Protocol of the Session on April 3, 2003

Das Gleiche gilt für andere Hafenausbauten sowieso, deswegen sagen wir auch als Haushaltsnotlageland und als verantwortliche Parlamentarier für diese Situation, die man verbessern muss, dass man mit Augenmaß an große Infrastrukturmaßnahmen herangehen muss. Nur das wollen wir! Wir wollen die Sicherung von Arbeitsplätzen, wir wollen die Säule der Außenwirtschaft, wir wollen die Säule der Hafenwirtschaft erhalten und dass sie funktioniert. Das funktioniert aber nur, wenn sie auf einer sicheren, seriösen finanziellen Grundlage existiert, die auch zukunftsfähig ist und sich betriebswirtschaftlich rechnet, meine Damen und Herren!

Die Kriterien für Großinvestitionen sind eben so, dass wir sagen, wir wollen Kosten-Nutzen-Analysen, wir wollen betriebswirtschaftliche Rechnungen, sonst findet diese Großinvestition nicht statt. Das sind Kriterien, die wir uns selbst gegeben haben, und wir fordern für diese Investition nur die Anwendung der von uns selbst gegebenen Kriterien. Wir wollen also Augenmaß, was die Finanzen angeht. Ich habe es deutlich gemacht, dass es eigentlich sinnlos ist.

Der neue Geschäftsführer der Wilhelmshavener Entwicklungsgesellschaft, Herr Werner, hat gesagt, er tritt dafür ein, er sorgt dafür, dass Wilhelmshaven bereits 2008 in Betrieb geht. 2006 geht CT IV in Betrieb, zwei Jahre später, also 2008 bereits ein neuer großer Hafen mit riesigen Kapazitäten, 24 Liegeplätzen. Das muss man sich einmal vorstellen, das ist eine Verdoppelung der bisher bestehenden Liegeplätze! Wir meinen, man muss doch überlegen, ob diese parallele Investition wirklich betriebs- und volkswirtschaftlich einen Sinn macht.

Wir legen als Kriterium Wertschöpfung in den Häfen an. Wenn die Wertschöpfung hoch ist in den bremischen Häfen und in Bremerhaven, dann ist das doch gut, und wir würden das unterstützen. Aber schauen Sie sich die Lokoquote in Bremerhaven an, meine Damen und Herren! Die beträgt roundabout acht Prozent, in Hamburg 40 Prozent! Wenn Sie nur den Containerumschlag nehmen, beträgt die Lokoquote in den Häfen in Bremerhaven ein Prozent bis unter einem Prozent. Das ist zu vernachlässigen, da kann man doch nicht mehr von Wertschöpfung sprechen, meine Damen und Herren. Wir meinen, Sie

sollten alles tun, wenn Sie schon genug Geld haben, um in die Häfen zu investieren, die Lokoquote zu erhöhen. Das muss doch Ihr politisches Ziel sein, um die Existenzfähigkeit der Häfen in Bremerhaven zu sichern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb habe ich den Ausbau der Kaiserschleuse angesprochen, weil wir meinen, das wäre eine sinnvolle Investition, um den Betrieb der Häfen zu gewährleisten. Ohne ideologisch auf den Autoverkehr jetzt eingehen zu wollen, ist es eine Infrastrukturmaßnahme, die für die bremischen Häfen eigentlich sinnvoll wäre.

Wie ist es denn mit der Forderung, die Sie selbst erhoben haben, das Carl-Schurz-Gelände zu einem Logistikzentrum auszubauen, um die Lokoquote zu erhöhen? Null, Null Komma Null! Noch nicht einmal ein KLV-Terminal, lange in der Planung, vom ISL vorgeschlagen, lange durchgerechnet, betriebswirtschaftlich wahrscheinlich sinnvoll! Wo ist das KLVTerminal, meine Damen und Herren? Wo ist das Lebensmittelexportzentrum, das das ISL zur Erhöhung der Lokoquote für das Carl-Schurz-Gelände angesprochen hat? Auch hier werden diese Vorschläge nicht in die Realität umgesetzt, das heißt, Ihre politischen Aktivitäten begrenzen sich eben nur darauf, Infrastruktur in Milliardenhöhe zu gewährleisten, aber die Bestandssicherung, die Lokoquote in den Häfen eben kaum zu erhöhen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das betrifft auch den Tourismusbereich. Alle Gutachten, die uns vorliegen, auch die neuen der Arbeitnehmerkammer, sagen, wenn man Bremerhaven zu einem touristischen Standort entwickeln will, dann bitte doch nicht nur im alten und neuen Hafen, darüber kann man ja auch noch strittig diskutieren. Der Hafen selbst, sozusagen das aktive Umschlagsgeschehen, ist ein touristisches Highlight per se.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das muss man für die touristische Entwicklung öffnen, das hat Zukunft. Natürlich kollidiert das ein bisschen mit den Sicherheitsinteressen der US-Amerikaner, jetzt gerade durch den Konflikt im Irak sind die da sehr sensibel geworden, aber ich meine, der Hafen in Bremerhaven darf nicht zu einem Hochsicherheitstrakt werden, sondern muss auch für touristische Attraktionen geöffnet werden.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Günthner?

Ja, natürlich!

Bitte, Herr Abgeordneter Günthner!

Herr Kollege Schramm, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es relativ konkrete Überlegungen gibt, wie der Hafen touristisch erschlossen werden soll und für Tourismus genutzt werden soll?

Ich lese nur die Antwort des Senats. Darüber kann ich wenig erfahren, und darüber diskutieren wir hier.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Danach ist auch nicht gefragt worden!)

Doch, wir diskutieren über die Antwort des Senats zur Hafenentwicklungsstruktur der Zukunft. Da habe ich über touristische Entwicklungen bisher noch nichts gesehen, und ich kenne auch keine größeren Anstrengungen, kein Gesamtkonzept, weder regional noch überregional bekannt, welches geeignet wäre, eine Öffnung der Häfen für Touristen vorzustellen. Das können Sie gern hier noch einmal darlegen, wäre ich sehr interessiert zu erfahren.

Bisher ist in den Ausschüssen, aber auch in den Medien sehr wenig darüber berichtet worden, welches Konzept eigentlich das touristische Standortmarketing in Bremerhaven betreibt, die Häfen wirklich für Tourismus zu öffnen. Das würde wirklich die Bayern und die Baden-Württemberger interessieren, die sich den Hafen einmal von innen anschauen wollen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Glocke)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Günthner?

Ja!

Bitte, Herr Kollege Günthner!

Sind Sie dann bereit, zur Kenntnis zu nehmen, Herr Schramm, dass die Frage der touristischen Erschließung des Hafens nicht Thema der Großen Anfrage zur Hafenstruktur war?

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Gehört aber doch wohl dazu!)

Für mich ist die touristische Öffnung der Häfen sozusagen eine Säule dafür, dass der Hafen existentiell gesichert wird,

dass die Funktionsfähigkeit der Häfen gesichert wird, dass das Image der Stadt gesichert wird, dass dadurch Touristenströme in die Stadt kommen, Einkommen produziert wird, Steuerkraft produziert wird und so weiter.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Wie viele zu- sätzliche Container kommen denn dadurch?)

Von daher sind Tourismus und Hafenumschlag für mich keine Gegensätze, sondern ein Strukturelement moderner Hafenpolitik und gehören für mich normalerweise auch in die Antwort des Senats hinein. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wenn es nach euch geht, findet da doch gar nichts mehr statt! – Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grü- nen)

Als nächster Redner erhält das Wort Herr Senator Hattig.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin für die Große Anfrage dankbar. Sie erlaubt den resümierenden Blick, und selbiger verdeutlicht die Standortbestimmung und ist auch hilfreich für die Frage nach der Perspektive.

Bremen, hier auch natürlich Synonym für Bremerhaven, ist eine Hafenstadt. Nicht nur, aber vor allem die wirtschaftlichen Fakten und auch das mit einer solchen Hafenstadt verbundene Ansehen belegen diese Feststellung eindeutig. Rund 80 000 Arbeitsplätze, das ist gesagt worden, nicht nur bremisch, sondern auch niedersächsisch, die Logistikschwerpunkte, die wir heute mit einem Hafen verbinden müssen, all das belegt, wie wichtig der Hafen als Impulsgeber für die Wirtschaft der Freien Hansestadt Bremen, für das Land ist.

Lassen Sie mich einen Blick auf die Fakten werfen, das ist immer ganz hilfreich! Wir haben den CT III a ausgebaut, Kosten 95 Millionen Euro, eine zusätzliche Liegeplatzeröffnung im Herbst 2003. Wir haben den CT IV geplant und auf den Weg gebracht, Kosten rund 500 Millionen Euro, vier weitere Liegeplätze, 1700 Meter Verlängerung der Kaje, Fertigstellung ist für 2007 geplant. Das Planfeststellungsverfahren ist eingeleitet. Wir liegen mit dem Projekt im Zeitplan.

Wir haben die Schleusen ausgebaut, Oslebshauser Schleuse in Bremen und Fischereihafenschleuse in Bremerhaven. Wir haben die Außenweservertiefung auf den Weg gebracht, geplant ist eine Vertiefung auf 15,5 Meter, damit werden größere Schiffe Bremerhaven anlaufen können. Jedermann, der weiß, wie delikat solche Probleme auch politisch sind, weiß, dieses positive Auf-den-Weg-Bringen angemessen

einzuordnen. Wir haben uns mit Wilhelmshaven strategisch geöffnet. Das ist so häufig hier diskutiert worden, dass ich des Längeren und Breiteren darauf nicht mehr eingehen muss.

Aber, Herr Schramm, eines darf ich Sie doch fragen: Wollen wir denn in Bremen alle Aussagen über den Containerverkehr auf den Kopf stellen und sagen, das wollen wir alles nicht, wir machen jetzt etwas ganz anderes, wir bemühen uns jetzt um die Lokoquote, was wir auch tun, was aber ganz andere generelle wirtschaftliche Ursachen hat und in diesem Kontext nicht ursächlich erwähnt werden kann? Lassen Sie es uns ganz freundlich betrachten: Wenn wir uns die Zahlen der letzten Jahre ansehen, so waren die Wachstumsraten immer überproportional, also höher als geplant.

Wenn wir uns die weitere Gesamtentwicklung ansehen, lassen wir einmal Ausbuchtungen der wirtschaftlichen Konjunktur, der globalen Entwicklung außen vor, dann wissen wir, dass die Häfen weiter wachsen werden. Wir wissen aus diesen gutachterlichen Betrachtungen, selbst wenn man die dort festgesetzten Planzahlen abschmelzt und etwa auf vier bis fünf Prozent eingeht, dass in absehbarer Zeit, sagen wir, in zehn bis 15 Jahren, alle Häfen Deutschlands darauf keine Antwort mehr geben können. Das ist der strategische Ausgangspunkt für Wilhelmshaven. Wenn wir in Bremen da mitmachen, nicht nur mit Prosa, mit schönen Worten, sondern auch handfest, existentiell, also mit Geld, dann macht das Sinn und gibt eine längerfristige Perspektive.

Insgesamt hat diese große Koalition Enormes in den vier Jahren geleistet, um eine Hauptschlagader Bremens, nämlich die Häfen, als solche zu erhalten. Das ist aus meiner Sicht eine sehr nüchterne Feststellung. Im Gegensatz zu Ihnen finde ich solche Erfolgsmeldungen durchaus erfreulich, aber vielleicht liegt es auch an der politischen Gentechnik, dass Sie dagegen sind.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn wir uns dann einmal nach innen wenden, dann darf man sagen, dass wir Wirtschaft und Häfen zusammengelegt haben. Wer weiß, dass, wenn Unternehmen sich verbinden, die Wettbewerber sich die Hände reiben und sagen, Gott sei Dank, die sind jetzt erst einmal fünf Jahre beschäftigt, kann durchaus aufnehmen, dass hier eine Lösung gefunden worden ist, die ohne großes Ächzen und Stöhnen relativ schnell wirksam geworden ist. Wenn Sie wollen, können Sie ja dem Hafensenator Beifall klatschen. Wenn nicht, dann bleibt es gleichwohl ein Faktum, das ich nüchtern feststelle.

Wir haben die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft weiter unternehmerisch gewichtet. Erlauben Sie mir, das zu sagen, ohne es weiter zu vertiefen, dass dieses Unternehmen heute ausschließlich unternehmerisch geführt wird! Das ist auch gut so, denn es muss zur

Impulsqualität der bremischen Häfen den entscheidenden Beitrag leisten, und Steuergelder, die von Unternehmen kommen, sind uns immer lieber als Subventionen, die wir im Grunde selbst finanzieren. Auch da, denke ich, sind wir einer Meinung.

Wir haben die bremischen Häfen privatisiert, um präziser zu sein, wir haben sie in eine private Rechtsform gebracht. Das erlaubt, etwa heute in Wilhelmshaven uns auch finanziell zu engagieren. Ich glaube, auch das muss nicht weiter ausgeführt werden. All solche Dinge und solche Maßnahmen sind kein Selbstzweck, sondern dienen dem Bemühen, in einer globalen Wirtschaft in den Märkten effizienter und besser arbeiten zu können. Ich glaube, ich darf es bei dieser Feststellung belassen, dass wir da auf einem guten Weg sind. Wir bemühen uns auch, soweit das in unseren Möglichkeiten liegt, den Verkehr von der Straße auf Wasser und Schiene zu verlagern. Ich darf als Stichwort Short-Sea-ShippingPromotioncenter erwähnen. All das sind Dinge, die rundum belegen, wie sehr wir uns bemühen, strategische und unmittelbar wirtschaftliche Maßnahmen einigermaßen zu harmonisieren.

Wenn man sich die Entwicklung der bremischen Häfen ansieht, dann haben sie mit 46,6 Millionen Tonnen im abgelaufenen Jahr eine Rekordhöhe erreicht. Im weltweiten Ranking, und da gibt es ja ein paar Häfen, sind sie vom fünfzehnten vorgerückt auf den dreizehnten Platz. Beim Auto sind wir trotz Zeebrügge für Europa immer noch der größte Hafenumschlagplatz. Wenn ich das sage, dann ist das kein defätistischer Hinweis, sondern wir tun alles, um das so zu erhalten, wie es ist. Mit rund 1,4 Millionen Fahrzeugen liegen wir an der Spitze. Soweit einmal das nüchterne Resümee!

Was bleibt denn noch zu tun? Auch das ist immer wieder eine Frage, die man bei allen Erfolgen, die wir vorzuzeigen haben, nicht durch Selbstgefälligkeit verhindern darf, sondern stellen muss. Da ist zunächst zu sagen, dass wir einen Masterplan für den Autohafen erarbeiten, dass wir den Investitionsbedarf für die Kaiserschleuse feststellen und dann dafür sorgen müssen, dass zusätzliche Liegeplätze für Autocarrier im Bereich des Osthafens bewirkt werden, dass die Kaiserschleuse renoviert wird, vielleicht sogar ganz neu erstellt werden muss. Ich kann Ihnen aus einer persönlichen Diskussion mit BMW sagen, da wartet die deutsche Wirtschaft auf ein klares Zeichen. Dieses Zeichen sollten wir setzen. Ich bin zuversichtlich, dass das auch in Zukunft so geschehen wird.

Herr Kastendiek, Sie haben zu Recht auf die stadtbremischen Häfen hingewiesen. Bei aller Konzentration auf Bremerhaven, weil sich dort die eigentlichen Hafenimpulse, wie soll ich sagen, wirtschaftlich ausdrücken, dürfen wir die stadtbremischen Häfen nicht vernachlässigen. Sie haben weiter ihren Sinn, und sie haben ihre Perspektive. Auch hier wird ein Masterplan für den Industriehafen erarbeitet, da

mit für die Zukunft das Notwendige und das Investive so in den Kontext gebracht werden können, dass wir möglichst auf die Mark genau richtig investieren.

Das neue Hochregallager von Tchibo ist eine weitere Ergänzung der wirtschaftlichen Qualität des Neustädter Hafens, den ich mir natürlich auch wesentlich effizienter wünschen würde. Wenn ich mir aber überlege, dass er vor 40 Jahren investiv angegangen wurde, dann kann man eben heute nicht mit kleiner Münze solche Rechnungen anstellen, sondern man muss sich eben bemühen, hier zusätzliche Wertschöpfung zu etablieren. Das ist mit Tchibo, wie ich glaube, vorzüglich gelungen.