eine Vergleichsarbeit, die meine Vorgängerin im Amt verzweifelt durchzusetzen versucht hat. Der hieß damals, das wissen Sie, Frau Stahmann, Usus. Angeblich aus politischen Kreisen, die Ihnen und Ihrer Fraktion sehr nahe stehen, so wird jedenfalls kolportiert, ist diese Untersuchung, diese Vergleichsarbeit, die damals die Kollegin in weiser Voraussicht durchführen wollte, kaputt gemacht worden. Die Fragen und Antworten wurden ins Internet gestellt, veröffentlicht und von Schule zu Schule gegeben. Insofern bin ich sehr glücklich über Ihren Meinungswandel, der absolut identisch mit meinem ist, dass wir nämlich sehr wohl schauen müssen, was in den Schulen los ist, und ich finde es sehr beachtlich, dass Sie in dieser Frage absolut mit dem Koalitionspartner, der CDU, übereinstimmen. Das ist ja auch nicht zu kritisieren, wenn man sich bei der Beurteilung von Fakten weiterentwickelt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir wollten die Qualität der Untersuchungen verbessern!)

Ich finde das sehr beeindruckend und stehe voll hinter Ihrer Position. Es geht darum, dass Sie diesen Test damals, Kolleginnen, Freunde, wie auch immer, nicht Sie persönlich, liebe Frau Stahmann – –.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Sie sind aber auch nachtragend!)

Ich bin überhaupt nicht nachtragend, ich will nur einmal darauf aufmerksam machen, wie vor sechs Jahren mit Vergleichsarbeiten verfahren worden ist.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, der Test war auch schlecht!)

Es lag nicht daran, dass meine Vorgängerin im Amt damals eine Vergleichsarbeit durchführen wollte, sondern die war schlichtweg schlecht, und deshalb ist sie boykottiert worden. Okay?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Jedenfalls stelle ich fest, dass Sie heute, nach sechs Jahren, nichts mehr gegen Vergleichsarbeiten haben, die ich im Amt, das wissen hier alle bildungsinteressierten Parlamentarier, bereits 2002 eingeführt

habe, und zwar so eingeführt habe, dass ich die Schulen dabei mitgenommen habe,

(Beifall bei der SPD)

nicht gegen sie gearbeitet habe, sondern mit und in den Schulen darüber Einverständnis erreicht habe, dass es wichtig ist, sich von Klasse zu Klasse zu vergleichen, denn das ist ja das Frappierende, dass sogar innerhalb der einzelnen Schulen zwischen den Klassen Unterschiede in den ersten vier Jahren oder dann im weiteren Bereich der Sek I innerhalb der einzelnen Stufen entstanden sind. Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass eine Schule in einem Stadtteil, in den drei oder vier Klassen, die sie mitnehmen, völlig unterschiedliche Leistungsergebnisse hat, eigentlich absolut indiskutabel und kaum erklärbar. Wir haben erreicht, dass an unseren Schulen zumindest einmal in der Lehrerschaft darüber diskutiert wird, wie es eigentlich zu den Unterschieden kommt, nicht um über die eine oder andere Kollegin herzufallen, sondern um zu fragen, wie wir es denn erreichen können, dass wir zu besseren Ergebnissen in den Klassen kommen, die bei gleichen sozialen Zusammensetzungen deutlich abfallen. Das heißt, Sie brauchen nicht an uns zu appellieren. Ich finde es schon geradezu grotesk, hier im Parlament heute zu sagen, wir müssen endlich eine Qualitätsdebatte anfangen! Haben Sie nicht gespürt, dass wir seit einigen Jahren eine heftige Qualitätsdebatte führen und viele Dinge in den letzten Jahren positiv umgesetzt haben, so dass ich in der Deputation schon so manches Mal ausgebremst werde, nicht noch mehr Reformen, nicht noch mehr Dinge anzuschieben, sondern erst einmal den Schulen Zeit und Muße zu geben, das umzusetzen, was wir von ihnen verlangen, und das ist verdammt viel, das kann man ja jeden Tag in den Debatten mit den Schulleitern und den Klassenlehrern auch so erfahren? Also bitte nicht den Eindruck hier im Parlament entstehen lassen, dass wir jetzt den Druck des Parlaments bräuchten, um endlich zu verstehen, dass wir eine Qualitätsdebatte haben!

(Beifall bei der SPD)

Das haben wir längst erkannt und auch im gemeinsamen Kontext mit der Koalition, mit der CDU-Fraktion entsprechend umgesteuert. Meine Damen und Herren, Frau Allers hat sehr großen Wert darauf gelegt zu sagen, dass es quasi das Allerwichtigste ist, die Vergleichsarbeiten zu veröffentlichen und ins Netz zu stellen. Herr Rohmeyer hat sich ja eben vielleicht ein bisschen in der Wortwahl vergaloppiert. Vielleicht hat er sich da auch nur versprochen. Er hat gesagt, Leistung soll endlich gemessen werden. Herr Rohmeyer, Sie wissen es doch: Leistung messen wir. Sie fordern die Veröffentlichung!

(Zuruf des Abg. R o h m e y e r [CDU])

Aber dann hätten Sie es ja auch so sagen können! Gut, ich habe das interpretiert!

Gemessen wird die Leistung Gott sei Dank, und sie wird anerkannt und ohne Widerstand umgesetzt, das ist das Positive. Sie sagen, jetzt soll es auch veröffentlicht werden. Ich sage, es wird veröffentlicht. Jede Elternvertretung hat das Recht, im Rahmen der Schule, in der die Kinder beschult sind, in die Schulkonferenz zu gehen und sich ein Bild zu machen: Wie steht meine Klasse, wie steht diese Schule im Vergleich zur Region, zum Land, zur Bundesrepublik Deutschland, und wie steht unsere Schule international? Das ist ein ganz großer Fortschritt, und ich glaube, dass es richtig ist, diesen Prozess so zu beginnen oder so fortzusetzen, Herr Rohmeyer!

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Was machen die Eltern, die die Schule anwählen wol- len?)

Sie haben die Möglichkeit, sich von der aufnehmenden und der abgebenden Schule beraten zu lassen. Welch ein Erfolg, lieber Herr Rohmeyer, war es, dass wir in diesem Jahr erstmalig gemeinsam mit der großen Koalition durchgesetzt haben, dass nach der vierten Klasse die Eltern die Schule ihrer Kinder frei anwählen können und wir nur eine ganz geringe Quote von Schülerinnen und Schülern hatten, die nicht an die Schule gekommen sind, die die Eltern ausgewählt hatten! Ein riesiger Erfolg!

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Unsere For- derung!)

Entschuldigung, das haben wir gemeinsam umgesetzt, lieber Herr Rohmeyer!

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Ja, genau!)

Falls Ihnen das entgangen ist: Wir haben einen entsprechenden Koalitionsvertrag darüber geschlossen und sehr erfolgreich durchgesetzt.

Das heißt, ich glaube, es ist absolut verkürzt, meine Damen und Herren, wenn wir nur auf die Vergleichsarbeiten schauen. Eine gute Schule zeichnet sich nicht nur durch entsprechend gute Zensuren aus, sondern da gibt es ganz andere Faktoren, auf die wir, ich jedenfalls – –. Ich weiß, dass viele in diesem Haus mich dabei unterstützen, das steht ja auch in der Senatsantwort. Wie wollen Sie das soziale Engagement messen, wie soll das ins Internet gestellt werden, oder die Teamfähigkeit, die Kreativität, das Selbstbewusstsein, das unsere Schülerinnen und Schüler, auch aus schwächeren Familien entwickeln, weil sie in eine gute Schule gehen, wie soll das denn gemessen werden?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Mensa ist auch wichtig!)

Das Schulklima, liebe, sehr verehrte, gnädige Frau, so höre ich das ja immer – –.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, nein! Ich verbitte mir das! Sie müssen die schlechten Manieren des Bürgermeisters nicht übernehmen! Eine gnädige Frau bin ich nicht!)

Jetzt nicht mit Mensa kommen! Ich rede über eine Verbesserung unserer Schulen, und das Thema ist viel zu ernst, als dass wir darüber so salopp sprechen, indem Sie mir mit der Mensa kommen!

(Beifall bei der SPD)

Das ist viel zu ernst! Selbstverständlich gehört auch ein gutes Schulklima dazu, und dazu gehört in der Ganztagsbetreuung unter anderem auch ein gutes Essen, aber nicht in der Art und Weise, wie Sie es eben gesagt haben!

Es gehört auch dazu, meine Damen und Herren, dass die Kinder lernen, durch ein freundliches Auftreten Menschen zu gewinnen. Das ist in den letzten Jahrzehnten vielleicht ein bisschen vernachlässigt worden, dass sie positiv in ihre Zukunft gehen, dass sie mit Freude in die Schule gehen und nicht daran denken, um Gottes Willen, schon wieder in die Schule! Dazu gehört natürlich eine Schule, die sagt, ihr seid willkommen, und hoffentlich nicht, ist bald Feierabend!

(Beifall bei der SPD)

Das gilt für alle Kinder, und nicht nur für die Einser aus den Elternhäusern von Akademikern, die es leichter als die Kinder aus benachteiligten Stadtteilen haben. Wenn wir es so verkürzt machen, wie Frau Allers das gefordert hat, und sagen, das Entscheidende ist, dass wir das transparent machen möchten, was gibt das für ein völlig verzerrtes Bild? Ich lade Sie herzlich ein, einmal in die Behörde zu kommen und nur die 300 Seiten mit mir durchzublättern, die mir persönlich von den Evaluatoren der Grundschulen gegeben worden sind, wo ich über jede Schule eine genaue Analyse bekommen habe. Es sind die 27 Grundschulen, die wir haben evaluieren lassen. Da gibt es Schulen, Frau Allers, die bei den Vergleichsarbeiten zwischen Eins und Zwei abschneiden, und trotzdem bekommen sie in das Zeugnis durch die Evaluatoren hineingeschrieben: ein grottenschlechter Unterricht, Schulklima miserabel, Fortbildungsbereitschaft der Lehrer ganz schlecht ausgeprägt, eine Schule, die viel mehr erreichen kann, die viel besser sein kann!

Meine Damen und Herren, da ist mir das viel zu verkürzt, weil ich gleichzeitig von einer Schule einen Bericht bekommen habe, in dem die Schüler im Schnitt bei den Vergleichsarbeiten nur eine Drei bis