Protocol of the Session on November 13, 2002

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die zweite Frage ist die europäische Dimension in der Gesellschaft. Als wir hier über die Städtepartnerschaften diskutiert haben, habe ich die Auffassung dargelegt, dass sich Bremen als europäische Stadt darstellen sollte, wenn die Stadt in den entstehenden kulturellen, ökonomischen und wissenschaftlichen Netzwerken eine Rolle spielen will. Wir haben festgehalten, dass es Aufgabe der Politik ist, diese Netzwerke, die es zum Teil gibt, die sich entwickeln, zusammenzuführen. Das zeigt sich in der Tat gerade bei der europäischen Dimension.

Wir sind der Auffassung, dass die kommende Landesregierung – das wird man jetzt auch sinnvollerweise nicht mehr schaffen – sich die Aufgabe stellen muss, den europapolitischen Akteuren der Gesellschaft, die ja auch für die Kommission und für den Rat genauso wichtig werden wie die Verwaltung, durch Vernetzung untereinander und mit der Verwaltung mehr Spielraum, mehr Gewicht zu ermöglichen, meine Damen und Herren. Unter der politischen Leitlinie, Bremen als Stadt europäischer Offenheit und europäischer Initiativen einen guten Namen zu machen. Dafür muss die Politik sich auf eine europataugliche Verwaltung verlassen können. Insofern hat die Anfrage dann auch noch einen guten Zweck gehabt. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Staatsrätin Dr. Kießler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herzlichen Dank für diese Debatte, das war ja ein große Ermutigung für unsere Arbeit! Ich finde auch, dass wir gut aufgestellt sind, aber natürlich können wir noch besser werden. Wir haben hier eine Reihe von Vorschlägen gemacht, wofür wir in der Tat die Unterstützung des gesamten Senats brauchen. Wir müssen immer nach innen und nach außen wirken. Wir bringen Informa

tionen, wir bringen Anregungen in die gesamte Verwaltung hinein, wir brauchen aber auch die Impulse von innen, damit wir gezielt arbeiten und unsere in der Tat außerordentlich knappen Ressourcen auch sinnvoll einsetzen können. Ich glaube schon, dass wir durch diese Maßnahmen, jetzt zum Beispiel durch diese Veranstaltung mit den Staatsräten in Brüssel, alle begriffen haben, dass uns Europa viel näher und für alle drei Ebenen des Staates sehr viel wichtiger ist, als es uns manchmal im Alltag vorkommt. Insofern bin ich froh, dass wir heute das Thema noch einmal diskutieren können, wie wir uns noch besser aufstellen, um dem in der Tat wachsenden Einfluss Europas besser standzuhalten.

Die Bedeutung der EU für die Länder und auch natürlich für Bremen wächst. Lassen Sie uns auch hier politisch den Blick nicht verengen! EU ist mehr als ein Gesetzgeber und vor allen Dingen mehr als ein willkommenes Förderinstrument und ein Geldgeber. Die EU ist vor allem ein Impulsgeber für politische Prozesse. Sie ist ein Wirtschafts-, und sie ist jetzt ein Währungsraum. Erst recht mit der Erweiterung ab 2004 steigen die Chancen, aber, wie wir alle wissen, auch die Herausforderungen für Bremen und Bremerhaven, für die regionale Wirtschaft ebenso wie für den Arbeitsmarkt und wie für unsere Forschungslandschaft.

Die Reform der EU im Rahmen des europäischen Verfassungskonvents wird, so wie es sich jetzt schon sehr deutlich abzeichnet, weitreichende Auswirkungen auf die künftige Stellung der europäischen Regionen, aber auch und vor allem auf die Gestaltungsspielräume der Länder im föderalen Gefüge haben. Die darin liegenden Herausforderungen für Bremen gilt es zu erkennen und, wo es geht, entschieden zu nutzen. Dafür kommt es natürlich darauf an, die öffentliche Verwaltung kontinuierlich für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zu rüsten und die, wie bereits erwähnt, gute und schon erreichte Stellung der Freien Hansestadt Bremen im europäischen Zusammenhang zu sichern und, wenn es geht, auszubauen. Die Antwort des Senats nimmt dazu ausführlich Stellung, und ich meine, es sind nicht nur Absichtserklärungen. Wir zeigen ganz deutlich, was wir schon begonnen haben und im Rahmen unserer Möglichkeiten auch täglich anpacken.

Lassen Sie mich noch einmal einige allgemeine Feststellungen treffen und einen Ausblick geben: Die Europakompetenz der bremischen Verwaltung ruht auf zwei Pfeilern, zum einen auf der fachspezifischen Kompetenz in den Ressorts und zum anderen auf der Querschnitts- und Bündelungskompetenz in der EUAbteilung meines Ressorts. Nur durch eine effektive Verknüpfung dieser beiden Pfeiler, eben nicht nur in solchen feierlichen Reden, sondern in der täglichen Arbeit, kann eine optimale Zielerreichung der EU-bezogenen Aufgaben gewährleistet werden. Da gibt es aus unserer Sicht noch einen großen Bedarf, die Ressorts in die Lage zu versetzen, die von der

EU-Abteilung mit der spezifisch europäischen Brille wahrgenommenen und übermittelten Informationen und Anregungen fachspezifisch umzusetzen.

Wenn umgekehrt die EU-Abteilung auch nicht nur die Brüssel-Perspektive hat, sondern die Vertretungen in Brüssel und auch in Berlin – ich beziehe die Berliner Referentin da eindeutig mit ein – imstande sind, die Aufträge aus den Ressorts zielgerichtet wahrzunehmen, kann unsere Arbeit erfolgreich sein und den erwarteten Nutzen für unser Land bringen. Für beide Bereiche sind die Fundamente gelegt, Sie haben es alle erwähnt. Alle Fachressorts haben inzwischen EU-Referenten, die die ressortspezifischen Aufgaben nach innen und uns gegenüber, meinem Ressort gegenüber koordinieren.

Die EU-Abteilung, das wurde auch erwähnt, wurde mit Beginn der laufenden Legislaturperiode auf die Grundlage gestellt, Europa aus einer Hand zu bieten. Das hat sich so bewährt. Es wurde schon gesagt, dass andere Länder das nachmachen oder versuchen, sich entsprechend umzuorganisieren. Der ständige Arbeitskreis der EU-Referenten, der monatlich unter Vorsitz der EU-Abteilung tagt, stellt den kontinuierlichen Informationsaustausch und die Abstimmung beider Ebenen sicher. Bremens immer noch überdurchschnittlicher Anteil an europäischen Fördermitteln, seine aktive Rolle in der europapolitischen Diskussion in Brüssel, aber auch mit dem Bund, die Stellung der Repräsentanz in der europäischen Hauptstadt Brüssel belegen den Erfolg dieses vom Senat zu Anfang der Legislaturperiode eingeschlagenen Weges.

Natürlich verkennen wir nicht den weiteren Handlungsbedarf angesichts der quantitativ und qualitativ ständig steigenden Anforderungen. Die Zahl der Rechtsakte, ich glaube, sie ist noch wesentlich höher, als erwähnt wurde, steigt weiter. Es steht bevor eine Änderung der europäischen Förderungsinstrumente ab 2007, und wir erwarten weitere, noch nicht absehbare Folgen der Erweiterung ab 2004, mit denen wir umgehen müssen, auf die wir uns einstellen müssen.

In der Antwort des Senats werden die Maßnahmen zur Stärkung der Europafähigkeit der bremischen Verwaltung, so wie wir sie mit den Staatsräten im Oktober in Brüssel diskutiert und abgestimmt haben, dargestellt. Lassen Sie mich noch einmal die wichtigsten Maßnahmen hervorheben!

Wir wollen das Frühwarnsystem zur rechtzeitigen Identifizierung von für Bremen relevanten Gesetzesvorhaben optimieren. Hier wird die Landesvertretung in Brüssel auch noch enger als bisher mit der Landesvertretung in Berlin zusammenarbeiten, denn Brüssel ist inzwischen als Gesetzgebungsquelle eine fast noch wichtigere Rechtsquelle als die nationale Gesetzgebung, und da gilt es, sehr frühzeitig aufzupassen, wo etwas Relevantes ist, und sich nicht zu verzetteln mit einer breitflächigen Wahrnehmung aller Aufgabenbereiche.

Wir werden die verwaltungsinternen Informationsströme überprüfen, erforderlichenfalls verbessern und ergänzen und, wo es zuviel ist – denn das ist auch oft eine Klage, ihr überschüttet uns mit Informationen, Europa-Drucksachen sind nicht lesbar –, von uns aus kondensieren und besser verständlich anbieten.

Ganz wesentlich ist eine gezieltere und noch besser abgestimmte Nutzung einschlägiger europäischer Förderinstrumente. Die Ressorts, die davon am meisten betroffen sind, sind allerdings auch schon sehr gut darauf eingestellt. Besonderer Wert soll auf eine stärkere Präsenz von Landesbediensteten in den EU-Organen durch zeitweilige Entsendungen gelegt werden, und, sofern wir das bezahlen können, nationale Experten. Wir haben uns überlegt, passgenaue Hospitationen zu machen. Die Beamten und Beschäftigten der bremischen Verwaltung sollen einfach ihre Partner in der europäischen Verwaltung kennen lernen. Dazu werden wir dann ein- oder zweiwöchige Abordnungen überlegen, wo wir die Leute wirklich miteinander bekannt machen, damit, um dieses berühmte Kissinger-Wort zu nutzen, Europa eine Telefonnummer auch für Bremen hat.

Wir werden natürlich aus unseren Erfahrungen, wie wir es jetzt schon gemacht haben, auch Hinweise für passgenaue Aus- und Fortbildungsmaßnahmen geben, dass diejenigen, die wirklich mit den Themen zu tun haben, zielgerichtet ausgebildet werden können. Natürlich haben wir uns vorgenommen, und das haben wir auch entsprechend weitergegeben, europabezogene Fach- und Fremdsprachenkenntnisse bei einschlägigen Stellenbesetzungen stärker als bisher zu berücksichtigen; wenn es nach uns ginge, würden wir vorschlagen, das zur Voraussetzung zu machen.

In der Tat müssen wir bei all diesen überaus wünschenswerten Maßnahmen unsere begrenzten Ressourcen im Blick behalten. Ich habe mit großer Freude gehört, dass mir eine breite parlamentarische Unterstützung sicher sein wird, wenn ich zumindest mein Budget halten will, aber ich fürchte, ich werde auch in diesem Bereich einmal mehr Kreativität statt Geld einsetzen können.

Es ist für mich selbstverständlich, dass zu einer solchen Bestandsaufnahme der europäischen Dimension in der Verwaltung der Freien Hansestadt Bremen auch die Zusammenarbeit mit der Bremischen Bürgerschaft gehört. Ich möchte auch an dieser Stelle betonen, dass ich mich weiter bemühen werde, den Ausschuss so umfassend und frühzeitig über unsere Arbeit zu unterrichten und den Ausschuss in den europäischen Informationsfluss einzubeziehen. – Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 15/1286, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis.

Aktuelle Stunde

Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Röwekamp, Rohmeyer, Eckhoff und Fraktion der CDU folgendes Thema beantragt worden:

Religiöse Neutralität auch an den Schulen in Bremen und Bremerhaven.

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass für die heutige Aktuelle Stunde ist, dass seit Montag dieser Woche an einer Grundschule in Bremerhaven sechsbis zehnjährige Kinder von einer muslimischen Lehramtspraktikantin beschult werden, die während des Unterrichts das Tragen ihres Kopftuches aus religiösen Gründen für unverzichtbar hält. Dieses Praktikum, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat eine Vorgeschichte.

Die betreffende Praktikantin ist bereits einmal in einer Bremerhavener Schule als Praktikantin eingesetzt worden, hat dort aber selbst in das Unterrichtsgeschehen nicht eingegriffen, sondern lediglich hospitiert. Nun aber soll sie auch mit Lehrerfunktionen versehen werden. Diese Lehramtspraktikantin hat im Vorfeld in Gesprächen mit der Schulbehörde in Bremerhaven signalisiert, dass sie bereit wäre, auf das Tragen des Kopftuches zu verzichten, während sie den Unterricht erteilt. Nach Einschalten der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung und senatorischer Dienststellen hat sie dann jedoch signalisiert, dass sie zu diesem ursprünglich erklärten Verzicht nicht mehr bereit wäre und nunmehr auf dem Tragen des Kopftuches bestehen würde.

Die Schulverwaltung hat nach einigem Zögern und gegen den Rat des zuständigen Oberschulrates in Bremerhaven den Einsatz dieser Praktikantin genehmigt. Damit verstößt der zuständige SPD-Schulstadtrat Wolfgang Weiß gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit der Kinder und ihrer Eltern und ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

stellt sich gegen ein einschlägiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juli dieses Jahres.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD in Bremen und Bremerhaven verstößt damit aus parteipolitischen Gründen gegen die Neutralitätspflicht von Schulen in religiösen und politischen Angelegenheiten, die in unserer Gesellschaftsordnung ein hohes Gut einnimmt.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau B e r k [SPD])

Da Ihnen zumindest auf dieser Seite offensichtlich die Grundzüge des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, Frau Berk, nicht in allen Punkten bekannt sind, möchte ich sie an einigen Punkten darstellen.

(Zuruf der Abg. Frau B e r k [SPD])

Frau Berk, halten Sie nicht soviel vom Bundesverwaltungsgericht? Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 4. Juli 2002 entschieden,

(Unruhe bei der SPD)

dass selbstverständlich die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig von religiösen Bekenntnissen zu erfolgen hat. Das Tragen eines Kopftuches aus religiösen Gründen fällt daher auch in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit gemäß Artikel 4 Absatz 1 Grundgesetz. Diese Religionsfreiheit findet nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts jedoch dort ihre Grenzen, wo die Grundrechte der Schüler und ihrer Eltern berührt werden. Aus der Glaubensfreiheit folgt eben gerade auch das Gebot der staatlichen Neutralität gegenüber unterschiedlichen Religionen und Bekenntnissen. Der Staat, meine Damen und Herren, muss in Glaubensfragen Neutralität wahren und alles vermeiden, was den religiösen Frieden gefährden kann.

(Beifall bei der CDU)

Wegen der allgemeinen Schulpflicht treffen in den Schulen die unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Schüler und ihrer Eltern sowie der Lehrer aufeinander. Der Staat, der die Eltern verpflichtet, ihre Kinder in die staatliche Schule zu schicken, muss auf die religiösen Interessen der Kinder und ihrer Eltern Rücksicht nehmen. Durch das Tragen eines islamischen Kopftuches werden die Schüler während des Unterrichts von Staats wegen ständig und unausweichlich mit diesem offenkundigen Symbol einer bestimmten Glaubensüberzeugung konfrontiert.

Kinder der Altersgruppe von Grundschulen sind mental besonders leicht zu beeinflussen. Ihnen stel

len sich viele Fragen, in ihren Anschauungen sind sie noch nicht gefestigt, Kritikvermögen und Ausbildung eigener Standpunkte sollen sie erst noch lernen. Zur gegenseitigen Achtung vor der Überzeugung des anderen, zur Duldsamkeit und Toleranz sollen sie erst noch erzogen werden. Die durch das Kopftuch symbolisierte und ständig sinnfällig zum Ausdruck gebrachte Glaubensüberzeugung ihrer Lehrerin mag Kindern auch in diesem Alter durchaus vorbildhaft und befolgungswürdig erscheinen. Das Recht einer Unterrichtsperson, sich nach ihrer religiösen Überzeugung zu verhalten, muss daher während des Schulunterrichts gegenüber der Glaubensfreiheit der Schüler und Eltern zurückstehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie klatschen zu Recht! Ich zitiere nur Kernsätze des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. Es wundert mich nur, dass es nicht die Zustimmung des gesamten Hauses findet!

(Beifall bei der CDU – Abg. B ö h r n s e n [SPD]: Weil es diesen Fall nicht betrifft, Herr Röwekamp!)

Das verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität fordert jedenfalls bei Unterrichtspersonen an Grundund Hauptschulen den Verzicht auf das Tragen eines islamischen Kopftuches im Unterricht, so das Bundesverwaltungsgericht in seinem sorgsam abwägenden und gründlichen Urteil. Ebenso, meine Damen und Herren, wie das Bundesverwaltungsgericht hatten sich bereits der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg und sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden.