Gleichzeitig müssen wir aber auch vorsorgen, dass die einzelnen Länder ihre neuen Rechte, wenn sie für sich jeweils berechtigte regionale oder partikulare Eigeninteressen verfolgen, nicht auf Kosten der anderen, insbesondere der kleinen Länder durchsetzen. Alle Länder müssen einem gesamtstaatlichen, gemeinsam länderfreundlichen Handeln verpflichtet bleiben. In mehrfacher Hinsicht hat gerade das kleinste Bundesland deshalb ein besonders großes Interesse an der Reform.
Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich am 6. Mai dieses Jahres erneut über ihre Vorstellungen über die Reform verständigt und sie in einem Positionspapier niedergelegt. Es stellt, so die Überschrift dieses Papiers, die Grundlage der Reformagenda der Länder in der Bundesstaatskommission dar, auf deren Basis unser Mitvorsitzender der Bundesstaatskommission von Länderseite, der bayerische Ministerpräsident Stoiber, agieren und verhandeln kann. Der Senat stellt das Papier im Zusammenhang mit dieser Regierungserklärung der Bremischen Bürgerschaft gern zur Verfügung.*)
Dort betonten die Ministerpräsidenten einmütig: „Die föderale Vielfalt Deutschlands schafft Bürgernähe und demokratische Akzeptanz. Sie steht in einem strukturellen Gegensatz zu globalen und latenten Zentralisierungsbestrebungen. Eine zukunftsfähige föderale Ordnung muss so flexibel sein, dass sie trotz der historisch gewachsenen föderalen Unterschiede zwischen großen Ländern und kleinen Ländern, zwischen Stadtstaaten und Flächenstaaten, zwischen alten und neuen Ländern einen optimalen Gestaltungsrahmen bietet. Nur wenn in einer föderal strukturierten Staatsform alle Glieder eine optimale Möglichkeit haben, Dynamik in ihrer Region zu erzeugen, kann die Bundesrepublik insgesamt ihre Wohlstandspotentiale als Industrienation ausschöpfen.“
Als Ziele der Reform nennen alle Ministerpräsidenten weiter: Verbesserung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern durch Entflechtung von Entscheidungsprozessen bei angemessener Finanzausstattung, deutliche Zuordnung der politischen Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern mit einer Stärkung der Länderkompetenzen, Steigerung der Effizienz der Aufgabenerfüllung zur besseren Ausschöpfung der wirtschaftlichen Leis––––––– *) Der Text steht den Abgeordneten in der Bibliothek der Bürgerschaft zur Einsicht zur Verfügung.
tungspotentiale in Bund und Ländern sowie die Verbesserung der so genannten Europatauglichkeit des Grundgesetzes.
Im Kern zielen die Reformvorschläge damit auf eine übergreifende Entflechtung und neue Systematisierung. Dies ist zugleich ein Weg, den Landtagen wieder größere legislative Möglichkeiten einzuräumen, wie es auch in der Quedlinburger Erklärung der Landtagspräsidenten vom 17. Mai 2004 gefordert wird.
Die Verhandlungen in der Bundesstaatskommission haben im November letzten Jahres begonnen. Die Kommission hat inzwischen achtmal getagt und zahlreiche Sachverständige angehört. Sie hat zwei Arbeitsgruppen eingesetzt für Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte der Länder und für Finanzbeziehungen. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause wurden sieben Projektgruppen gebildet, die gegenwärtig die konkreten Fragestellungen so weit vertiefen, dass sie bis zum Oktober 2004 gesetzesreife Vorschläge zur Reform der Verfassung beziehungsweise verschiedene Alternativen dafür entwerfen können.
Wir wollen bis Ende dieses Jahres zu einem Ergebnis kommen. Aus heutiger Sicht kann hier also nicht mehr als ein Werkstattbericht gegeben werden.
Zum zentralen Ausgangspunkt hat sich die Neubestimmung der Zustimmungsrechte der Länder im Bundesrat bei der Bundesgesetzgebung entwickelt. Der Bund möchte mehr eigene Gestaltungsspielräume durch eine Einschränkung der Mitwirkungsrechte des Bundesrats. Die Länder sind dazu grundsätzlich bereit, aber nur um den Preis, dass der Bund ihnen seinerseits bei den Gesetzgebungskompetenzen entgegenkommt. Er muss ihnen Zugeständnisse machen, die ihre politischen und rechtlichen Spielräume erweitern. Eines ist ohnehin klar unter allen Ministerpräsidenten: Die finanzielle Ausgangsposition ihrer Länder kann und darf durch die Reform nicht verschlechtert werden.
Eine saubere Trennung von Gesetzgebungskompetenzen wird von vielen als die klarste Lösung angesehen, aber die Ausgangsbedingungen der Länder sind zu verschieden, als dass sie alle die neuen Länderkompetenzen in allen Fällen und umfassend anwenden könnten oder wollten. Darum haben sich die Länder auf einen neuen Weg geeinigt: „Verfassungsunmittelbare Zugriffsrechte der Länder“ als Ergänzung oder Alternative zur Trennung von Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Sie eröffnen jedem einzelnen Land bei Bundesgesetzen die Möglichkeit, eigene Regelungen zu treffen. Aber die Länder sind nicht dazu gezwungen, diese Option auszuschöpfen, jedes Land kann sich frei entscheiden.
Die Mitwirkung der Länder im Rahmen der EURechtsetzung ist ein zweites, fast ebenso wichtiges Thema. Es geht in erster Linie um die Mitwirkung
der Länder in EU-Angelegenheiten, um den Stellenwert und eine eventuelle Fortentwicklung von Artikel 23 Grundgesetz sowie um die künftige Umsetzung des EU-Rechts in das innerdeutsche Recht. Sie soll entsprechend der innerstaatlichen Kompetenzordnung von Bund und Ländern wahrgenommen werden. Die Differenzen zwischen Bund und Ländern in dieser Frage sind nach wie vor groß. Brüssel regiert immer mehr mit, und für die Zukunft des deutschen Föderalismus ist es eine Schlüsselfrage, welchen Einfluss die Länder dabei behalten. Für Deutschland dagegen ist es entscheidend, wie effektiv es in Europa auftritt. Beides intelligent zu verbinden wird Aufgabe der Bundesstaatskommission sein.
Bei der Frage des öffentlichen Dienstrechts sollten die Länder die Möglichkeit erhalten, freier und eigenständiger, nach Maßgabe ihrer speziellen Situation, über ihre Verwaltung und ihre Haushalte bestimmen zu können. Davon betroffen wird auch die Steuerung der Personalkosten im öffentlichen Dienst. Dazu könnte nach Auffassung der Ministerpräsidenten auch eine Stärkung der Zuständigkeiten im öffentlichen Dienstrecht für die Länder führen. Zugleich wird erörtert, ob eine behutsame Öffnung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz, vorgenommen werden soll.
Für den Kernbereich der Länderkompetenzen zu Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur geht es den Ländern um die Erhaltung eines qualitativen Wettbewerbs um pädagogische Konzepte und wissenschaftliche Leistungen. Die Länder haben sich vorgenommen, für den ganzen Bildungs- und Hochschulbereich Politik aus einer Hand gestalten zu können, angefangen vom Kindergarten bis zum Abschluss der Ausbildung auf den verschiedenen Stufen. Die Voraussetzungen dafür in der Gesamtheit der Länder sind unterschiedlich. Für Bremen bedeutet dies Risiko und Chance zugleich. In der Kommission geht es unter anderem darum, allzu forsche Vorstellungen des Bundes zurückzuweisen, er könne diesen Bereich nun selbst in die Hand nehmen, um zentralstaatlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Die Länder sind aufgerufen und imstande, ein gemeinsames Konzept der Modernisierung Deutschlands als föderal aufgebauter Qualifikations- und Wissenschaftsstandort zu formulieren und umzusetzen.
In den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz strebt der Bund eine Bündelung dieser Kompetenzen an, um gegenüber der EU möglichst geschlossen und effizient auftreten zu können. Dagegen erarbeiten die Länder Vorschläge, wie das auch ohne zentralstaatliche Lösungen zu gewährleisten ist.
Teil der geplanten Reformschritte ist ein Zugewinn an regionalen Gestaltungsmöglichkeiten in der Wirtschafts- und Arbeits- sowie der Sozialpolitik, um das starre Reglement der allzu vielen Vorschriften weiter lockern zu können. Das ist ein gemeinsames An
liegen vieler Bürger und auch ein Anliegen von Handwerk und Gewerbe. Bremen hat unter der Überschrift „Bürokratieabbau“ als Test- und Innovationsregion bereits damit begonnen. Von der Föderalismuskommission erwarten wir uns die Unterstützung dieser Bemühungen durch stabile, durch dauerhafte und verlässliche Grundlagen. Wir beraten und verhandeln zum Beispiel über Möglichkeiten, Handwerksrecht, Schornsteinfegerrecht, allgemeines Gewerberecht, Gaststättenrecht und Ladenschluss, Wohnungswesen und öffentliche Fürsorge in regionaler Verantwortung zu gestalten. Regionale Gestaltung hat allerdings im Rechts- und Sozialstaat auch ihre Grenzen im berechtigten Anspruch der Bürger auf möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Bundesländern.
Den schwierigsten Stand haben die Länder, wie nicht anders zu erwarten, bei der Frage der Finanzen. Wir sind uns im Grundsatz einig: Eine Entflechtung sollte nicht nur bei den Kompetenzen, sondern möglichst auch bei den Finanzbeziehungen vorgenommen werden. Nach Auffassung der Länder soll darum geprüft werden, ob Gemeinschaftsaufgaben – bis auf die überregionale Forschungsförderung und den Küstenschutz – nach mehr als 30 Jahren abgeschafft oder konzentriert und zeitgemäßer gestaltet werden können.
Alle Länder wollen eine größere Unabhängigkeit vom „goldenen Zügel“ der Bundesfinanzierungen erreichen, die bisherige Mittelausstattung aber unbedingt erhalten und größere Freiheit in ihrer Verwendung gewinnen. Im Dezember 2001 haben sich Ministerpräsidenten und Bundeskanzler darum auf folgenden Grundsatz verständigt: „Es besteht Einvernehmen darüber, dass den jeweiligen Ebenen mit einer Kompetenzverlagerung die Mittel zur Aufgabenwahrnehmung übertragen werden.“
Bei den Mischfinanzierungen besteht die Freie Hansestadt darauf, dass „ein besonderes Instrument zur bedarfsorientierten Bundesfinanzierung beibehalten wird“. So heißt es im Positionspapier der Ministerpräsidenten, denn die Verteilung der Einnahmen im Bundesstaat ist nicht am Bedarf orientiert und entspricht im Falle der Stadtstaaten auch nicht unserer Wirtschaftskraft. Gerade Bremen ist daher bei der geltenden Finanzverteilung benachteiligt. Es ist zudem dringend darauf angewiesen, dass es auch künftig politische Instrumente und gezielte Unterstützungsmöglichkeiten der bundesstaatlichen Solidargesellschaft gibt, um aus unverschuldeten Strukturkrisen wieder herauszukommen.
Die Länder haben verschiedene Modelle vorgelegt, auf welche Weise die Finanztransfers des Bundes, die bei einer Aufgabe oder Einschränkung der Gemeinschaftsaufgaben verloren gehen würden, kompensiert werden sollen. Hier sind noch intensive und zähe Verhandlungen mit dem Bund, aber auch im Kreise der Länder untereinander zu führen, bis der Senat einer Einigung zustimmen kann. Eines muss
klar gesagt werden: Die Föderalismusreform ist kein Instrument zur Umverteilung von Geld von den Ländern auf den Bund!
Zwischen Bund und Ländern herrscht auch Einigkeit, dass am Solidarpakt II zugunsten der Ostländer und dem 2001 neu beschlossenen Länderfinanzausgleich festgehalten wird. Dies schließt die damals beschlossene Lösung für die Hafenlasten ab 2005 ein. Die beiden Haushaltsnotlageländer Bremen und das Saarland werden darauf pochen, dass neben den neuen Ländern auch ihre besondere Situation berücksichtigt wird. Mein Kollege Peter Müller hat das schon im Mai dieses Jahres mit Blick auf den Haushalt des Saarlands, das sich auch in einer extremen Haushaltsnotlage befindet, in einer Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht:
„Die Ergebnisse der Föderalismuskommission“, so sagt er, „werden eine unmittelbare Rückwirkung auf die Finanzausstattung des Bundes und der Länder haben.“ Weiter: „Eine dauerhafte Entlastung – des Landeshaushalts – käme auch durch die Besserstellung des Landes bei der Neuregelung der Bund-LänderFinanzbeziehungen im Rahmen der Föderalismusreform in Betracht.“
Des Weiteren wollen die Länder bei Bundesgesetzen mit „erheblichen“ Kostenfolgen auch in Zukunft mitreden und mitentscheiden. Es handelt sich dabei um eine unverzichtbare Beteiligung des Bundesrats für die Länder, wenn sie im Zuge der Reform auf ihre bislang angestammten Mitwirkungsrechte verzichten. Diese Mitwirkung der Länder ist schon im Grundgesetz unabänderlich festgeschrieben. Und wo, wenn nicht bei den eigenen Finanzen, beweist sich der staatliche Charakter der deutschen Länder? Dadurch wird auch unser Vorsatz, einen spürbaren Beitrag zur Auflösung von Blockaden zu leisten, nicht hintenherum wieder in Frage gestellt. Vielmehr soll eine neue und klare Regelung der zustimmungspflichtigen Fälle sich auf die wesentlichen finanzträchtigen Gesetze konzentrieren. Von der Anzahl her werden es dann erheblich weniger sein.
Bremen setzt auf das im Grundgesetz verankerte Prinzip der gleichwertigen Lebensverhältnisse auch bei der Reform des Föderalismus. Die Stärkung der föderalen Vielfalt, der landsmannschaftlichen Besonderheiten und der unterschiedlichen politischen Konzepte in den Ländern wird dann zum Erfolg führen, wenn die Unterschiedlichkeit im Einzelnen getragen wird von einer prinzipiellen Gleichwertigkeit – nicht Gleichheit – im Ganzen. Bewahrung und Modernisierung der bundesstaatlichen Rechts- und Wirtschaftseinheit und Stärkung der Kompetenzen der Länder sind zwei Seiten derselben Medaille. Dabei ist die Kommission sich völlig einig: Einmütig akzeptierte Voraussetzung unserer Arbeit ist die Verständigung darauf, dass eine Neugliederung der Länder kein Thema der Kommission darstellt.
Jetzt komme ich zum Schluss! Ich fasse zusammen: Diese Reform ist im Fluss. Der Senat ist gewiss, sie wird zu einem vorzeigbaren Ergebnis führen, zu größerer politischer Beweglichkeit, zu mehr Bürgernähe und demokratischer Transparenz, zu höherer wirtschaftlicher Effektivität. Bremen beteiligt sich aktiv und engagiert sich an diesem Reformprozess und nimmt seine Verantwortung wahr als selbstständiges und selbstbewusstes Land. So wie Bürgermeister Smidt sich erfolgreich im Wiener Kongress unter all den großen europäischen Mächten behauptet und die Selbstständigkeit Bremens politisch gesichert hat, so leistet Bremen heute mit großem Einsatz im Kreis der anderen Länder seinen positiven Beitrag zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. – Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht zum ersten Mal diskutieren wir heute in der Bremischen Bürgerschaft über die mehr als überfällige Reform des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland. Bislang ging die Initiative für Debatten zu diesem Thema von den Fraktionen und vom Parlament aus. Dabei haben wir Parlamentarier immer wieder bemängelt, der Senat beziehe das Parlament nicht ausreichend in die laufenden Verhandlungen der Ministerpräsidentenkonferenz ein.
Vor diesem Hintergrund bin ich natürlich froh, dass wir heute über dieses Thema anlässlich einer Regierungserklärung diskutieren können. Ich hätte mir allerdings auch gewünscht, dass wir um eine solche Erklärung nicht hätten bitten müssen, sondern der Senat hätte von sich aus die Aussprache mit dem Parlament gesucht. An diese Bemerkung knüpfe ich die Hoffnung, dass in Zukunft derartige Ersuche nicht mehr notwendig sind und Senat und Bürgerschaft fortlaufend über dieses Thema in den kommenden Monaten diskutieren werden.
Meine Damen und Herren, ich spare mir die Aufarbeitung aller durch die Föderalismuskommission zu bearbeitenden Themengebiete. Henning Scherf hat dazu bereits ein breites Spektrum dargestellt. Auf einige ausgewählte Komplexe komme ich gleich noch zu sprechen. Stattdessen möchte ich die Arbeit der Kommission und die Art und Weise der laufenden Verhandlungen zum Thema machen.
Den Optimismus des Bürgermeisters in allen Ehren, gestatten Sie mir eine eigene persönliche Einschätzung, aber ich sehe den derzeitigen Stand der ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Verhandlungen in der Föderalismuskommission mit etwas mehr Skepsis. Meine Damen und Herren, ich bin auch der Überzeugung, dass die Kommission zu einem Ergebnis kommen wird, aber nicht, weil Interessen zu einem idealen Ausgleich gebracht worden sind und jeder Verhandlungsteilnehmer sich durchsetzen konnte. Nein, die Kommission wird zu einem Ergebnis kommen, weil, gestatten Sie mir den Ausdruck, sie schlicht zum Erfolg verdammt ist.
Sie wird zu einem Ergebnis kommen müssen, weil beide Vorsitzenden der Kommission, der SPD-Vorsitzende und der bayerische Ministerpräsident, die Arbeit der Kommission nur mit einem wirklich fortschrittlichen Ergebnis beenden können. Natürlich wird sie auch zu einem Ergebnis kommen müssen, weil alle Beteiligten gemerkt haben, dass eher gegenseitige Blockaden den politischen Alltag im Zusammenhang zwischen dem Bund und den Ländern prägen, anstatt klare lösungsorientierte Ansätze zu verfolgen.
Im Bundestag werden Gesetze beschlossen, die im Bundesrat keine Zustimmung finden. Im Vermittlungsausschuss muss dann hinter verschlossenen Türen, zum Teil nächtelang, ein Kompromiss gefunden werden, um überhaupt eine gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen. In aller Regel einigt man sich auf den geringsten politischen Nenner. Eine Nivellierung von Konzepten und Ideen findet statt. Das Stichwort Konsensfalle Bundesrepublik macht in diesem Zusammenhang immer öfter die Runde. Solche Verfahren verstehen die Menschen nicht, weil sie nicht transparent sind. Verantwortlichkeit wird verschleiert, Zuordnung politischer Konzepte undeutlich.
Dieses Unverständnis führt schließlich zu Politikverdrossenheit, deren Auswirkungen wir nicht zuletzt anhand der stetig sinkenden Wahlbeteiligung konstatieren konnten oder an dem Wahlergebnis rechtsradikaler Parteien jetzt auch bei der letzten Landtagswahl im Saarland.
Meine Damen und Herren, der Präsident des Senats hat es bereits erwähnt, warum vor der Sommerpause eine Fortsetzung der Arbeit in Projektgruppen vereinbart wurde. Die Antwort ist ebenso einfach wie ernüchternd: Im großen Kreis stockt zurzeit die Diskussion. Ein meines Erachtens für alle Beteiligten völlig unhaltbarer Zustand! Darum möchte ich hier ganz deutlich darauf hinweisen: Meine Fraktion und ich verknüpfen mit dieser heutigen Debatte schon neue Anstöße in die Kommission hinein. Nicht nur im Bremer Landtag wird zurzeit über dieses Thema diskutiert, sondern auch andere Landesparlamente sehen sich in dieser Situation gefordert, das Thema Föderalismusreform erneut aufzugreifen und mit neuen Impulsen zu versehen. Schließlich sind die Landesparlamente in ihren originären Aufgaben und Zuständigkeiten betroffen.
letztlich alle Seiten zu einem wirklichen Kompromiss bereit sind, auch wenn er vielleicht an einigen Stellen schmerzt. Kompromiss heißt jenseits aller Einzelthemen und Kompetenzzuordnung für mich Vereinfachung, Klarheit, Beschleunigung, Wettbewerb, Subsidiarität, Transparenz und Bürgernähe. So sollten die Ziele für die Neugestaltung der Kompetenzordnung der angestrebten Entflechtung und der Finanzbeziehung aussehen.
Noch einige Anmerkungen, bevor ich gleich kurz auf einige Einzelthemen zu sprechen komme! Der Bürgermeister hat in seiner Rede die Frage aufgeworfen: Droht Deutschland eine generelle Reformunfähigkeit, die wir uns nicht erlauben können? Ich glaube, die Reformunfähigkeit droht uns nicht, sie hat uns schon längst erreicht. Erzählen Sie einmal den Bürgerinnen und Bürgern etwas über Reformen! Das Wort ist bei den Menschen doch schon längst zum Unwort geworden. Und warum? Weil in den meisten Paketen, auf denen Reform steht, gar keine Reform darin ist, sondern nur Stückwerk, das Doktern an Symptomen und Halbheiten! Das führt zu einer Verunsicherung, den Ängsten und der Ablehnung bei den Bürgerinnen und Bürgern, die nur allenthalben beklagt werden.
Wir, und damit meine ich alle Verantwortlichkeiten in der Politik auf allen Ebenen, müssen uns endlich zu nachhaltigen, plausiblen, erklärbaren und wirkungsvollen Veränderungen durchringen, Veränderungen, die die Bezeichnung als Reform wahrhaftig verdienen. Die Politik und die Politiker brauchen wieder Visionen, Vorstellungen und Ziele, die den Menschen erklärt werden können und die sie bereit sind, auch zu teilen. Eine Politik allein durch Sachzwänge zu begründen macht es vielleicht für den Einzelnen in der tagtäglichen Diskussion einfacher, überzeugender wird man dadurch aber nicht.
Nun einige inhaltliche Bemerkungen, meine Damen und Herren! Wir müssen erkennen, dass wir mit gesetzlichen Instrumenten, die 50 Jahre oder älter sind, versuchen, uns den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen. Das ist offensichtlich schwierig, jedenfalls aber langwierig, und in einigen Bereichen funktioniert es, wenn man ehrlich ist, gar nicht. Darum brauchen wir eine Verfassungsmodernisierung, die den gesellschaftlichen und globalen Anforderungen Rechnung trägt. Wir müssen schneller handlungsfähig werden, effektiver zu Lösungen kommen und dabei dem Wunsch nach Bürgernähe, Transparenz und Klarheit entsprechen.
Ich freue mich, dass trotz aller mühsamen Debatten und zähen Diskussionen sichtbare Bewegung in das Thema Föderalismuskommission gekommen ist. Dass die Länder anbieten, auf Mitwirkungsrechte im Bundesrat zu verzichten, natürlich nur im Gegenzug für die Rückverlagerung von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes auf die Länder, halte ich für einen großen Fortschritt. Allerdings muss eine Zustimmungspflicht des Bundesrates dann erhalten
bleiben, wenn mit Gesetzgebungsvorhaben des Bundes erhebliche Kostenfolgen für die Länder verbunden sind.
Im Bereich der bisherigen Rahmengesetzgebung sollte meiner Auffassung nach eine möglichst vollständige Aufteilung der Materien auf Bund und Länder erfolgen. Darüber herrscht in der Kommission auch grundsätzliches Einverständnis. Offen ist allerdings die konkrete Ausgestaltung. Meines Erachtens sollten die Länder in Zukunft ausschließlich für die Rechtsverhältnisse des öffentlichen Dienstes, für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens, die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse sowie Naturschutz und Landschaftspflege zuständig sein.
Bei der konkurrierenden Gesetzgebung muss ebenfalls eine klare Kompetenzzuweisung vorgenommen werden. In eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder könnten unter anderem Bereiche fallen wie das Versammlungsrecht, die aktive Arbeitsmarktpolitik mit regionalem Bezug und die Förderung, wie Bürgermeister Scherf es auch angesprochen hat, der wissenschaftlichen Forschung, soweit es sich um nationale Interessen des Bundes handelt.
Die Neugestaltung der Gemeinschaftsaufgaben ist für unser Bundesland ein besonders diffiziles Thema. Auch wenn diese Forderung Risiken in sich birgt, spreche ich mich für eine weitestgehende Übertragung der Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 21 a und b Grundgesetz auf die Länder aus, aber, meine Damen und Herren, Voraussetzung dafür ist, dass die bisherigen Finanzmittel des Bundes für die Gemeinschaftsaufgaben den Ländern zur Verfügung gestellt werden.
Mit dieser Forderung wird der Bund sicherlich große Schwierigkeiten haben, wie man ja auch der Äußerung der Verbraucherschutzministerin Künast Anfang der Woche entnehmen konnte. Das Einräumen eines finanziellen Rahmens auf der Basis des Durchschnittswertes der letzten fünf Jahre, der den Ländern dann dynamisiert zur Verfügung gestellt wird, halte ich aber für machbar und für alle Seiten akzeptabel. Damit sollten in die Kompetenz der Länder zukünftig der Ausbau und Neubau der Hochschulen fallen, die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, die Verbesserung der Agrarstruktur, die Bildungsplanung – ich hoffe, dass Herr Kröning Abstand von seiner Forderung nimmt, Bildung als Bundeskompetenz zu regeln –
und die Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung, wie gesagt, soweit kein nationales Interesse des Bundes besteht. Der Küstenschutz, auch das ist in der Regierungser