Protocol of the Session on May 5, 2004

Ich möchte jetzt auf unsere finanzpolitische Strategie eingehen. Die Sanierungsstrategie der letzten Jahre hat für unseren weiteren Modernisierungsprozess eine solide Basis geschaffen. Mit den bisherigen Erfolgen können wir grundsätzlich zufrieden sein. Allerdings sind nicht alle optimistischen Prognosen hinsichtlich der Einnahmeentwicklung auch so eingetreten.

Seit dem Beginn des Sanierungsprozesses verzeichnen wir eine höhere Produktivitätssteigerung als die übrigen westdeutschen Länder. Obwohl der Produktivitätszuwachs den Anstieg der Beschäftigung teilweise absorbiert, stehen wir seit dem Jahr 2000 bei der Arbeitsplatzentwicklung besser da als der Durchschnitt der übrigen Bundesländer. Wichtiger noch als die quantitative Entwicklung ist meines Erachtens der qualitative Effekt: Arbeitsplätze, die beispielsweise in der Werftindustrie weggefallen sind, konnten durch modernere, wertschöpfungsintensive und damit tendenziell sicherere Arbeitsplätze ersetzt werden.

Die Arbeitslosenquote in unserem Stadtstaat ist nicht zufriedenstellend. Sie sinkt aber seit 1998 in Annäherung an den Bundesdurchschnitt. Bremen zählt seit drei Jahren zu den vier Ländern mit dem stärksten Wirtschaftswachstum. Gemäß der letzten Schätzung steigen die originären Steuereinnahmen Bremens entgegen dem Bundestrend, und seit 2001 gibt es, wenn auch nur in der Stadtgemeinde Bremen, wieder einen positiven Saldo in der Bevölkerungsentwicklung.

Wir werden in unserer künftigen finanzpolitischen Strategie an den Grundelementen des bisherigen Sanierungskurses Sparen und Investieren festhalten. Unsere Strategie basiert auf drei Säulen: erstens, Potentiale stärken; zweitens, Produktivität steigern und drittens, die Finanzausstattung stabilisieren.

Eine breit angelegte Investitionspolitik hat die wirtschaftliche Struktur Bremens und Bremerhavens in den letzten Jahren nachhaltig gestärkt. Gleichzeitig hat der konsequente Sparkurs zu einer schlankeren und einer angepassten Verwaltung geführt. Ich meine aber, dass wir uns in Zukunft stärker auf die Wirkungen als auf die Maßnahmen an sich konzentrieren müssen. Nicht die Quantität des Investitionsvolumens ist der relevante Gradmesser, sondern die daraus resultierende Stärkung von Zukunftspotentialen.

(Beifall bei der SPD)

Auch das Sparen ist kein Selbstzweck. Wir müssen mit weniger Geld mehr Qualität erreichen. Das ist kein besonderer Zwang der Sanierung, sondern ein selbstverständliches Ziel und unser Auftrag, mit öffentlichen Mitteln verantwortungsbewusst umzugehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir beschränken unsere finanzpolitische Strategie nicht allein auf den Bereich der Mittelverwendung. Unser eigentliches Problem liegt auf der Einnahmenseite. Das ist kein spezifisches Merkmal unserer extremen Haushaltsnotlage. Es erhöht aber unseren Handlungsdruck im Vergleich zu anderen Ländern. Wir werden deshalb stadt- und landesintern Einnahmenpotentiale besser ausschöpfen müssen. Gleichzeitig müssen wir eine überregionale Kompensation unserer strukturellen Benachteiligung bei der Finanzausstattung beanspruchen.

Nun zu unseren strategischen Handlungsfeldern, meine Damen und Herren! Die Umsetzung unserer finanzpolitischen Strategie verlangt nicht nur fiskalisches Handeln, sondern Aktivitäten auf mehreren strategischen Handlungsfeldern.

Erstens die Investitionssteuerung! Wir wollen den positiven Trend unserer wirtschaftlichen Entwicklung stabilisieren. Deshalb, das sage ich ganz deutlich, müssen wir auch in den nächsten Jahren in Bre

men und Bremerhaven überdurchschnittlich investieren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir wollen und wir müssen auch bei absoluter Betrachtung der Wirtschaftskraft wieder zu einem ökonomischen Wachstumspol alter Stärke werden. Dieses Ziel ist erst zu 80 Prozent erreicht. Mit einer vorgesehenen Investitionsquote von rund 18 Prozent, so meine ich, setzten wir hier die richtigen Signale.

Wir haben aber auch in unserem Aufholprozess einen Punkt erreicht, an dem wir für die Zukunft differenziertere Zielsetzungen entwickeln müssen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, eine gezielte Profilbildung der beiden Städte Bremen und Bremerhaven zu betreiben. Dabei sind die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Ausgangsdaten dieser beiden Städte zu berücksichtigen.

Ich sage es deutlich: Es ist aber weder leistbar noch sinnvoll, alle denkbaren Standortfaktoren zu optimieren. Ob wir dabei in der Vergangenheit immer auf die richtigen Trends gesetzt haben, ist richtigerweise schon in der Koalitionsvereinbarung kritisch hinterfragt worden. Entscheidend wird sein, Investitionsschwerpunkte dort zu bilden, wo wir von Alleinstellungsmerkmalen profitieren, wo wir Entwicklungsvorsprünge sichern wollen oder wo wir Nischen im internationalen Standortwettbewerb besetzen können. Wünschenswert wäre meines Erachtens ein eindeutig definiertes Leitbild, an dem wir unsere strategische Planung ausrichten könnten!

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch einmal betonen: Investitionen sind kein Selbstzweck! Wir dürfen auch nicht der Versuchung erliegen, mit Investitionsmitteln eine politische Profilierung zu betreiben, die wir uns aufgrund knapper konsumtiver Mittel in anderen Bereichen so nicht mehr leisten können.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns deshalb im Senat auf einen bewussteren Umgang mit Investitionsmitteln verständigt.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns weiterhin sorgfältig ansehen, wo wir den größten regionalwirtschaftlichen Return-onInvestment erzielen können. Dafür müssen wir gezielte Prioritäten im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie setzen. Dazu wollen wir ein investitionsfreundliches Klima durch Pflege unserer weichen Standortfaktoren schaffen.

Unser relativ hohes Investitionsniveau dient einem zeitlich befristeten ökonomischen Aufholprozess.

Dabei muss uns bewusst sein, dass kreditfinanzierte Investitionen unseren fiskalischen Handlungsspielraum für die Zukunft einschränken. Wir nehmen also Anleihen auf das Vermögen zukünftiger Generationen auf. Ich meine, auch nachfolgende Generationen müssen Spielräume für zeitnahe Investitionen haben.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb müssen wir sorgfältig abwägen, ob und inwieweit wir im Rahmen unseres Anschlussinvestitionsprogramms schon heute für die Jahre 2011 bis 2014 Vorfestlegungen beschließen dürfen. Dabei ist von uns insbesondere die Entwicklung unseres Verschuldungsgrades zu berücksichtigen. Andere Länder planen bereits heute, ihre Verschuldung zurückzufahren. Dies müssen wir auch in Bremen anstreben.

(Beifall bei der SPD)

Eine klarere Profilierungsstrategie für Bremen und Bremerhaven erfordert auch eine verbesserte Koordination von Investitionsmaßnahmen. Hier streben wir eine Erhöhung der Transparenz und ein effektiveres Investitionscontrolling an. Das ist keine Abkehr von dezentralen fachpolitischorientierten Investitionen, aber ein notwendiger Schritt zu einer effektiveren Gesamtsteuerung.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens die Förderung von Humankapital! Die Stärkung unserer Wirtschaftskraft können und wollen wir nicht allein über Investitionen in Stahl und Beton voranbringen. Wir investieren in Köpfe, weil das Humankapital in unseren beiden Städten der wichtigste Standortfaktor ist. Erst durch qualifizierte Arbeitskräfte vor Ort kann investiertes Kapital wertschöpfend wirken. Wir wissen, dass begrenzt verfügbare Humanressourcen zum ökonomischen Engpassfaktor der Zukunft werden. Die qualitative Aufwertung des gesamten Bildungs- und Erziehungsprozesses vom Kindertagesheim über den Schulbereich bis hin zu Wissenschaft und Forschung gehört deshalb zu unseren wichtigsten Zukunftsaufgaben.

(Beifall bei der SPD)

Sie muss flankiert werden durch eine kulturpolitische Profilierung.

In den nächsten beiden Jahren investieren wir jeweils rund 900 Millionen Euro in unser Humankapital. Dabei sind die Ausgaben für den Kulturbereich noch nicht mit eingerechnet. Zur Einrichtung von Infrastrukturgesellschaften für Kindertagesheime und Bildung sowie zur Einrichtung eines Kulturfonds stellt der Senat für beide Haushaltsjahre zusätz

liche Mittel in Höhe von insgesamt über 46 Millionen Euro bereit.

Damit verfolgen wir eine doppelte Zielsetzung: Zum einen sehen wir die Förderung des Humankapitals und die Standortbindung der hier lebenden Menschen als langfristig ausgerichtete regionalwirtschaftliche Investition an. Zum anderen werden die Mittel unter der Auflage der Effizienzsteigerung den beteiligten Verwaltungsbereichen nur zeitlich befristet zur Verfügung gestellt. Sie sind demnach ein gezielter Anreiz zur Produktivitätssteigerung und vor allem Anreiz zur strukturellen Erneuerung.

Natürlich kann man mit guten Gründen Einwände gegen diesen Weg der Aufgabenwahrnehmung vorbringen, aber für uns steht im Vordergrund, dass wir hier die Grundlage für nachhaltig wirksame Umsteuerungsprozesse schaffen wollen. Die Mitglieder des Senats haben dazu eindeutige Entwicklungsaufträge angenommen.

Drittens das strategische Konzerncontrolling! Die Neuordnung der vielfältigen Geschäftsfelder der Freien Hansestadt Bremen mit allen Maßnahmen von der Privatisierung bis hin zur Veräußerung von Beteiligungen war dem Grunde nach richtig. Gleichwohl muss jede Ausgliederungsstrategie regelmäßig kritisch hinterfragt werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann deshalb nur sagen, ich begrüße ausdrücklich die zu diesem Thema gestellten Großen und Kleinen Anfragen aus der Mitte der Bremischen Bürgerschaft.

Bei unserem Beteiligungs-Portfolio müssen wir uns zukünftig noch stärker an folgenden Kriterien orientieren: Gewährleistung des öffentlichen Einflusses in wichtigen Infrastruktur-Unternehmen in Bremen und Bremerhaven, Stärkung von regionalwirtschaftlich bedeutsamen Entwicklungsprojekten, direkte Beteiligung an Unternehmen mit Technologieführerschaft in zentralen Dienstleistungsbereichen, Nutzung von Public private partnerships und gegebenenfalls Beteiligungsveräußerung zur Vermögensmobilisierung.

In diesem Prozess müssen wir klar definieren, wie eine vernünftige Balance aus einzelwirtschaftlicher Eigendynamik und gemeinwohlorientierter Koordinationsfähigkeit im Beteiligungsgeflecht des Konzerns Bremen herzustellen ist. Das ist das Entscheidende, diese Balance herbeizuführen. Ein wesentliches Instrument ist dabei der Aufbau eines integrierten öffentlichen Rechnungswesens, und das wollen wir in dieser Legislaturperiode schaffen. Wir wollen damit eine betriebswirtschaftliche Konzerngesamtsicht ermöglichen. Sie soll erstmals eine Darstellung des Gesamtvermögens sowie der Erfolgs- und Finanzlage der Freien Hansestadt Bremen erbringen.

Viertens Aktivierung unseres Managementpotentials! Wir sind seit Jahren führend bei der Dezentralisierung von Kompetenzen zur Ressourcensteuerung. Wir haben auch die damit notwendigerweise verbundenen Koordinations- und Steuerungsinstrumente weitgehend entwickelt und zum Einsatz gebracht. In Zukunft müssen wir das Potential, das in dieser Managementphilosophie steckt, noch stärker nutzen. Damit wollen wir uns besser auf die zentralen öffentlichen Aufgaben und deren effiziente Durchführung konzentrieren. Wir brauchen dafür eine wirkungsorientierte Steuerung. Sie darf nicht nur auf Kennzahlen, sondern soll auf den Dialog zwischen den Praktikern vor Ort und den Steuerungseinheiten in den Behörden setzen.

Fünftens neue Technologien und optimierte Prozesse! Produktivitätsverbesserung streben wir auch durch unsere E-Government-Aktivitäten an. Für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft sind inzwischen in Bremen 120 und in Bremerhaven weitere 40 Dienstleistungen zur rechtsverbindlichen elektronischen Abwicklung über das Internet aufbereitet worden. Die in Bremen entwickelte Sicherheitsplattform Governikus ist überdies auf dem besten Wege, zum nationalen Standard zu werden. Hier könnte unsere Technologieführerschaft langfristig auch zu einem gewissen Wirtschaftsfaktor werden.

Ich mache das nochmals deutlich: Elektronische Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung wird in Zukunft auch die Basis für eine effizientere Steuerveranlagung sein. Das von mir in die aktuelle Steuerreformdebatte eingebrachte Prinzip der „Selbstveranlagung“ könnte in Verbindung mit einer Vereinfachung des materiellen Steuerrechts ein weiterer wichtiger Schritt auf diesem Weg sein.

Sechstens Personal als Innovationsfaktor! Wir führen die erfolgreiche Konsolidierung der Personalhaushalte des Landes und der Stadtgemeinde Bremen fort. Die Steuerung der haushaltsfinanzierten Beschäftigung über dezentrale Zielzahlen hat sich in den vergangenen Jahren bewährt und wird deshalb fortgeführt.

Es ist uns gelungen, die Verwaltung trotz des deutlichen Rückgangs an Beschäftigung im Kernbereich insgesamt bürgerfreundlicher, transparenter, schlanker und damit weniger bürokratisch zu machen, und das zeigt, dass große Produktivitätssteigerungen möglich sind. Ich sage das ganz offen, dazu haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im bremischen öffentlichen Dienst einen sehr großen Teil in den vergangenen Jahren beigetragen!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir wissen aber auch, dass sich uns die Grenzen der Stellenreduzierung in absehbarer Zeit eindeutig zeigen werden. Um weitere Kostenreduzierungen bei den Personalausgaben, die 28 Prozent der Gesamt

ausgaben betragen, werden wir allerdings nicht herum kommen. Deshalb haben wir den Beschäftigten deutlich sagen müssen, dass wir von allen einen persönlichen Beitrag erwarten.

Im Beamtenbereich haben wir für die Laufzeit des Doppelhaushalts das Urlaubsgeld gestrichen und das Weihnachtsgeld weiter gesenkt. Wir sind darauf angewiesen, dass wir für den Tarifbereich ähnliche Regelungen im Rahmen eines Solidarpaktes mit den Gewerkschaften vereinbaren. Hier befinden wir uns im Einklang mit den übrigen Bundesländern. Sie gehen trotz besserer Finanzlage mit Maßnahmen voran, denen wir uns als Haushaltsnotlageland sicherlich nicht verschließen können. Der Senat ist davon überzeugt, dass die notwendigen personalwirtschaftlichen Maßnahmen von den Beschäftigten akzeptiert werden. Sie werden deshalb gerecht, transparent und mit einer zeitlichen Perspektive umgesetzt.

Im Personalbereich geht es nicht nur um Einsparungen, sondern auch um Innovationen zur verbesserten Steuerung des Personalhaushalts. Erstmals wird ein stellenindiziertes Bonus-Malus-System umgesetzt, das dafür sorgt, dass Veränderungen in den Besoldungs- und Entlohnungsstrukturen kostenneutral bleiben. Seit Jahren bereiten uns steigende Versorgungslasten Sorgen. Sie betragen inzwischen ein Viertel der gesamten Personalausgaben. Mit der Bildung einer Rücklage sollen zukünftig Kapitalerträge zur Deckung des Versorgungsanstiegs erzielt werden. Das Haushaltsgesetz beinhaltet außerdem Regelungen, die die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir die notwendigen personalwirtschaftlichen Daten und Informationen zukünftig im Sinne einer verbesserten Konzernsteuerung dem integrierten öffentlichen Rechnungswesen zuführen können.