Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/1269 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 15/1262, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.
Auf der Besuchertribüne begrüße ich recht herzlich eine Gruppe ver.di-Seniorinnen und -Senioren aus Bremerhaven, eine Gruppe Senioren der IG Metall Bremen-Nord, eine Besuchergruppe der CDUFraktion, Gäste des Ortsvereins und des Bürgervereins Oslebshausen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt mit dem Antrag zur Zukunft der europäischen Strukturfonds vor, dass das Parlament des Landes Bremen politisch Stellung bezieht zu einer ganz wesentlichen Frage zukünftiger europäischer Politik, wesentlich wegen der enormen Finanzmittel, die dort auf europäischer Ebene für Strukturveränderungen ausgegeben werden und von denen auch Bremen erheblich profitiert hat in der Vergangenheit, wesentlich aber auch wegen der integrationspolitischen Zeichen- und Weichenstellungen, die damit verbunden sind. Es geht um die Frage, wie nach 2006, also ab 2007, wenn mit großer Sicherheit wenigstens zehn neue Mitgliedstaaten aufgenommen worden sind, dann die gemeinschaftliche europäische Politik des ökonomischen, sozialen und regionalen Zusammenhalts organisiert und gestaltet werden soll.
Wir wollen mit diesem Antrag zwei Diskussionen weiterführen, zum einen die Diskussion, die wir begonnen haben im Frühjahr dieses Jahres, die Debatte um die Zukunft der Strukturfonds. Damals wurde uns gesagt, das sei alles noch viel zu früh, in Wahrheit wurde natürlich auf Arbeitsebene in allen möglichen Ministerkonferenzen intensiv daran gearbeitet. Außerdem, das verhehle ich nicht, führen wir auch die Debatte um die Kompetenzen der deutschen Landesparlamente weiter, die wir hier in der vergangenen Sitzung geführt haben. Warum? Die Europaminister der Bundesländer haben für die Ministerpräsidentenkonferenz in dieser Woche einen Bericht vorgelegt, der zwei Varianten beschreibt, die man machen könnte, auf Deutsch, man konnte sich nicht einigen. Wir sind der Auffassung, wann eigentlich, wenn nicht jetzt, sollen sich die Landesparlamente mit einem politischen Votum zu Wort melden und unserer Landesregierung sagen, was sie vertreten soll?
Dies wollen wir mit unserem Antrag erreichen, und daher verbinden wir natürlich mit diesem Antrag auch einen Vorschlag in der Sache von unserer Seite. Man mag ja kaum an Zufall glauben, dass gerade jetzt bei dieser Debatte der Senat hier nicht vertreten ist, aber gut!
Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren, zuletzt in der vergangenen Sitzung, verschiedentlich über Kompetenzen geredet, die man, also wir, das Parlament, hier auf Landesebene gern haben möchte. Ich möchte aber an dieser Stelle noch einmal hervorheben, dass Kompetenz nicht nur „dürfen“ bedeutet, dass Kompetenz bekanntlich vor allen Dingen auch „können“ bedeutet. Man muss es
erstens können, und man muss es dann zweitens vor allen Dingen auch tun, sonst nützen uns all die Einforderungen von mehr Kompetenzen überhaupt nichts. Wir machen hier einen Vorschlag, das in diesem konkreten Politikfeld heute zu tun.
Wie gesagt, die Europaminister bieten in ihrem Bericht zwei Möglichkeiten an. Die eine Alternative ist die Abkehr von der bisherigen Strukturpolitik der Union und die Einführung eines so genannten Nettofonds. Das bedeutet, diejenigen Mitgliedstaaten, die heute mehr einzahlen in die Europäische Union, als ihre Regionen aus diesen Strukturfonds wieder zurückbekommen, also die so genannten Nettozahler, sie zahlen diese Differenz, die Nettosumme, in einen Fonds, der dann komplett an die rückständigsten Mitgliedstaaten ausgezahlt wird, die verteilen das dann nach eigenem Gutdünken ohne Mitsprache der europäischen Organe weiter.
Herr Lemke, nehmen Sie ruhig Platz, wenigstens einer, der zuhört! Sie können nichts dafür, aber Sie erhalten jetzt als der Verkehrte die Prügel, ich weiß, tut mir Leid!
Also, die Mittel, die bisher die deutschen Länder bekommen haben, hofft man nach diesem Modell von der Bundesregierung wiederzubekommen. Natürlich ist die Forderung der Länder dann auf ewig und dynamisch und zur freien Verfügung. Nicht nur, meine Damen und Herren, dass ein solcher Ausgleich durch den Bund natürlich in den Sternen steht oder noch weiter weg, dieser Vorschlag setzt die Bedürfnisse der Regionen in Europa zurück zugunsten der Mitgliedstaaten, er zerstört gerade die Wirkung und Erfahrung der bisherigen Strukturpolitik, die gemeinsam war, die von allen finanziert wurde und die für alle, wenn sie denn begründet ihre Notwendigkeiten und Bedürftigkeiten angemeldet haben, offen war.
Das ist ein richtiges Einfallstor für alle möglichen populistischen Reden von Nettozahlern, von „Hungerleidern“. Dieser Vorschlag führt, meine Damen und Herren, die Union nicht zusammen, sondern er teilt sie. Deswegen hat dieser Vorschlag auch nicht die geringste Chance, gegenwärtig eine Mehrheit in der EU zu bekommen, und er brächte nach den Berechnungen der Wirtschaftsministerkonferenz nicht einmal bei günstigsten Voraussetzungen mehr Geld für Länder wie Bremen. Wir Grünen, meine Damen und Herren, lehnen deshalb diesen Vorschlag ab und fordern den Senat auf, dies ebenfalls zu tun. Grüßen Sie Ihren Präsidenten, Herr Lemke, und richten Sie ihm das herzlich aus!
Die andere Alternative, die die Grünen vorschlagen zu gehen, ist die grundsätzliche Beibehaltung und Weiterentwicklung der gegenwärtigen gemeinschaftlichen Politik des Zusammenhalts, die allen Re
gionen der Union in den alten wie in den beitretenden Staaten ein Angebot macht, allen, die in irgendeiner Weise entweder unter struktureller Rückständigkeit leiden, die sich wie Bremen mit Strukturproblemen auseinander setzen müssen und die mit zukunftsträchtigen Maßnahmen die Arbeitslosigkeit bekämpfen und dabei unter anderem auch etwas für die Gleichberechtigung der Frauen tun wollen.
Wir sagen, will man unter den Bedingungen einer größeren Union, ohne die Mittel der Strukturfonds in der Relation zu erhöhen, dieses Konzept weiter machen, dann kann man dies nach unserer Auffassung mit folgender Maßgabe tun, und dies haben wir in unserem Antrag ausführlich dargestellt: Erstens, man sollte das klare Kriterium für die Rückständigkeit von Regionen beibehalten, das heißt dann, dass ein großer Teil der Mittel in die neu aufzunehmenden Staaten fließt. Man sollte den Regionen, die bisher unter die Kategorien fallen, und zur Erinnerung, das sind alle ostdeutschen Länder, eine großzügige Auslaufförderung geben, mindestens für die ganze Förderperiode ab 2007 mit der Möglichkeit einer erneuten Prüfung. Man sollte aber den Regionen der EU wie zum Beispiel Bremen oder Teilen von Bremen, die mit besonderen Problemen der Anpassung konfrontiert sind, das sind Altindustrien, städtische Entwicklungsprobleme, aber auch ländliche Regionen, die damit zu kämpfen haben, die Möglichkeit einer Teilnahme entsprechend dem heutigen so genannten Ziel zwei anbieten.
Wir sollten auch am Europäischen Sozialfonds festhalten, denn wir wissen in Bremen gut, dass mit diesen Geldern vor allem neue, zukunftsweisende Projekte finanziert werden konnten. Wir schlagen vor, das insgesamt zur Verfügung stehende Geld dann in einem bestimmten Schlüssel auf die bisherigen Ziele eins, zwei und drei, die ich eben erläutert habe, zu verteilen.
Meine Damen und Herren, dies alles zusammen genommen bedeutet das Votum für eine europäische Politik des Zusammenhalts, die sich zwar auf die Bedürftigsten konzentriert, die daher den Regionen der alten Union Abschläge in Solidarität abverlangt, aber eben keinen Verzicht, das ist entscheidend. Eine Politik, die die Regionen weiterhin in den Mittelpunkt stellt und nicht die Mitgliedstaaten, kurz, eine Politik des solidarischen Zusammenhalts in Europa! Wir sind der Auffassung, dass es in jeder Hinsicht das wohlverstandene Interesse des Landes Bremen ist, für eine solche Politik des Zusammenhalts einzutreten, gerade jetzt, wenn die Diskussion um die Aufnahme weiterer Mitglieder in die entscheidende Phase geht. Dieses Parlament sollte sich seines Rechtes und auch seiner Pflicht bewusst sein, solche Grundlinien europäischer Politik hier nicht nur zu diskutieren und zu erörtern, sondern dann am Ende auch festzulegen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Erweiterungsprozess der EU befindet sich in diesen Wochen und Monaten in der letzten entscheidenden Phase. Die Empfehlungen der Europäischen Kommission, die sie vor knapp 14 Tagen, am 9. Oktober, in ihrem jährlichen Bericht vorgestellt hat, zielen explizit auf die baldige Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern in die EU. Wir begrüßen diese Entwicklung und sind überzeugt, dass nun, da das Referendum zum Nizza-Vertrag in Irland erfreulich ausgegangen ist und auch die niederländische Regierung sich weiterhin befürwortend geäußert hat, der Erweiterungsprozess in vorgesehener Form eingehalten wird.
Die wachsende Europäische Union und insbesondere die Mitgliedschaft von Staaten, die in ihrem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstand Nachholbedarf haben, bringen erhebliche Konsequenzen für die vorhandenen Ressourcen in der Regional- und Strukturpolitik mit sich. Das wissen wir alle. Meine verehrten Damen und Herren, es ist allen Beteiligten vollkommen klar, dass sich das Fördervolumen der EU-Strukturpolitik in erheblichem Maße auf die Beitrittsländer verlagern wird und dies auch im Sinne der europäischen Solidarität ein unangefochtenes Muss darstellt.
Wir fühlen uns dem Ziel europäischer Strukturpolitik, regionale Disparitäten zu mildern und auf der Basis europäischer Solidarität für die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Gemeinschaft Sorge zu tragen, verpflichtet. So wie etwa die südeuropäischen Regionen in den achtziger Jahren, aber auch die ostdeutschen Länder in den neunziger Jahren aus den vorhandenen Fonds profitiert haben und bis heute profitieren, so steht dies zum Zeitpunkt des Beitritts auch den neuen Mitgliedern zu. Darum ist die Reform des Politikbereichs Strukturförderung unter dem Aspekt finanzieller Rahmenbedingungen zwingend notwendig und befindet sich derzeit in reger Vorbereitung.
Auf Seiten der EU sind die Konsultationen der Kommission im Gang, und unsere Fachministerkonferenzen haben bereits über ihre Interessenvertretung gegenüber Bund und EU beraten. In dieser Woche werden die Ministerpräsidenten der Länder versuchen, sich auf eine Strategie der gemeinsamen Interessenvertretung zu verständigen. Auf EU-Seite avisiert die Kommission, im Januar 2003 ein Konzept zur Reform der Strukturfonds auf den Tisch zu legen.
erheblich reduziertes Strukturfördervolumen einrichten. Die Freie Hansestadt Bremen war in der Vergangenheit nicht nur aktiv, sondern auch überdurchschnittlich erfolgreich im Akquirieren europäischer Strukturfördermittel. Bremen und Bremerhaven konnten in den Jahren 2000 und 2001 von einer Gesamtsumme von etwa 30,6 Millionen Euro profitieren und diese dem Strukturwandel in unserer Region zukommen lassen. Selbstverständlich liegt es im bremischen Interesse, die notwendigen Förderungen, die unserer Region zugute gekommen sind, nicht einfach abreißen zu lassen. Selbstverständlich müssen wir uns daher auch um die Reformdebatte und eine angemessene Vertretung bremischer Interessen hierbei kümmern. Wir müssen sicherstellen, dass der Strukturwandel, der selbstredend eine angemessene finanzielle Basis braucht, weiter gestützt werden kann.
Gerade daher aber lehnen wir es ab, die Position Bremens durch eine verfrühte Festlegung in der Debatte um die zwei Optionen, die im Kontext zukünftiger Strukturpolitik geführt wird, zu schwächen. Nur im Verbund mit den anderen deutschen Bundesländern können wir unsere Interessen zunächst gegenüber dem Bund, aber auch auf der Europaebene wirksam zum Ausdruck bringen. Die Europaministerkonferenz hat sich im September dieses Jahres auf Orientierungspunkte verständigt, die die Entscheidung zwischen den zwei Varianten Fortführung einer EU-Strukturpolitik nach entsprechender Reform auf der einen und dem Systemwechsel zum Nettofondsmodell auf der anderen Seite offen lässt.
Wir haben die Situation, dass unter den deutschen Ländern unterschiedliche Interessenlagen vorherrschen. Wir Bremer als Ziel-zwei-Förderempfänger sollten nicht aus der Gruppe der Ziel-zwei-Länder ausscheren, die, bei allem berechtigten Zweifel gegenüber der Vorteilhaftigkeit des Nettofondsmodells, zunächst die Option offen halten wollen. Es ist richtig, dass es Prognosen gibt, die die Vorteilhaftigkeit einer Fortführung des Systems europäischer Strukturpolitik in einem reformierten Rahmen für Bremen für wahrscheinlich halten. Nebenbei, die Mehrheitsfähigkeit eines Nettofondsmodells in der EU darf angezweifelt werden.
Meine verehrten Damen und Herren, eine tatsächliche Bewertung des Nettofondsansatzes, die nun einmal die Voraussetzung für eine ablehnende Haltung gegenüber diesem Modell ist, ist abhängig von der Bereitschaft der Bundesregierung, einen in dieser Variante vorgesehenen Wegfall europäischer Strukturfördermittel durch nationale Instrumente zu kompensieren. Solange wir dazu keine definitive Aussage haben, möchten wir uns keiner Option gegenüber verschließen, wie es der werte Kollege Dr. Kuhn gern hätte und mit dem vorliegenden Antrag anstrebt.
Lassen Sie es mich salopp formulieren: Der Jäger schießt doch auch erst auf den Hasen, wenn er seine Konturen klar erkennen kann!