nators für Wirtschaft, Herrn Hattig, erreicht, sondern auch in der Sache ist es ein schwieriges Thema, zumal wir es in dieser Legislaturperiode schon verschiedentlich diskutiert haben. Deshalb erspare ich es mir, all die Fakten und Zahlen noch einmal zu nennen, die wir jetzt zigmal gehört haben, von der Zahl der nicht versetzten Schüler in Bremen bis zu denjenigen, die überhaupt keinen Abschluss zustande bekommen.
Was einen nach den vielen Debatten wundert, zumindest einen Außenstehenden wundern kann: Dass die CDU diese Große Anfrage initiiert hat! Es muss einen deshalb wundern, weil die CDU in diesem Bundesland seit acht Jahren mitregiert und in diesen acht Jahren acht Jahrgänge den Hauptschulabschluss geschafft oder nicht geschafft haben, fünf Jahrgänge, vier Klassenstufen lang, wenn sie es ohne sitzen zu bleiben geschafft haben, bis zum Hauptschulabschluss gekommen sind. Für all diese Schülerinnen und Schüler ist die große Koalition bildungspolitisch verantwortlich gewesen, und zu dieser großen Koalition gehört die CDU einfach dazu.
Sie tun heute, am Ende der Legislaturperiode, so, als ob Sie mit der Politik nichts zu tun haben. Mit den Erfolgen haben Sie immer etwas zu tun oder mit Ihren schöngeredeten Erfolgen, aber mit den Misserfolgen haben Sie überhaupt nichts zu tun.
(Abg. B ü r g e r [CDU]: Die sind aber ein- geschult worden zur Zeit der Ampel! – Un- ruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)
Herr Bürger, ich hatte gedacht, Sie wären 1995 angetreten, um in der Schule etwas zu ändern. Heute, 2003, erklären Sie uns, dass Sie es nicht geschafft haben, denn die Zahl der Schüler, die den Abschluss nicht schaffen, ist weitgehend konstant geblieben. Natürlich waren Sie zwischendurch auch an vielen Maßnahmen beteiligt, die die Chancen nicht verbessert haben. Sie waren doch daran beteiligt, die Anderthalbzählung von ausländischen Kindern in den Schulen bei der Lehrerversorgung einzuschränken.
Sie waren doch an erster Stelle dabei, um die Kinder deutscher Staatsbürger, die aus anderen Ländern gekommen sind, insbesondere aus Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts, nicht als Ausländer zu behandeln und für sie nicht besondere Quoten vorzusehen. Sie waren daran beteiligt, bei der Heraufsetzung der Schüler-Lehrer-Relation möglichst einen bundesdeutschen Durchschnitt zu erreichen, was natürlich die Hauptschulen besonders trifft, weil es in Hauptschulen in einer Stadt wie Bremen relativ häufig kleine Klassen gibt.
Sie waren an allen Maßnahmen beteiligt, die die letzten acht Jahre die Versorgung in den Schulen verschlechtert haben.
Ich finde es einfach unmöglich, wenigstens für jeden Außenstehenden unmöglich, sich heute hier hinzustellen und zu behaupten, daran sei nur die Sozialdemokratie schuld.
Ich will ja nicht bestreiten, dass die Sozialdemokratie die Bildungspolitik in Bremen viele Jahre mitgeprägt hat, aber jetzt bekennen Sie Farbe und sagen Sie, was Sie alles nicht geschafft haben! All das, was Sie heute erzählt haben, haben Sie offensichtlich nicht geschafft!
Meine Damen und Herren, der Senat hat eine knappe Antwort gegeben auf die Fragen der CDU. Er konnte, ehrlich gesagt, auch keine umfangreichere Antwort geben, weil es so ist, dass das Problem bildungspolitisch von der Regierung erst in den letzten zweieinhalb Jahren in den Vordergrund gerückt worden ist. Es ist zwar nicht nach Pisa, aber kurz vor Pisa überhaupt erst aktuell geworden. In dem Papier stehen eine Menge einzelner Maßnahmen von Veränderungen des Unterrichts, Beratungssystemen, Arbeitsgruppe Schulvermeidung, die wir nach einem harten Kampf erst wieder durchsetzen mussten, nachdem der Bereich auch von der großen Koalition Jahr für Jahr zusammengespart worden ist. Ich darf daran erinnern, auch daran waren Sie beteiligt, Herr Bürger!
Das war das Ressort! Herr Bürger war Sprecher der Bildungsdeputation seit 1995, sitzt bei jeder Regierungsrunde dabei, und damit hat die CDU aber gar nichts zu tun! Die Sanierung haben Sie erfolgreich gemacht, aber die Bildungspolitik hat mit Ihnen nichts zu tun, ich kann es nicht mehr hören!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zu- rufe von der CDU – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie können sich doch keinen weißen Fuß machen, Sie tra- gen die Verantwortung doch mit! Das ist doch unglaublich!)
zelmaßnahmen, die bis jetzt noch nicht gegriffen haben, zum Teil auch nur auf dem Papier stehen. Auch bestimmte Maßnahmen zur Schulvermeidung stehen bisher noch immer auf dem Papier, obwohl wir hier vor zweieinhalb Jahren letztlich schon Beschlüsse gefasst haben, weil es aus vielerlei Gründen, die ich jetzt nicht erörtern will, nicht so schnell vorangeht, auch viele Maßnahmen, die Herr Lemke hat aufschreiben lassen, die der Senat uns vorgelegt hat, wie zum Beispiel eine gute Projektvorstellung, gerade in Bremerhaven. Vielen Dank an die Bremerhavener, sie sind ja in der Schulverwaltung selbständig und auch vom Senat unabhängig und können manchmal ein bisschen schneller handeln! Sie sind aber zum Teil von der CDU auch bekämpft worden, wie zum Beispiel bei der Aufhebung der Versetzungsregelung in der Hauptschule oder wenigstens bei der Einschränkung der Versetzung in der Hauptschule! Auch das wollte die CDU nicht, Maßnahmen, die aber durchaus weiterhelfen könnten! Meine Damen und Herren, ich will das ganze Paket jetzt nicht im Einzelnen durchgehen, weil wir hier am Ende der Legislaturperiode daran nichts mehr bewegen und ändern werden, sondern das ist eine Sache der nächsten Legislaturperiode. Ich werde mich dabei nur auf zwei Dinge konzentrieren, erstens: Warum sind all die Anstrengungen, die wir jetzt machen, so schwierig und ist auch nicht gesichert, dass sie von Erfolg gekrönt sein werden? Die zweite Frage – was muss sich denn ändern? – die direkt daran anschließt: Warum sind Sie bisher nicht erfolgreich, auch die Versuche, die Sie gemacht haben? Am Geld kann es nicht gelegen haben, das will ich gleich vorweg sagen. Nach dem Statistischen Jahrbuch der Bundesregierung hat im Jahr 2001 das Land Bremen für einen Hauptschüler 6000 Euro im Jahr ausgegeben und für einen Gymnasiasten auch 6000 Euro. Mittlerweile ist da finanziell eine Gleichbehandlung erreicht, dennoch sind die Ergebnisse bisher nicht die gleichen. Deshalb will ich die Geldfrage an dieser Stelle heute einmal ausklammern. Woran liegt es? Meiner Meinung nach und nach Meinung der Grünen liegt es daran, dass viele Jahre lang die Bildungspolitik sich einen Leitsatz nicht zu Eigen gemacht hat, nicht die Schulen, sondern die Bildungspolitik: Jedes Kind, jedes Schulkind ist individuell, hat sein eigenes Recht, seine eigenen Probleme und seinen eigenen Förderbedarf.
Die Individualität des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen, das ist der Kern einer Schulreform. Diesen Kerngesichtspunkt haben die Bildungspolitiker in der Bundesrepublik eigentlich viele Jahre lang bis in die jüngste Zeit nicht ernst genommen. Dazu gehören zwei Probleme, das eine kennen wir, das ist ein Problem seit den siebziger Jahren, da
mals diskutiert, mit diesem schrecklichen Begriff „kompensatorische Erziehung“ belegt, man muss nämlich die Schwachen heranführen, nicht nur an das Niveau, sondern an das Verhalten derjenigen, die in der Schule besser sind, die aus besseren sozialen Verhältnissen kommen, man muss sie einfach nur anpassen. Dieses Konzept ist aus vielerlei Gründen gescheitert, weil es nicht akzeptiert, dass es in der Tat zu viele unterschiedliche Begabungen, Fähigkeiten und Entwicklungschancen gibt, die nicht nur alle sozial beeinflusst sind. Deshalb hat das nicht geklappt.
Das Zweite ist das, was Herr Bürger uns heute noch immer wieder sagt: Es wäre am leichtesten, wenn wir die Kinder früh in bestimmte Schubladen sortierten, in die der Hauptschüler, in die der Realschüler und die der Gymnasiasten – ich weiß gar nicht, warum gerade nach der vierten Klasse, vielleicht kann man das auch nach der zweiten oder dritten Klasse sehen, wer wohin gehört –,
weil man sich dann einfacher um die einzelnen Gruppen kümmern könne. Das ist das Gegenteil von Individualisierung, sondern das bedeutet, über einen Leisten zu scheren nach bestimmten Maßstäben, die ich schon seit langem in der Schublade habe. Das ist das Dilemma, das wir haben!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. B ü r g e r [CDU]: Aber die Pisa-Ergebnis- se sind doch besser in den Bundesländern, in denen es die vierjährige Grundschule gibt!)
Natürlich hat es das! Herr Bürger, es gibt kein Argument, mit dem ich entkräften kann, dass Bayern jetzt bessere Pisa-Ergebnisse hat. Ob Bayern in der Grundschule bessere Iglu-Ergebnisse hat, das wollen wir erst einmal noch sehen, das weiß heute noch keiner, ich komme gleich noch einmal darauf zurück.
das in Deutschland nicht gibt, aber international, europaweit, und wir leben in einem vereinten Europa,
und wir wollen dahin, da gibt es das! Wir wollen europäisches Bildungsniveau erreichen und nicht nur ein deutsches Spitzenniveau!
Ich wollte mich eigentlich auch nicht nach Ihrer wahrscheinlich letzten Rede hier mit Ihnen so streiten, weil wir ja neulich festgestellt haben, es gibt auch eine Menge Punkte, in denen Sie Recht haben, aber es gibt Punkte, in denen Sie so starr sind über so viele Jahre, wie es unsere Kinder eigentlich nicht verdient haben. Da sind Sie nicht als Person schuld, sondern das ist die Politik der CDU, die sich eigentlich darin manifestiert und die den Kindern in unserem Lande enge Grenzen setzt.
Sie selbst haben heute gesagt, diejenigen, die dann in der Hauptschule landen, müssen dann, wenn sie etwas anderes schaffen können, einen Umweg oder einen längeren Weg in Kauf nehmen. Warum, wenn es auch anders geht? Warum müssen wir das den Kindern antun, wenn wir andere Möglichkeiten haben?
Ich sage deshalb noch einmal, das ist jetzt wirklich eine Art persönliches Bekenntnis, ich habe meine Meinung in den letzten 20 Jahren da auch geändert, vielleicht hat es auch damit etwas zu tun, dass man selbst älter wird und Kinder hat: Wir müssen auf ein Schulsystem setzen, das die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes, egal ob Sie das Gymnasial- oder Hauptschulkind nennen, in den Vordergrund stellt, und die Schule danach organisieren! Da sage ich aus internationalen Erfahrungen, die Schule so zu organisieren ist besser, gemeinsam, übrigens auch billiger, das sind dann nicht die Gesamtschulen, die wir heute haben, die relativ teuer sind, sondern billiger als ein getrenntes System, in dem uns weniger Hauptschüler viel Geld kosten und viele Gymnasiasten auch viel Geld kosten!
Es ist auch wichtig, das hinzubekommen, weil wir – ich bleibe dabei – möglichst viele Kinder und Jugendliche mit hohem Bildungsabschluss haben müssen, auch nicht nur der Kinder wegen, sondern auch des eigenen Landes wegen, um ökonomisch, demokratisch und sozial in Europa konkurrenzfähig zu sein. Ich habe aber gesagt, ich will das alles heute nicht wiederholen, weil wir das so oft diskutiert haben.
Es ist auch völlig klar, warum Sie diese Anfrage eingebracht haben. Es ging Ihnen letztlich nicht um die Probleme der Kinder in der Hauptschule, sondern darum, noch einmal zu dokumentieren, dass Sie in der Bildungspolitik einen anderen Weg als die Grünen vorhaben, den auch mittlerweile die SPD einschlägt und der tatsächlich eine grundlegende Reform des deutschen Schulsystems von unten an, vom Kindergarten über die Grundschule bis zum Abitur, vorsieht.
Herr Bürger, insofern möchte ich auch noch einmal das zurückweisen, was Sie über die sechsjährige Grundschule gesagt haben, denn so, wie Sie das gesagt haben, war das unterschwellig eine Diffamierung der Grundschularbeit heute. Hingegen wissen wir, dass all das, was Herr Lemke bei der Beantwortung der Großen Anfrage hat aufschreiben lassen, Projektarbeit, Bewegung nach außen in den Stadtteilen, in das wahre Leben der Schule hinein und moderne Unterrichtsmethoden, Maßnahmen sind, die wenigstens in der Grundschule schon lange Zeit besser und weiter sind als in den weiterführenden Schulen, wenn auch nicht vollkommen und nicht überall auf dem neuesten Stand entwickelt. Wir können von der Grundschule lernen. Deshalb ist eine sechsjährige Grundschule keine Bedrohung, sondern eine Chance zum gemeinsamen Lernen.
Meine Damen und Herren, wir haben viele politische Übereinstimmungen in den letzten Tagen hier in den Debatten gehabt. Wenn es in einem Punkt bei dieser Wahl tatsächlich um eine Art Richtungsentscheidung geht – gehen wir nach vorn, oder gehen wir zurück, geben wir allen Kindern eine Chance, oder geben wir wenigen Kindern eine Chance? – dann ist es in der Bildungspolitik, und da gibt es Vereinbarkeiten und Unvereinbarkeiten. In den Fragen aber, die wir jetzt heute hier diskutieren, in welche Richtung soll sich unsere Schule entwickeln, und welche Chancen haben in dieser Schule die Kinder, auch wirklich Abschlüsse zu machen, da ist die Differenz wirklich im Augenblick sehr, sehr groß, und da ist die Entscheidung der Wähler auch klar: Wer sich für die CDU entscheidet, entscheidet sich für einen anderen Weg, für einen Weg, der den Kindern nicht die Chancen gibt, die wir ihnen öffnen wollen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich noch einmal die Zielsetzung benennen, eine höhere Bildungsbeteiligung in unserer Gesellschaft zu erreichen und gleichzeitig die Qualität schulischer
Leistungen zu stärken! Hinter diesen beiden Zielsetzungen stehe ich zunächst, und ich stelle bedrückt fest, dass es uns bis heute nicht gelungen ist, mehr Schülerinnen und Schüler zu entsprechend hohen Qualifikationen, zu möglichst hohen Abschlüssen zu bekommen. In Finnland erreichen 60 Prozent die Hochschulreife. Bei uns in Bremen, wir liegen ja vor anderen Bundesländern, schaffen das aber nur etwas mehr als 30 Prozent. Dass das nicht mehr sind, ist bedauerlich, aber erschreckend ist, dass etwa zehn Prozent der Kinder überhaupt keinen Schulabschluss erlangen. Das ist nicht nur eine Bremensie, sondern das ist bundesweit so, aber ich habe nicht die Verantwortung für andere Bundesländer, sondern für dieses Bundesland, und ich kann mit dieser Zahl schlecht leben. Wenn ich die Debattenbeiträge Revue passieren lasse, dann sage ich, erstens, wir müssen als Parlament in der kommenden Legislaturperiode noch eindeutiger, als wir das in dieser Legislaturperiode gemacht haben, der Bildung eine stärkere Priorität geben, ohne Wenn und Aber, und das heißt auch, dass wir genau schauen müssen, wie wir den Haushalt aufstellen, wenn wir in die nächste Legislaturperiode gehen. Wir müssen dann eben fragen: Was ist uns wichtiger? Wo setzen wir die Schwerpunkte in den nächsten vier Jahren? Meine Position muss ich hier nicht vortragen, denn das habe ich in den letzten vier Jahren hier immer wieder an der gleichen Stelle gemacht. Jetzt geht es darum: Was ist an wichtigen Botschaften in dieser Debatte herübergekommen? Ganz wichtig finde ich: Wir müssen viel, viel früher beginnen. Es ist völlig falsch, Millionen, und auf Bundesebene letztendlich Milliarden in Reparaturmaßnahmen und nicht in das, was wir versäumt haben im Vorschulbereich, im Grundschulbereich und in der Sekundarstufe I, zu stecken.