Protocol of the Session on January 29, 2004

Als Bürger dieses Landes und Abgeordneter macht das einen wütend und lässt den Kopf schütteln und sich fragen, was da wohl schief läuft. Dass etwas schief läuft, haben wir ja nun schriftlich bekommen und können es nachlesen. Da gibt es, denke ich, inzwischen auch nichts mehr zu bezweifeln. Die Studie, das heißt die Zusammenfassung der ausgewählten Ergebnisse, die ich mir gestern besorgt habe, wertet und vergleicht die Testergebnisse, sie betreibt aber keine Ursachenforschung und schlägt auch nicht vor, was zu tun ist. Jedenfalls lese ich die Studie so, die Kurzfassung, die ich bekommen habe.

Das bedeutet demnach, dass wir hier vor Ort in Bremen die Schlussfolgerungen und die Maßnahmen uns überlegen müssen, die jetzt notwendig werden. Ob das, was der Bildungssenator gestern in seiner Presseerklärung und in seinem Interview im „WeserKurier“ gesagt hat hinsichtlich der Notwendigkeit und der erforderlichen Arbeitsschwerpunkte, ausreichend ist, will ich hier offen lassen. Ganz falsch klingt das in meinen Ohren jedenfalls nicht.

Bei uns in der FDP werden in diesem Zusammenhang, möchte ich hier nur erwähnen, einige weitere Punkte diskutiert, die man sicherlich auch noch heranziehen kann, nämlich die Frage der Schulfähigkeitstests, ob man die nicht insgesamt früher macht als bisher und auf diese Weise schon zu Maßnahmen kommt in diesem Alter der Kinder, um eventuelle Defizite, die man feststellt, auszugleichen, oder aber, ob man darüber hinaus bei solchen Kindern, die hierbei schlecht abschneiden, nicht ein obligatorisches Vorschuljahr oder so etwas Ähnliches einführt, um ihnen weitere Hilfen für die Schulfähigkeit und für das Gelingen der Grundschule und den weiteren Schulweg mit auf den Weg zu geben.

Ein weitergehender Vorschlag ist – wie gesagt, ich sage das nur als Stichworte, die man überlegen muss, nicht schon als Antworten –, ob man nicht generell hier zu einer Vorklasse kommt und sagt, alle Kinder müssen da hinein, und damit also im Grunde genommen den schulpflichtigen Teil ein Jahr früher beginnen lässt. Da grenzt man natürlich an das Thema der Kindergärten, und hier muss man die Nahtstellen zwischen diesen beiden Bereichen sehr genau überlegen.

Stärkung der Lesekompetenz ist schon gesagt worden, das ist äußerst wichtig, insbesondere für solche Kinder, die die deutsche Sprache nicht verstehen. Das müssen ja nicht immer Ausländer, das können auch Deutsche sein, die erhebliche Probleme haben. Da, denke ich, muss man auch ansetzen, denn alles Weitere hängt von der Lesekompetenz und dem Verständnis dessen ab, was man liest, ob man in den naturwissenschaftlichen Fächern, im sprachlichen Bereich oder in anderen Bereichen mitkommt und dann entsprechende schulische Erfolge erzielen kann. Wenn man die Sprache, die Landessprache, nicht versteht, hat man da erhebliche Schwierigkeiten.

Eines sollte man, wenn wir uns jetzt an die Schlussfolgerungen und die Konsequenzen aus der Studie heranmachen, allerdings bedenken. Wir sollten uns vor Panikreaktionen, politischen Schnellschüssen und vorschnellen Entscheidungen hüten, dafür ist das Feld viel zu sensibel, und die Ergebnisse sind noch viel zu frisch. Ich denke, man muss jetzt sorgfältig analysieren und den Dingen auf den Grund gehen, um dann zu vernünftigen pädagogischen Konsequenzen zu kommen. Damit will ich allerdings nicht dafür plädieren, alles zu zerreden und auf die lange Bank zu schieben. Ich plädiere lediglich für ein durchdachtes, sinnvolles Handeln, bei dem ideo

logische Scheuklappen und Voreingenommenheiten nicht gefragt sind. Schulen sind, das ist meine Auffassung, zum Lernen da, nicht für die Reparatur gesellschaftlicher oder familiärer Probleme. Wir sollten uns bei unseren Überlegungen auch die Vergleichsländer mit ansehen und unvereingenommen analysieren, warum dort die Ergebnisse besser sind als bei uns hier in Bremen.

Wenn man über die Ursachen der Misere nachdenkt, kommt man natürlich nicht an der Tatsache vorbei, dass die SPD seit ewigen Zeiten die Schulpolitik in Bremen bestimmt oder maßgeblich mitbestimmt. Die Schulpolitik der SPD hier in Bremen war in der Vergangenheit von viel zu vielen Experimenten, von Gleichmacherei, von Leistungsfeindlichkeit und von dem Anspruch geprägt, möglichst viele Schüler möglichst weit durch das Schulsystem zu schleppen. Dass es Unterschiede in den Begabungen gibt und sich dies auch im Schulerfolg widerspiegelt, das hatte eher eine nachrangige Bedeutung. Dieses Denken dürfte auch heute noch in manchen Köpfen von Lehrern sein und damit auch das Schulgeschehen an den Schulen und sogar in der Lehrerfortbildung mit prägen, denn auch dort sitzen ja diejenigen, die das damals in den sechziger, vor allem in den siebziger und achtziger Jahren gelernt haben und dort noch heute beruflich tätig sind.

Aber auch die CDU kann sich inzwischen nicht mehr aus der politischen Verantwortung herausreden. Seit über acht Jahren regiert sie hier in Bremen mit und konnte seither die Schulpolitik maßgeblich mitgestalten. Das Testjahr 2001 liegt praktisch mitten in dieser Regierungszeit, die CDU ist damit auch mitverantwortlich für das, was wir heute hier vorfinden. Ich stimme dem Kommentator der „Nordsee-Zeitung“ zu, der heute auch die Schulpolitik hier mitverantwortlich macht, denn die Standards, die gesetzt werden für das Schulgeschehen, werden ja durch die Politik gemacht. Das Unterrichtsgeschehen und den Unterricht selbst machen natürlich die Schulen und die Lehrer, aber, wie gesagt, die Schulpolitik regelt die Richtung und setzt die Bedingungen, unter denen dann die Schulen arbeiten müssen. Deswegen kann die Schulpolitik sich hier auf keinen Fall aus der Verantwortung herausziehen.

Wenn die Koalition darauf abhebt – Presseerklärungen habe ich das entnommen –, dass die geplanten Änderungen des Schulgesetzes, die hier demnächst zur Abstimmung stehen, wesentliche Verbesserungen bringen werden, dann scheint mir dies nicht ganz richtig zu sein. Die Ergebnisse der IgluStudie waren bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes und bei den politischen Debatten dazu nicht bekannt. Sie konnten deshalb auch nicht berücksichtigt werden. Unterrichtsinhalte und Verbesserungen im Bereich der Lehreraus- und -fortbildung, die in der Iglu-Studie angesprochen werden, sind nicht Gegenstand der anstehenden Gesetzesnovelle.

Eines möchte ich zum Schluss noch sagen; Es ist nach dem Ergebnis der Iglu-Studie einfach zu sagen, die Lehrer haben versagt. Ich glaube, dass dies so nicht stimmt. Ich bin mit einer aktiven Lehrerin verheiratet und sehe tagtäglich, mit wie viel Engagement und Einsatzbereitschaft da gearbeitet wird. Die Diffamierung eines ganzen Berufsstandes ist nach meiner Meinung falsch. Es gibt genügend Lehrer, die ihre Arbeit ernst nehmen und sich hineinknien, die auch interne oder externe Überprüfungen nicht scheuen und offen sind für Teamwork und Gedankenaustausch auch innerhalb der Kollegien. Solche Lehrer, glaube ich, sollten unser Leitbild sein bei allen unseren Überlegungen und bei unseren Schlussfolgerungen, die wir jetzt im Bereich von Maßnahmen und Konsequenzen aus der Studie ziehen, denn die Lehrer müssen die Maßnahmen am Ende umsetzen und sollten unbedingt durch uns bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Dazu möchte ich Sie aufrufen! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Stahmann, dass das Kind einer türkischen Putzfrau vielleicht weniger Bildungschancen hat als ein Kind einer deutschen Arztfamilie, liegt vielleicht auch daran, dass die deutschen Lehrer noch nicht, ich betone noch nicht, so gut Türkisch sprechen können wie ihre türkischen Schüler. Aber bei Ihrer unrealistischen Multikultipolitik wird sich das demnächst bestimmt bald ändern. Herr Wedler, bevor Sie sich über Verfehlungen im Bildungsbereich äußern, darf ich Sie doch noch einmal an Ihren äußerst fähigen FDP-Bildungssenator in Hamburg erinnern, der zurücktreten musste.

Meine Damen und Herren, leider habe ich erst in dieser Sitzung erfahren, dass eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt ist.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

Aber, na gut, meine Damen und Herren, dass ich das verspätet bekomme, das bin ich ja schon gewohnt. Das Bundesland Bremen ist nicht nur ein Haushaltsnotlageland, nein, sondern, wie wir es auch schwarz auf weiß ersehen können, auch ein Bildungsnotland. Das Ergebnis Ihrer verfehlten Bildungspolitik können Sie ja seitenlang schwarz auf weiß nachlesen in der Pisa-Studie und jetzt sogar noch in einer dementsprechenden Iglu-Studie.

Meine Damen und Herren, die Deutsche Volksunion hat nun schon seit Jahren auch hier in der Bürgerschaft vor einer solchen schlimmen Entwicklung gerade im Bildungsbereich hinreichend gewarnt. Ebenso habe ich in etlichen Redebeiträgen namens der Deutschen Volksunion deutlich zum

Ausdruck gebracht, dass für diesen Bildungsnotstand linke ideologische Traumtänzer verantwortlich sind. Linke ideologische Traumtänzer haben seit Anfang der siebziger Jahre auf Kosten der Zukunft unserer Kinder jegliche Moral- und Wertvorstellungen, zum Beispiel Achtung, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, politisch und gerade im schulischen Bereich außer Kraft gesetzt.

Meine Damen und Herren, diese linken Traumtänzer sind jetzt die ersten, die lauthals nach schulischen Reformen schreien. Ich aber sage Ihnen namens der Deutschen Volksunion, das, was linke ideologische Traumtänzer jahrelang an unseren Kindern verbrochen haben, können ganze Generationen nie wieder gutmachen, weil auch weiterhin jegliche Schuld dem jeweiligen anderen zugeschoben wird: die Politik dem Elternhaus, die Lehrergewerkschaft der Politik, das Elternhaus der Politik und so weiter. Darum ist es dringend erforderlich, dass sich die Verantwortlichen an einen runden Tisch setzen, um durch effektive, schnell umsetzbare Vorschläge dieses nachweislich schlimme Bildungsdesaster schnellstens zu beenden.

Meine Damen und Herren, bevor Sie auch nur im Entferntesten an die Umsetzung einer Bremer EliteUniversität denken können, müssen Sie doch erst einmal dringend dementsprechende Rahmenbedingungen für unsere Grundschulen schaffen, um damit überhaupt erst einmal die Grundvoraussetzungen, die Grundausbildung für elitefähige Studenten zu schaffen. Das werden Sie bei Ihren jetzigen sehr schlechten Rahmenbedingungen aber nie, niemals schaffen.

Ebenso habe ich hier im Landtag schon des Öfteren deutlich auf das wirklich sehr große Problem des hohen Ausländeranteils in den Schulklassen hingewiesen. Meine Damen und Herren, Tatsache ist doch, dass Aktuelle Stunden sowie Große Anfragen uns zur Beseitigung des Bildungsdesasters keinen Schritt weiter voranbringen. Deshalb können Sie sicher sein, dass ich hier auch weiterhin konstruktive und umsetzbare Anträge im Namen der Deutschen Volksunion einbringen werde, so dass Sie dann durch Ihr Abstimmungsverhalten die Ernsthaftigkeit, die Glaubwürdigkeit und das Bemühen Ihrer unendlich langen Diskussionen deutlich beweisen können. Bis jetzt aber haben Sie sich jeglichen Lösungsvorschlägen, sprich Anträgen der Deutschen Volksunion, auf Kosten und zu Lasten der Schüler unverantwortlich, auch schäbig verweigert.

Meine Damen und Herren, wir alle haben eine gemeinsame Verantwortung, eine gemeinsame Aufgabe für die Zukunft unserer Kinder. Darum hoffe ich ja nur, dass Sie aus dieser Verantwortung heraus überparteilich guten, konstruktiven Anträgen und Lösungsvorschlägen im Interesse der Kinder, der Zukunft unserer Jugend, zustimmen werden, auch wenn diese Anträge von der Deutschen Volksunion kommen.

Eines muss ich noch hinzufügen: Im Übrigen habe ich heute die gleichen langweiligen Diskussionen und die gleichen langwierigen Reden gehört wie damals schon zur Pisa-Studie, und was ist passiert? Rein gar nichts! Im Gegenteil: Als Ergebnis Ihrer Politik, Ihrer langwierigen und nutzlosen Diskussionen behandeln wir heute eine neue erschreckende, entlarvende und noch schlechtere Iglu-Studie auf Kosten unserer Schüler, und das haben diese Schüler nicht verdient.

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Lemke.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir in der KMK im Jahr 2000 diskutiert haben, ob wir zusätzlich zu der internationalen Beteiligung an Iglu auch auf Länderebene eine differenzierte Betrachtung unseres Grundschulwesens haben wollen, haben einige Länder gesagt, ja, wir wollen wissen, wie es um die Leistungen der Grundschule in unserem Land bestellt ist, und wir sind auch bereit, dafür eine gewisse Summe Geldes auszugeben.

Es waren aber nicht viele Länder, die, ich sage das jetzt einmal auch aus der Sicht des Betroffenen, den Mut gehabt haben, sich diesem Test zu stellen, denn wie Sie wissen, waren das nur sechs Länder, die diesen Mut aufgebracht haben, sich diesem Wettbewerb zu stellen. Es wurden ja in den Ländern jeweils 25 Schulen ausgesucht, übrigens nach dem Zufallsprinzip und nicht etwa irgendwie gesetzt, wie man das ja glauben kann, wenn man die GEW-Erklärung zu diesem Thema liest. Ich stehe nach wie vor dazu, dass es richtig war, auch wenn die Ergebnisse, wie ich gesagt habe, sehr deprimierend sind, zu wissen, wo wir stehen, und so eine Ohrfeige kann vielleicht auch einmal eine positive Wirkung für alle Betroffenen auslösen.

Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst einmal in einer kurzen Betrachtung auf die Rednerbeiträge eingehen, um vielleicht auch zu zeigen, dass wir in verschiedenen Bereichen wirklich schon ganz konkret seit mindestens zwei Jahren etwas umgesetzt haben. Da ist zunächst die Tatsache angedeutet und angesprochen worden, dass wir zum Untersuchungszeitpunkt in der Tat, was den gegebenen Unterricht an unseren Grundschulen angeht, deutlich hinter Bayern lagen. Wir haben das in der letzten Woche überprüfen lassen, und heute liegen wir nur noch wenige Unterrichtsstunden zurück. Das ist so gut wie nichts, wenn man weiß, Herr Rohmeyer hat das eben zitiert, dass Bayern 2001 mit 835 Unterrichtsstunden angegeben worden ist. Wir liegen jetzt bei 835, 839 zu 835! Das ist konkretes politisches Handeln! Auch ohne Iglu haben wir in der großen Koalition dies bereits umgesetzt.

Die naturwissenschaftlichen Defizite, die Herr Rohmeyer auch angesprochen hat, dazu kann ich

Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, das habe ich auch neulich in der Deputation schon angedeutet, dass die vielen Maßnahmen, die wir auch in Kooperation mit den Hochschulen unternommen haben, und die Stärkung des naturwissenschaftlichen Unterrichts dazu geführt haben, dass eine signifikante Steigerung der Anwahl – jetzt schon, nach so relativ kurzer Zeit, das machen wir erst seit vier Jahren sehr systematisch – der naturwissenschaftlichen Leistungskurse in der gymnasialen Oberstufe ganz klar erkennbar ist. Es geht auch in die Richtung Ihres Beitrags. Hier haben wir natürlich auch in der Grundschule einen Nachholbedarf. Wir haben das Problem aber bereits vor Jahren erkannt, haben gehandelt, haben gegengesteuert, aber natürlich spiegelt sich das jetzt noch nicht bei den mit Iglu 2001 getesteten Schülern wider. Dann hat Herr Rohmeyer gesagt, wir machen seit einem Jahr Vergleichsarbeiten. Nein, Herr Rohmeyer, wir sind stolz darauf, dass wir bereits seit zweieinhalb Jahren Vergleichsarbeiten machen. Das kann man im Protokoll nachlesen, nicht seit einem Jahr, das war vielleicht ein Versprecher, wir machen seit zweieinhalb Jahren sehr erfolgreich Vergleichsarbeiten, und das zeigt, dass die Zeit reif ist. Meine Vorgängerin im Amt hat das vor sechs Jahren vergeblich versucht, weil das offensichtlich nicht durchsetzbar war: Ich muss leider auf das zurückgreifen, was Frau Hövelmann diesbezüglich gesagt hat. Schauen Sie noch einmal die alten Protokolle und die Presseerklärungen der Grünen aus diesem Jahr an, das ist absolut konträr zu dem, was Sie erfreulicherweise eben gesagt haben, Frau Stahmann! Dieses klare Bekenntnis zu Standards, zu Zielsetzungen und dass wir das als Staat zu überprüfen haben, das habe ich mit Freude vernommen. Wenn Sie sich die alten Unterlagen Ihrer früheren Kollegen anschauen, werden Sie feststellen, damals, als Frau Kahrs dies hat durchführen wollen, hat sich das noch anders dargestellt, aber ich will nicht zurückschauen, sondern ich bin sehr froh darüber, dass Sie sich klar zu diesen Zielsetzungen bekannt haben. Wir haben hier offensichtlich einen Paradigmenwechsel in den Schulen erreicht, und deshalb dürfen wir jetzt folgenden Fehler nicht begehen: Wir dürfen jetzt nicht sagen, wir haben die Schüler jetzt systematisch überprüft, und es ist ja offensichtlich, dass hier die Lehrer versagt haben, jetzt stellen wir die an den Pranger. Meine Damen und Herren, dies wäre absolut falsch, das ist der völlig falsche Weg, aber genauso klar sage ich, unsere bremischen Schüler sind nicht etwa dümmer als die Schüler anderswo, die sind genauso clever,

(Beifall bei der SPD)

genauso wissbegierig und lernbegierig wie alle anderen Schüler in Deutschland, aber in der Tat haben sie nicht die Chancen, die die baden-württembergischen und bayerischen Kinder mitbekommen

durch ihre Schulen. Wir müssen genau hinterfragen, was denn in unseren Schulen wirklich ganz konkret schlechter läuft als in diesen Bundesländern.

Sie haben alle, vielleicht genauso fassungslos wie ich, die Erklärung der GEW gelesen. Zunächst waren es die falschen Schulen, die ausgewählt worden sind. Das haben wir sofort überprüft und festgestellt, nein, eine ganz leicht differenzierte Auswahl ist durch das Los zustande gekommen. Bei dem Sozialindikatorenindex liegen wir bei den geprüften Schulen bei 52 und bei der tatsächlichen Repräsentanz bei 46,9. Diese leichte Abweichung zu Ungunsten benachteiligter Schulen in der Skala von Null bis 100 ist so marginal, dass sie überhaupt keinen Einfluss auf diese Ergebnisse hat. Wir sind so deutlich hinter den anderen Bundesländern, selbst hinter dem vorletzten, dass keine Entschuldigung dieser Art für mich noch akzeptabel ist, überhaupt nicht akzeptabel!

Meine Damen und Herren, dann wird gesagt, dass wir zehn Prozent der Lehrer in den letzten Jahren abgeschafft haben. Es wird aber dabei vergessen, dass diese Betrachtung nicht bezogen auf die Grundschulen ist, nicht bezogen auf die vielen Lehrer, die ich übernommen habe, die überhaupt nicht an der Schule tätig waren. Es waren bei meinem Dienstantritt zirka 400 Lehrer, die überhaupt nicht in der Schule gearbeitet hatten. Das haben wir jetzt dramatisch abgebaut. Da sind wir jetzt auf noch 70 oder 80 Lehrer im außerschulischen Betrieb gekommen. Die sind dort offensichtlich völlig zu Unrecht mitgerechnet worden.

Fakt ist, dass die Schüler-Lehrer-Relation seit meiner Amtszeit von 20,3 auf 19,8 gesenkt worden ist, und bezogen auf die Ausgaben: Frau Hövelmann hat angesprochen, dass wir das vorhaben, aber wir haben es in den letzten vier Jahren bereits gemacht, weil wir von Anfang an gesagt haben, das Fundament für die Kinder muss verbessert werden, die Schule zu Beginn, und da beziehe ich selbstverständlich auch, wie Frau Stahmann das gesagt hat, den Kindergarten ein. Deshalb haben wir ja so eine enge Kooperation zwischen Soziales und Bildung, um eben hier den Schulterschluss immer enger hinzubekommen, weil es wichtig ist, dass die Förderung so früh wie möglich beginnt, insbesondere die sprachliche Förderung.

Die Ausgaben, die ich Ihnen noch nennen möchte: Als ich das Amt übernommen habe, 1998/1999, beliefen sich die Kosten pro Grundschüler auf 3900 Euro. Heute geben wir 4360 Euro pro Schüler aus. Das ist eine Steigerungsrate von zwölf Prozent. Insofern bitte ich doch auch die Kolleginnen und Kollegen der GEW, sich diese Fakten vor Augen zu halten und nicht nach neuen Ausreden zu suchen, warum unsere Ergebnisse so schlecht sind. Bitte seien Sie realistisch, und gehen Sie dann auch selbstkritisch mit der Bewältigung dieser Thematik um!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, was ist zu tun? Keine Beschädigungen der engagierten Lehrerinnen und Lehrer! Wir haben auch Schulen in benachteiligten Stadtteilen, die signifikant bessere Ergebnisse erzielen als Schulen in den bürgerlichen Stadtteilen. Der Lernfortschritt ist durch innovative, hervorragende, engagierte Arbeit dieser Kollegien besser als in anderen Stadtteilen. Diese Best-Practice-Beispiele müssen wir uns genau anschauen, und deshalb habe ich mich in einer ersten Reaktion auf Iglu mit Herrn Rohmeyer und Frau Hövelmann verabredet zu sagen, wir wollen der Deputation vorschlagen, sofort in einer Vielzahl von bremischen Grundschulen nicht nur die Schüler zu überprüfen, sondern die gesamten Strukturen. Welche Ziele sind in der Schule klar definiert? Nach welchen Lehrplänen wird ganz konkret was in welchem Schuljahr erarbeitet? Schluss mit der Unverbindlichkeit, dass, wenn drei oder vier Klassen mit dem Lesen beginnen, sie das nach drei oder vier verschiedenen Methoden und Didaktiken machen! Diese Unverbindlichkeit muss an den bremischen Schulen ein Ende haben! Wir müssen im Gleichschritt in Teamfähigkeit gemeinsam die Ziele definieren und sie auch den Eltern mitteilen, damit die Eltern auch eine stärkere Kontrolle darüber haben, was die Ziele im ersten, zweiten, dritten und vierten Schuljahr sind.

(Beifall bei der SPD)

Das habe ich übrigens mit dem ZEB bereits vorgestern Abend vereinbart. Der Wunsch des ZEB war, bitte informieren Sie uns besser über diese Lerninhalte, die Curricula, und sagen Sie uns, was unsere Kinder nach der vierten Klasse können müssen! Wir haben erstens verabredet, wir werden bis zum Schuljahresbeginn für die neue Schülergeneration von der Behörde ganz klar die Dinge, die den Schulen bekannt sind, auf den Punkt bringen. Wir werden sie den Eltern in die Hand geben, damit sie genau wissen, wie die Ziele, die wir den Schulen vorgeben, was die Inhalte sind und welche Aufgaben ihre Kinder nach Klasse eins, zwei, drei und vier zu beantworten haben werden, damit sie wissen, nach Klasse vier gibt es ja diese Vergleichsarbeiten, die wir jetzt seit zweieinhalb Jahren vorbereiten und in diesem Jahr das erste Mal mit sechs anderen Ländern gemeinsam veranstalten. Das ist, glaube ich, ein richtiger Weg, um auch auf die Eltern zuzugehen.

Eine Aufgabe an die Schulen haben wir auch verabredet. Nicht nur die Behörde wird diese Broschüre liefern, sondern wir haben gesagt, wir möchten, dass bei den Elternabenden zu Beginn des Schuljahres und zu Beginn des Schulhalbjahres jeweils von den Fachlehrern schriftlich den Eltern mitgeteilt wird, welches die Inhalte und Ziele für das nächste halbe Schuljahr konkret sind. Ich weiß, dass an vielen Schulen an den Elternabenden jetzt bereits mündlich vermittelt wird, was man sich vornimmt, welche Projektarbeit, welche Didaktik, welche Me

thoden angewandt werden. Das ist aber heute eher unverbindlich. Hier geht es mir darum, den Elternwunsch aufzunehmen und zu sagen, das kostet überhaupt nichts, das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass das in jeder Schule praktiziert wird, aber wir haben darauf zu achten, dass es auch umgesetzt wird.

Genauso, meine Damen und Herren, werde ich auch die Frage der Hausarbeiten mit einbringen, die heute in jeder Klasse unterschiedlich gehandhabt wird. Jede Lehrerin macht es so, wie sie es für richtig erachtet. Ich bin der Meinung, dass die Eltern Recht haben, dass wir dort gemeinsam etwas erarbeiten sollten und auch den Kindern in der ersten Klasse schon mitgeben, dass es kleine Aufgabenstellungen gibt, die noch keine Hausaufgaben sind, aber zum Beispiel, etwas in der Natur zu sammeln. Gebt den Kindern konkrete Aufgaben, das muss nur ein bis zwei Mal in der Woche sein, aber sagt nicht, Hausaufgaben gibt es in der Grundschule nicht, die Kinder sollen sich am Nachmittag auf etwas anderes konzentrieren! Das wollen wir auch den Eltern mit auf den Weg geben durch schriftliche Verabredungen, durch konkrete Verabredungen, meine Damen und Herren, mit den Schulen.

Erster Schritt: Überprüfung der Schulen, Ziele, Standards! Gibt es Kooperationen, wie Bos sie fordert, gibt es Fortbildungsmaßnahmen, und wann haben die einzelnen Kollegen in den letzten fünf Jahren welche Kurse besucht mit welchen Inhalten und an welchen Orten?

Das wird einigen sehr übel aufstoßen, dass so konkret nachgefragt wird. Meine Damen und Herren, mir bleibt aber an dieser Stelle überhaupt nichts anderes übrig. Ich möchte nämlich nicht in zwei Jahren zurücktreten müssen, wenn wir keinen Lernfortschritt haben, sondern ich möchte mit Ihnen kämpfen und nicht resignieren, damit die Ergebnisse unserer Schüler besser werden, damit die Zukunftschancen der Bremer Schüler genauso gut sind wie in anderen Bundesländern.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Dieses Ergebnis ist nicht akzeptabel, und wir müssen hier gemeinsam entsprechend handeln.

Meine Damen und Herren, das sind die wesentlichen Punkte, die ich Ihnen heute Morgen in der Aktuellen Stunde nennen wollte. Ich sehe, dass ich mich auch gerade nach den Redebeiträgen der vier demokratischen Fraktionsvertreter hier mit Ihnen in einem Boot weiß. Ich bitte Sie ganz herzlich, mich auch in den Auseinandersetzungen zu unterstützen, die kommen werden, wenn wir diese Prüfung demnächst in die Schulen geben werden, denn es ist absolut unüblich, dass an bremischen Grundschulen oder Schulen – wir werden das jetzt in einer ersten Phase sicherlich nicht nur auf die Grundschulen konzentrieren, meine Damen und Herren – geprüft wird,

und ich bin sicher, dass es ganz erhebliche Probleme bei der Durchsetzung dieser Überprüfung geben wird.

Angesichts der Ergebnisse bleibt uns aber, glaube ich, überhaupt nichts anderes übrig, als es sehr differenziert zu machen und nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Das darf uns nicht passieren. Es dürfen keine Beschädigungen vorgenommen werden. Ich bleibe dabei, ich will keine Schuldzuweisung, aber ich will, dass die Eltern sich darauf verlassen können, dass wir eine bessere Schule hinbekommen mit besseren Chancen für unsere Kinder. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)