Protocol of the Session on March 17, 2004

Das Wort erhält der Abgeordnete Wedler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann mich dem, was mein Vorredner eben gesagt hat, eigentlich anschließen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Den Bericht des Senats, den wir hier heute debattieren, kann ich nur als Zwischenbericht begreifen. Weitere Berichte beziehungsweise konkrete gesetzgeberische Taten sowohl des Bundes als auch des Landes müssen noch folgen. Wenn man sich den Bericht als Ganzes anschaut, dann ist er wahrlich sehr,

sehr dünn. Vielleicht ist das auch schon ein Zeichen des Bürokratieabbaus und der Verschlankung der Verwaltung, jedenfalls sehe ich darin inhaltlich nicht allzu viel.

Nachvollziehen kann ich das, was zur Innovationsregion oder zur Modellregion Bremen gesagt wurde. Hier hoffe ich, dass Bremen weiterhin Modellregion bleibt und dass es wirklich Pilotprojekte gibt, bei denen man tatsächlich weniger Bürokratie erproben, vom Bundesrecht abweichen und Maßnahmen zum Bürokratieabbau tatsächlich erproben kann. Ob das so kommt und in welchen Bereichen sich das abspielen wird, das bleibt erst einmal abzuwarten. Ich sehe aus dem Bericht jedenfalls noch keinen Hinweis, in welche Richtung es gehen soll. Details sollen allerdings noch benannt werden, so dass ich gespannt sein werde, was uns am Ende, vielleicht im Sommer, im Herbst oder so, berichtet werden wird.

Bei den landesrechtlichen Überlegungen, in denen das Land selbst gestalten kann, sehe ich bisher nur Absichtserklärungen. Bei einigen dieser Überlegungen, wo denn da die Bürokratieverringerung angeblich sein soll, zum Beispiel bei den steuerlichen Sonderregelungen bei den Existenzgründern, da sehe ich eher das Gegenteil von dem auf uns zukommen als das, was eigentlich erreicht werden soll. Es soll ja zeitlich befristet werden, und die Verwaltung muss diese zeitliche Befristung kontrollieren, sie muss Missbrauchssituationen kontrollieren. Das heißt also, ob da Bürokratieabbau entsteht, wage ich zu bezweifeln.

Wenn ich mir die ganz aktuellen Bemühungen unseres Landesgesetzgebers anschaue, darauf ist eben schon hingewiesen worden, heute erst wieder mit dem bremischen Wasserentnahmegebührengesetz oder der Änderung des Hochschulgesetzes mit der Einführung der Verwaltungsgebühr oder letztens, was das Schulgesetz anbetrifft, mit der neuen Aufnahmeverordnung, da sind wir als Gesetzgeber nicht förderlich, was den Bürokratieabbau anbetrifft, sondern eher kontraproduktiv, denn da entstehen massivste Bürokratien, zusätzliche Aufwände, Verwaltungsaufwände, die zu beherrschen sind. Da ist genau das Gegenteil von dem in Rede, was hier eigentlich bezweckt wird. Da werden zusätzliche oder neue Bürokratien aufgebaut, ohne mit der Wimper zu zucken.

Wenn ich mir dann noch in Bezug auf Bremerhaven anhöre, dass Bremerhaven die erhöhten Gewerbesteuereinnahmen stadtteilbezogen verwenden will, was ist das eigentlich anderes als Bürokratie? Da wird eine zusätzliche Steuereinnahme zweckgebunden ausgegeben. Das heißt, da entsteht Verwaltungsaufwand, der dies, wenn es tatsächlich ernst gemeint ist, dann umsetzen und erreichen soll.

Bürokratieabbau, so verstehe ich das eigentlich, kann nur darin bestehen, dass tatsächlich Rechts

vorschriften und damit auch Verwaltungsvorgänge abgebaut werden, wegfallen, und zwar öffentliche Aufgaben und nachfolgend natürlich auch die entsprechenden Institutionen, die dann hier den Verwaltungsvollzug zu organisieren haben.

Es reicht im Übrigen nicht, eine Aufgabe entfallen zu lassen, auch das kennen wir aus der Geschichte, aber die Institution bestehen zu lassen. Der Heizer auf der E-Lok, wenn das eine Vorschrift ist, ist kontraproduktiv, weil es für die Situation hier nichts bringt. Da fällt zwar eine Aufgabe weg, aber die Verpflichtung, das weiterzuführen, bleibt erhalten. Oder ein anderes Beispiel aus England, das Kolonialministerium: Es gibt keine Kolonien mehr, aber das Ministerium gibt es ganz offensichtlich weiterhin.

Das heißt also, es reicht nicht, eine Aufgabe entfallen zu lassen, sondern man muss auch die damit verbundene Bürokratie, die Organisation, die Institution letztendlich verschwinden lassen oder umorganisieren und die entfallene Aufgabe und die Mitarbeiter dann anders verteilen.

Die tatsächliche Gesetzgebungspraxis, und das wollte ich damit sagen, sowohl beim Bund als auch hier in Bremen ist leider völlig anders. Gerade zum Jahresende 2003 ist erst ein Wust von Bundesgesetzen geändert worden, die alle in die Verwaltungspraxis umgesetzt werden müssen. Von Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau war an keiner einzigen Stelle bei diesen Gesetzgebungsvorhaben die Rede. Zur Umsetzung dieser Gesetzesflut werden vermutlich viele Mitarbeiter nötig sein, auch viele neue, vor allen Dingen, wenn ich mir die Umschichtung zwischen der Arbeitsverwaltung und den Sozialbehörden anschaue, was da an Bürokratie verändert und bewegt werden muss, das wage ich mir gar nicht vorzustellen. Ob damit unter dem Strich für die öffentlichen Haushalte Haushaltsersparnisse herausgerechnet werden, ist auch noch völlig offen. Die Initiatoren der Sache sind zwar der Meinung, aber wenn ich mir die entsprechenden Äußerungen der Kommunen anhöre, auch hier in Bremen, dann kommt genau das Gegenteil heraus. Auch das ist also noch völlig offen.

Wenn ich dann noch sehe, was SPD und Grüne im Bund bewegen, nämlich die so genannte Ausbildungsplatzabgabe, auch wieder so ein Stichwort, führt diese zwangsläufig zu neuer Bürokratie. Wenn man darauf verzichten würde, dann würde es diese Bürokratie gar nicht geben. Das ist der beste Beitrag, um Bürokratie zu ersparen und Bürokratieaufwand zu sparen.

Ich kann den Ambitionen des Senats zwar folgen, habe aber Zweifel, ob wir am Ziel, weniger Bürokratie zu haben, den Bürgern und der Wirtschaft mehr Freiraum zur eigenen Gestaltung zu lassen, wirklich weiter kommen. Verfallsdaten bei Gesetzen und Rechtsverordnungen sind sicher nicht verkehrt, werden auch von uns diskutiert und gefordert. Das löst

meines Erachtens aber nicht grundsätzlich die Problematik, denn manche Gesetze erzeugen, selbst wenn sie befristet werden, wieder neue Bürokratie, weil nach Ablauf der Frist wieder begründet werden muss, warum das Gesetz fortbestehen muss und wir als Parlamentarier dann in der Situation sind, uns wieder damit zu beschäftigen. Da bin ich auch hin und her gerissen, ob das unter dem Stichwort Bürokratieaufwand richtig adressiert ist.

Bringen würde es nach meiner Meinung wirklich etwas, wenn bestehende Gesetze und Rechtsverordnungen aufgehoben und die Gesetzesflut eingedämmt werden könnte. Von Vereinfachung des Steuerrechts will ich erst gar nicht reden. Seit Jahren wird davon geredet. Jede Gesetzesnovelle in dem Bereich führt nur zu weiteren Komplizierungen, und wenn ich mir dann noch anschaue, was an Gerichtsurteilen, an Rechtsprechung dazukommt, dann ist in dem Bereich von Vereinfachungen überhaupt nicht die Rede.

Da muss man inzwischen sogar feststellen, das tun einige auch, dass das Steuerrecht, jedenfalls Einkommensteuer und Körperschaftsteuer und einige andere große Steuern, überhaupt nicht mehr reformierbar sind, weil jede Änderung dazu führt, dass es komplizierter wird. Im Grunde genommen muss man dahinkommen zu sagen, wir werfen alles in den Orkus, und wir fangen bei null, von vorn wieder an.

Heute hilft meines Erachtens keine Novellierung oder Reform mehr, sondern heute hilft nur noch, völlig neu zu machen. Beim Sozial- und Arbeitsrecht gilt Ähnliches, ich habe das schon gesagt. Das ist ein Rechtsgebiet, das zu meiner Studentenzeit von Spezialisten noch halbwegs beherrschbar war, aber heute ist es völlig unübersehbar. Insofern ist das auch kein sinnvoller Bereich.

Wenn ich mir die Abfolge von Gesetzesänderungen und Reparaturgesetzen anschaue, sowohl im Bundesbereich als auch zum Teil hier in Bremen, dann, denke ich, ist das auch kein Beitrag zum Bürokratieabbau und zur Verwaltungsvereinfachung, sondern eher genau das Gegenteil. Ich bin gespannt, was der Senat uns jetzt im Sommer an landesrechtlichen Überlegungen zum Abbau von Bürokratie vorschlagen wird. Ich hoffe, es sind wirkliche Klopfer dabei, die wirklich etwas bringen, und nicht nur Peanuts, die dann irgendwie nur zu vielleicht weniger Zetteln und Antragsformularen führen, aber im Grunde genommen an der Substanz der Sachen eben nichts verändern.

Deswegen mein Appell, hier nicht nur auf diejenigen zu hören, die mit solchen Vorgängen zu tun haben, das sind nicht nur die Kammern und Verbände, sondern das sind auch die Bürger! Wenn ich an meine Steuererklärung denke, die ich jedes Mal abgeben muss, oder andere Verpflichtungen dieser Art, dann ist das keine Vereinfachung, oder wenn ich mir kleine Betriebe anschaue, die statistische Ver

pflichtungen haben, die gegenüber der Sozialversicherung Verpflichtungen haben und gegenüber der Arbeitsverwaltung, da würde man konkrete Vereinfachungen erzeugen können, wenn man denn in die Richtung geht. Das wollte ich hier zu dieser Thematik noch einmal sagen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächster hat das Wort Herr Bürgermeister Dr. Scherf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist ein erster Zwischenbericht, den wir hier vorlegen, und Herr Wedler hat Recht, wenn er nicht so umfangreich und so detailverliebt ist, ist es ein Zeichen dafür, dass wir das pragmatisch angehen. Pragmatisch wollen wir uns dieser Chance, die sich da vorsichtig geöffnet hat, als eine Innovationsregion akzeptiert zu werden, widmen.

Ich habe den Eindruck, dass wir im Vergleich zu den beiden anderen, die sich in Ostwestfalen-Lippe und in Schwerin daran beteiligt haben, relativ gut aufgestellt sind. Wir müssen uns jetzt nicht schlechter machen, als wir sind, sondern wir haben in diesem Bündnis mit Parlament einerseits, Handelskammer, Handwerkskammer andererseits und Regierung relativ beachtliche Vorschläge erarbeitet. Jedenfalls sind sie von der Jury, die von Bertelsmann mit organisiert worden ist, aus den 1000 Vorschlägen herausgesucht worden. Da waren einige dabei, wie Herr Wedler eben gesagt hat, alles wegverfügen wollen, die gibt es natürlich auch. Hier findet aber keine Kulturrevolution statt – das wäre auch witzig, wenn die FDP die einmal organisieren würde –, sondern hier findet ein mühseliges schrittweises Anarbeiten gegenüber bürokratischem Wildwuchs statt.

Wir sind mit unseren Vorschlägen, soweit ich das begleitet habe, relativ auf Resonanz gestoßen, viel stärker als die anderen, und nun müssen wir uns beim Umsetzen dieser Vorschläge qualifizieren. Man kommt zu weiteren Vorschlägen nur, wenn man die, die auf dem Tisch sind, abgearbeitet hat. Wenn man die, die auf dem Tisch sind, aus lauter Unlust und Frust wegwirft und sagt, das hat sowieso alles keinen Sinn, wird man das Nächste auch nicht schaffen. Es ist also ein mühseliges, geduldiges und schwieriges Geschäft, aber es ist dringend.

Herr Möhle hat gesagt, er kann gar nicht als Oppositionspolitiker reden, weil die Regierungsredner ihm seine Oppositionsrolle streitig machen. Herr Möhle, die Lage ist ganz eigenartig: Wir im Senat fühlen uns nicht als Verteidiger der Bürokratie und des Bürokatiewildwuchses, sondern wir sind auch auf der Seite derjenigen, die da endlich aufräumen wollen. Es ist also nicht so, dass Regierung für Bürokratie steht und Opposition gegen Bürokratie, sondern es gibt so etwas wie einen unübersehbaren

Frust am bürokratischen Wildwuchs, der bitte sehr bearbeitet werden muss, und der Frust hat mich auch erreicht. Es ist nicht so, dass er nur bei Ihnen gelandet ist, sondern, obwohl ich Jura studiert habe und weiß, dass die Juristen mit diesem bürokratischen Aufwand ihr Geld verdienen, nervt er mich selbst. Es nervt mich, dass wir so wenig für einen halbwegs informierten Bürger durchschaubar und erreichbar sind, wie wir es gegenwärtig sind. Ich bin auch einer von denjenigen, und ich glaube, meinen Kollegen im Senat geht es so ähnlich. Wir sind keine bürokratieverliebten Leute, sondern wir sind genauso wie die meisten von Ihnen gefrustet darüber, dass es so wenig überzeugende Strategien zum Abbau gibt. Ich bin davon überzeugt, dass wir das nur voranbringen, wenn wir den Druck auf dieses Projekt halten, wenn wir nicht sagen, erledigt, die Geschichte ist gelaufen, sondern sagen – Herr Kastendiek hat es gesagt –, dies lassen wir nicht wieder aus der Hand. Wir wollen hier wirklich Schritte in die richtige Richtung machen. Ich traue uns das zu, auch in diesem engen Rahmen bis zum Sommer. Herr Möhle, darum ist ein Parlamentsausschuss eine neue Bürokratie. Bis dieser Parlamentsausschuss arbeitet, sein Sekretariat hat, alle seine Rituale und seine Kostenstrukturen sortiert hat, ist der Sommer perdu. Wir müssen jetzt aushalten, dass wir mit dem eingeschlagenen, zugegeben kritikbedürftigen Verfahren Vorlagen produzieren, an denen man sich abarbeiten kann, und das sind nur noch ein paar Monate. Wenn wir dann Erfolg haben und wenn wir uns dann wirklich große Projekte vornehmen, rate ich sehr dazu, dass das Parlament seinen Teil voll einbringt. Im jetzigen Verfahren muss man auf Ergebnisse drängen und Tempo machen und den Druck erhöhen. Ich bin einer von denen, die sich versprechen, dass diese Anstrengung eine Chance hat, dass diese Anstrengung übrigens auch für das Zwei-Städte-Stadtstaatgebilde Freie Hansestadt Bremen eine Chance eröffnet, dass wir uns anbieten, für die übrige Republik in diesem kleinen überschaubaren Gemeinwesen etwas auszuprobieren, was vielleicht in Flächenstaaten viel mehr Aufwand macht und viel länger dauert. Wir wollen uns als Innovationsregion mit dieser Anstrengung qualifizieren. Ich bin und bleibe optimistisch und danke für die Beiträge!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Teil des Problems liegt gerade darin, dass Sie sagen, Sie wollen das pragmatisch lösen. Ich glaube, das muss man politisch lösen. Herr Wedler hat doch ein gutes Bei––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

spiel genau dafür gebracht, weil alles das, was Ihnen nicht den Kram passt, dann mit dem Mantel „das schafft nur unsinnige Bürokratie“ bedacht wird, und alles, was man politisch richtig findet, ist eben diejenige Bürokratie, die man gut findet. So, glaube ich, geht das nicht! Genauso übrigens unser Parlamentsausschuss! Sie können das ja meinetwegen kurzfristig sagen, langfristig wird das eine Aufgabe sein, die Sie nicht eben so schnell erledigen. Es wäre ja klug, jetzt genau mit so einem Parlamentsausschuss anzufangen, jedenfalls möglichst zügig, um dann diesen Druck zu erzeugen, von dem Sie reden, den man offensichtlich der Bürokratie gegenüber erhöhen muss, Herr Bürgermeister. Dann machen Sie das doch mit einem Parlamentsausschuss! Warum eigentlich nicht? Da wird der Druck nicht geringer, ganz im Gegenteil, der Druck wird wachsen, weil die Bevölkerung, die Verwaltung und auch die Behörden in dieser Stadt merken, dem Parlament ist es in dieser Frage ernst. Ich warne nur davor, so mit dieser Frage umzugehen, dass sie in Opportunismus abgleitet und dass jeder seine eigenen politischen Interessen als korrekt bezeichnet. Die Frage mit der Ausbildungsplatzabgabe: Wenn man die Ausbildungsplatzabgabe will, weil man das politisch richtig findet, dann hat man natürlich mehr Verwaltung, aber es ist doch nicht die Frage, ob ich mehr Verwaltung habe, sondern die Frage ist an allererster Stelle, finde ich das politisch richtig oder nicht. Wenn wir uns darüber verständigen, kann man im Weiteren auch fragen, wenn man eine politische Frage so entschieden hat, wie kann man das mit möglichst wenig Bürokratie, wie kann man das mit möglichst wenig Verwaltung hinbekommen. Lassen Sie uns aber nicht den Streit auf der Ebene so weiterführen, gute Bürokratie, schlechte Bürokratie, und jeder setzt sein politisches Interesse vorweg! Das ist Opportunismus, das führt nicht dazu, dass wir tatsächlich Bürokratie abbauen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Möhle, was den letzten Punkt angeht, ist das genau das gute Beispiel, das Sie eben gebracht haben, gute und schlechte Bürokratie! Sie haben sich gerade selbst widersprochen. Gerade die Ausbildungsplatzabgabe ist ein gutes Beispiel dafür. So, wie es im Augenblick diskutiert wird, ist es eben Bürokratie, und es ist ein riesiges Monster, das sich da entwickelt. Wir haben das einmal ausrechnen lassen: Bei 20 000 Lehrstellen, die fehlen, und einer kalkulierten Abgabe, die Sie im Augenblick in Berlin diskutieren, kommen ungefähr 160 Millionen Euro Einnahmen heraus. Also 20 000 Ausbildungsplätze, 160 Millionen Euro Einnahmen! Die Bürokra

tie, die Sie dafür brauchen, verschlingt so zirka 50 bis 70 Millionen Euro. Das geht schon einmal davon herunter, wobei strittig ist, ob die Bürokratie das eine Jahr ausgelastet ist oder nicht, aber das ist eine Detailfrage, die lasse ich einfach einmal weg. Mit dem Geld, das übrig bleibt, wenn man die Kosten eines Ausbildungsplatzes, der ja, wenn er staatlich oder im Umlageverfahren betrieben wird, zwischen 16 000 und 18 000 Euro pro Jahr kostet, wäre das Ergebnis, dass Sie durch die Abgabe bei einer Lücke von 20 000 Lehrstellen dann 4000 Ausbildungsplätze finanzieren können. Das zeigt doch, wie absurd zum Teil gerade dieser Punkt ist, was Bürokratie bringt, nämlich gar nichts! Es vernichtet nur Arbeitsplätze und belastet den Mittelstand.

(Beifall bei der CDU)

Was den Punkt des Parlamentsausschusses angeht, da haben wir eine ganz andere Auffassung. Ich finde, das sollten wir nicht in irgendwelchen Parlamentsausschüssen diskutieren, das sollten wir hier diskutieren.

(Zuruf der Abg. Frau L i n n e r t [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Es ist ein wichtiges Thema, das im Parlament diskutiert werden soll, und zwar immer anlässlich von Berichten, die die Verwaltung uns gibt, wie weit sie ist, und dass wir dann auch hier im Parlament diskutieren, wie es weitergeht, ob wir sagen, jawohl, der Weg ist richtig. Ich bin der Überzeugung, dass der Weg, den der Senat, den die Arbeitsgruppe aufgezeichnet hat, der richtige ist. Man marschiert endlich in die richtige Richtung mit Power und Dynamik, und von daher bin ich davon überzeugt, dass das gewählte Verfahren zum Erfolg führen wird, dass wir zu weniger Bürokratie kommen und zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und der Firmen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 16/146, Kenntnis.

Am Ziel einer Europäischen Verfassung festhalten!

Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und Bündnis 90/Die Grünen vom 8. März 2004 (Drucksache 16/174)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Dr. Scherf.

Das Wort erhält der Abgeordnete Nalazek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir, die Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen, bringen gemeinsam den Antrag „Am Ziel einer Europäischen Verfassung festhalten!“ ein, weil wir der Auffassung sind, dass es unverzichtbar ist, dass der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents fast unverändert und so schnell wie möglich verabschiedet wird. Schließlich geht es um das Wohl von fast 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern ab 1. Mai, dem historischen Beitrittstag der ost- und mitteleuropäischen Staaten in die EU.

Durch die Erweiterung von dann 15 auf 25 Staaten ist ein Miteinander auf der Grundlage von gemeinsamer Gesetzgebung unabdingbar. Für nostalgische Sonderrollen gibt es keinen Platz in der erweiterten Europäischen Union. Wer trotzdem darauf beharrt, setzt bewusst das gesamte Projekt EU aufs Spiel. Auch bei der Integration gilt, Ruhestand bedeutet Rückschritt, denn eine politische Lähmung der EU hätte natürlich auch wirtschaftliche und damit soziale Auswirkungen. Dieser Situation sollten sich alle bewusst sein, die derzeit die EU in erster Linie als Geldgeber, aber nicht als politisches Projekt sehen wollen. Ein bisschen dabei sein geht nicht, entweder ganz oder gar nicht! Man kann sich ein zweites Scheitern nicht erlauben.

Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Brüsseler Regierungskonferenz im Dezember 2003, oder sagen wir besser, die Verhinderung eines Ergebnisses, ist ein herber Rückschlag für Europa, aber es ist keine Katastrophe. Europa hat immer gezeigt, dass es zu einer Bewegung fähig ist, doch dazu bedarf es der Überzeugung und des Mutes, die Innenpolitik einmal zu Hause zu lassen, wenn man nach Brüssel fährt, um über die Zukunft Europas zu verhandeln.

Immerhin können wir positiv festhalten, dass es keinen faulen Kompromiss gegeben hat, denn ein Nizza-II-Vertrag, das haben wir in den Europadebatten in diesem Parlament immer vertreten, wäre keine Lösung, sondern würde mehr Probleme im europäischen Haus schaffen und diese für Jahre zementieren. Man kann nur hoffen, dass das vorläufige Scheitern die Einsicht befördert, dass es eine Lösung auf der Grundlage des Entwurfs des Konvents mit den bereits in der Regierungskonferenz erzielten Kompromissen geben wird. In diesem Zusammenhang sage ich nicht zum ersten Mal: Jetzt noch darauf zu satteln und Forderungen nachzuschieben, damit würde nicht nur die Autorität des Konvents und seines Entwurfs in Frage gestellt, nein, erschwert würde damit auch, dass die weiteren Beratungen zu einem guten Ergebnis führen.